Zusammenfassung
Problemstellung: Sichere präoperative Beurteilung der vestibulären Kompensationsleistung ist für die
Indikation zu labyrinthchirurgischen Eingriffen unerläßlich. Die Beurteilung der Einsatzfähigkeit
und Abschätzung der Arbeitsfähigkeit bei Schwindelpatienten erfordert von jedem HNO-Arzt
definitive Festlegungen. Aus Voruntersuchungen ist die Frequenzabhängigkeit der vestibulären
Kompensationsleistung bekannt. Für klinische und otochirurgische wie auch für gutachterliche
Fragen findet die frequenzselektive Untersuchung im deutschsprachigen Raum keine Verbreitung.
Frequenzspektren für typische, täglich auftretende Bewegungsmuster beim Menschen liegen
bislang nicht vor. Eine Abschätzung der Vestibularfunktion in bezug auf den wahrgenommenen
Frequenzbereich ist daher bislang nicht Bestandteil von Routinediagnostik-Prozeduren.
Methodik: Analog zu bekannten und im deutschsprachigen Raum akzeptierten Schweregraden vestibulären
Schwindels wurden die EDV-Anamnesedaten von 233 Patienten auf die häufigsten schwindelprovozierenden
Situationen hin untersucht. Mit 20 Freiwilligen unterschiedlichen Alters (20-60 Jahre)
wurden fünf verschiedene alltägliche Bewegungsmuster nachgestellt. Es wurde mit Linear-
und Drehbeschleunigungssensoren das Frequenzspektrum der jeweiligen Beschleunigungen
aufgezeichnet und analysiert. Ergebnisse: Das Maximum der Stimulationsfrequenzen des Labyrinths variiert in Abhängigkeit vom
Bewegungsmuster zwischen 0,01 und 2 Hz. Der überwiegende Anteil der Patienten mit
chronischem Schwindel weist einen reduzierten vestibulookulären Reflex (VOR) im Frequenzbereich
< 0,1 Hz auf. Eine Altersabhängigkeit der betroffenen Frequenzbereiche fand sich nicht.
In allen Fällen objektivierbarer Funktionsdefizite korrelierten die Beschwerden in
jeweiligen Belastungssituationen mit dem betroffenen Frequenzbereich des VOR. Diskussion: Die frequenzselektive Drehpendelprüfung muß mit einem breiten Frequenzspektrum von
0,01 bis 0,16 Hz durchgeführt werden. Sie läßt eine Objektivierung der vestibulären
Belastungsgrenze zu. Sie ist damit unverzichtbare Hilfe in der klinischen präoperativen
Diagnostik, in der postoperativen Qualitätskontrolle sowie in der gutachterlichen
Beurteilung chronischer Schwindelbeschwerden.
Summary
Problem: Reliable evaluation of vestibular compensation in indispensable to determine whether
labyrinth surgery or vestibular neurectomy is indicated. It is also important for
postoperative follow-up. Vestibular compensation can manifest itself differently in
distinct frequency ranges. Method: Twenty volunteers were examined in five distinct situations of daily vestibular stimulation.
Measurement of angular and linear head acceleration was performed using accelerometers
fixed on the volunteers head. A 200 Hz AD fed data toa PC database. FFT was used for
data analysis. Results Stimulus frequency of the vestibular system varies between 0.01 and 2 Hz. Most of
the patients suffering from vestibular lesions showed a reduced vestibulo ocular reflex
(VOR) below 0.1 Hz. In all cases of unilateral vestibular function loss, there was
a correlation between the symptoms during movement and the corresponding frequency
range of the distinct motion pattern. Rotatory vestibular pendular testing was used
to document vestibular disorders in patients who had normal findings in routine vestibular
testing. Discussion: Clinical use of rotatory vestibular pendular testing results must be performed using
broad stimulus frequency spectra (0.01 -0.06 Hz). This method must be used in preoperative
examination before labyrinth surgery as well as in estimating individual tolerance
for vestibular stimulation in daily situations.
Schlüsselwörter
Frequenzselektive Drehpendelprüfung - Vestibuläre Kompensation - Vestibulookulärer
Reflex - Frequenzspektrum
Key words
Rotatory vestibular pendular testing - Vestibular compensation - Vestibulo ocular
reflex - Frequency spectra