Geburtshilfe Frauenheilkd 1988; 48(7): 469-478
DOI: 10.1055/s-2008-1026522
Originalarbeiten

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Genitale Infektionen und Schwangerschaftsverlauf: Eine prospektive Studie

Genital Infections and the Progress of Pregnancy: Investigational StudyF. Fischbach, M. Kolben, R. Thurmayr1 , R. Hafter, E. Sedlaczek, M. Zieglmeier, G. Preisl, J. Weindler2 , H. Graeff3
  • Frauenklinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. H. Graeff)
  • 1Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie (Direktor: Prof. Dr. H.-J. Lange)
  • 2mit Abteilung für Infektionshygiene (Abteilungsleiter: Prof. Dr. I. Braveny) und
  • 3mit Abteilung für Virologie (Abteilungsleiter: Prof. Dr. H. Meier-Ewert) der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar
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Publication Date:
17 June 2008 (online)

Zusammenfassung

Die vorliegende prospektive Studie untersucht den Zusammenhang zwischen genitalen Infektionen, patho-biochemischen Befunden sowie demographischen Daten und vorzeitigen Wehen, vorzeitigem Blasensprung sowie Frühgeburt. Zusätzlich wurde geprüft, ob anhand der genannten Parameter eine Vorhersagbarkeit von Amnioninfektionssyndrom (AIS), puerperalen und neonatalen Infektionen möglich ist.

In die vom Juli 1985 bis Juni 1986 durchgeführte Studie gingen insgesamt 301 Patientinnen ein. 147 Patientinnen wurden in einer Längsschnittuntersuchung während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett prospektiv beobachtet (Longitudinal-Gruppe). Patientinnen einer zweiten Gruppe kamen erst bei Geburtsbeginn über den Kreißsaal in unsere Klinik und wurden von diesem Zeitpunkt an von uns betreut (Peripartal-Gruppe). Die Inzidenz vorzeitiger Wehentätigkeit betrug ebenso wie die eines vorzeitigen Blasensprunges 26%. Frühgeburtlichkeit wurde bei 11,4%, ein AIS bei 5,5% der Patientinnen beobachtet. Die Inzidenz puerperaler Infektionen betrug 7,6%, die neonataler Infektionen 3%. Schwangere mit einer genitalen Mykoplasmen-Kolonisation hatten signifikant häufiger einen vorzeitigen Blasensprung (relatives Risiko 2,2), eine Frühgeburt (relatives Risiko 3,9) und ihre Neugeborenen eine Infektion (relatives Risiko 6,9). Bei Frauen mit Ureaplasmen-Infektion während der Schwangerschaft oder zum Zeitpunkt der Geburt traten signifikant häufiger ein AIS, eine Frühgeburt oder eine puerperale Infektion auf. B-Streptokokken wurden statistisch signifikant häufiger in der Schwangerschaft bei Frauen mit Frühgeburtlichkeit (relatives Risiko 2,8) und Wochenbettin-fektion (relatives Risiko 4,0) sowie zum Zeitpunkt der Geburt bei Frauen mit nachfolgender puerperaler Infektion nachgewiesen. Eine Aminkolpitis wurde signifikant häufiger bei Frühgeburtlichkeit (relatives Risiko 5,6) und Wochenbettin-fektionen gefunden. Weiter wurde belogt, daß fehlende höhere Schulbildung der Fltern signifikant häufiger mit vorzeitiger Wehentätigkeit der Schwangeren einherging. Ein vorzeitiger Blasensprung wurde häufiger bei ledigen Frauen, bei Frauen ohne Abitur und bei Frauen mit mehr als einem Sexualkontakt pro Woche in den letzten vier Schwangerschaftswochen beobachtet. Weitere Risikofaktoren für vorzeitige Wehen waren eine Zerklage und Konisation in einer früheren Schwangerschaft, für einen vorzeitigem Blasensprung das Alter der Mutter und ein vorzeitiger Blasensprung in einer früheren Schwangerschaft. Frauen mit Aminkolpitis, Soorkolpitis oder Trichomonaden-Infektion in der Schwangerschaft oder zur Geburt hatten häufiger vorzeitige; Wehen und Wochenbettinfektionen. Fine Erhöhung der Fibrinogen-Konzentration im mütterlichen Plasma bei vorzeitigem Blasensprung trat entsprechend dem Verhalten eines Akutpha-senproteins erst 48 Stunden post partum auf. Die Konzentration der PMN-Granulozyten-Flastase im mütterlichen Plasma zum Zeitpunkt der Geburt und 24 Stunden posl partum zeigte eine signifikante Erhöhung bei Patientinnen, die im weiteren Verlauf eine Wochenbettinfektion aufwiesen. Der positiv prädiktive Wert betrug 26%, der negativ prädiktive Wert 94,7%, die Trefferrate war insgesamt 83,1%. Bei 6 von 7 Müttern, deren Neugeborene an einer neonatalen Infektion erkrankten, war die PMN-Granulozyten-Elastasekonzentration im Plasma ebenfalls zum Zeitpunkt der Geburt und 24 Stunden post partum im Vergleich zu Müttern gesunder Neugeborener signifikant erhöht. Die Annahme erscheint berechtigt, daß eine klinisch noch nicht in Erscheinung tretende genitale Infektion die Erhöhung der Granulozyten-Elastasewerto im mütterlichen Plasma zum Zeitpunkt der Geburt bewirkt hat. Es ergeben sich somit aus den vorgelegten Daten Ansatzpunkte zu frühzeitiger Behandlung genitaler Infektionen in der Schwangerschaft mit dem Ziel einer Prophylaxe der Frühgeburtlichkeit. Über eine Früherkennung könnte eine Frühtherapie infektiöser peripartaler Komplikationen erfolgen.

Abstract

The reported study investigates the relationship of genital infections, pathobiochemical findings and demographic data to preterm labor, premature rupture of membranes (PROM) and premature delivery. The predictability of chorioamnionitis, puerperal and neonatal infections by these parameters was evaluated concurrently. 301 patients were included in this study between July 1985 and June 1986. 147 of these patients were studied longitudinally during pregnancy, delivery and puerperium (longitudinal group). A second group consisted of 154 women who presented themselves on start of labor to the labor and delivery unit of our Department (peripartal group). The incidence of preterm labor and of PROM was 26%. The incidence of premature delivery, chorioamnionitis, puerperal and neonatal infection was 11.4%, 5.5%, 7.6% and 3% respectively. Cervical colonization with Mycoplasma hominis correlated positively with PROM (relative risk 2.2), premature delivery (3.9) and neonatal infection (6.9). Chorioamnionitis, premature delivery and puerperal infection were also significantly increased in patients with positive vaginal Ureaplasma urealyticum cultures during pregnancy and delivery. Premature delivery (2.8) and puerperal infection (4.0) were associated with a vaginal group B-Streptococci (GBS) colonization during pregnancy, as was a positive GBS culture during delivery associated with puerperal infection. Bacterial vaginosis also correlated positively with premature delivery (5.6) and puerperal infection. Preterm labor correlated negatively with the socioeconomic level, PROM correlated negatively with the marital Status, positively with age, a history of cervical cerclage, conization or PROM during former pregnancies. Sexual intercourse more often than once weekly during the last month of pregnancy was also associated with an increased number of PROM. Gardnerella vaginalis, Candida and Trichomoniasis during pregnancy and delivery were associated with preterm labor and puerperal infections. Levels of maternal plasma fibrinogen concentrations in patients with PROM were elevated 48 hours after delivery in accordance to the characteristics of acute phase proteins. In contrast, the maternal PMN-granulocyte-elastase concentration was significantly elevated at time of delivery and 24 hours thereafter in those patients who developed puerperal infections. The derived positive predictive value was 26%, the negative 94.7%, respectively. The overall accuracy of the prediction was 83.1%. Six out of seven mothers with neonates treated because of neonatal infection showed significantly elevated plasma concentration of PMN-granulocyte-elastase. In our opinion the significant elevation of PMN-granulocyte-elastase concentration was due to a clinically inapparent maternal infection at time of delivery.

The data presented suggest the possible effectiveness of early treatment of genital infections. This may prophylactically prevent (or lower) premature delivery. Earlier diagnosis may allow earlier therapy of peripartal complications.

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