Geburtshilfe Frauenheilkd 1989; 49(4): 328-336
DOI: 10.1055/s-2008-1026596
Originalarbeiten

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Materialien aus der bayerischen Perinatalerhebung zur Problematik der Sectiofrequenz

Data from the Bavarian Perinatal Inquiry on the Problem of the Caesarean Section Frequency RateJ. Zander1 , K. Holzmann2 , H. K. Selbmann3
  • 11. Frauenklinik der Universität München
  • 2Frauenklinik im Zentralklinikum Augsburg
  • 3Universitätsklinik/Med. Dokumentation und Datenverarbeitung Tübingen
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. Juni 2008 (online)

Zusammenfassung

Es wird über Ergebnisse zur Problematik der Sectiofrequenz im ersten Fünfjahreszeitraum der Bayerischen Perinatalerhebung 1982 - 1986 (BPE), welche etwa 450000 Geburten umfaßt, berichtet. Um längerfristige Trends aufzuzeigen, wurden Daten aus der Münchener Perinatalstudie (MPS) seit 1975 mit den Daten für die Jahre 1982 - 1984 aus den beteiligten Münchener Kliniken fortgeschrieben. Die Studie führte im einzelnen zu folgenden Resultaten:

  1. Die Gesamtfrequenz der Schnittentbindungen steigt bisher kontinuierlich an. Sie lag 1986 in der BPE bei 15 %, Eine eindeutige Plateaubildung ist bisher nicht zu beobachten.

  2. Schnittentbindungen und vaginal-operative Entbindungen wurden am häufigsten in Universitätskliniken vorgenommen. Spontangeburten erfolgten in den Universitätskliniken am seltensten (um 70 %) und am häufigsten in Chefarztkliniken (77 - 79%). Belegarztkliniken hatten fast die gleiche Frequenz vaginal-operativer Entbindungen wie Universitätskliniken.

  3. Nach Schnittentbindungen wurden Mütter wegen postoperativen Komplikationen drei- bis sechsmal häufiger in eine andere Klinik verlegt als nach Spontangeburten.

  4. Mit zunehmendem Alter der Mutter nimmt die Sectiofrequenz bei Erstgebärenden eindeutig zu. Für Frauen, die älter als 34 Jahre sind, hat sich jedoch in den letzten Jahren ein Plateau gebildet. Eine Tendenz zur weiteren Zunahme der Sectiofrequenz ist in dieser Gruppe nicht zu beobachten.

  5. Bei Schädellagen-Einlingen mit einem Geburtsgewicht unter 2500 g sind keine signifikanten Unterschiede in den Überlebensraten in Abhängigkeit vom Entbindungsmodus erkennbar. Spontan geborene Schädellagen-Einlinge über 2500 g haben eine statistisch signifikant, aber klinisch kaum relevant größere Chance, den 7. Tag zu überleben.

  6. Bei Schädellagen-Einlingen mit einem Geburtsgewicht unter 2500 g fanden sich ungünstige Apgarwerte nach einer Minute gehäuft nach Schnittentbindungen, seltener nach Spontangeburten und am seltensten nach vaginaloperativen Entbindungen. Dem gleichen Muster folgte die Häufigkeit der Intubationen und der Verlegungsrate der Neugeborenen.

  7. Die Sectiofrequenz bei BEL Erstgebärenden hat seit etwa 1981 um 80 % ein Plateau erreicht. Bei BEL mehrgebärender Mütter steigt jedoch insbesondere die Häufigkeit der primären Schnittentbindungen weiter an. Bis 1984 wurden etwa 70 % erreicht.

  8. Die Überlebensraten bei BEL-Einlingen mit einem Geburtsgewicht über 2500 g sind nach Kaiserschnitt etwas günstiger als nach vaginalen Geburten.

  9. Bei BEL-Einlingen unter 2500 g stieg die Frequenz der primären Schnittentbindungen sowohl bei Erstgebärenden als auch bei Mehrgebärenden kontinuierlich an.

  10. Die Überlebensraten bei BEL-Einlingen mit einem Geburtsgewicht unter 2500 g waren bei Schnittentbindungen gegenüber vaginal-operativen Entbindungen und Spontangeburten eindeutig günstiger (+ 17 %).

  11. 90 bis 95 % aller Geburten wurden durch CTG überwacht. Bei sekundären Schnittentbindungen und bei vaginaloperativen Entbindungen fand sich eine besonders hohe Akkumulation mit pathologischem CTG. Es wird vermutet, daß ein pathologisches CTG relativ häufig für die Indikationsstellung zur sekundären Schnittentbindung und vaginal-operativen Entbindung eine Rolle spielt. Zusätzliche Fetalblutanalysen werden offensichtlich in solchen Fällen nur selten vorgenommen.

  12. Die Indikationsstellung zur Sectio bei Zustand nach vorausgegangener Schnittentbindung nimmt seit 1978 kontinuierlich ab.

  13. Insgesamt ist das Sectioproblem bis heute ungelöst. Es ist zwar äußerst wahrscheinlich, daß eine Erhöhung der Sectiofrequenz ein wichtiger Faktor für die Optimierung der Geburtshilfe war. In welchem Ausmaß sie dazu jedoch notwendig war und auch weiterhin notwendig ist, kann niemand zur Zeit gültig beantworten.

Abstract

Data are presented on caesarean section rates during the first five-year period of the Bavarian Perinatal Study (BPE 1982 - 1986), comprising 450,000 births. In order to identify long-term trends, statistical studies from the Munich Perinatal Study (MPS) dating back to 1975 were continued in the same Munich hospitals through to 1982 - 1984. The results may be broken down as follows:

  1. The overall rate of caesarean sections has been increasing, steadily, reaching 15% in the 1986 BPE. No clear levelling-off is evident yet.

  2. The highest rates of caesarean sections and vaginal operative deliveries were found in university hospitals. Spontaneous deliveries occurred least often in university hospitals (about 70 %), and most frequently in the larger country and private hospitals (77 - 79 %). Smaller externally staffed private hospitals had about the same rate of vaginal-operative deliveries as university hospitals.

  3. Following caesarean section, postoperative complications prompted a three- to sixfold higher rate of maternal transfer to other hospitals over that following spontaneous delivery.

  4. As maternal age increases, so does the rate of caesarean section for Primiparae. Nevertheless, recent years have witnessed a levelling-off for women over 34 years of age. No trend toward further increase is evident for this age group.

  5. For singletons with vertex presentation and birth weight below 2500 g, no significant differences in survival rates related to mode of delivery were apparent. Spontaneously delivered vertex singletons above 2500 g have a statistically significant, but clinically hardly relevant chance of surviving beyond the seventh day.

  6. Vertex-presentation singletons with birth weight below 2500 g had the highest incidence of unfavorable 1-min Apgar scores after caesarean section; incidence was lower after spontaneous delivery, and lowest after vaginal operative delivery. Rates for intubation and transfer of the newborns followed a similar pattern.

  7. The rate of caesarean section for breech deliveries of Primiparae has stabilised at about 80 % since 1981. For breech presentations in multiparae, however, the rate of primary caesarean section has continued to rise, reaching about 70 % in 1984.

  8. Survival rates for breech singletons weighing more than 2500 g are somewhat higher following caesarean section than after vaginal delivery.

  9. For breech singletons below 2500 g, the rate of primary caesarean section has continued to climb in both Primiparae and multiparae.

  10. Survival rates for breech singletons below 2500 g birthweight were significantly higher following caesarean section than after vaginal operative or spontaneous delivery (+ 17%).

  11. Cardiotocographic monitoring was performed in 90 to 95 % of all deliveries. The incidence of pathological findings was particularly high in conjunction with secondary caesarean sections and vaginal operative deliveries. Presumably, pathological CTG findings were a factor in establishing the indication for secondary caesarean sections and vaginal operative delivery. Supplemental fetal blood analysis was apparently seldom done in such cases.

  12. Repeat caesarean sections have been steadily declining since 1978.

  13. A comprehensive evaluation of caesarean section is still wanting. Although it is extremely unlikely that the higher rate of caesarean section has been an essential element in Optimum obstetric care, no one can yet provide a valid appraisal of the extent of its contribution and its necessity in the future.

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