Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008; 43(1): 48-54
DOI: 10.1055/s-2008-1038091
Fachwissen
Topthema: Sepsis und septischer Schock
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Veränderungen der Mikrozirkulation – Therapeutische Ansätze

Microcirculation in sepsis and septic shock – Therapeutic options?Max Ragaller
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Publication Date:
15 January 2008 (online)

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Zusammenfassung

Die komplexe Fehlregulation der Mikrozirkulation mit Hypoxie der Gewebe trägt maßgeblich zum Multiorganversagen bei septischen Patienten bei. Therapieansätze zur Wiederherstellung der mikrovaskulären Perfusion und zur Überwindung der Gewebehypoxie sind daher sinnvoll. Aufgrund vorliegender Evidenz kann auch aus Sicht der Mikrozirkulation die frühzeitige, zielorientierte hämodynamische Stabilisierung, sowie die Applikation von aktiviertem Protein C (rhAPC) entsprechend der EU–Zulassungsindikationen empfohlen werden. Inwieweit direkte mikrozirkulatorische Effekte von Dobutamin, rhAPC und die selektive Hemmung der induzierbaren NO–Synthetase auf die Mikrozirkulation klinisch relevant sind, muss in weiteren Studien geprüft werden.

Abstract

In severe sepsis and septic shock the severe impairment of the microcirculation is one of the main reasons for tissue hypoxia, multiple organ failure and death. Fast resuscitation of the microvascular blood flow to improve the reduced functional capillary density is necessary. Based scientific evidence, an early haemodynamic stabilisation directed by predefined haemodynamic and metabolic goals and the application of activated protein C (rhAPC) according to the guidelines could be recommended. The specific effects of dobutamine and rhAPC on the microcirculation as well as the effects selective inhibitors of iNOS or vasodilators may be therapeutic options in the future.

Kernaussagen

  • Schwere Sepsis und septischer Schock sind die wichtigsten Krankheitsbilder in der Intensivmedizin. Sie zählen aufgrund einer Letalität von 48,4 % zu den Haupttodesursachen auf unseren Intensivstationen.

  • Mikrozirkulationsstörungen (Microcirculatory Distress) erhöhen die Sterblichkeit in der Sepsis signifikant.

  • Der septische Schock ist trotz hyperdynamer Herzkreislaufreaktion als distributive Schockform gekennzeichnet durch eine inadäquate Verteilung und verminderte Kapillarperfusion mit nachfolgender Hypoxie der Organe.

  • Für die fundamentalen Störungen in der Mikrozirkulation sind eine ungeregelte, überschießende NO–Freisetzung, die generelle intravasale Gerinnungsaktivierung und die systemische Leukozyten–Endothelinteraktion verantwortlich.

  • Die Mikrozirkulation ist einem einfachen klinischen Monitoring zurzeit nicht zugänglich. Ein erweitertes Monitoring der Makrozirkulation – ergänzt durch metabolische Parameter (ScvO2, Laktat) – ist zur suffizienten Überwachung erforderlich. Neue Verfahren zum Monitoring der mikrovaskulären Strombahn wie OPS oder die StO2–Messung sind vielversprechend.

  • Eine frühzeitige, zielorientierte und nachhaltige hämodynamische Stabilisierung ist die conditio sine qua non in der Behandlung von schwerer Sepsis und septischem Schock. Potenziell günstige Effekte von Volumenersatzlösungen oder positiv inotropen Substanzen in der Mikrozirkulation müssen auf ihre klinische Relevanz geprüft werden.

  • Aktiviertes Protein C kann durch antikoagulatorische und antiinflammatorische Wirkungen zur Wiederherstellung der Mikrozirkulation beitragen und ist daher auch aus der Sicht der Mikrozirkulation indiziert.

  • Ein modulierendes Eingreifen auf der Zytokinebene zur Verbesserung der Mikrozirkulation ist zurzeit klinisch nicht generell möglich. Therapeutische Ansätze zur selektiven Inhibition der iNOS sind tierexperimentell erfolgversprechend.

  • Zur Aufrechterhaltung eines adäquaten Perfusionsdrucks der Organe (MAP >65mmHg) ist Noradrenalin gerechtfertigt.

  • Der Einsatz von vasoaktiven Substanzen (Vasopressoren, Vasodilatantien) ist umstritten. Die Effekte sind stark von der individuellen hämodynamischen Situation abhängig. Aus Sicht der Mikrozirkulation können Vasopressoren nicht empfohlen werden.

Literatur

Prof. Dr. med. Max Ragaller

Email: Maximilian.Ragaller@uniklinikum-dresden.de