Klin Monbl Augenheilkd 1988; 192(5): 521-524
DOI: 10.1055/s-2008-1050171
© 1988 F. Enke Verlag Stuttgart

Hemianopsien bei kortikalen und subkortikalen Läsionen des visuellen Systems: Wo liegt der Unterschied?

Hemianopsias in Cortical and Subcortical Lesions of the Visual System: What Is the Difference?G. Baumgartner
  • Neurologische Klinik, Universitätsspital, Zürich (Direktor: Prof. Dr. G. Baumgartner)
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Publication Date:
11 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hemianopsien nach Läsionen des Tractus opticus oder der Sehstrahlung lassen das neuronale Korrelat der Wahrnehmung in der Sehrinde intakt. Sie werden daher bei akutem Auftreten sofort positiv realisiert. Dagegen werden Hemianopsien nach Schädigungen der Sehrinde nicht wahrgenommen und nur indirekt erschlossen. Bis heute ist ungesichert, ob der isolierte Ausfall der primären Sehrinde für das Nichtge-wahrwerden einer Hemianopsie genügt oder hierfür zusätzlich auch die peristriären Rindenareale geschädigt sein müssen. Die neuronalen Mechanismen der corticalen Signalverarbeitung in der visuellen Projektionskette machen aber wahrscheinlich, dass schon bei Ausfall der primären Sehrinde eine Hemianopsie nicht mehr direkt wahrgenommen werden kann. Diese Annahme stützt sich darauf, dass in der Sehrinde eine Signalselektion erfolgt und uniform ausgeleuchtete Flächen nur durch die Aktivierung der Neurone an den Flächengrenzen weiter gemeldet werden. Die nachgeschalteten Areale können daher nicht entscheiden, ob im Falle eines Skotomes die fehlende Erregung physiologisch ist oder durch einen Defekt verursacht wird. Das Skotom wird daher aufgefüllt und nicht wahrgenommen. Dies sollte auch für ein hemianopisches „Skotom” gelten.

Summary

The neuronal correlate of perception in the visual area remains unimpaired in lesions of the optic tracts or the radiatio optica. Hemianopias due to lesions of these pathways are perceived immediately. On the contrary, hemianopias due to a lesion of the visual cortex are not perceived or are only indirectly realized. It has not been established if a lesion of the primary visual area alone is sufficient to make the patient unaware of a hemianopia or if additional impairments of the peristriate visual areas are required. Data processing within the cortical visual projection chain makes it likely, however, that a lesion of the striate cortex is enough. Under physiological conditions an uniformly illuminated field is represented in the neuronal activity by the borders of the field. Neurons within the field are not activated. The higher visual cortical areas can so not discriminate if an input missing from VI is a result of the physiological processing or of a lesion. Scotomas are therefore not perceived. By analogy this argument should also hold for a hemianopic “scotoma”.

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