Zusammenfassung
Die muskellähmende Wirkung des Botulinustoxin A kann zur Erzeugung künstlicher Augenmuskelparesen
in der Therapie des Strabismus concomitans und paralyticus angewendet werden und stellt
damit eine echte Alternative zur chirurgischen Behandlung dar. Wichtigste Voraussetzung
für eine wirksame Anwendung des Toxins bei den Augenmuskeln ist die unter elektromyographischer
Kontrolle erfolgende Injektion in die zu behandelnden, respektive abzuschwächenden
Muskeln. Beim Strabismus concomitans kann durch ein- oder zweimalige Injektion von
Botulinustoxin A eine 60-90%ige Reduktion des Schielwinkels (mit Werten bis maximal
25°) erzielt werden, wobei interessanterweise die meisten Fälle einen Dauereffekt
aufweisen, offenbar im Zusammenhang mit der Denervationsatrophie des injizierten Muskels
sowie einer Änderung des Gleichgewichtes antagonistischer horizontaler Augenmuskeln
zu Gunsten des nichtbehandelten Muskels. Der günstigste Effekt wird mit einer initialen
Anwendung kleinerer Dosen und einer eventuellen Wiederholung derselben oder leicht
erhöhten Dosen erreicht. Die Botulinustoxin A-Injektionen eignen sich auch bei postoperativen
Überkorrekturen nach Strabismusoperationen sowie ganz besonders für Fälle von Strabismus
concomitans, wo eine operative Korrektur kontraindiziert ist. Beim Strabismus paralyticus
ist das Botulinustoxin A geeignet, der Kontraktur des homolateralen Antagonisten vorzubeugen
und eine Wiederherstellung der Parallelität der Augachsen mit binokularem Einfachsehen
zu ermöglichen oder bei Nichtheilung zum mindesten die operative Korrektur zu erleichtern,
indem unter Umständen die Abschwächung des homolateralen Antagonisten weggelassen
werden kann. Die Anwendung ist besonders bei Abducensparesen, aber auch bei Okulomotorius-
und Trochlearislähmungen mit entsprechender Auswahl der überfunktionierenden Muskeln
angezeigt. Bei der endokrinen Ophthalmopathie kann das Toxin in Anfangstadien, wo
weitgehende gewebliche Veränderungen an Augenmuskeln noch nicht eingetreten sind,
wirksam werden, um eine pathologische, durch reversible Kontraktur bedingte Augenstellung
zu korrigieren. Das Toxin kann auch bei okulären Myopathien oder Myasthenien zur Abschwächung
überfunktionierender Muskeln Anwendung finden.
Summary
In concomitant strabismus (exotropia or esotropia) the adminstration of botulin toxin
A is an important alternative to strabismus surgery. After one, two or multiple injections
a reduction in the squint angle of about 60 to 90% is possible. In most cases the
effect is permanent, although in other cases repeated injections are necessary. The
method is applicable above all in small-angle strabismus, in residual deviations after
strabismus surgery, and in cases where surgery is contraindicated. The botulin injections
were primarily administered to adults. In paralytic strabismus the contracture of
the antagonist of the paralyzed muscle can be weakened by local injection of botulin
toxin. Binocular single vision can be rapidly established in this way. The toxin thus
facilitates spontaneous recovery of the paralyzed muscle, or, if it does not recover,
facilitates surgical correction in such a way that recession of the homolateral antagonist
is no longer necessary. Satisfactory results can be obtained by injecting the toxin
in the early stages of endocrine ophthalmopathy, whereas in the later stages, with
fibrous alterations of the muscles, no effect can be observed. Botulin toxin A can
also be used in myopathies and ocular myasthenias to decrease the action of overacting
muscles and to reestablish single binocular vision. No systemic effects of the toxin
have been observed, nor any effects on the pupil, accommodation, or optic nerve function.