Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 1993; 03(3): 76-82
DOI: 10.1055/s-2008-1062063
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Wirksamkeitsnachweis von Radonbädern im Rahmen einer kurortmedizinischen Behandlung des zervikalen Schmerzsyndroms*

Evidence for the pain-reducing effect of radon baths in treating patients with cervical pain as part of the medical regime at health spasH. G. Pratzel1 , B. Legler1 , K. Aurand2 , K. Baumann3 , Th. Franke4
  • 1Institut für Medizinische Balneologie und Klimatologie der LMU München (Vorstand: Prof. Dr. E. Senn)
  • 2Berlin
  • 3Bergarbeiter-Krankenhaus Schneeberg/Sa
  • 4Forschungsinstitut für Balneologie und Kurortwissenschaft (Abt. Biometrie), Bad Elster/Sa
* Herrn Professor Dr. Heinrich Drexel und Herrn Dipl.-Phys. Karl Dirnagl zum 75. Geburtstag gewidmet.
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Publication History

Publication Date:
19 March 2008 (online)

Summary

Objective: Baths containing radon have been used at health spas since the turn of the century for treatment of various rheumatic diseases. Clinical experience suggests a pain-reducing effect of radon baths. However, to date, no strictly scientific clinical study has been carried out in German-speaking countries to test this hypothesis.

Study design and methods: In a randomized double-blind study carried out in the former radon health spa Oberschlema/ Saxony (Germany), the pain-reducing effects of radon baths were compared with those of tap water baths on patients with cervical pain. All patients received, in addition, massage, physical training, and health education.

On the basis of inclusion and exclusion criteria, 46 patients were recruited into the study and randomized into the verum or placebo group. After a week of adjustment and acclimatization, each group received 9 baths over a 3-week period. The bathwater was prepared by addition of a canister of tap water or radon-containing water to the bathwater (temperature of 37°C). Each canister was marked with the patient's number. Since radon is colourless and odourless, the patients could not find out which bathwater they had. The radon baths had an activity concentration of an average 3 kBq/1.

Apart from the bath series, all patients received massage, physical training, and a health education program as concomitant therapy. The minimum pressure needed to cause pain at 16 typical myofacial pressure points was measured. In addition, subjective pain perception was determined with the aid of a visual analogue scale. Also, general well-being, pain at rest, and pain during movement were ascertained. The examinations were done during the course of a 4-week treatment, as well as 2 and 4 months after the onset of treatment.

Results: During treatment, the values of all measured parameters showed marked improvement (pain-reducing, increased well-being) for both verum and placebo groups. After completion of the treatment course, however, these values gradually fell again in the placebo group. In the radon group, in contrast, all measure parameters showed an additional improvement in dependence on the time at the end of treatment. Pain-related complaints fell significantly during this time span. Three months after the end of treatment, the pain threshold had increased by nearly the same proportion as during the 3-week period of balneotherapy itself.

Conclusions: A randomized, double-blind study has shown that a 3-week treatment with radon baths still had a significant pain-reducing effect three months after the end of therapy.

Kurzfassung

Ziel: Radonhaltige Bäder werden in Kurorten seit der Jahrhundertwende zur Behandlung von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises eingesetzt. Die Erfahrungsmedizin weist auf eine schmerzlindernde Wirkung von Radonbädern hin. Eine Überprüfung dieser Beobachtung nach streng wissenschaftlichen Kriterien - etwa durch einen randomisierten Doppelblindversuch - ist jedoch im deutschsprachigen Raum noch nicht erfolgt.

Studiendesign und Methodik: In einem Therapieversuch unter kurortmedizinischen und den Anforderungen eines randomisierten Doppelblindversuchs gerechten Bedingungen wurde bei Patienten mit zervikalem Schmerzsyndrom im ehemaligen Radonbad Oberschlema die schmerzlindernde Wirkung von radonhaltigen Bädern mit derjenigen von reinen Wasserbädern verglichen.

46 Patienten wurden nach den vorher festgelegten Ein- und Ausschlußkriterien in die Studie aufgenommen und nach einem Randomisierungsverfahren in eine Verum- und eine Plazebogruppe aufgeteilt. Nach einer Eingewöhnungswoche erhielt jede Gruppe neun Bäder innerhalb von drei Wochen. Das Badewasser wurde nach Zugabe des wäßrigen Inhalts (Leitungs- bzw. radonhaltiges Wasser) eines mit der Patientennummer versehenen Kanisters in eine gelullte Badewanne bei einer Temperatur von 37°C bereitet. Weder durch Farbe noch durch Geruch war ein Unterschied festzustellen. Die Radonbäder hatten eine Aktivitätskonzentration von durchschnittlich 3 kBq/1. Neben der Bäderserie erhielten alle Patienten als standardisierte Begleittherapie jeweils zwischen den Badetagen Massage und Krankengymnastik. Zusätzlich nahmen sie unter der Woche an einem Gesundheitstrainingsprogramm teil.

Als Hauptzielparameter fur die Schmerzempfindlichkeit wurde der Minimaldruck zur Auslösung von Druckschmerz an 16 typischen myofaszialen Druckpunkten gemessen. Zusätzlich - als Nebenzielparameter - wurde das subjektive Schmerzempfinden mit Hilfe einer visuellen Analogskala, das Allgemeinbefinden und der Ruhe- und Bewegungsschmerz notiert. Die Haupt- und Nebenzielparameter der Studie wurden wöchentlich im Laufe der 4wöchigen Kur sowie zwei und vier Monate nach Kuranfang erfaßt.

Ergebnisse: Während der Kurbehandlung besserten sich alle Parameter ohne Unterschied in den beiden Gruppen. Nach Abschluß der Kur setzten jedoch bei der Leitungswassergruppe die vorherigen schmerzbezogenen Beschwerden allmählich wieder ein. Alle gemessenen Zielparameter verschlechterten sich. Bei der Radongruppe besserten sich dahingegen dieselben Zielparameter und waren zwei und vier Monate nach Therapiebeginn gegenüber denen der Plazebogruppe signifikant verschieden. Die Druckschmerzschwelle stieg in der Radongruppe innerhalb von drei Monaten nach der Kur nochmals um fast den gleichen Betrag wie während der 3wöchigen Bäderbehandlung.

Schlußfolgerung: Im Rahmen eines nach streng wissenschaftlichen Kriterien durchgeführten Doppelblindversuchs konnte noch drei Monate nach der Kur eine anhaltende schmerzlindernde Wirkung durch eine 3wöchige Radonbäderbehandlung festgestellt werden.

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