Balint Journal 2008; 9(3): 67-68
DOI: 10.1055/s-2008-1076984
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York

Editorial

E. R. Petzold
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Publication Date:
19 September 2008 (online)

Lieber Werner König,

neun Jahre hast Du als hauptverantwortlicher Redakteur unser Balint Journal redigiert. Als Du Dich jetzt verabschiedet hast, hast Du nur eine Zahl genannt – die 80 Telefonkonferenzen, in denen wir über die verschiedenen Artikel sprachen, ihre Annahme, ihre Ablehnung, ihre Verbesserungsmöglichkeiten und Du hast davon gesprochen, dass diese gemeinsame Arbeit neben mancherlei Ärger sehr viel Freude gemacht hat. Gefühle, die wir mit Dir teilen, aber das Gefühl des Verlustes – jedem Abschied inne –, wird aufgehoben durch die Gefühle der Freude, des Stolzes und auch der Dankbarkeit über das, was in diesen Jahren gewachsen ist.

Spätestens jetzt, wo Du die Arbeit in andere Hände legst, ist es Zeit innezuhalten und das, was da in den Jahren entstand, anzuschauen.

Eine der wichtigsten Arbeiten – und wahrscheinlich eine der am meisten zitierten, gleich in dem ersten Heft (1 / 2000) stammt aus Deiner eigenen Feder: Balintgruppenleitung im Spannungsfeld von Strukturieren und Gewähren. Hier hast Du die Maßstäbe gesetzt, an denen wir auch heute noch die Balintarbeit messen können – zwischen Strukturieren und Gewähren Entscheidungen zu treffen und zu verantworten, bei denen Empathie und Erfahrung nicht systematisch ausgeschlossen werden (nach dem Motto: Dafür haben wir keine Zeit), sondern der Beziehung des Arztes mit seinem Patienten der Raum gegeben werden kann, der ihnen gebührt. Dieser Raum ist gar nicht so selten notwendig in unserer Zeit nicht zuletzt, weil hier neben Kosten viel Leid erspart werden kann, wenn, ja wenn man ein wenig von dem „wie” gelernt hat, das seinen Ursprung in Lebenserfahrungen haben mag, die in den Balintgruppen – wo denn sonst? – reflektiert und modifiziert werden können.

Nicht ausgewichen bist Du in Deinem Artikel der Gegenseitigkeit und der Beurteilung der Wissenschaftlichkeit unserer Arbeit. Du sprichst gelegentlich von „mehrseitigen Wechselwirkungen” (B. J.1 / 2006 S. 20) Wie viele andere hast Du die Warnung Arthur Trenkels gehört vor einer „Verschulung” der Arzt-Patient-Beziehung und auch der Balintarbeit, aber die Gefahr hast Du in der Dir eigenen Art des angemessenen Umgangs gebannt und abgewehrt. Nicht zuletzt dafür stehen ja die 9 Jahrgänge des Balint Journals. Früh hast Du Dich mit der Psychoanalyse und ihren Möglichkeiten in der Balintarbeit auseinandergesetzt – mit den Werken Balints und auch Winnicots. Die Neubearbeitung des Buchs von Werner Stucke über die Leitung von Balintgruppen im Deutschen Ärzteverlag für die Ärzteschaft konnte niemand besser machen als Du. Lass mich an dieser Stelle noch kurz auf die Zahlen eingehen, die Du bei Deinem Abschied nicht genannt hast, die aber das Profil des Balint Journals verdeutlichen können.

Zweiunddreißig Hefte in achteinhalb Jahren hast Du zwischen Strukturieren und Gewähren geprägt. Erstaunlich ist es im Rückblick wie konstant die ersten Strukturen und Rubriken geblieben sind und wie viele neue Ideen (Rubriken) gewährt und ausprobiert werden konnten, manche vorübergehend wie „Grenzsituationen”, andere etablierten sich fest wie „Medizin & Kultur”.

Nehmen wir den ersten Jahrgang des Balint Journals (2000) zur Hand. In Klammern ist die Anzahl der Arbeiten in den jeweiligen Rubriken gezählt: Aus der Praxis (6), Studentische Balintpreisarbeiten (5), Berichte aus dem Ausland (2), Erfahrungen / Berufsfelder (2), Originalarbeiten (8), Tagungsberichte (2), Weiterbildung (2), Blick in die Literatur (4) und – Editorials (3) sowie natürlich – denn auch das war der Sinn und Zweck des Balint Journals – Hinweise auf Kongresse und Tagungen.

Die Übersicht aus allen 32 Heften nach einem flüchtigen Durchblättern sieht heute so aus:

Editorials: 7 Originalarbeiten: 96 Aus der Praxis / In- und Ausland: 38 Preisarbeiten der Studenten: 15 Buchbesprechungen: 44 Medizin und Kultur: 18 Tagungsberichte: 22 Nachrufe: 14 Laudationes: 3 Leserbriefe: 20

Man sieht die Konstanz und die Erweiterung, man sieht auch die Schwerpunkte des Balint Journals oder anders ausgedrückt, man sieht das, was zwischen Strukturieren und Gewähren liegt. Deine Originalität und Kreativität drückt sich aber sehr viel stärker als in diesen Zahlen durch die Reizworte auf den Deckblättern des Balint Journals aus. Sie verdeutlichen Deine Lust und Fähigkeit, empathisch das Wesentliche eines Artikels zu erfassen, oft von den Ideen oder Motiven derer ausgehend, die ihre Arbeiten dem Balint Journal zur Verfügung gestellt haben und denen wir auch an dieser Stelle für ihre Arbeiten danken wollen. Um nur zwei Beispiele für Deine Kreativität herauszugreifen, – Heft 1 / 2008 Heutige Medizin: Frühe Störung, chronische Schmerzen, erster Patient; Heft 2 / 2008 Portale der Zukunft: persönlich, wissenschaftlich, strategisch. Das sind nicht nur Reizworte, das ist durchaus schon ein Zukunftsprogramm.

Deine letzte Arbeit befasste sich mit dem Thema: Balintgruppen und Umwelt (B. J. 1 / 2006). Dort gehst Du auf die neuen Entwicklungen in der Balintarbeit und in der Psychotherapieforschung ein – und Du schließt mit dem Satz: „Um unsere fachliche Identität immer wieder neu zu bestimmen, brauchen wir auch Spiegelungen. Wir finden sie am besten im fachlichen Diskurs”. Dem hast Du Dich gestellt und mit dem Balint Journal hast Du uns zusammen mit Günther Bergmann, Heide Otten, Peter Eich und Ulrike Czischek eine Plattform geschaffen, auf der dieser Diskurs stattfinden kann.

Lieber Werner, wir haben viel von Dir gelernt, Du hast uns sehr geholfen, das Balint Journal auf den heutigen Stand zu bringen. Dafür danken wir Dir.

E. R. Petzold

Prof. Dr. med. E. R. Petzold

Goethestraße 5

72127 Kusterdingen

Email: erpetzold@gmx.de

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