Jede Pflegende ist im Alltag mit der Anrede von Patienten und Angehörigen konfrontiert.
Die Begrüssungen und Gespräche laufen häufig nach bekannten Mustern ab, die kaum reflektiert
werden. Oft werden sie erst zum Diskussionspunkt, wenn Konflikte entstehen. Im Kinderspital
Zürich fielen zuerst Unstimmigkeiten und unterschiedliches Vorgehen im Umgang mit
jugendlichen, bzw. adoleszenten Patienten auf. Die letzten Jahre zeigen, dass Patienten,
v.a. diejenigen mit chronischen Erkrankungen auch nach dem 16. Geburtstag im Kinderspital
betreut werden. Einzelne Bereiche haben daraufhin begonnen, ab Alter 16 generell das
Sie zu verwenden, da auch in den Erwachsenenkliniken über 16-jährige mit dem Nachnamen
angesprochen werden. Dasselbe gilt für die meisten Schulen und Lehrbetriebe. Die Meinungen
über die Wahl der „richtigen“ Anrede gehen weit auseinander und basieren auf verschiedensten
Überlegungen und Ansichten. Um ein einheitliches und professionelles Auftreten zu
gewährleisten, hat die Klinikkonferenz im Januar 2008 entschieden, dass folgende Regelung
einheitlich gehandhabt werden soll. Alle Patientinnen und Patienten werden mit dem
Nachnamen und per Sie angesprochen, wenn sie beim Klinikeintritt älter als 16 Jahre
sind. Um der Autonomie und dem Entscheidungsrecht der Jugendlichen gerecht zu werden,
sind Ausnahmen zulässig, müssen aber dokumentiert werden. Bei Jugendlichen mit kognitiver
Einschränkung wird mit den Eltern abgesprochen, wie die Anrede erfolgen soll. Trotzdem
sollen sich die Pflegenden bewusst sein, dass das „Du“ zu einer asymmetrischen Kommunikation
führen kann. In der Literatur werden folgende Aspekte genauer beleuchtet:
Macht Die Machtverhältnisse werden durch die ungleiche Anrede klar signalisiert und der
Jugendliche kann sich benachteiligt und machtlos fühlen.
Nähe vs. Distanz Benötigt es das Du für eine vertrauensvolle Beziehung zum jugendlichen Patienten?
Wird dem Patienten nur Nähe und Zuwendung zuteil durch das Du?
Entwürdigung vs. Respekt Befragungen haben ergeben, dass sich Jugendliche im Kinderspital oft als Kinder behandelt
fühlen und nicht als erwachsene Persönlichkeiten. Die Anrede ist ein erster Schritt
dazu. Daneben muss aber auch ein Verhalten und eine Sprache durch die Pflegenden gezeigt
werden, die den Jugendlichen zeigt, dass sie als selbstständige Person mit eigener
Meinung und Entscheidungsfreiheit wahr- und ernst genommen werden.