Rofo 2008; 180(6): 572-573
DOI: 10.1055/s-2008-1079366
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Räumliche Beschränkung von Ermächtigungen

Further Information

Publication History

Publication Date:
26 May 2008 (online)

 

Das Vertragsarztrecht sieht bei entsprechendem Versorgungsbedarf die Möglichkeit vor, dass Krankenhäuser (§§ 117, 118 120 SGB V) und Krankenhausärzte (§ 116 SGB V) im Rahmen von Ermächtigungen an der ambulanten Versorgung teilnehmen können. Auch wenn durch die letzten Gesundheitsreformen, insbesondere das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG), das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) und das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) die Möglichkeiten sektorenübergreifender Tätigkeiten durch die Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Versorgung gemäß § 116b SGB V und die Möglichkeit der gleichzeitigen Tätigkeit von Krankenhausärzten als Vertragsärzte gemäß § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV erheblich ausgeweitet wurden, ist die persönliche Ermächtigung von Krankenhausärzten nach § 116 SGB V nach wie vor ein zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung wichtiges Instrument.

Nach § 95 Abs. 1 SGB V nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung neben zugelassenen Ärzten und zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren auch ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen teil. Die Ermächtigung bewirkt, dass der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist und die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung für sie verbindlich sind (§ 95 Abs. 4 SGB V). Nach der gesetzlichen Systematik des Vertragsarztrechts ist die Ermächtigung also nicht an eine ordentliche oder außerordentliche Mitgliedschaft in einer Kassenärztlichen Vereinigung gebunden. Die weiteren Voraussetzungen einer Ermächtigung sind gem. § 98 Abs. 2 Nr. 11 SGB V in den §§ 31 und 31 a der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) geregelt.

Nach § 98 Abs. 2 Nr. 11 SGB V i. V. m. § 31 Abs. 1 Ärzte-ZV kann die Ermächtigung Ärzten, oder in besonderen Fällen ärztlich geleiteten Einrichtungen erteilt werden. Bei der Erteilung der Ermächtigung an ärztlich geleitete Einrichtungen spricht man von der sog. Institutsermächtigung. Aus der Formulierung "in besonderen Fällen" ergibt sich, dass die Institutsermächtigung gegenüber der persönlichen Ermächtigung nachrangig ist. Die Ermächtigung wird also in der Regel einem Arzt persönlich erteilt. Die Institutsermächtigung bildet damit die unterste Stufe der vertragsärztlichen Versorgung (Bundessozialgericht - BSG, Urteil v. 02.10.1996 - 6 RKA 73/95). Die Erteilung einer Institutsermächtigung setzt nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass die vertragsärztliche Versorgung nicht durch eine persönliche Ermächtigung von Krankenhausärzten gem. § 116 SGB V sichergestellt werden kann. Der persönlichen Ermächtigung von Ärzten müssen rechtlich relevante Hindernisse entgegenstehen, um eine Institutsermächtigung erteilen zu können. Die persönliche Ermächtigung von Ärzten ist wiederum gegenüber der Zulassung von Ärzten und Medizinischen Versorgungszentren nachrangig, da diese primär die ambulante vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen haben.

Die häufigste anzutreffende Form der Ermächtigung ist die Ermächtigung von Krankenhausärzten mit abgeschlossener Weiterbildung nach § 31 a Ärzte-ZV. Eine solche Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird. Für die Erteilung der Ermächtigung kommt es darauf an, ob die vertragsärztliche Versorgung durch die zugelassenen Vertragsärzte ausreichend und zweckmäßig ist. Die Bedarfsprüfung der Zulassungsgremien kann sich auf quantitative wie qualitative Gesichtspunkte erstrecken. Sind in einem Planungsbereich zu wenige Vertragsärzte einer Arztgruppe niedergelassen, um den Bedarf zu decken, liegt ein sog. quantitativ-allgemeiner Bedarf vor. Demgegenüber liegt ein qualitativ-spezieller Bedarf dann vor, wenn bestimmte Leistungen, die spezielle Kenntnisse und Erfahrungen voraussetzen, nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang im Planungsbereich erbracht werden. Grundlage für die Prüfung einer Versorgungslücke ist der Bedarfsplan. Es ist bei der Bedarfsprüfung auf die tatsächliche Versorgungssituation abzustellen. Bedeutsame Faktoren sind dabei z. B. Anzahl der Ärzte im Planungsbereich, Fachgebiete, Bevölkerungsdichte und -struktur, Morbidität, Art und Umfang der Inanspruchnahme der niedergelassenen Vertragsärzte, Verteilung der Vertragsärzte im Planungsbereich und Erreichbarkeit der niedergelassenen Vertragsärzte/Verkehrsverbindungen. Diese Betrachtungen und Bewertungen sind in einem bestimmten regionalen Bereich vorzunehmen. Dabei ist in erster Linie auf den Planungsbereich abzustellen.

Gem. § 31 Abs. 1 Ärzte-ZV können Ärzte und in besonderen Fällen auch ärztlich geleitete Einrichtungen ferner ermächtigt werden, sofern dies notwendig ist, eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung abzuwenden oder einen begrenzten Personenkreis zu versorgen, beispielsweise Rehabilitanden in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation. Und gem. § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV i. V. m. § 5 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) kann Ärzten und in Ausnahmefällen auch ärztlich geleiteten Einrichtungen die Ermächtigung zur Durchführung bestimmter, in einem Leistungskatalog definierter Leistungen, auf der Grundlage des EBM erteilt werden.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ermächtigung haben die hierfür berufenen Zulassungsgremien, die Zulassungs- und Berufungsausschüsse unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zu befinden. Die Zulassungsgremien haben bei der Einschätzung der Bedarfssituation einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Gem. § 31 Abs. 7 Ärzte-ZV haben sie die Ermächtigung zeitlich, räumlich und ihrem Umfang nach zu bestimmen. In der Regel werden Ermächtigungen nur auf Überweisung von Vertragsärzten oder von in Medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzten erteilt. Teilweise wird die Befugnis zur Überweisung an den ermächtigten Arzt auch bestimmten Gebiets- oder Teilgebietsärzten vorbehalten. Der zeitliche Rahmen von Ermächtigungen beträgt in der Regel 2 Jahre. Zur räumlichen Begrenzung einer Ermächtigung hat das BSG in einer Entscheidung vom 17.10.2007 (Az. B 6 KA 42/06 R) Stellung genommen. Danach ist die Ermächtigung erforderlichenfalls so einzugrenzen, dass auf die berechtigten Interessen der durch sie betroffenen und vorrangig mit der ambulanten Versorgung betrauten niedergelassenen Vertragsärzte ausreichend Rücksicht genommen wird. Hierzu kann es erforderlich sein, die Ermächtigung in räumlicher Weise so zu beschränken, dass die Befugnis des ermächtigten Krankenhausarztes zur ambulanten Behandlung auf Patienten bestimmter örtlicher Herkunft begrenzt wird. Für eine sachgerechte Abgrenzung sollen dabei neben der Entfernung und der Qualität der Verkehrsanbindung auch beispielsweise bestehende Wartezeiten für Behandlungen beim niedergelassenen Arzt, eine übermäßige Ausdehnung der Praxistätigkeit oder deutlich unterdurchschnittliche Fallzahlen von Vertragsärzten Berücksichtigung finden.

Der vom BSG in der o. g. Entscheidung zu beurteilende Sachverhalt bot allerdings die Besonderheit, dass der ermächtigte Krankenhausarzt an einem Standort tätig war, der im Einzugsgebiet mehrerer Planungsbereiche lag. Insoweit war bei der Überprüfung der Ermächtigungserteilung zu berücksichtigen, dass den ermächtigten Arzt nicht nur Versicherte mit Wohnort im "eigenen" Planungsbereich aufsuchen würden, sondern auch Versicherte mit Wohnort in den angrenzenden Planungsbereichen. Dies würde dazu führen, dass der ermächtigte Arzt nicht nur zu im "eigenen" Planungsbereich niedergelassenen Vertragsärzten in Konkurrenz träte, sondern auch mit den niedergelassenen Vertragsärzten in den angrenzenden Planungsbreichen konkurrieren würde.

Das Vorliegen realer Konkurrenzsituationen zwischen dem ermächtigten Krankenhausarzt und niedergelassenen Vertragsärzten gestattet es nach Auffassung des BSG jedenfalls die Reichweite der Ermächtigung nach Maßgabe der örtlichen Herkunft der Patienten räumlich zu begrenzen. Bei der Erteilung einer Ermächtigung ist auf die Belange der niedergelassenen Vertragsärzte in demselben räumlichen Bereich in geeigneter Weise Rücksicht zu nehmen. Die Zulassungsgremien müssen in einer solchen Konstellation eine im Hinblick auf die bedarfsgerechte Versorgung bestimmter Patienten notwendige Ermächtigung so ausgestalten, dass die Betätigungsmöglichkeiten der vorrangig zur ambulanten Versorgung der Versicherten berufenen Vertragsärzte nicht übermäßig eingeschränkt werden.

Von der mithin bestehenden Möglichkeit, eine Ermächtigung in räumlicher Hinsicht auch durch Anknüpfung an die örtliche Herkunft der Patienten einzugrenzen, muss also in einer Weise Gebrauch gemacht werden, die dem Nachrang der Ermächtigung gegenüber dem vorrangigen Betätigungsrecht der Vertragsärzte Rechnung trägt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Patienten des gesamten faktischen Einzugsbereichs der Praxis des niedergelassenen Vertragsarztes aus dem Ermächtigungsumfang stets herausgenommen werden müssten. Soweit es im Interesse einer angemessenen ortsnahen Versorgung der Versicherten erforderlich ist - etwa die Entfernung zum nächsten geeigneten Vertragsarzt unzumutbar groß oder die Wartezeiten zu lang sind - kann diesen Versicherten der Zugang zum ermächtigten Krankenhausarzt gleichwohl eröffnet werden.

Rechtsanwälte Wigge

von Sebastian Sczuka 

Rechtsanwalt

Scharnhorststr. 40

48151 Münster

Phone: (0251) 53595-0

Fax: (0251) 53595-99

Email: kanzlei@ra-wigge.de

URL: http://www.ra-wigge.de

    >