Rofo 2008; 180(7): 587-590
DOI: 10.1055/s-2008-1081063
Bildessay

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CT-Bildgebung der nekrotisierenden Fasziitis

Necrotizing fasciitis: CT-imaging findings
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Publication Date:
18 June 2008 (online)

 

Die nekrotisierende Fasziitis (NF) bzw. Fournier's Gangrän wurde erstmals von Fournier 1831 als idiopathische fulminante Gangrän des Scrotums bei gesunden jungen Männern beschrieben. In den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts benutzte Wilson den Begriff der nekrotisierenden Fasziitis, um die gleiche Erkrankung an anderen Stellen des Körpers zu beschreiben.

Die NF ist eine seltene, jedoch foudroyant verlaufende und häufig zum Tod führende Infektion der Faszien und fasziennahen Weichteile. Im Gegensatz zur Definition von Fournier sind heutzutage meist ältere Menschen betroffen. Häufig lässt sich die zugrundeliegende Erkrankungsursache nachweisen. Ein erhöhtes Risiko weisen immunkompromittierte Patienten, mit z.B. Diabetes mellitus, Alkohol-/Drogenabusus, AIDS, Leukämie, Chemotherapie und immunsupprimierender Medikation auf. Prädispositionsfaktoren sind Divertikulitis, Furunkel, kleinere Verletzungen, Insektenstiche oder eine stattgehabte chirurgische Intervention (Uppot RN, Levy HM, Patel PH. Radiology 2003; 226: 115; Wysoki MG, Santora TA, Shah RM et al. Necrotizing fasciitis: CT characteristics. Radiology 1997; 203: 859). Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Prinzipiell kann die nekrotisierende Fasziitis überall am Körper auftreten. Gehäuft beobachtet man sie im Bereich des Skrotums, Perineums und der unteren Extremität.

Das Erregerspektrum der nekrotisierenden Fasziitis ist in ca. 75% der Fälle gemischt und umfasst Aerobier und Anaerobier. Hierzu zählen Normalflorakeime der Haut, des Rektums und der Urethra wie E. coli, Bacteroides, Klebsiellen, Staphylokokken und Proteus. In ca. 10% der Fälle sind die Erreger beta-hämolysierende Streptokokken A. In ca. 5-15% der Fälle findet sich C. perfringens.

Histopathologisch zeigt sich eine intakte oberflächliche Epidermis mit dermalen und subkutanen Nekrosen. Charakteristisch ist die fibrinoide Thrombosierung der subkutanen Arterien, Arteriolen und Venolen mit Gefäßwandnekrosen. Das oberflächliche Faszienblatt ist nekrotisch, das tiefe Faszienblatt weist eine Leukozyteninfiltration auf.

Die klinischen Symptome der Patienten mit NF sind anfangs unspezifisch mit Fieber, Unwohlsein und unbestimmten Beschwerden. Fast immer zeigt sich ein asymmetrischer Befall. Die Haut kann normal aussehen, kann aber auch geschwollen und gerötet sein wie bei der Zellulitis, ohne dass der Prozess klar abgrenzbar wäre wie bei einem Abszess. Im Verlauf bilden sich dann marmorierte, livide Flecken und nekrotische Areale aus, die hinter der Ausbreitung der Infektion auf Faszienebene weit zurückbleiben. Bei oberflächlichem Faszienemphysem kann es zu tastbaren Krepitationen kommen. Extreme Schmerzen gefolgt von Empfindungslosigkeit über dem betroffenen Areal sind ebenfalls ein Hinweis auf die nekrotisierende Fasziitis.

Insgesamt sind die klinischen Zeichen unzuverlässig und bilden den rasch progredienten Verlauf der Erkrankung nur zögerlich ab. Da eine frühzeitige Diagnose der NF die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten deutlich erhöht, kommt den bildgebenden Verfahren bei der Diagnose eine zentrale Bedeutung zu.

Das konventionelle Röntgen zeigt häufig einen Normalbefund, bis Infektion und Nekrose ein fortgeschrittenes Stadium erreicht haben. Man erkennt ähnlich den Befunden bei Zellulitis eine Weichteilverdickung und Opazitäten. In wenigen Fällen zeigen sich die charakteristischen subkutanen Gasbildungen.

Die Sonografie ist bei Skrotalbefall und bei Kindern unverzichtbar. Kennzeichnend ist die Skrotalhautverdickung mit subkutaner Schwellung, unscharfe und verdickte Faszienblätter mit trüber Flüssigkeitsansammlung. Die hyperechogenen punktförmigen Gaseinschlüsse in den Weichteilen sind gleichermaßen für eingeschränkte Untersuchungsbedingungen und Hinweise auf eine nekrotisierende Fasziitis verantwortlich.

Die CT-Befunde korrelieren mit den pathologischen Befunden des veflüssigten, nekrotischen Gewebes und den Entzündungszeichen aufgrund der bakteriellen Exotoxine, die in der Faszienschicht freigesetzt werden. Kennzeichnend ist eine asymmetrische Weichteilverdickung und Dichteanhebung des oberen, des unteren oder beider Faszienblätter sowie des umgebenden subkutanen Fettgewebes ("fat stranding") (Abb. [1a-g], [2]). Die Fasziitis zeigt eine flächige Ausdehnung entlang der Faszien. Gelegentlich können auch fokale Flüssigkeitskollektionen im Sinne von Abszessen vorkommen. Sekundäre Faszienverkalkungen bei der NF können nach ausgestandener Infektion entstehen (Abb. [3]). Zentrale Bedeutung kommt dem Nachweis von Gaseinschlüssen sowie deren Ausdehnung zu. Insbesondere tiefliegende Gasansammlungen u.U. auch intraabdominell müssen beachtet werden, da dies die chirurgische Therapieplanung maßgeblich beeinflussen kann (Abb. [4a-g]). Weiterhin können mittels der CT die zugrundeliegende Ursache wie Divertikulitis, knöcherne Beteiligung oder auch Komplikationen wie Gefäßrupturen erkannt werden.

Abb. 1 Bildbeispiele von NF im Frühstadium. a zeigt eine asymmetrische Flüssigkeitskollektion im vorderen Muskelkompartiment des rechten Oberschenkels (vor dem M. quadriceps femoris). Die Muskelfaszie lässt sich dabei nicht mehr von der perifaszialen Flüssigkeitsansammlung sowie entzündlicher Gewebsvermehrung abgrenzen (Pfeil). Nachweis einer fokalen, sowohl ventralen als auch dorsalen subkutanen und perifaszialen Flüssigkeitskollektion (Pfeil) (b). Diese Befunde können nicht von einer Zellulitis unterschieden werden, der fokale Charakter weist jedoch in der Zusammenschau mit der akuten Klinik auf eine lokale Infektion hin. Nachweis einer fokalen, linearen Faszienverdickung mit vermehrtem KM-Enhancement in Begleitung einer subkutanen Flüssigkleitsansammlung (Pfeil) medial am linken Knie nach kürzlich erfolgter Kniegelenkspunktion (c). In d ist ein fortgeschritteneres Stadium der Fasziitis mit Bildung von subkutanen Phlegmonen (Pfeil) zu sehen. Fokale NF des Torso links mit rasantem Verlauf (e). Zwei Tage später wurde eine Faszienspaltung mit Debridement und Ausräumung von Phlegmonen vorgenommen. Die NF kann praktisch jede anatomische Region betreffen, z.B. Nacken und Torso (Pfeile) (f, g).

Abb. 2 Zirkuläre, einseitige NF mit ausgedehntem Ödem und Verdickung der subkutanen Fettgewebssepten. Die perifasziale Flüssigkeitskollektion erstreckt sich um die gesamte Oberschenkelmuskulatur (Pfeil).

Abb. 3 Rezidiv einer NF Monate später nach ausgestandener Infektion mit typischer sekundärer Faszienverkalkung (Pfeilkopf). Im ventralen Muskelkompartiment erkennt man eine Gasansammlung als Beweis für die erneute Anaerobierinfektion (langer Pfeil). Fokale suspekte perifasziale Flüssigkeitskollektion rechtslateral am Oberschenkel (kurzer Pfeil).

Abb. 4 Bildbeispiele für perifasziale Gasansammlungen bei NF. a und b (Weichteil- und Lungenfenster) demonstrieren eine ausgedehnte NF der abdominellen Wand (Pfeil), die bereits die kontralaterale Bauchwandpartie involviert hat. Einseitige Thorax- und Bauchwandinfektion links (c) mit typischer subkutaner Gasansammlung (Pfeil). In d, e, f und g erkennt man perifasziale Gasansammlungen am Oberschenkel unterschiedlicher Ausprägung (Pfeile). Die Infektion im Bild d war Folge einer septischen Prothesenlockerung nach Hüft-TEP.

In der MRT können die durch Gewebsnekrose und Entzündung verursachten Flüßigkeitsstraßen entlang der Faszien als abnormal erhöhte Signalintensität in T2 und mit variabler Signalintensität in T1 nachgewiesen werden. Zur Darstellung der inflammatorischen Veränderungen ist eine fettunterdrückte T2-Sequenz besser geeignet als eine fettunterdrückte Gd-angehobene T1-Sequenz. Eine Gd-Gabe ist zur Diagnose nicht nötig, erleichtert allerdings die Differenzierung von Abszessen oder Gelenkerguß gegenüber der Inflammation. Zu beachten ist, dass in der MRT der Grad der Kontrastanhebung aufgrund der Hypoperfusion und der Gewebsnekrose gering ausfallen kann und somit zur Unterschätzung des Ausmaßes der Fasziitis führt. Im Gegensatz hierzu kann die ähnliche Darstellung von infiziertem nekrotischen und nicht infiziertem ödematösen Gewebe dazu führen, dass das Ausmaß der Infektion überschätzt wird.

Differenzialdiagnostisch ist die NF von folgenden Erkrankungen abzugrenzen. Das auf dem Boden einer Herzinsuffizienz oder einer Zirrhose entstandene Weichteilödem, welches durch eine symmetrische Ödemverteilung und diffuses "fatstranding" im CT gekennzeichnet ist. Weitere diffenzialdiagnostisch zu beachtende Erkrankungen sind die chronisch verlaufenden Fasziitis-Pannikulitis-Syndrome (eosinophile Fasziitis) sowie alle Erkrankungen, die mit einer "verdickten Haut" einhergehen (lokalisierte Sklerodermie, chronische Haut-GVHD etc.). Sie imponieren durch Schwellung und Induration der Haut und der darunterliegenden Weichteile und Faszien, meist sind nur Arme und Unterschenkel betroffen.

Myonekrosen weisen ebenfalls Gasansammlungen der Weichteile auf. Hierzu zählen z.B. Clostridienmyonekrose, Nicht-Clostridienmyonekrose und systemisch nekrotisierende Fasziitis. Sie entstehen durch eine Weichteilinfektion, deren Ursprung im Muskelgewebe liegt. Im Gegensatz zur nekrotisierenden Fasziitis steht hier die muskuläre Beteiligung im Vordergrund, die sich in der CT als geringe Abschwächung der muskulären Dichte als Zeichen des Ödems darstellt und/oder als intramuskuläre Gasbildung zeigt.

Die Zellulitis ist durch eine Infektion des Subkutangewebes gekennzeichnet und bedarf lediglich antibiotischer Therapie. Die Abgrenzung zur nekrotisierenden Fasziitis kann klinisch schwierig sein. Mittels MRT kann die Zellulitis als Verdickung des Subkutangewebes mit Signalanhebung in T2 nachgewiesen werden. Die für die nekrotisierende Fasziitis typische Beteiligung des tiefen Faszienblattes fehlt (Fugitt JB, Puckett ML, Quigley MM et al. RadioGraphics 2004; 24: 1472-1476).

Die frühzeitige Diagnose der nekrotisierenden Fasziitis und alsbaldige großzügige Spaltung von Haut, Subkutis und Faszie ist von essentieller prognostischer Bedeutung (Abb.Abb. [5a, b]) (Becker M, Zbaren P, Hermans R et al. Radiology 1997; 202: 471).

Abb. 5 Z.n. Debridement einer NF am linken Oberschenkel mit Darstellung eines ausgedehnten Weichteildefektes (Pfeil) (a). Z.n. ausgiebiger Faszienspaltung, Freilegung und Mesh-Einlage (b).

M. Schulze, D. Overkamp, S. Joanoviciu, M. Horger, Tübingen

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