Rofo 2008; 180(11): 958
DOI: 10.1055/s-2008-1101415
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Kindesmisshandlung - Richtlinien für die radiologische Diagnostik

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Publication Date:
23 October 2008 (online)

 

Bei dem Verdacht auf eine Kindesmisshandlung kommt der radiologischen Diagnostik eine entscheidende Rolle zu. Derzeit finden bundesweit Fachtagungen statt, um zu einheitlichen Befundungsmaßstäben und einer Vernetzung der involvierten Instanzen zu gelangen. Die britische Gesellschaft für pädiatrische Radiologie (BSPR) schildert, wie sich englische Radiologen verhalten. Clin Radiol 2008; 63: 651–656

Für England wird geschätzt, dass 7 % aller Kinder von ihren Eltern oder Betreuern misshandelt werden. 16 % dieser Fälle werden als sehr schwer eingestuft. Auch im Königreich wird eine bessere Interaktion der einbezogenen Ärzte und Behörden angestrebt. Für die Radiologie differenzieren Richtlinien genau, welche Aufnahmen in welcher Position/Ebene anzufertigen sind. Diese Vorgaben wurden kürzlich überarbeitet. S. Swinson et al. stellten zusammen, inwieweit sich das diagnostische Verhalten bei dem Verdacht auf eine Kindesmisshandlung verändert hat. Der Arbeitsgruppe gehörten auch 2 Ärzte an, die primär an der Erarbeitung der neuen Richtlinien für das Royal College of Paediatrics and Child Health beteiligt waren.

Die Radiologie spielt eine wichtige Rolle beim Verdacht auf Kindesmisshandlung. Im Bild zu sehen ist eine Biegungsfraktur von Radius und Ulna bei einem 14 Monate alten Mädchen mit einer dem Verlag unbekannten Verletzungsursache (Bild: Benz-Bohm G (Hsrg). RRR Kinderradiologie, Thieme 2005).

100 Fälle aus den Jahren 2004 bis 2006 wurden retrospektiv analysiert und mit Daten aus dem Jahr 2003 verglichen. Es handelte sich dabei um Patienten mit dem Verdacht auf ein "battered baby syndrome", also Kleinkinder bis zu einem Alter von 2 Jahren. Sie stammten überwiegend aus dem Süden und Westen Englands und waren durchschnittlich 5,4 Monate alt. Jungen und Mädchen waren gleich häufig betroffen. Von der BSPR sind 20 Standardaufnahmen vorgesehen. 16,5 wurden pro Patient durchgeführt. Bei 15 % erfolgten alle empfohlenen Aufnahmen. In 2003 waren bei keinem Patienten alle Untersuchungen erfolgt. Die häufigsten Regionen waren Brustkorb, Unterarme, Unterschenkel und Schädel. Nur bei 29 % wurde die Halswirbelsäule untersucht. Aufnahmen von Abdomen, Händen und Füßen wurden bei etwa 70 % und deutlich häufiger als in 2003 durchgeführt. Durchschnittlich wurden 3,4 Bilder angefertigt, die über die empfohlene Diagnostik hinausgingen. 63 % der <1 Jahr alten und 33 % der übrigen Kinder erhielten ein additives Schädelcomputertomogramm. Da z.T. mehrere Regionen auf einem Bild abgedeckt waren, erfolgten bei jedem Patienten durchschnittlich 16,4 Strahlenexpositionen. Sogenannte "Babygramme" mit Abdeckung großer Areale pro Aufnahme werden von der BSPR abgelehnt und wurden nicht mehr durchgeführt (2003 noch bei 10 %). Die nach einem Punktesystem beurteilte Aufnahmequalität war gut (durchschnittlich 9,7 von 11). Technische Artefakte nahmen im Vergleich mit denen im Jahre 2003 von 35 auf 25 % ab. Organisatorische Mängel, wie fehlende Beschriftung oder der Nachweis des durchführenden Radiologen, waren seltener. Zwischen konventionellen Film- und digitalen Daten bestand kein qualitativer Unterschied.

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