Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2019; 24(02): 69-77
DOI: 10.1055/a-0590-7298
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Intersektorale augenmedizinische Facharztzentren und Versorgung auf dem Land

Intersectoral ophthalmological specialist centres and medical care in rural areas
Ursula Hahn
1   OcuNet Studiengruppe, Düsseldorf
,
Burkhard Awe
2   Augenärzte am Meer, Wilhelmshaven
,
Jörg Koch
3   Augenzentrum am St. Franziskus-Hospital, Münster
,
Markus März
4   Artemis Augenkliniken und medizinische Versorgungszentren, Frankfurt
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Publication Date:
26 June 2018 (online)

Zusammenfassung

Zielsetzung Große Praxen und Medizinische Einrichtungen tragen unzureichend zur Versorgung in ländlichen Regionen bei, so lautet eine häufig vorgetragene Kritik. Umfassende öffentlich zugängliche Datenquellen dazu fehlen jedoch, auch die MVZ-Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung berichtet nur über Haupt-, nicht jedoch über die Nebenbetriebsstätten. Beispielhaft wurde daher die Aufstellung für Intersektorale augenmedizinischen Facharztzentren erhoben.

Methodik Für alle im OcuNet Verbund organisierten Zentren wurden in 2016 die Leistungsstandorte mit den jeweiligen Leistungsschwerpunkten erfasst und Regionstypen der Bedarfs planungsrichtlinie zugeordnet. Für die Zentren, die Standorte über die Grenzen eines Stadtgebietes haben, wurden die absolute und relative Häufigkeit der Standorte bzw. Leistungsschwerpunkte insgesamt und nach den 5 Regionstypen der Bedarfsplanungsregionen erfasst.

Ergebnisse 15 der 19 Zentren hatten Standorte über die Grenzen eines Stadtgebietes hinaus. Diese Zentren kommen auf insgesamt 155 Leistungsstandorte, davon wiesen 132 (85 %) ein konservatives Leistungsspektrum auf. Insgesamt 55 Prozent der Leistungsstandorte entfielen auf die Kreistypen 4 („mitversorgte Bereiche“) und 5 („eigenversorgte Gebiete“); also die Kreistypen ländlicher Regionen, die typischerweise besonders stark von Ärztemangel betroffen sind.

Schlussfolgerung Nahezu ¾ der Intersektoralen augenmedizinischen Facharztzentren des OcuNet Verbundes filialisieren; die Leistungsstandorte dieser Zentren liegen in der Mehrheit in ländlichen Regionen. Die These der unzureichenden Versorgung in der Fläche lässt sich für die betrachtete Stichprobe nicht bestätigen.

Abstract

Aim of the study A frequent criticism is that large surgeries and medical facilities do not sufficiently contribute to the provision of medical services in rural areas. But there are no comprehensive and publicly accessible pertinent data sources available. The MVZ (medical care centres) statistics published by the National Association of Statutory Health Insurance Physicians only covers main facilities and not branches. Data on intersectoral ophthalmological centres have therefore been collected for the purposes of this study by way of example.

Methods In 2016, service locations with their respective key services were recorded for all centres organised in the OcuNet Network, and region types were categorised according to the requirement planning guideline. For centres with branches outside municipal boundaries, the absolute and relative frequency of locations and/or key services were registered in total as well as separately according to 5 region types of requirement planning.

Results 15 out of 19 analysed centres had branches outside municipal boundaries. They comprise a total of 155 service locations, whereby 132 (85 %) presented a conservative range of services. 55 percent of service locations accounted for district types 4 (areas supplied from other source) and 5 (self-supplied areas), in other words: district types in rural areas which typically are most affected by shortage of physicians.

Conclusion Almost ¾ of intersectoral ophthalmological specialist centres of the OcuNet Network have branch offices; the majority of service locations of these centres is in rural areas. The thesis of insufficient provision of medical care across the board has therefore not been confirmed for the analysed sample.

 
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