Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Alle Märchen beginnen mit „Es war einmal ...“. So wurden ehemals die hypoallergene
Milchformula zur Prävention, späte Beikost und Meiden der hochallergenen Nahrungsmittel
Milch und Ei bei Atopie-Risikokindern empfohlen. In der neuen S3-Leitlinie zur Allergieprävention
findet sich jetzt statt der nutritiven Allergenvermeidung im Gegenteil die Empfehlung
Toleranz zu induzieren über eine frühe Zugabe (ab 4. – 6-Monat) einer breiten Palette
von Nahrungsmitteln als Beikost – von allem etwas [1]. Insbesondere der Genuss von Fisch wird explizit empfohlen und keine Diät in Schwangerschaft
und Stillzeit.
Die Erdnuss ist mittlerweile vom „Buh-Mann“ der Allergologie zum „guten Freund“ avanciert
[2]. Nach einer Empfehlung des National Health Institutes wird aktiv die frühe Gabe
von Erdnüssen ab dem 6. Monat, aber nicht vor dem 4. Monat, empfohlen. Praktische
Tipps sehen klein gemahlene Erdnüsse in Joghurt, Erdnüsse in der Suppe püriert, Erdnussbutter
u. a. als Kostergänzung für Säuglinge und Kleinkinder vor. In einigen Staaten wurde
sogar das Ei in die angeratene Beikost mit aufgenommen. Vollkommen gegenteilig sind
die Empfehlungen zum Hautkontakt mit Erdnussprotein [3]. Bei Kindern mit schwerer atopischer Dermatitis hatten die Kinder, bei denen Erdnuss
in hohen Konzentrationen im Wohnumfeld gemessen wurde, einen schweren Verlauf und
ein klinisch deutlich schlechteres Bild als die Kontrollgruppe. Entsprechend wird
auch bei Hochrisikokindern (atopische Eltern) eine Erdnusskarenz in der Wohnumgebung
und beim Hautkontakt empfohlen [3].
Wir haben neu gelernt, dass Toleranz über die orale Aufnahme erworben wird. Eine breite
Angebotspalette an Nahrungsmitteln sollte ab dem 6. Monat gegeben werden, damit sich
eine Toleranz ausbilden kann. Die Sensibilisierung wird über die Haut erworben. Das
ist ein Punkt, den wir mit den Familien besprechen müssen, denn dann ist das Hausmittelchen
„Milch“ im Badewasser, das sogenannte Kleopatra-Bad, keine gute Option.
Immer noch offen sind die Diskussionen um Prä- und Probiotika und um die Beeinflussung
des Mikrobioms der Haut bei atopischer Dermatitis. Mit einem synbiotischen Badezusatz
beschäftigt sich die Arbeit Seite 368 dieses Heftes. Im Peer-Review-Verfahren der
Arbeit war angemerkt worden, dass kein Scoring-System der atopischen Dermatitis verwendet
wurde. Im Symposiumsbericht zur Tagung der Berliner Stiftung, Seite 390 dieses Heftes,
bearbeitet Frau PD Dr. Lippert die Empfehlungen zu EASI als amerikanischen Score und
SCORAD als europäischen Score. Aus Gründen der Praktikabilität und Aussagekraft empfiehlt
sie: „SCORAD first !“. Die objektivierbaren Kriterien dieses Systems machen dermatologische
Expertise nicht nur bei Studienplanung, sondern auch bei der Studiendurchführung notwendig.
Wie vorzugehen ist, wenn sich eine Nahrungsmittelallerge trotz aller Mühen um eine
frühe und bunte Nahrungsmittelpalette entwickelt hat, beschreibt der Artikel zu Nahrungsmittelprovokationen
im Kindesalter, Seite 362.
Christiane Bayerl, Wiesbaden