Lernziele
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Sie kennen die anatomischen und biomechanischen Grundlagen der Strecksehnen an der
Hand.
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Sie können die Wirkungsweisen der Lagerungs- und Übungsschienen des Short-Arc-Motion-Konzeptes
nachvollziehen.
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Sie verstehen die Grundprinzipien des Short-Arc-Motion-Konzeptes und dass zur Durchführung
eine entsprechende Fortbildung notwendig ist.
Die Ergotherapiepraxis von Carina Jensen erhält im Jahr mehr als 1.500 Verordnungen
für ambulante Handtherapie. Die ausgebildete Handtherapeutin ist unter anderem auf
Frühmobilisierung und Schienenbau spezialisiert. Dies sind bei Patienten mit Sehnenverletzungen
wichtige Bestandteile der Behandlung. Bei Strecksehnenverletzungen über dem Mittelglied
der Langfinger gibt es verschiedene Möglichkeiten der Nachbehandlung. Carina Jensen
erklärt eine davon: das Short-Arc-Motion-Konzept (SAM-Konzept).
Wie eine Strecksehne funktioniert
Wie eine Strecksehne funktioniert
Sehnen bestehen aus Bindegewebe (Kollagen). Sie verbinden Muskeln und Knochen. Da
die Fasern parallel verlaufen, besitzen Sehnen eine große Zugfestigkeit. An Eng- und
Umlenkstellen sind sie von einer Sehnenscheide umgeben. Diese ist von Synovia umhüllt,
welche als Gleitschicht Reibung minimiert. Über ein Aufhängeband (Mesotendineum) gelangen
Gefäße in die Sehne. Damit ist die Sehne ein lebendes Gewebe mit einem eigenen Stoffwechsel.
Die Strecksehnen der Hand sind in unterschiedliche Zonen eingeteilt ([ABB. 2]). Der Bereich über dem proximalen Interphalangealgelenk (PIP) liegt in Zone 3 (nach
Verdan und Kleinert) [1]. Je nach Zoneneinteilung ändert sich das Nachbehandlungsschema
einer Sehnenverletzung in diesem Bereich. Dies liegt an den unterschiedlichen Sehnengleitamplituden,
also dem Weg, den eine Sehne bei einer Bewegung zurücklegt.
ABB. 2 Zoneneinteilung der Strecksehnen an der Hand nach Verdan
Abb.:S. Steinweiß
Der Extensorenapparat der Hand ist raffiniert und komplex aufgebaut ([ABB. 1]). Die Strecksehne des M. extensor digitorum communis (sorgt für Extension aller
Langfinger) sowie die des M. extensor indicis (Extension Zeigefinger) und M. extensor
digiti minimi (Extension kleiner Finger) werden nach distal immer flacher und gehen
in eine Dorsalaponeurose über. Diese teilt sich in drei starke Faseranteile auf:
ABB. 1 Die Strecksehnen gehen distal in eine Dorsalaponeurose über.
Abb.: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine
Anatomie und Bewegungssystem: Dorsalaponeurose der Finger. Illustrationen von M. Voll
und K. Wesker. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2014. Rechte: Karl Wesker
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Mittig erstreckt sich der Pars medialis des Tractus intermedius. Dieser setzt proximal
am Mittelglied an und ist primär für dessen Streckung zuständig.
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Rechts und links davon verbinden sich die Pars laterales des Tractus intermedius mit
den Ansätzen der Mm. interossei und radial der Mm. lumbricales zum Tractus lateralis,
dem Seitenzügel der Dorsalaponeurose. Diese ziehen von beiden Seiten nach distal,
vereinigen sich dort zum Pars terminalis und setzen am Endgelenk und dessen Kapsel
an. Sie sind vorrangig für die Streckung des Endgelenkes zuständig.
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Außerdem gehören zum Streckapparat die beiden retinakulären Bänder nach Landsmeer.
Sie koppeln die Bewegungen im PIP und DIP (distales Interphalangealgelenk) aneinander.
Bei der Extension des PIP geraten sie unter Spannung und ziehen auch das DIP in die
Extension. Ebenso geht das DIP vollständig in Flexion, wenn das PIP in Flexion ist.
Diese dynamische Kopplung nennt man Tenodese-Effekt [2].
TAB. 1
Zonen nach Verdan
Zonen nach Verdan
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Körperabschnitt
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Zone 1
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DIP (distales Interphalangealgelenk)
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Zone 2
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Mittelphalanx
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Zone 3
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PIP (proximales Interphalangealgelenk)
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Zone 4
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Proximale Phalanx
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Zone 5
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MCP (Metakarpophalangealgelenk)
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Zone 6
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Mittelhand
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Zone 7
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Handgelenk
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Zone 8
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Unterarm
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Funktion der Strecksehne überprüfen
Funktion der Strecksehne überprüfen
Bei einer Handverletzung im Bereich des PIP prüft der behandelnde Arzt, ob die Sehne
rupturiert ist. Eine Funktionsüberprüfung allein des Tractus intermedius ist schwierig,
da er mit dem ligamentären System und dem Tractus lateralis verbunden ist. Bei einer
Teildurchtrennung des Tractus intermedius kann die Streckung des betroffenen Gelenks
noch nahezu vollständig erhalten sein. Erst bei vollständiger Durchtrennung kommt
es zu einer Streckschwäche im PIP. Lässt man allerdings eine Teildurchtrennung des
Tractus intermedius unbehandelt, kann dies zu einigen Komplikationen mit späteren
Bewegungs- und Funktionsausfällen des Fingers führen.
Mögliche Komplikationen – Bei richtiger Behandlung vermeidbar
Adhäsionen
Verwachsungen/Verklebungen von Gewebe nennt man Adhäsionen. Ist eine Sehne nach einer
OP zu lange immobil, können Adhäsionen entstehen, die das Bewegungsausmaß im Gelenk
beeinträchtigen.
Darf sich die Sehne aufgrund von zum Beispiel einer Fraktur nicht bewegen (das heißt,
sie gleitet nicht), ist eine intensive Narbenbehandlung wichtig. Um möglichst schnell
ein höheres Bewegungsausmaß zu erreichen, ist bei stark traumatisiertem Gewebe darauf
zu achten, dass ein Kompressionsverband die Ödemreduktion in den ersten Tagen unterstützt.
Die Narbenbehandlung sollte jedoch den Wundheilungsphasen angepasst sein und adäquat
durchgeführt werden. Ist sie zu intensiv, verhindert sie das Fortschreiten der Wundheilung.
Eine besondere Form von Adhäsionen: Intrinsic Tightness
Die Stellung des proximalen Gelenkes wirkt sich direkt auf die Längsspannung ihrer
extrinsischen Muskulatur aus, die wiederum die Gelenkstellung beeinflusst: Zieht man
die MCP-Gelenke in 30° Extension, ist dabei keine endgradige Flexion der PIP- und
DIP-Gelenke möglich.
Wenn aber eine zunehmende MCP-Flexion automatisch die Flexion im PIP und DIP erhöht,
weist dies auf eine Adhäsion der intrinsischen Sehnen und der Muskulatur hin. Wenn
sich dagegen die Bewegung in einem distalen Gelenk nicht durch eine veränderte Stellung
des proximalen Gelenkes verändern lässt, kann dies eine Adhäsion in den Gelenkstrukturen
(im Kapsel-Band-Apparat) sein.
Knopflochdeformität
Da eine stumpfe Ruptur (ohne offene Wunde) des Tractus intermedius nur zu einer Kraftminderung
führt, bleibt sie manchmal unentdeckt. Erfolgt keine Behandlung, entsteht eine Knopflochdeformität:
Mit der Zeit gleitet das PIP durch die Seitenzügel der Strecksehne nach dorsal hindurch
wie durch ein Knopfloch.
Die Seitenzügel ziehen das DIP in eine Hyperextension. Bleibt dies weiterhin unbehandelt,
tritt im Laufe der Zeit eine Verkürzung der Seitenzügel ein sowie eine zunehmende
Kontraktur der palmaren Kapselanteile. Somit ist zunehmend auch keine passive Extension
im PIP mehr möglich.
Reruptur
Ist eine Verletzung älter oder reißt der Tractus intermedius nach einer OP erneut,
kann die Sehne nicht mehr genäht werden. Dann führt der Chirurg eine Strecksehnenplastik
durch. Er kann dafür einen oder beide Seitenzügel, die die Aufgabe des Tractus intermedius
ersetzen, verwenden [3]. Eine andere Möglichkeit besteht darin, ein Stück aus dem
proximalen Anteil des Tractus intermedius medial ein Stück abzutrennen und es nach
distal umzuschlagen und zu fixieren [4]. Auch nach einer Sehnenplastik in dieser Zone
wird die Nachbehandlung nach dem SAM-Konzept empfohlen.
Ob eine Strecksehne tatsächlich rupturiert ist, lässt sich mithilfe des Tischkantentests
(auch Elson‘s Test genannt) prüfen ([ABB. 3]). Dabei legt der Patient seine Langfinger im rechten Winkel in den PIP über eine
Tischkante. Dann wird er dazu aufgefordert, seine Finger zu strecken. Ist der Tractus
intermedius nicht verletzt, streckt und beugt sich der betroffene Finger. Ist er rupturiert,
kann das PIP und somit der Finger nicht gestreckt werden.
ABB. 3 Mithilfe des Tischkantentests lässt sich feststellen, ob eine Strecksehne verletzt
ist oder nicht.
Abb.: C. Jensen
Ist die Strecksehne verletzt, folgt eine Operation mit Gelenkseröffnung. Damit die
ambulante Nachbehandlung adäquat erfolgen kann, benötigt die Handtherapeutin den Operationsbericht.
Er sollte die Zone der Verletzung, die Nahttechnik, den Zustand der Sehnen, der Sehnenscheiden
und gegebenenfalls der Ringbänder und Nerven enthalten. Mit diesen Angaben kann die
Therapeutin die Nachbehandlung entsprechend ausrichten. Die Therapie beginnt in der
Regel am 1.–3. Tag nach der OP.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Chirurg und Handtherapeutin ist unabdingbar.
Sehnennähte sind zunächst instabil
Sehnennähte sind zunächst instabil
Die Anzahl der Fäden und der Zustand der Sehnenenden bestimmen, wie fest eine Sehnennaht
ist. Ein erneuter Riss der Sehne ist in jedem Fall zu vermeiden. Ihre Zugbelastung
ist bis zum 6. Tag nach der OP deutlich minimiert: Das traumatisierte Gewebe wird
abtransportiert, das neue Gewebe ist noch nicht aufgebaut. Bei der Heilung lagern
sich Kollagenmoleküle an der Sehne an und verbinden umliegendes Gewebe. Ab dem 6.
Tag nimmt die Zugfestigkeit des Kollagens konstant zu. Kontrollierte Zugbelastung
führt zum Ausrichten der Kollagenfasern in Längsrichtung, wodurch sich die Zugfestigkeit
der Sehne erhöht. Eine Differenzierung des beteiligten Gewebes und die Umwandlung
in eine feste Narbe finden statt.
In der Regel ist eine Sehne 12 Wochen nach einer Sehnennaht wieder voll belastbar.
Da Strecksehnen meist einem geringeren Widerstand ausgesetzt sind als Beugesehnen,
kann der Patient sie gegebenenfalls schon 1–2 Wochen früher (je nach Alltagsbelastung
und Beruf) voll belasten.
Für die Nachbehandlung einer Strecksehnenverletzung stehen dem behandelndem Chirurgen
und der Handtherapeutin verschiedene Techniken zur Verfügung, zum Beispiel die Immobilisierung.
Die Sehne bewegt sich dadurch kaum, sodass sich das Risiko für Adhäsionen (= Verklebungen)
erhöht. Diese beeinflussen die Sehnengleitfähigkeit negativ. Eine andere Nachbehandlungsmöglichkeit
ist die passive Frühmobilisation. Hierbei kommen dynamische Schienen zum Einsatz.
Das Short-Arc-Motion-Konzept gehört zur aktiven Frühmobilisation.
Kontrollierte Frühmobilisation fördert das Abheilen
Kontrollierte Frühmobilisation fördert das Abheilen
Mittels spezieller Schienen und Übungen sorgt das Short-Arc-Motion-Konzept (SAM) dafür,
dass die verletzte Strecksehne kontrollierten Zugbelastungen ausgesetzt ist. Dadurch
hält sich das Risiko für Komplikationen (MÖGLICHE KOMPLIKATIONEN) gering. Der leichte
Zug auf die Sehne fördert außerdem das Abheilen der Wunde. Eine Sehne muss circa 5
Millimeter gleiten können (= Sehnenexkursion), um die Bildung von Adhäsionen zu vermeiden
[1]. Hierfür ist eine Bewegung im PIP von ca. 30° notwendig.
Zunächst fertigt die Handtherapeutin 2–5 Tage nach der OP eine Lagerungsschiene an,
die der Patient für 6–8 Wochen trägt ([ABB. 4]). Er trägt sie 24 Stunden am Tag und zieht sie nur zum Üben aus. 8 Wochen nach der
OP trägt der Patient die Lagerungsschiene weitere 2–4 Wochen nachts und bei Belastung.
Das PIP und das DIP sind in der Lagerungsschiene in Extension, am besten 0°, gelagert,
während das Metakarpophalangealgelenk (MCP) frei sein sollte („Sandwich-Schiene“).
ABB. 4 Lagerungsschiene des SAM-Konzepts, auch „Sandwich-Schiene“ genannt: Sie wird rund
um die Uhr getragen. Sie fixiert PIP und DIP des Fingers, das MCP kann sich frei bewegen.
Abb.: C. Jensen
Die aktive Frühmobilisation verkürzt die Rehabilitationszeit, und der Patient ist
schneller wieder arbeitsfähig.
Übungsschienen zum Trainieren der Extension und Flexion
Übungsschienen zum Trainieren der Extension und Flexion
Neben der Lagerungsschiene fertigt die Handtherapeutin ebenfalls in den ersten Tagen
nach der OP die beiden Übungsschienen für den Patienten an. Die erste Übungsschiene
hat in den ersten 3 Wochen nach der OP im DIP 25° Flexion, und im PIP 30° Flexion
([ABB. 5 UND ABB. 6], S. 24). Nach diesen 3 Wochen erweitert die Therapeutin die Flexion im PIP jede
Woche um 10° – vorausgesetzt, der Patient erreicht die maximale Extension im PIP aktiv.
Wenn er noch nicht endgradig in die Extension im PIP kommt, wird dies mit „Place and
Hold“-Übungen trainiert: Der Patient unterstützt den verletzten Finger bei den Übungen
durch die gesunde Hand und versucht die Fingerstellungen zu halten, so gut es ihm
möglich ist.
ABB. 5 UND 6 Erste Übungsschiene: Die Schiene hindert als „Flexionsblock“ den Finger daran, zu
weit in Beugung zu gehen, um die Sehne nicht zu überdehnen. Der Patient streckt und
beugt den Finger 15–20 Mal pro Stunde. Bei jeder Übung befindet sich das Handgelenk
in 30° Flexion.
Abb.: C. Jensen
Das Ziel des Trainings mit der ersten Übungsschiene ist es, dass der Patient die aktive
Extension im PIP trainiert. Der Finger wird daran gehindert, zu weit in die Flexion
zu geraten („Flexionsblock“) und dadurch die Sehne zu überdehnen. Trotzdem ist eine
aktive Bewegung mit leichter Zugbelastung auf die Strecksehne möglich. Dies trägt
zur verbesserten Kollagenbildung bei und verhindert durch das regelmäßige Gleiten
der Sehne die Bildung von Adhäsionen.
Die zweite Übungsschiene des SAM-Konzeptes fixiert das PIP in 0° Extension, während
das DIP vollständig flektiert werden kann ([ABB. 7 UND ABB. 8], S. 24). Voraussetzung hierfür ist, dass mindestens ein Seitenzügel der Strecksehne
intakt ist. Bei fixierter Extension im PIP übt der Patient mit der Schiene die isolierte
Flexion und Extension im DIP. Dies bewirkt das Gleiten des Tractus lateralis der Dorsalaponeurose.
ABB. 7 UND 8 Bei der zweiten Übungsschiene ist das PIP in vollständiger Extension fixiert, der
Patient bewegt das DIP aktiv in Flexion und Extension. Auch bei diesen Übungen befindet
sich das Handgelenk immer in 30° Flexion. Circa 6 Wochen nach der OP führt der Patient
die Übungen nur noch mit der zweiten Schiene durch.
Abb.: C. Jensen
Das Handgelenk befindet sich bei jeder Übung in 30° Flexion, um den Zug der starken
Antagonisten zu minimieren. Der Patient fixiert das Grundgelenk des betroffenen Fingers
durch die gesunde Hand in Nullstellung. Er schaltet so den Einfluss der intrinsischen
Muskulatur aus, sodass ein maximales Gleiten im Bereich des Tractus intermedius erreicht
wird. Diese Grundstellung gilt für beide Übungsschienen.
Der Patient übt mit beiden Schienen mindestens 6 Wochen lang. Er führt die Übungen
täglich jede wache Stunde 15–20 Mal durch. Dabei darf er keine Kraft gegen Widerstände
wie Ödeme oder Verbandsmaterial aufwenden. Falls ihm die aktive Extension im PIP schwerfällt,
kann er stundenweise eine dynamische Extensionsschiene tragen ([ABB. 9], S. 25). Damit darf der Patient aber nicht aktiv in die Flexion üben, da der Zug
auf die genähte Strecksehne zu groß wäre. 6 Wochen nach der OP muss er nur noch mit
der zweiten Übungsschiene üben, und die Lagerungsschiene kann durch einen Tapezügel
ersetzt werden. Wenn die Wundheilung ohne Probleme abläuft, ist es dem Patienten 7
Wochen nach der OP möglich, den Finger im Alltag einzusetzen, allerdings ohne Belastung.
Leichte Kräftigungsübungen sind 9 Wochen nach der OP möglich, zum Beispiel mit weicher
Knetmasse.
ABB. 9 Hat der Patient Schwierigkeiten damit, den betroffenen Finger aktiv zu strecken, kann
er stundenweise eine dynamische Extensionsschiene tragen. Damit darf er aber nicht
aktiv in die Flexion üben, da sonst der Zug auf die Strecksehne zu groß wäre.
Abb.: C. Jensen
Effektive Frühmobilisation
Effektive Frühmobilisation
Die langjährige Erfahrung zeigt: Die aktive Frühmobilisierung von Strecksehnenverletzungen
an der Hand scheint im Vergleich zur passiven Frühmobilisierung deutlich bessere Ergebnisse
zu liefern. Sie verkürzt die Rehabilitationszeit, und die Patienten sind schneller
wieder arbeitsfähig [1]. Zudem sinkt die Komplikationsrate deutlich. Eine enge Zusammenarbeit
von Handchirurgen und Handtherapeuten ist dabei notwendig. Voraussetzung für die Frühmobilisation
ist die Stabilität der Sehnennaht. Außerdem sollte die behandelnde Handtherapeutin
gut ausgebildet und erfahren sein.
Bei der reinen Immobilisierung einer Strecksehnenverletzung, wie sie Ärzte immer noch
als Standard durchführen, kommt es häufig zu Adhäsionen mit einem Streckdefizit von
10–20° im PIP. Diese Adhäsionen lassen sich bei Durchführung des SAM-Konzeptes meist
verhindern. Da es aber für viele Ärzte bequemer ist, die Wunden zu immobilisieren,
anstatt Verordnungen für den Schienenbau und die Handtherapie auszustellen, erhalten
98% aller Patienten mit Strecksehnenverletzungen keine Frühmobilisierung. Häufig übernimmt
die Nachbehandlung ein Hausarzt, und der Handchirurg sieht den Patienten nicht mehr.
Studien auf diesem Gebiet sind noch rar und in der Regel alle von Ärzten durchgeführt.
Um evidenzbasiert arbeiten zu können, sind aussagekräftige Untersuchungen und eine
Weiterentwicklung der Frühmobilisierung nötig. Die Erkenntnisse aus der Praxis ergeben,
dass die Frühmobilisation wirksam ist. Leider sagen Ärzte oft: Patienten brauchen
noch keine Handtherapie. Sie werden, wenn überhaupt, zunächst zu nicht spezialisierten
Physiotherapeuten geschickt. Erst wenn es schon zu Komplikationen gekommen ist, überweisen
die Ärzte die Patienten an ausgebildete Handtherapeuten. Im Gegensatz zur Immobilisation
ist die Nachbehandlung nach dem SAM-Konzept zwar zeitaufwendiger für Therapeutin und
Patient, aber deutlich effektiver. Handtherapeuten wünschen sich bessere Umsetzungsmöglichkeiten
und eine Verbreitung der Frühmobilisierung, denn sie ist die Zukunft! Empfehlenswert
sind Fortbildungen der AFH (Akademie für Handrehabilitation) und der DAHTH (Deutsche
Arbeitsgemeinschaft für Handtherapie e. V.).