Zusammenfassung
Im Verlauf der Behandlung des idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS) kann es dazu
kommen, dass L-Dopa-induzierte motorische Komplikationen (Wirkfluktuationen und Dyskinesien)
nicht mehr suffizient durch Anpassung der oralen oder transdermalen Medikation beherrschbar
sind. Diese Situation wird unter anderem mit dem Begriff „medikamentös ausbehandelte
Fluktuationen“ (MAF) umschrieben und bildet den Ausgangspunkt für eskalierende Therapieentscheidungen
mit teilweise weitreichender Bedeutung für die Alltagsabläufe, Lebensqualität und
Zukunftsperspektiven der betroffenen Patienten und für ihr Umfeld. Nationale und internationale
Leitlinien empfehlen, zu diesem Zeitpunkt die (Differenzial-)Indikation für eine der
derzeit etablierten eskalierten Therapien mittels tiefer Hirnstimulation (THS), kontinuierlicher
subkutaner Apomorphin-Infusion (APO) oder intrajejunaler Infusion von Levodopa-Gel
(IJLG) zu prüfen.
Obwohl die Termini „medikamentös ausbehandelte“ bzw. „refraktäre“ Fluktuationen/Dyskinesien
intuitiv genauso verständlich erscheinen wie der eng damit verbundene Begriff der
„optimierten Medikation“, handelt es sich letztlich um Konstrukte, die in Leitlinien
nicht konkret definiert und daher einer subjektiven individuellen Beurteilung anheimgestellt
werden. Weil die Feststellung von „MAF“ weitreichende therapeutische Konsequenzen
hat, wird in diesem Artikel ein pragmatischer Algorithmus für die Optimierung der
Medikation bei Fluktuationen und Dyskinesien vorgestellt, der zur Operationalisierung
des Begriffs der MAF beitragen soll. Außerdem soll die Frage diskutiert werden, ob
und unter welchen Umständen bei der Indikationsstellung zur THS oder anderen Eskalationstherapien
auf eine vorangehende Optimierung der oralen/transdermalen Medikation verzichtet werden
kann.
Neben einer methodischen Analyse der vorhandenen therapeutischen Optionen bedeutet
die individuelle Festlegung, ab welchem Zeitpunkt Komplikationen der oral-medikamentösen
Therapie als nicht mehr tolerabel betrachtet werden, immer auch eine Berücksichtigung
der Präferenzen und Bedenken des einzelnen Patienten. Eine pragmatische Definition
von MAF ersetzt daher nicht eine individualisierte Entscheidungsfindung für eine eskalierte
Therapie im Sinne eines „shared informed decision making“, sondern soll dem Behandler
therapeutische Grundregeln für diesen Prozess an die Hand geben.
Abstract
Levodopa-induced response fluctuations and dyskinesias in advanced Parkinson’s disease
eventually fail to respond satisfactorily to adjustments of oral or transdermal medications.
This situation can be described as “medically refractory motor complications” (MRMC)
and requires consideration of advanced therapies that can have fundamental consequences
for daily routines, quality of life and future perspectives of patients and their
caregivers. Most national and international guidelines list deep brain stimulation
(DBS), continuous infusion of apomorphine (APO) or intrajejunal infusion of levodopa-gel
(IJLG) in this context. While the terms “medically refractory fluctuations/dyskinesias”
or the closely related concept of “optimized medication” are commonly used, there
is a lack of operational definitions in current guidelines. Since identification of
MRMC has important therapeutic implications, we propose a pragmatic algorithm for
the optimization of medication in order to operationalize the definition of MRMC.
Furthermore we will discuss whether optimization of oral/transdermal medication should
be mandatory before considering DBS or other advanced treatments.
Besides evaluating available options to optimize medical treatment, individual preferences
and concerns need to be taken into account when considering tolerability of oral medication
and deciding when to start advanced therapies. A pragmatic definition of MRMC does
not substitute shared informed decision making but provides methodological guidance
for the physician to support this process.
Schlüsselwörter
Parkinson - Wirkungsfluktuationen - Dyskinesien - Tiefe Hirnstimulation - Eskalationstherapien
Keywords
Parkinson’s disease - dyskinesia - response fluctuations - deep brain stimulation
- infusion therapies