Symptome der Dorsalgie?
Pferde, die unter Rückenschmerz leiden, zeigen häufig unspezifische und mitunter schwer
zu deutende Symptome. Während einige Patienten rückenschmerztypische Beschwerden wie
Widersetzlichkeit bei Putzen, Satteln oder Aufsteigen sowie Schmerz bei Betasten der
Rückenregion äußern, fallen andere lediglich durch Leistungsminderung, Gewichtsverlust,
lange Aufwärmphasen, schlechten Muskelaufbau oder Lahmheiten auf. Generell sollte
bei Pferden mit vermindertem Muskelaufbau oder Gewichtsverlust differenzialdiagnostisch
ein chronischer Schmerzzustand in Erwägung gezogen werden.
(© Christian Schwier – stock.adobe.com)
Diagnostisches Vorgehen bei Rückenschmerz
Diagnostisches Vorgehen bei Rückenschmerz
Die Basis einer korrekten und umfassenden Rückendiagnostik ist das fundierte Verständnis
der anatomischen, biomechanischen und neurologischen Zusammenhänge der individuellen
Wirbelsäulensegmente.
Die Untersuchung beinhaltet neben der Adspektion des Patienten in Ruhe und Bewegung
die eingehende Palpation der gelenkbildenden Strukturen. Die knöchernen Anteile sowie
die umliegende Muskulatur und zugänglichen Wirbelsäulenbänder werden auf Temperatur,
Größe, Ausmaß, Schmerz und Symmetrie abgetastet. Neben der statischen Untersuchung
der Wirbelsäulenstrukturen sollte der Fokus der palpatorischen Untersuchung auf der
dynamischen (oder Bewegungs-) Palpation liegen.
Bewegungspalpation
Die Bewegungspalpation der individuellen Segmente ermöglicht eine Aussage über den
funktionellen Status und Gesundheitszustand der Wirbelsäule, sofern ein fundiertes
Grundverständnis über die ‚normalen‘ oder ‚physiologischen‘ biomechanischen Abläufe
und Grenzen der individuellen Wirbelsäulengelenke besteht.
Jedes Bewegungssegment zeigt einen individuellen Bewegungsspielraum, der sehr spezifisch
und detailliert zu untersuchen ist. Dazu gehören das Gelenkspiel im Neutralzustand
des Bewegungssegments (A), der aktive Bewegungsspielraum (B), der durch aktive Muskelkraft
erreicht wird und der passive Bewegungsspielraum (C), der durch die Einwirkung einer
äußeren Kraft bis an die sogenannte elastische Barriere gebracht werden kann. Hinter
dieser elastischen Barriere, die durch die Bindegewebsstrukturen und Bänder des Gelenks
bestimmt wird, liegt ein lediglich millimetertief ausgeprägter sog. paraphysiologischer
Bewegungsspielraum (D). Die finale Begrenzung des potenziellen Bewegungsumfangs eines
Gelenks wird durch die anatomische Barriere bestimmt, deren Überschreiten eine Gelenkzerstörung
zufolge hätte.
Die einzelnen Anteile des Bewegungsspielraums sind an einem Finger der eigenen Hand
gut nachzuvollziehen ([Abb. 1]).
Die spezifische Untersuchung auf Basis dieser Prinzipien ermöglicht eine Aussage über
das quantitative und qualitative Palpationsgefühl und gibt gezielt Aufschluss über den Gesundheitszustand und die biomechanische Funktionalität
der gelenkbildenden Strukturen.
Abb. 1 Individueller Bewegungsspielraum eines Gelenks. a Neutralzustand des Bewegungssegments. b Aktiver Bewegungsspielraum, durch aktive Muskelkraft erreicht. c Passiver Bewegungsspielraum, durch Einwirkung einer äußeren Kraft erreicht. d Der paraphysiologische Bewegungsspielraum.(© N. Blum)
Dies ist als besonders hilfreich zu erachten, da die Korrelation von bilddiagnostisch
darstellbaren Veränderungen – wie Röntgen oder Ultraschall – und klinischen Symptomen
nicht immer verlässlich aussagekräftig erscheint. Im Besonderen in der Rückendiagnostik
scheinen einige bilddiagnostisch hochgradig von der Norm abweichende Veränderungen
keinerlei klinische Symptome auszulösen ([Abb. 2]), wohingegen mitunter starke Schmerzen ohne darstellbare Befunde diagnostiziert
werden können.
Dennoch stellt die Bildgebung einen essentiellen Bestandteil der umfassenden Rückendiagnostik
dar, sofern die Ergebnisse mit denjenigen der klinischen Untersuchung in Korrelation
gebracht werden.
Abb. 2 Verwachsung von Dornfortsätzen nach einer Fraktur bei einem Pferd.(© Tierklinik Lüsche)
Röntgen
Basis der Bildgebung ist die Röntgenuntersuchung des Rückens. Hierbei sollte neben
der Darstellung der Dornfortsätze auch die Abbildung der Wirbelkörper erfolgen – zumindest im Bereich des Lungenfelds. In Verdachtsfällen kann ferner mittels
spezieller Einzelaufnahmen eine Darstellung der Facettengelenke erfolgen, wobei sich die auswertbare Darstellbarkeit der Gelenkspalten meist auf
den Bereich der Brustwirbelsäule beschränkt ([Abb. 3]). Die fortschreitende Qualitätsverbesserung ambulanter Röntgensysteme ermöglicht
die Anfertigung entsprechender Aufnahmen in vielen Fällen auch in der Außenpraxis
und bindet diese nicht mehr notwendigerweise an stationäre Systeme in der Klinik.
Abb. 3 Röntgendarstellung der Wirbelsäule. a Darstellung der Dornfortsätze. b Darstellung der Wirbelkörper der Brustwirbelsäule. Im ventralen Wirbelkörperbereich
sind Spondylosen erkennbar. c Darstellung der Facettengelenke der Brustwirbelsäule in obliquem Strahlengang.(©
Tierklinik Lüsche)
Ultraschall
Neben der Röntgenuntersuchung gewinnt die Ultraschalluntersuchung der Wirbelsäule
zunehmend an Bedeutung. Entsprechend der Humanmedizin liegt die Ursache von Rückenschmerzen
häufig in Veränderungen der Weichteilstrukturen begründet, ohne dass knöcherne Veränderungen
vorliegen. Einige Bänder der Wirbelsäule sowie Anteile der epiaxialen Rückenmuskulatur
sind mittels Ultraschalldiagnostik zugänglich. Dazu gehören das Ligamentum supraspinale,
die oberen Anteile der interspinalen Bänder, die Knochenkanten der Dornfortsätze sowie
die lange Rückenmuskulatur ([Abb. 4] und [5]). Ferner können bei einiger Übung und geeignetem Ultraschallgerät Anteile der Facettengelenke
der hinteren Brust- sowie der Lendenwirbelsäule dargestellt werden.
Abb. 4 Ultraschalldarstellung der Wirbelsäule im Transversalschnitt. a Position des Schallkopfs am Knochenmodell. b Schallfenster am Knochenmodell. c Schallfenster am Patienten: Zu erkennen sind die beidseitigen Knochenkonturen des
Dornfortsatzes sowie an dessen Basis die Knochenkonturen der Gelenkfortsätze, die
die Facettengelenke bilden. Beiderseits des Dornfortsatzes sind die epiaxialen Rückenmuskeln
im Querschnitt dargestellt.(© N. Blum)
Szintigrafische Untersuchung
Um funktionelle Probleme der Wirbelsäulensegmente zuverlässig zu diagnostizieren,
eignet sich die ergänzende szintigrafische Untersuchung des Rückens. Diese soll jedoch
nur der Vollständigkeit halber erwähnt und im Rahmen dieser Abhandlung nicht detailliert
besprochen werden, da sie lediglich größeren Kliniken zur weiterführenden Diagnostik
zur Verfügung steht.
Abb. 5 Ultraschalldarstellung der Wirbelsäule im Sagittalschnitt. a Position des Schallkopfs am Knochenmodell. b Schallfenster am Knochenmodell. c Schallfenster am Patienten: Wie auf [Abb. 5 b] dargestellt, zeichnen sich die Knochenkonturen der paramedian gelegenen Gelenkfortsätze
ab, die die Facettengelenke bilden. Darüber sieht man längs angeschnittene Anteile
der epiaxialen Rückenmuskulatur.(© N. Blum)
Rückenschmerz als equine Zivilisationskrankheit?
Rückenschmerz als equine Zivilisationskrankheit?
Ähnlich wie beim Menschen leiden viele moderne Reitpferde an Bewegungsmangel. Korrekter ausgedrückt ist das Verhältnis der täglichen Schrittbewegungsdauer gegenüber
der Bewegung im Rahmen des Trainings unausgewogen.
Das Pferd ist entwicklungsgenetisch ein Lauftier. Pferde bewegen sich unter natürlichen Bedingungen im Sozialverband bis zu 16 Stunden täglich („Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“
des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in der
Fassung vom 09.06.2009). Hierbei handelt es sich überwiegend um langsame Schrittbewegung, verbunden mit kontinuierlicher
Rauhfutteraufnahme.
Vor allem bei vielversprechenden Sportpferden wird häufig der empfohlene und wünschenswerte
Freigang auf ein Minimum reduziert oder gar ganz darauf verzichtet. Dies erfolgt nicht
zuletzt unter dem Aspekt der potenziellen Verletzungsgefahr.
Die Empfehlungen der Leitlinien basieren jedoch auf wissenschaftlichen Erkenntnissen
über die Reifung des Bewegungsapparats des Pferdes. Unter medizinischen und biomechanischen
Gesichtspunkten entstehen durch den Bewegungsmangel Schwachstellen im Bewegungsapparat,
die mitunter drastische Auswirkungen auf die weitere Entwicklung und Leistungsfähigkeit
des Pferdes haben können.
Mehrere Studien belegen die Notwendigkeit der ausgiebigen Freibewegung für die gesunde
Ausreifung stabiler Sehnen- und Bandstrukturen vor allem im Jungpferdealter. Liegt
die sensibelste Phase der Sehnenentwicklung zwar in den ersten 6 Monaten, so umfasst
die vollständige Ausreifung der Sehnen gar die ersten beiden Lebensjahre.
Betrachtet man die Entwicklung des Pferdeskeletts, so erfolgt die Ausreifung einiger
Knochenstrukturen erst im Alter von 4 – 5 Jahren. Hierzu zählen auch die Wirbelkörper
des Rückens. In der Phase des Anreitens und ersten reitsportlichen Nutzung unterliegt
die Wirbelsäule also noch intensiven Ausreifungs- und Umbauprozessen, sodass die Ursache
vielerlei Rückenprobleme bereits hier ihren Ursprung hat.
Das Verständnis dieser Entwicklungsschritte und die entsprechende Rücksichtnahme ist
grundlegend für die Gesunderhaltung und dauerhafte Leistungsfähigkeit eines Sportpferdes.
Der Teufelskreis der Schmerzentstehung
Der Teufelskreis der Schmerzentstehung
Betrachtet man detailliert die anatomischen Strukturen der Wirbelsäule, so befindet
sich das Intervertebralforamen (IVF) unmittelbar benachbart zum Bandscheiben- und
Facettengelenk des jeweiligen Segments ([Abb. 6]). Das IVF ist von besonderem Interesse, da es die Austrittsstelle der Spinalnerven
aus dem Wirbelkanal darstellt. Jegliche Druckentwicklung in diesem Bereich kann zur
mechanischen Irritation der segmental austretenden Spinalnerven führen. Entsteht im
Rahmen einer Facettengelenkirritation eine vermehrte Gelenkfüllung oder Weichteilschwellung,
kann unmittelbarer Druck auf den Spinalnerv entstehen. Aber auch eine indirekte Druckerhöhung durch veränderte segmentale Durchblutung
oder Lymphdrainage aufgrund bewegungsrestriktiver Gelenkdysfunktionen kann eine solche
nervale Irritation auslösen. Gemeinhin wird dies als ‚gequetschter Nerv‘ bezeichnet.
Die Funktionalität und das koordinierte Zusammenspiel der gelenkumgebenden Muskulatur
hängt unmittelbar mit der Qualität und Quantität der neurologischen Informationsübertragung
zusammen. Ist diese auf Basis einer Nervenirritation gestört, entsteht eine Sensibilitätssteigerung
und Muskelhypertonie im innervierten Gebiet – einfach verständlich für jeden Patienten
mit Ischioneuralgie.
Abb. 6 Anatomische Beziehung zwischen Facettengelenk, IVF und Bandscheibengelenk: Das Intervertebralforamen
(IVF; roter Kreis) befindet sich unmittelbar neben dem Bandscheibengelenk (grüner
Pfeil) und dem Facettengelenk (blauer Pfeil) des jeweiligen Segments.(© N. Blum)
Was ist Nozizeption? Und wann entsteht daraus Rückenschmerz?
Was ist Nozizeption? Und wann entsteht daraus Rückenschmerz?
Als Nozizeption bezeichnet man die Übermittlung potenziell körperschädigender Signale,
die durch spezielle Rezeptoren (Nozizeptoren) detektiert werden. Erst wenn diese Signale
das ‚Tor zur Wahrnehmung‘ im Thalamus überschreiten, entsteht Schmerz. Schmerz entspricht
also einer Empfindung und hat zunächst eine physiologische und protektive Funktion,
um die adäquate Reaktion des Körpers auf potenziell schädigende Einflüsse zu ermöglichen.
Die für den Körper als Schutzmechanismus sinnvolle, physiologische Schmerzwahrnehmung
setzt eine ungestörte Funktionalität des nozizeptiven Systems voraus. Sowohl die Signalaufnahme
an den Nozizeptoren, als auch die Signalübertragung und Modulation durch das Rückenmark
bis zur bewussten Wahrnehmung im Cortex müssen ungestört erfolgen.
Durch lange bestehende nozizeptive Stimulationen kann es jedoch zur Alteration der physiologischen Reaktion auf nozizeptive Stimuli
und Veränderungen der Schmerzwahrnehmung kommen. Das nozizeptive System nimmt einen Zustand der Hypersensibilität ein, sodass
bereits geringe Stimuli zu einer starken Schmerzwahrnehmung führen können.
Durch veränderte neuronale Signalübertragung und -modulation zwischen den involvierten
Neuronen treten strukturelle Veränderungen an den betroffenen Nerven ein. Unter Verminderung
der Gesamtanzahl der involvierten Nervenfasern kommt es zur proportionalen Erhöhung
der schmerzleitenden, nozizeptiven Fasern innerhalb des signalübertragenden Nerven.
Durch biochemische Milieuveränderungen in der Umgebung des betroffenen Nerven werden
infolge zuvor unbeteiligte Neurone zu ähnlichen negativen strukturellen Veränderungen
angeregt. Der Körper unterliegt einem Zustand der Übererregbarkeit und Hyperalgesie.
Der Schmerz verselbständigt sich, ohne weiterhin eine protektive Funktion zu haben.
In diesem Zustand kann bereits ein normales oder leicht intensiviertes Training zu
Symptomen von Rückenempfindlichkeit oder -schmerz führen. Nachweisliche strukturelle
Veränderungen liegen dabei meist nicht vor.
Management von Rückenschmerz
Management von Rückenschmerz
Neben der klassischen Injektionsbehandlung des Rückens, bei der eine breite Variation
von Medikamenten zum Einsatz kommt, erfährt die integrative Rehabilitation immer stärkere
Beachtung. Nach Auffassung der Autorin sollte die veterinärmedizinische Behandlung
auf Basis einer korrekten Diagnosestellung mit einem individuell angepassten Rehabilitationsmanagement einhergehen, um einen dauerhaften Therapieerfolg und eine dauerhafte Leistungsfähigkeit
zu ermöglichen.
Dieses Rehabilitationsmanagement umfasst eine Vielzahl instrumenteller und manueller
Therapieoptionen – Elektrotherapie und physikalische Therapie (therapeutischer Ultraschall,
Stoßwellentherapie etc.) finden ebenso Anwendung wie manualtherapeutische Maßnahmen
(Physiotherapie, Faszientherapie, Osteopathie und Chiropraktik) und Trainingsmanagement.
Die vollständige Ruhigstellung des rückenschmerzbeeinträchtigten Patienten muss als
überaltert bezeichnet werden, da wissenschaftlich belegt ein wesentlich größerer Therapieeffekt durch individuell
angepasste Bewegung als durch Boxenruhe zu erwarten ist. Die Ernährung der Bandscheiben
ist beispielsweise an die passive Diffusion von Nährstoffen gekoppelt, die ausschließlich
durch Bewegung initiiert wird. Bewegung ist also für die dauerhafte Gesunderhaltung
der Wirbelsäule unumgänglich.
Entsprechend humanmedizinischer Erfahrungen liegt der Schlüssel des dauerhaften Therapieerfolgs
im optimalen Patientenmanagement unter Einbeziehung eines biomechanisch optimierten
Trainingskonzepts. Um den schmerzhaften oder geschwächten Rücken zu unterstützen,
ist eine starke und funktionelle Muskulatur unumgänglich. Neben der sichtbaren äußeren, sog. epiaxialen Rückenmuskulatur (u. a. M. longissimus dorsi), ist im Besonderen die Funktionalität der unter der Wirbelsäule gelegenen inneren, hypaxialen Muskulatur (u. a. M. psoas major, M. psoas minor, M. iliacus und M. quadratus lumborum) sowie der Bauchmuskulatur (u. a. M. rectus abdominis) von entscheidender Bedeutung. Der Rücken eines Pferdes
kann nur dann elastisch schwingend, tragfähig und funktionell agieren, wenn die knöcherne
Wirbelsäule zwischen der epiaxialen sowie hypaxialen Rückenmuskulatur ähnlich eines
doppelsehnigen Bogens eingespannt und aufgehängt wird. Die Last der Schwerkraft der
Eingeweide und des Reiters wird entsprechend von der wechselseitig an- und abspannenden
Rückenmuskulatur aufgefangen und die Kräfte auf die Wirbelsäule verteilt. Geschieht
dies nicht, kommt es infolge der repetitiven Dysfunktion zur Entwicklung bilddiagnostisch
nachweisbarer Befunde – die pathologische Entwicklung wurde jedoch deutlich früher
bereits in Gang gesetzt.
Eine optimierte, gesunde und funktionelle Rückenmuskulatur ist daher entscheidend
für die Leistungsfähigkeit des Sportpartners Reitpferd.
Neurologisch betrachtet, sendet jedes physiologisch funktionierende Gelenk bei Bewegung
ein individuelles und spezielles ‚Signalmuster‘, welches nach Verarbeitung und Modulation
durch das Gehirn als ein entsprechendes Output-Signal an die involvierte Muskulatur
weitergegeben wird (somatischer Output). Liefert ein Bewegungssegment aufgrund einer
Bewegungseinschränkung ein ‚verfälschtesʼ oder ‘reduziertesʼ Signal, kann dies zu
abberanten ‚Output-Signalen‘ und daraus resultierend zu Dysfunktionen des Bewegungsapparates
führen. Ein Teufelskreis entsteht.
Worauf basiert die Schmerzlinderung/Schmerzmodulation durch Bewegung?
Worauf basiert die Schmerzlinderung/Schmerzmodulation durch Bewegung?
Versteht man die neurologischen Grundlagen, ermöglicht dies auch das Verständnis des
schmerzlindernden Effekts von Bewegung.
Eingehende neuronale Signale unterliegen einer sog. Modulation bei Eintritt ins Zentrale
Nervensystem (ZNS); das bedeutet, Signale können verstärkt oder abgeschwächt werden.
Impulse der nozizeptiven Aδ- und C-Afferenzen verstärken den Effekt der Schmerzwahrnehmung,
wohingegen eine vermehrte Aktivierung der Mechanorezeptor-Fasern eine Hemmung der
Schmerzwahrnehmung bewirkt. Da die Aβ-Afferenzen der Mechanorezeptoren durch Myelinscheiden
neuroanatomisch dicker sind, verfügen sie über eine schnellere Signalübertragung.
Ihre gezielte Stimulation kann daher die Signalpassage der dünneren und langsameren
Nozizeptor-Fasern durch das ‚Tor zur Wahrnehmung‘ hemmen und dadurch die Schmerzwahrnehmung
mindern.
Dieser Effekt ist uns unterbewusst bekannt und im Alltagsverhalten verankert; die
Quetschung eines Fingers führt beispielsweise reflektorisch zum Schütteln der Hand
oder dem Reiben der verletzten und schmerzhaften Region, d. h. zur unwissentlichen
Stimulation der Mechanorezeptoren, um den Schmerz zu lindern!
Fazit
Neben akuten Traumata können Bewegungsmangel sowie repetitive (Fehl-)Belastungen des
Alltags zu Schmerzzuständen und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule führen.
Das eingehende Verständnis der funktionellen und biomechanischen Zusammenhänge ermöglicht
neben der schulmedizinischen Untersuchung und Behandlung einen fundierten und integrativen
Therapieansatz.
Die Symptome von equiner Dorsalgie können durch herkömmliche schulmedizinische Behandlungsansätze
einwandfrei gemildert werden. Ergänzend sollten jedoch funktionelle Wirbelsäulenprobleme,
wie segmentale Einschränkungen des Bewegungsspielraums, behoben werden, da sie häufig
die Grundlage des Rückenschmerzes bilden.
Durch professionelle und fundierte biomechanische Einflussnahme auf die Gelenkmobilität
wird die Wiederherstellung und Optimierung der normalen, physiologischen Gelenkfunktion
erreicht und das Risiko von Rezidiven und voranschreitenden Veränderungen gemindert.
Regelmäßige manualtherapeutische Behandlungen sowie integrative und individuell auf
den Patienten angepasste Rehabilitationsmaßnahmen können die Schwere und Frequenz
von Rückfällen funktioneller Gelenkerkrankungen und damit verbundener Schmerzen reduzieren
und weiterem Verschleiß vorbeugen [3], [30], [43].