Key words
breast ultrasound - core cut biopsy - hygiene - infection
Einleitung
Die Stanzbiopsie ist das am meisten eingesetzte minimalinvasive Verfahren zur Gewebegewinnung
im Rahmen der Abklärung unklarer Befunde in der Brust und kann meist ultraschallgesteuert
in Lokalanästhesie durchgeführt werden [1]
[2]
[3]
[4]
[5]. Spezifische Evidenz zu sinnvollen Hygienemaßnahmen bei der Mamma-Stanzbiopsie liegen
nicht vor; ebenso wenig eine evidenzbasierte Leitlinie diesbezüglich.
Diese Arbeit soll klären, welche Hygienemaßnahmen bei der Durchführung der Mamma-Stanzbiopsie
in der klinischen Routine aktuell zur Anwendung kommen.
Grundvoraussetzung für eine hygienisch einwandfreie Durchführung der Stanzbiopsie
ist die adäquate Reinigung und Desinfektion des Ultraschallkopfes nach Maßgabe des
Herstellers. Sofern dieser auf intakter Haut verwendet wird, wird er von der Kommission
für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch-Institut
und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als unkritisches Medizinprodukt
eingeschätzt [6]. Unkritische Medizinprodukte müssen nach Herstellervorgaben gereinigt und desinfiziert
werden [6]. Bei ultraschallgeführten transkutanen Biopsien, die ein Schall-Leitungsmedium an
der Biopsie-Stelle erfordern, sollte außerdem ein alkoholisches Desinfektionsmittel
oder steriles Ultraschallgel verwendet werden [7], da Erreger über nicht steriles Ultraschallgel übertragen werden können [8]
[9]. Die KRINKO hat im Bundesgesundheitsblatt weitere Empfehlungen zu Hygienemaßnahmen
bei Punktionen und Injektionen herausgegeben [7]. Die durchgeführten Interventionen werden in 4 Risikogruppen eingeordnet (vergleiche
[Tab. 1]). Die Mamma-Stanzbiopsie wird darin jedoch als Verfahren nicht explizit aufgeführt.
Tab. 1
Risikogruppen bei Injektionen und Punktionen gemäß KRINKO, modifiziert nach [7].
Risikogruppe
|
Kriterien
|
1
|
einfacher Punktionsablauf
und
geringes Risiko einer punktionsassoziierten Infektion
|
2
|
einfacher Punktionsablauf
und
geringe Infektionsgefahr, aber in der Literatur dokumentierte schwerwiegende Infektionsfolgen
beim (seltenen) Eintritt einer Infektion
und
keine Notwendigkeit der zwischenzeitlichen Ablage von sterilem Punktionszubehör
|
3
|
Punktion von Organen oder Hohlräumen
oder komplexer Punktionsablauf mit Notwendigkeit der zwischenzeitlichen Ablage von sterilem
Punktionszubehör, mit oder ohne Assistenzperson
|
4
|
komplexe Punktion mit Notwendigkeit der zwischenzeitlichen Ablage von sterilem Punktionszubehör
und steriler Anreichung durch eine Assistenzperson
und/oder Einbringung von Kathetern beziehungsweise Fremdmaterial in Körperhöhlen oder tiefe
Gewebsräume (z. B. Ventrikelkatheter, Periduralkatheter)
|
In diese Risikogruppen teilt die KRINKO verschiedene Injektionen und Punktionen ein:
Eine venöse Blutentnahme beispielsweise in Gruppe 1, eine diagnostische Pleura- oder
Aszites-Punktion in Gruppe 2, Organpunktionen (zum Beispiel der Leber) in Gruppe 3
und die Anlage einer Bülau-Drainage in Gruppe 4. Abhängig von der Risikogruppe werden
Empfehlungen ausgesprochen, welche Hygienemaßnahmen durchgeführt werden sollten.
Für Maßnahmen der Gruppe 1 sind keine besonderen Maßnahmen erforderlich, für Maßnahmen
der Gruppe 2 werden sterile Tupfer oder eine adäquate Sprühdesinfektion und teilweise
sterile Handschuhe, eine sterile Abdeckung oder ein Mund-Nasen-Schutz empfohlen, allerdings
nicht für alle Maßnahmen in dieser Gruppe. Die KRINKO weist außerdem darauf hin, dass
bei ultraschallgesteuerten Interventionen, bei denen es zum Kontakt des Schallkopfes
mit der Punktionsstelle oder der Biopsie-Nadel kommen kann, ein steriler Überzug für
den Schallkopf verwendet werden muss [7].
Die European Federation of Societies for Ultrasound in Medicine and Biology (EFSUMB)
unterscheidet in ihrer Leitlinie kleine Interventionen von großen Interventionen.
Die Leitlinie konzentriert sich auf abdominelle Eingriffe und geht ebenfalls nicht
im Speziellen auf die Mamma-Stanzbiopsie ein. Für sogenannte kleine Interventionen
seien eine normale Hände- und Hautdesinfektion sowie das Tragen eines Kittels und
steriler Handschuhe ausreichend. Für große Interventionen oder kleine Interventionen
mit erhöhtem Infektionsrisiko sollten auch Maske und Haube verwendet werden. Es wird
außerdem eine Hautdesinfektion analog einer Operation empfohlen. Für alle Interventionen
sollten sterile Schallkopfüberzüge und steriles Ultraschallgel verwendet werden. Es
wird Einweg-Biopsie-Material empfohlen [10].
In der Primärliteratur gibt es wenige Daten zu infektiösen Komplikationen nach Mamma-Stanzbiopsien.
Eine große retrospektive Analyse untersuchte fast 13 000 Fälle auf postinterventionelle
Infektionen nach einer Mamma-Stanzbiopsie, die ohne Schallkopfüberzug durchgeführt
wurden. Das Biopsie-Gebiet wurde steril abgedeckt, es wurde außerdem steriles Gel
benutzt. Infektionen waren in 0,11 % der Fälle dokumentiert worden. Alle Infektionen
waren oberflächlich und konnten mit einer oralen Antibiose behandelt werden. Es wurde
keine Sepsis dokumentiert, ebenso keine invasiven Folgeeingriffe oder stationäre Aufnahmen
infolge einer infektiösen Komplikation nach einer Mamma-Stanzbiopsie [11]. Eine ältere retrospektive Analyse berichtete bei 1836 Biopsien nur von 1 oberflächlichen
Infektion (entsprechend 0,05 %) [1]. Ein 2010 erstelltes Review, das die Effektivität von Stanzbiopsien mit der von
offenen Biopsien vergleicht, gibt nach Stanzbiopsien der Mamma in 0,15 % behandlungsbedürftige
Infektionen an, wobei Infektionen nicht prospektiv erfasst wurden [12]. Aufgrund dieser Datenlage ist das Infektionsrisiko bei der Stanzbiopsie der Brust
als gering einzustufen.
Da weder in den Empfehlungen der KRINKO noch in den Leitlinien der EFSUMB konkret
auf die Mamma-Stanzbiopsie eingegangen wird, war es das Ziel dieser Arbeit, die klinische
Routine einer großen, repräsentativen Kohorte an sonografisch stanzbiopsierenden Ärzten
abzufragen, um daraus in Kenntnis der oben skizzierten Literatur praktische Handlungsempfehlungen
für die Durchführung der Mamma-Stanzbiopsie vorzuschlagen.
Methoden
Um eine Einschätzung (Level-of-Evidence 5) zu erhalten, wurde von Mai bis Juli 2017
eine Onlineumfrage unter allen Mitgliedern des Arbeitskreises Mamma-Sonografie innerhalb
der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) durchgeführt. Alle
Mitglieder der DEGUM-Stufen I bis III (ansteigende Qualifikationsniveaus) wurden dazu
per Email eingeladen und erhielten eine einmalige Erinnerung. Die Teilnahme war anonym
über einen Link möglich und dauerte etwa 3 Minuten.
Folgende Fragen wurden den Teilnehmenden gestellt:
-
Welcher Zertifizierungsstatus trifft auf Sie zu?
-
Wie viele Stanzbiopsien haben Sie persönlich in den vergangenen 5 Jahren insgesamt
in etwa durchgeführt?
-
Die KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert-Koch-Institutes)
ordnet Interventionen folgenden Risikogruppen zu – welcher Risikogruppe würden Sie
die sonografisch geführte Stanzbiopsie zuordnen? Anmerkung: Vergleiche [Tab. 1], die Definitionen der Risikogruppen wurde den Teilnehmenden bei dieser Frage vorangestellt.
-
Wie wahrscheinlich kommt es Ihrer Erfahrung nach bei einem geübten Biopseur (> 50
Biopsien durchgeführt) zu einem Kontakt des Schallkopfes zum Trokar beziehungsweise
der Biopsie-Nadel bei einer sonografisch geführten Stanzbiopsie?
-
Wie hoch ist Ihrer Erfahrung nach die Rate therapiebedürftiger Infektionen pro 1000
sonografisch geführten Stanzbiopsien?
-
Nutzen Sie sterile Handschuhe zur sonografisch geführten Stanzbiopsie?
-
Nutzen Sie einen Mundschutz zur sonografisch geführten Stanzbiopsie?
-
Desinfizieren Sie die Haut adäquat (Sprüh-Wisch-Sprühdesinfektion) vor der sonografisch
geführten Stanzbiopsie?
-
Decken Sie die Patientin im Bereich der Brust zur sonografisch geführten Stanzbiopsie
steril mit Tüchern ab?
-
Nutzen Sie einen steril eingepackten Schallkopf zur sonografisch geführten Stanzbiopsie?
-
Benutzen Sie in der Mehrheit der Biopsien Einmalsysteme oder wiederverwendbare Systeme?
-
Wenn Sie Mehrfachsysteme nutzen: Welche hygienische Aufbereitung des Geräts führen
Sie regelhaft durch?
Statistische Auswertung
Diskrete Antworten und Merkmale wurden in absoluten und relativen Häufigkeiten angegeben,
für numerische Antworten wurden Median und Quartile berechnet.
Es wurde außerdem ausgewertet, wie viele der genannten Hygienemaßnahmen (sterile Handschuhe,
Mundschutz, Hautdesinfektion, steriles Tuch, steril eingepackter Schallkopf) von den
Untersuchern durchgeführt werden. Dazu wurde ein „Hygiene-Score“ von 0 – 5 berechnet,
der wie folgt gebildet wurde: Für jede Antwort mit ja aus den Fragen 6 – 10 erhielt
der Teilnehmende 1 Punkt. Somit wurden mindestens 0 und höchsten 5 Punkte vergeben.
Ein höherer Score entspricht damit einer höheren Anzahl an genutzten Hygienemaßnahmen.
Gruppenvergleiche zwischen den DEGUM-Stufen wurden für die Fragen 2 – 5 und den Hygiene-Score
berechnet. Zusätzlich wurde der Hygiene-Score noch in Abhängigkeit der Risikoeinschätzung
(Frage 3) auf Unterschiede untersucht.
Für die Gruppenvergleiche wurden zwischen diskreten Antworten Chi-Quadrat-Tests gerechnet,
für Unterschiede zwischen numerischen Variablen wurden aufgrund von Verletzungen von
Verteilungsannahmen nichtparametrische Kruskal-Wallis-Tests durchgeführt.
P-Werte kleiner als 0,05 wurden in einem deskriptiven Sinn als signifikant bezeichnet.
Erarbeiten der Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen
Nach der Literaturrecherche und der Auswertung der Umfrage wurden die Ergebnisse im
Rahmen einer Telefonkonferenz unter allen Mitgliedern der Stufe III des Arbeitskreises
Mamma-Sonografie der DEGUM diskutiert und soweit möglich die unten aufgeführten Empfehlungen
zur Anwendung von Hygienestandards bei der ultraschallgesteuerten Stanzbiopsie an
der Mamma konsentiert.
Ergebnisse
Die Teilnahmequote lag bei 41,6 % (277/666). Es wurden 33 Mitglieder der Stufe III
inklusive der Stufe-II-Kursleiter eingeladen (Teilnahmerate 78,8 %), 178 Mitglieder
der Stufe II (Teilnahmerate 60,1 %) sowie 455 Mitglieder der Stufe I (Teilnahmerate
29,5 %).
10 der Teilnehmenden führten die Umfrage nicht bis zum Ende durch und wurden daher
aus der Auswertung gestrichen.
Die Ergebnisse der Umfrage werden in [Tab. 2] dargestellt.
Tab. 2
Umfrageergebnisse.
Frage
|
Antwort
|
Anzahl/
Median
|
Prozent (%) / Quartile (Q1; Q3)
|
Frage 1: Zertifizierungsstatus Teilnehmender
|
|
DEGUM I
|
134
|
50,19 %
|
|
DEGUM II
|
107
|
40,07 %
|
|
DEGUM IIK und DEGUM III
|
26
|
9,74 %
|
Frage 2: Anzahl Stanzbiopsien/5 Jahre
|
|
|
300
|
150; 600
|
Frage 3: Risikogruppe nach KRINKO
|
|
Gruppe 1
|
198
|
74,16 %
|
|
Gruppe 2
|
58
|
21,72 %
|
|
Gruppe 3
|
11
|
4,12 %
|
Frage 4: Kontakt Schallkopf/Biopsie-Nadel
|
|
|
2 %
|
0 %; 5 %
|
Frage 5: Rate an Infektionen/1000 Biopsien
|
|
|
1
|
0; 2
|
Frage 6: sterile Handschuhe
|
|
ja
|
146
|
54,68 %
|
|
nein
|
121
|
45,32 %
|
Frage 7: Mundschutz
|
|
ja
|
5
|
1,87 %
|
|
nein
|
262
|
98,13 %
|
Frage 8: Sprüh-Wisch-Sprüh-Desinfektion
|
|
ja
|
262
|
98,13 %
|
|
nein
|
5
|
1,87 %
|
Frage 9: sterile Tücher
|
|
ja
|
37
|
13,86 %
|
|
nein
|
230
|
86,14 %
|
Frage 10: steril eingepackter Schallkopf
|
|
ja
|
30
|
11,24 %
|
|
nein
|
237
|
88,76 %
|
Frage 11: Mehrfachsysteme
|
|
ja
|
146
|
54,68 %
|
|
nein
|
121
|
45,32 %
|
Frage 12: Aufbereitung (Frage von 146 Befragten beantwortet; vgl. Frage 11: Mehrfachsysteme = ja:146)
|
|
Desinfektion
|
102
|
70 %
|
|
Sterilisation
|
54
|
37 %
|
|
Abwaschen
|
41
|
28 %
|
134 der Teilnehmenden (entsprechend 50,19 %) waren Mitglieder der DEGUM-Stufe I, 107
(entsprechend 40,1 %) der DEGUM-Stufe II, 8 (entsprechend 3 %) der DEGUM-Stufe II
Kursleiter und 18 (entsprechend 6,7 %) der DEGUM-Stufe III. Im Median hatten die Teilnehmenden
in den letzten 5 Jahren 300 Stanzbiopsien durchgeführt.
74,2 % aller Teilnehmenden ordneten eine Mamma-Stanzbiopsie der Risikogruppe 1 gemäß
KRINKO zu.
Die Wahrscheinlichkeit des Kontakts des Schallkopfes mit der Biopsie-Nadel beziehungsweise
dem Trokar bei einem geübten Biopseur (> 50 Biopsien durchgeführt) wurde im Median
mit 2 % angegeben. Die Rate therapiebedürftiger Infektionen nach einer Stanzbiopsie
wurde auf 1 Promille geschätzt.
Die Teilnehmenden führen folgende Hygienemaßnahmen bei einer Stanzbiopsie durch:
54,7 % der Teilnehmenden nutzen sterile Handschuhe für die Biopsie, 1,9 % einen Mundschutz.
Eine Sprüh-Wisch-Sprüh-Desinfektion wird von 98,1 % durchgeführt. 13,9 % decken die
Brust mit einem sterilen Tuch ab und 11,2 % nutzen einen sterilen Schallkopfüberzug.
54,7 % (entspricht 146) nutzen für die Biopsie wiederverwendbare Biopsie-Systeme.
Details sind [Tab. 2] zu entnehmen.
Der berechnete Hygiene-Score wird in [Tab. 3] dargestellt.
Tab. 3
Hygiene-Score: Anzahl der mit „ja“ beantworteten Fragen von Frage 6 – 10.
Hygiene-Score:
|
Anzahl
|
Prozent (%)
|
0
|
3
|
1 %
|
1
|
113
|
42 %
|
2
|
100
|
37 %
|
3
|
38
|
14 %
|
4
|
12
|
4 %
|
5
|
1
|
0 %
|
Lediglich 1 % der Teilnehmenden nutzt keine der genannten Hygienemaßnahmen. Die meisten
Biopseure führen 1 oder 2 Hygienemaßnahmen durch, wenige 3 oder 4 der genannten Maßnahmen.
Untersucher der DEGUM-Stufe I schreiben der Stanzbiopsie ein höheres Risiko zu als
Untersucher der Stufe II und III, wobei Untersucher der Stufe II das geringste Risiko
in einer Stanzbiopsie sehen (p = 0,351). Untersucher der DEGUM-Stufe I nutzen außerdem
durchschnittlich signifikant mehr Hygienemaßnahmen (p = 0,014) (vergleiche [Abb. 1], [2]).
Abb. 1 Zuordnung zu den Risikogruppen aufgeschlüsselt nach DEGUM-Stufen.
Fig. 1 Assignment to risk groups broken down by DEGUM level.
Abb. 2 Hygiene-Score aufgeschlüsselt nach DEGUM-Stufen.
Fig. 2 Hygiene score broken down by DEGUM level.
Die Teilnehmenden höherer DEGUM-Stufen haben durchschnittlich signifikant mehr Stanzbiopsien
durchgeführt (p-Wert< 0,001) und sie schätzen tendenziell die Kontaktwahrscheinlichkeit
des Schallkopfes mit der Biopsie-Nadel geringer ein (p = 0,1782), ebenso die Gefahr
behandlungsbedürftiger Infektionen (p = 0,003).
Teilnehmende, die die Stanzbiopsie der Risikogruppe 1 gemäß KRINKO zugeordnet hatten,
nutzen insgesamt signifikant weniger Hygienemaßnahmen (Hygiene-Score: Median = 1,5;
Q1 = 1; Q3 = 2) als diejenigen, die eine Zuordnung zu den Risikogruppen 2 (M = 2;
Q1 = 1; Q3 = 3) oder 3 (M = 2; Q1 = 2; Q3 = 3) vorgenommen hatten (p < 0,001).
Diskussion
Mit dem Mehrstufenkonzept der DEGUM ist vor vielen Jahren ein qualitätsgesicherter
Durchführungsstandard in der Sonografie geschaffen worden, der sich optimal für eine
Erhebung eines Erfahrungswertes für den Hygienestandard bei Stanzbiopsien der Mamma
eignet. Insgesamt hatten sich fast 42 % aller zertifizierten Mitglieder des Arbeitskreises
Mamma-Sonografie, darunter über 60 % respektive 79 % der DEGUM-Stufen II und III inklusive
II-Kursleitern an der Befragung beteiligt. Gerade die hohe Teilnahmerate letzterer,
hoch qualifizierter Mitgliederstufen unterstreicht die Bedeutung des Themas und untermauert
die Aussagekraft der Befragung.
Es erscheint plausibel, dass erfahrene Untersucher das Risiko der Stanzbiopsie eher
geringer einschätzen. Sie haben signifikant mehr Stanzbiopsien durchgeführt und schätzen
das Risiko eines Kontakts des Schallkopfes mit der Biopsie-Nadel tendenziell geringer
ein, ebenso die Gefahr behandlungsbedürftiger Infektionen. Dies erklärt auch den niedrigeren
Hygiene-Score in diesen Gruppen.
Der Großteil der Teilnehmenden ordnet die Stanzbiopsie der Mamma in die Risikogruppe
1 ein, analog zum Beispiel einer Blutentnahme. Dies spiegelt sich in den durchgeführten
Hygienemaßnahmen wider. Die meisten führen eine Sprüh-Wisch-Sprüh-Desinfektion durch.
Eine knappe Mehrheit verwendet auch sterile Handschuhe für die Biopsie. Beides sind
schnell und vergleichsweise einfach durchführbare Maßnahmen. Dies ist vermutlich auch
die Erklärung dafür, dass häufig sterile Handschuhe verwendet werden, obwohl eine
deutliche Mehrheit der Teilnehmenden die Stanzbiopsie der Risikogruppe 1 zuordnet.
Auch wenn in Summe von einem Viertel die Stanzbiopsie der Mamma in die Risikogruppe
2 oder 3 eingeordnet wird, wird die Gefahr einer behandlungsbedürftigen Infektion
als klinisch relevante Komplikation mit im Median 1 Promille als sehr gering eingeschätzt.
Diese Einschätzung stimmt mit den vorliegenden empirischen Daten im Wesentlichen überein
[1]
[11]
[12]. Da es sich hierbei allerdings um retrospektive Daten handelt, sind die durchgeführten
Hygienemaßnahmen häufig nicht nachzuvollziehen. Es muss außerdem kritisch hinterfragt
werden, ob alle aufgetretenen Infektionen in der Dokumentation erfasst und dem Biopseur
bekannt waren. Es scheint aber wahrscheinlich, dass sich Patientinnen mit behandlungsbedürftigen
oder schweren Infektionen regelhaft an den Biopseur wenden würden, auch wenn es zu
dieser Hypothese keine belastbare Evidenz gibt. In der Analyse von Reisenauer et al.
wurde über 9 Jahre 48 Stunden nach der Biopsie ein Telefoninterview durchgeführt,
um mögliche Symptome zu erfragen. Aufgrund der sehr niedrigen Komplikationsrate wurden
diese Interviews eingestellt [11].
Inwiefern eine behandlungsbedürftige Infektion sich tatsächlich durch die genannten
Hygienemaßnahmen vermeiden lässt, bleibt ebenfalls spekulativ, da über die Punktionsstelle
auch postinterventionell Infektionserreger eindringen könnten.
Die Stanzbiopsie der Mamma wird in den Risikogruppen gemäß KRINKO nicht genannt; daher
können erforderliche Hygienemaßnahmen aus den Empfehlungen der KRINKO nicht unmittelbar
abgeleitet werden. Die Mehrzahl der Teilnehmenden ordnet die Mamma-Stanzbiopsie der
Risikogruppe 1 zu, was insofern plausibel erscheint, da eine Biopsie der Mamma als
Hautanhangsgebilde, sofern sie korrekt durchgeführt wird, ein oberflächlicher Eingriff
ohne Eröffnung von Körperhöhlen (wie zum Beispiel bei der Pleura-Punktion oder Aszites-Punktion)
ist. Dies ist ein entscheidendes Einteilungskriterium der Risikoklassifizierung der
KRINKO [7].
Allerdings sind in der Literatur auch schwere Komplikationen nach Stanzbiopsien der
Mamma dokumentiert. So berichten Roque et al. von einer nekrotisierenden Infektion
nach stanzbioptischer Sicherung eines Mammakarzinoms bei einer 80-jährigen Patientin.
Über den Ablauf und durchgeführte Hygienemaßnahmen während der Biopsie sowie den Erreger
werden keine Angaben gemacht [13]. Kasprowicz et al. beschreiben den Fall einer 48-jährigen Patientin, bei der nach
stanzbioptischer Sicherung eines Phylloidestumors eine über Monate chronische Mastitis
ohne Erregernachweis auftrat, sodass die Patientin sich schließlich zur beidseitigen
Mastektomie entschied [14]. Flandrin et al. berichten von einer nekrotisierenden Fasziitis nach einer Biopsie
an der Mamma [15]. Da der Aspekt „in der Literatur dokumentierte, schwerwiegende Infektionsfolgen
beim (seltenen) Eintritt einer Infektion“ ein Definitionsaspekt der Risikogruppe 2
ist, könnte man die Stanzbiopsie damit maximal in die Risikogruppe 2 einstufen; wir
halten dies aufgrund des extrem seltenen Eintritts einer Infektion und des noch viel
selteneren Eintritts schwerwiegender Infektionsfolgen für inadäquat.
Es erscheint in der Zusammenschau aus vorliegender Evidenz, Leitlinien und der Expertenbefragung
sinnvoll, eine adäquate Hautdesinfektion durchzuführen, um das insgesamt niedrige
Infektionsrisiko so weit wie möglich weiter zu minimieren. Davon ausgehend, dass Infektionen
nach Mamma-Stanzbiopsien nur im niedrigen Promillebereich vorkommen, stellt sich die
Frage, welche weiteren Maßnahmen darüber hinaus regelhaft gerechtfertigt sind, um
eine Infektion zu vermeiden. Ein steriler Schallkopfüberzug reduziert beispielsweise
die Infektionswahrscheinlichkeit nur fraglich. So geben Reisenauer et al. auch nach
Biopsien ohne Schallkopfüberzug eine Infektionswahrscheinlichkeit von nur 0,11 % an
[11]. Die Wahrscheinlichkeit des Kontakts des Schallkopfes mit der Biopsie-Nadel wird
von den Teilnehmenden dieser Befragung im Median auf nur 2 % geschätzt. Der Einsatz
eines Schallkopfüberzugs verkompliziert den Ablauf der Biopsie und verbraucht darüber
hinaus unnötig personelle und materielle Ressourcen. Laut KRINKO wäre dies zudem nur
dann erforderlich, wenn der Schallkopf die Punktionsstelle berührt oder mit der Punktionsnadel
in Kontakt kommen kann [7].
Eine Infektion der Mamma ist außerdem darüber hinaus, abgesehen von in der Literatur
dokumentierten Einzelfällen, in der Regel mit einer oralen Antibiose unkompliziert
zu behandeln.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass jede Institution, wie von der KRINKO gefordert
und im § 36 des Infektionsschutzgesetztes festgehalten, einen Hygieneplan für die
Durchführung von Interventionen erstellen muss [16]. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass der Einsatz von wiederverwendbaren Systemen
bei der Biopsie nur dann zulässig ist, wenn diese entsprechend den Herstellerangaben
mit einem validierten Verfahren aufbereitet werden [6]. Hinsichtlich der Aufbereitung des Ultraschallkopfes sind die „DEGUM-Empfehlungen
zur Hygiene in der Sonografie und Endosonografie“ zu beachten [17].
Auf Basis der vorliegenden Datenanalyse einer Umfrage von Experten der Stufe I–III
des Arbeitskreises Mamma-Sonografie der DEGUM sowie in Kenntnis der empirischen Evidenz
haben die DEGUM-Mitglieder der Stufe 3 für die sonografisch gesteuerte Mamma-Stanzbiopsie
unter Beachtung der allgemeinen KRINKO-Empfehlungen folgende Schlussfolgerungen konsentiert:
-
Adäquate Hautdesinfektion entweder als Sprühdesinfektion oder als Sprüh-Wisch-Sprüh-Desinfektion
unter Verwendung eines sterilen Tupfers.
-
Hygienische Händedesinfektion sowie Nutzung von Handschuhen.
-
Adäquate Reinigung und Desinfektion des Ultraschallkopfes.
-
Nutzen eines sterilen Kontaktmediums.
-
Ein steriler Schallkopfüberzug ist regelhaft nicht erforderlich, da ein Kontakt des
Schallkopfes mit der Punktionsstelle oder der Biopsie-Nadel und eine hierdurch begründete
Infektion extrem unwahrscheinlich ist.
Diese Empfehlung wurde unter allen Mitgliedern der Stufe III des Arbeitskreises Mamma-Sonografie
der DEGUM diskutiert und konsentiert. Bezüglich der Wahl der Handschuhe konnte aufgrund
der uneindeutigen Umfrageergebnisse und fehlenden Datenlage kein Konsens erreicht
werden, sodass hierzu keine differenzierte Empfehlung ausgesprochen werden kann und
dieser Punkt offenbleiben muss.