Die Antwort unseres Experten
Sofern der Praxisinhaber, also der Arbeitgeber, kein Problem darin sieht, dass die
Mitarbeiterin eigene Visitenkarten auslegt, bestehen rechtlich keine Bedenken. Im
Gegenteil ist es in vielen Branchen üblich, dass Mitarbeiter, die regelmäßig mit Kunden,
Klienten oder Patienten Kontakt haben, über eigene Visitenkarten verfügen. Der Kunde
hat dann einen Ansprechpartner in der Firma, der über seine Belange Bescheid weiß.
Allerdings entsprechen diese Visitenkarten regelmäßig der Corporate Identity des Arbeitgebers.
Sie werden also üblicherweise für alle Mitarbeiter im gleichen Design erstellt, das
sich meist in der Praxis und auf Briefköpfen wiederfindet. Die Visitenkarten enthalten
dann den Namen und die dienstlichen Kontaktdaten des jeweiligen Mitarbeiters.
Wenn nun die Mitarbeiterin eigene Visitenkarten erstellt, an ihre Patienten verteilt
und in der Praxis auslegt, könnte der Eindruck entstehen, dass sie selbstständig in
der Praxis tätig ist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sie sozialversicherungs-
und steuerrechtlich als Selbstständige behandelt wird. Für diese Bewertung kommt es
vielmehr auf das Gesamtbild an – die eigene Werbung, beispielsweise mit persönlich
gestalteten Visitenkarten, ist nur ein Indiz für selbstständige Tätigkeit. Indizien
gegen eine selbstständige Tätigkeit sind die Arbeit nach Weisungen und die Eingliederung
in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Werden also üblicherweise Terminabsprachen
anhand des Praxiskalenders vorgenommen und kann der Praxisinhaber entscheiden, wer
wann welchen Patienten behandelt, spricht dies für eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis.
Ebenso spricht für die Angestelltentätigkeit, wenn die Mitarbeiterin ihre erbrachten
Leistungen nicht direkt gegenüber dem Patienten beziehungsweise dessen Krankenversicherung,
sondern gegenüber dem Praxisinhaber abrechnet.
Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass allein die persönlichen und selbst gestalteten
Visitenkarten für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht ausreichen. Es
müssen noch mehr Umstände hinzutreten, um hier auf eine selbstständige Tätigkeit zu
schließen.
Der Praxisinhaber könnte der Leserin allerdings untersagen, ihre Visitenkarten in
seinen Praxisräumen auszulegen und zu verwenden. Er kann dies auch zum Anlass nehmen,
um über seine eigene Corporate Identity nachzudenken, und Visitenkarten für seine
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erstellen lassen.