Dodoo-Schittko F.
et al.
German-wide prospective DACAPO cohort of survivors of the acute respiratory distress
syndrome (ARDS): a cohort profile.
BJM Open 2018;
DOI:
10.1136/bmjopen-2017-019342
Etwa 10 % aller ICU-Patienten entwickeln im Verlauf ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS),
in schweren Fällen liegt die Sterblichkeit sogar bei über 40 %. Zudem haben auch Überlebende
meist schwer an einer überstandenden schweren Schädigung des Lungenparenchyms zu tragen:
Jahre später leiden sie an körperlichen und mentalen Einschränkungen, die sich langfristig
negativ auf ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität auswirken können. Genau an diesem
Punkt wollten Dodoo-Schittko und seine Kollegen ansetzen und haben zwischen September
2014 und Mai 2016 eine groß angelegte prospektive Kohortenstudie mit ARDS-Überlebenden
begonnen. Dabei sollen vor allem die Auswirkungen der intensivmedizinischen Versorgungsqualität
auf die Lebensqualität und die Rückkehr ins Berufsleben untersucht werden. Als Voraussetzung
für die Studienteilnahme definierten die Untersucher zunächst folgende Kriterien:
-
Diagnose eines ARDS auf Basis der aktuellen Berlin Kriterien,
-
Alter über 18 Jahren zum Zeitpunkt der ARDS-Diagnose.
Zur Objektivierung der Versorgungsqualität auf ICU sammelten Dodoo-Schittko und Team
sämtliche Details zum Verlauf inklusive soziodemografischer Parameter. Nach Entlassung
sollen die Überlebenden zunächst 3 Monate und 6 Monate nach Entlassung und ab dann
alle 12 Monate mittels Fragebogen zur Selbstbeurteilung zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität
und zur beruflichen Situation befragt werden. Die Studie ist daher bis heute noch
nicht abgeschlossen, in der aktuellen Publikation geht es zunächst um das Gesamtprojekt
und die ersten Ergebnisse.
Im Rekrutierungszeitraum erfüllten 1900 Patienten die Einschlusskriterien, 1225 gaben
ihre Einwilligung und nahmen zunächst teil. Da leider 349 von ihnen verstarben, umfasst
die aktuelle Kohorte an ARDS-Überlebenden 876 Patienten. 278 (31,7 %) sind weiblich,
das durchschnittliche Lebensalter liegt bei 56,0 Jahren (44,0 – 66,0). 102 (11,8 %)
Teilnehmer hatten ein leichtes ARDS, bei 406 (47,1 %) lag eine moderate und in 354
(41,1 %) Fällen eine schwere Verlaufsform vor. Die Ursachen konnten überwiegend als
pulmonal beschrieben werden (81,3 %), der mittlere SOFA-Score zum Zeitpunkt der ARDS-Diagnose
lag bei 8,0 (6,0 – 11,0). Die genannten demografischen Ergebnisse decken sich laut
Autoren mit entsprechenden Zahlen früherer Kohortenstudien und auch die hohe Prävalenz
von Lungenerkrankungen ist mit der aktuellen Fachliteratur im Einklang. Als erste
Ergebnisse in Hinblick auf den intensivmedizinischen Verlauf nennen die Forscher eine
hohe Anzahl kritischer Ereignisse wie Hypoglykämien, den Einsatz von ECMO sowie Reintubationen.
Die vorgestellte Studie untersucht erstmals gezielt den Einfluss der intensivmedizinischen
Behandlung auf die Lebensqualität und die berufliche Widereingliederung von ARDS-Überlebenden.
Erste Ergebnisse decken sich mit den Zahlen bekannter Kohortenstudien zum Thema. Die
ersten Resultate umfassen eine hohe Prävalenz pulmonaler Ursachen sowie hohe Komplikationsraten
inklusive Reintubationen und ECMO.
Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover
Was wird eigentlich aus unseren Patienten nach Entlassung aus dem Krankenhaus? Zurecht
beschäftigt diese Frage inzwischen viele Wissenschaftler! Dabei ist die Antwort angesichts
der hohen Inzidenz von Depressionen, Angststörungen und anderen gesundheitlichen Einschränkungen
ehemaliger Intensivpatienten leider ernüchternd.
Weitgehend unbekannt sind bislang die Einflussfaktoren und damit möglichen Stellschrauben
während der Behandlung auf der Intensivstation. Mit der DACAPO-Studie haben Herr Prof.
Thomas Bein und seine Kollegen nun eine einzigartige Multicenterstudie zur Untersuchung
dieser Faktoren bei ARDS-Patienten in Deutschland realisiert. Die Datenanalysen versprechen
Aufschluss sowohl hinsichtlich potenziell beeinflussbarer Faktoren wie dem Blutglukosespiegel
oder dem Sedierungs- und Transfusionsregime, aber auch nicht veränderbaren, soziokulturellen
Gegebenheiten wie dem Ausbildungsstatus, dem Familienstand oder den Einkommensverhältnissen.
Die Anzahl der analysierten Datensätze ist mit 876 sehr hoch. Der geringe Anteil von
Patienten mit leichtem ARDS spiegelt dabei wahrscheinlich die klinische Realität wider,
in der das leichte ARDS häufig nicht als solches identifiziert wird, jedoch dürfen
insbesondere für das moderate und schwere ARDS in den nächsten Monaten viele spannende
Ergebnisse erwartet werden, wofür den Initiatoren der Studie und hier insbesondere
Thomas Bein selbst schon heute gratuliert werden muss!
Autorinnen/Autoren
Prof. Dr. med. Rolf Dembinski, Klinik für Intensivmedizin und Notfallmedizin, Klinikum Bremen Mitte