Rofo 2018; 190(12): 1184-1186
DOI: 10.1055/a-0750-3469
Radiologie und Recht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Fachgebiet der Radiologie im Spiegel der Rechtsprechung 2018 – Rückblick und Ausblick

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Publication Date:
22 November 2018 (online)

 

Im ausklingenden Jahr haben die Gerichte der Zivil- und Sozialgerichtsbarkeit, daneben die Arbeits-, Straf-, Verwaltungs- und Finanzgerichte in vielen Entscheidungen zu Rechtsfragen Stellung genommen, die die Belange von Radiologen betreffen. Die allgemein beachteten und „großen“ Entscheidungen waren Thema in verschiedenen früheren Beiträgen in der RöFo. Der abschließende Beitrag in diesem Jahr greift aktuelle Entscheidungen zu verschiedenen rechtlichen Themen auf, wie etwa die Auslegung von Wahlleistungsvereinbarungen und die Anstellungsgenehmigungen in der Insolvenz, die auch für das Fachgebiet der Radiologie von Bedeutung sind.

BGH zur Auslegung einer Wahlleistungsvereinbarung

In einer sehr speziellen Entscheidung vom 19.04.2018 (Az. III ZR 255/17) befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Auslegung einer Wahlleistungsvereinbarung, die den Kreis der Wahlärzte auf alle an der Behandlung beteiligten Ärzte des Krankenhauses erstreckt, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen berechtigt sind. Von der wirksamen Vereinbarung der Wahlleistungen hängen unmittelbar die in einem Krankenhaus privat zu liquidierenden Einnahmen von Radiologen als auch die Honoraransprüche von externen Radiologen ab, die auf Veranlassung eines privatliquidationsberechtigen Arztes eines Krankenhauses tätig werden. Der BGH musste sich mit einer Klausel in einer Wahlleistungsvereinbarung befassen, die abweichend vom Gesetzeswortlaut nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG lautete:

„Die ärztlichen Leistungen aller an der Behandlung beteiligten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten oder ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses.“

Die Abweichung gegenüber dem Wortlaut nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG bestand in der Formulierung „Ärzte des Krankenhauses“ statt „Angestellte oder beamtete Ärzte des Krankenhauses“. Über eine andere Abweichung von dem Wortlaut hatte bereits das Landgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 04.05.2016, Az. 13 S 123/15 entschieden. Während das Landgericht (LG) Stuttgart aufgrund eines Verstoßes gegen den Wortlaut die Wahlleistungsvereinbarung als unwirksam betrachtete, kam der BGH über eine Auslegung zu dem Ergebnis, dass die Abweichung von dem gesetzlichen Wortlaut nicht zu einer unwirksamen Wahlleistungsvereinbarung zwischen dem Krankenhaus und dem Patienten führte. Vor dem LG Stuttgart ging es um eine Wahlleistungsvereinbarung, die die Klausel enthielt, dass – pauschal – alle an der Behandlung beteiligten Ärzte in die Wahlarztkette einbezogen seien. Damit, so das LG Stuttgart, seien auch Leistungen von Honorar-, Konsiliar- oder Belegärzten von der – im Ergebnis unwirksamen – Wahlleistungsvereinbarung umfasst. Diese Einbeziehung verstoße gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG. Der BGH gelangte über die Auslegung der Wortwahl „Ärzte des Krankenhauses“ und dem Hinweis auf die Liquidationsberechtigung dieser Ärzte zu dem Ergebnis, dass damit nur angestellte Ärzte des Krankenhauses gemeint sein können und nicht aber Honorar-, Konsiliar- oder Belegärzte. Damit bestand die Wahlleistungsregelung die gerichtliche Überprüfung.


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BSG zur Umwandlung von Arztstellen im Insolvenzverfahren

In seinem Urteil vom 11.10.2017 (Az. B 6 KA 27/16 R), dessen Begründung erst im Frühjahr 2018 vorlag, hatte das Bundessozialgericht (BSG) über die Umwandlung von genehmigten Arztanstellungen in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in Zulassungen im Zusammenhang mit der Einstellung der vertragsärztlichen Tätigkeit des MVZ aufgrund eines Widerrufs der Zulassung und einem Insolvenzverfahren über das Vermögen der MVZ-Betreibergesellschaft zu entscheiden.

In Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte die Betreibergesellschaft die Arbeitsverträge mit den angestellten Ärzten und stellte die (vertrags-)ärztliche Tätigkeit im MVZ ein. Die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit stellte der Zulassungsausschuss fest. Nach der Feststellung beantragte der Insolvenzverwalter, die Anstellungsgenehmigungen zugunsten der Ärzte in Zulassungen nach § 95 Abs. 9b SGB V umzuwandeln. Der Zulassungsausschuss lehnte die Anträge ab, nach dem Widerspruch durch den Insolvenzverwalter wandelte der Berufungsausschuss die Anstellungsgenehmigungen in Zulassungen um. Allerdings erhob die zuständige Kassenärztliche Vereinigung Klage und verlor vor dem Sozialgericht (SG) Berlin. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hob die Entscheidung im Sinne der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung auf.

Im Revisionsverfahren bestätigte das BSG das Urteil des LSG, mit dem die Umwandlungsanträge letztlich abgelehnt wurden. Nach Ansicht des BSG sind die Voraussetzungen zur Umwandlung gem. § 95 Abs. 2 Satz 8, Abs. 9 Satz 1, Abs. 9b und 103 Abs. 4a Satz 4 SGB V nicht erfüllt. Nach Beendigung der Zulassung des MVZ durch dessen Auflösung seien diesem MVZ keine Arztstellen mehr zugeordnet, die in Zulassungen umgewandelt werden könnten. Der Antrag könne wirksam nur so lange gestellt werden, wie das MVZ noch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Die Zulassung des MVZ habe hier infolge der Auflösung geendet; der Umwandlungsantrag sei deshalb ins Leere gegangen. Für das MVZ sei mit einer vollständigen und dauerhaften Betriebseinstellung des MVZ der Beendigungsgrund der „Auflösung“ nach § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V erfüllt. Mit der Beendigung der Zulassung des MVZ seien die bei ihm genehmigten Arztstellen entfallen; die vom Zulassungsausschuss insoweit erteilten Genehmigungen hätten sich erledigt.

Verfassungsrechtliche Erwägungen, insbesondere im Hinblick auf die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit, stünden diesem Ergebnis nicht entgegen. Anders könnte die Lage allerdings sein, wenn die betroffenen Ärzte zum Zwecke der Anstellung auf ihre Zulassung verzichtet hätten und sich die Rückumwandlung vertraglich vorbehalten oder gesichert hätten, was vorliegend nicht der Fall war.

Im Übrigen könne der Insolvenzverwalter der MVZ-Betreibergesellschaft die Umwandlung nicht beantragen, weil die Zulassung des MVZ selbst und – damit verbunden – die diesem zugeordneten Arztanstellungen nicht in die Insolvenzmasse fielen. Die vertragsärztliche Zulassung, wie auch eine Arztstelle, unterfalle als höchstpersönliches Recht nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters.


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SG Marburg zur Berücksichtigung einer getilgten strafrechtlichen Verurteilung und des Alters der Bewerber im Ausschreibungsverfahren

Das SG Marburg hatte mit Urteil vom 13.06.2018 (Az. S 12 KA 103/18) über eine Praxisnachfolge bei mehreren Bewerbern zu entscheiden. Soweit handelte es sich um ein ganz gewöhnliches Nachbesetzungsverfahren.

Ein Vertragsarzt schied aus einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) aus und beantragte die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes. Auf die Ausschreibung bewarben sich zwei Vertragsärzte und die verbliebene BAG zur Beschäftigung eines halbtags angestellten Arztes sowie ein Gesellschafter der BAG zur Aufhebung der Beschränkung der Zulassung nach § 19a Abs. 3 Ärzte-ZV für einen weiteren hälftigen Versorgungsauftrag. Der Arzt, mit dem sich die BAG als Angestelltem bewarb, saß nach einer Verurteilung im Jahr 1992 fünf Jahre in Haft. Seit 2003 übte er auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 10 BÄO regelmäßig ärztliche Tätigkeiten aus, erlangte 2013 seine Approbation als Arzt wieder und übernahm Praxisvertretungen. Seit 2017 war er als angestellter Arzt der BAG tätig und zum Zeitpunkt der Entscheidung 66 Jahre alt. Der sich ebenfalls bewerbende Gesellschafter der BAG zur Aufstockung seines Versorgungsauftrages war zum Zeitpunkt der Entscheidung 65 Jahre alt.

Der Zulassungsausschuss genehmigte die Beschäftigung des angestellten Arztes und hob die Beschränkung der Zulassung des Gesellschafters der BAG auf, jeweils zur Übernahme des ausgeschriebenen BAG-Anteils. Hiergegen legte der abgelehnte Bewerber Widerspruch ein mit der Begründung, der Zulassungsausschuss habe nicht geprüft, ob angesichts des bestehenden bzw. demnächst erreichten Rentenalters tatsächlich noch langfristig Interesse an der Versorgung der Versicherten bestehe oder ob lediglich ein unzulässiger „Platzhalter“ installiert werden solle. Der Berufungsausschuss wies den Widerspruch zurück.

Das SG Marburg wies die Klage gegen den Widerspruchsbescheid ab. Der Berufungsausschuss sei zutreffend davon ausgegangen, dass die frühere Strafverurteilung der Anstellung nicht entgegengehalten werden könne, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder aufgrund des Zeitlaufs zu tilgen wäre. Zudem dürfe nur ein Bewerber, der die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen will, ausgewählt werden. Unter Berücksichtigung der an die Kontinuität des Praxisbetriebs zu stellenden Anforderungen sowie im Interesse der Eindämmung eines Zulassungshandels sei es nach der Rechtsprechung des BSG sachgerecht, den Fortführungswillen auf einen Zeitraum von fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit durch den Nachfolger, zu beziehen. Bei der Fünf-Jahresfrist könne es sich aber nur um eine Prognose handeln. Die betroffenen Ärzte befänden sich in einem Alter, das eine weitere Tätigkeit als Vertragsarzt bzw. angestellter Arzt nicht von vornherein als zweifelhaft erscheinen ließen. Anzeichen für die behauptete Platzhalterfunktion seien nicht ersichtlich und hätten detailliert begründet werden müssen.


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LG Koblenz zur Arzthaftung bei Fehlinterpretation von Röntgenaufnahmen

Das LG Koblenz entschied in seinem Urteil vom 25.01.2018 (Az. 1 O 359/16) über einen Schmerzensgeldanspruch wegen einer Fehldiagnose aufgrund einer fehlerhaften Interpretation von Röntgenbildern bei einer postoperativen Behandlung.

In dem zu entscheidenden Fall wurde der Patient bei dem später beklagten Arzt vorstellig, nachdem er wegen eines Oberschenkelhalsbruches im Krankenhaus mittels Schraubenosteosynthese versorgt worden war und die eingebrachten Schrauben entfernt wurden. Der Arzt fertigte Röntgenaufnahmen an und empfahl dem Patienten nach Befundung der Aufnahmen die stufenweise Wiedereingliederung in dessen Tätigkeit als Lagerist. Wegen der auf den Röntgenbildern erkennbaren nicht ausreichenden Knochendurchbauung wäre jedoch richtigerweise eine sofortige Zurückverweisung des Patienten an die behandelnden Krankenhausärzte erforderlich gewesen. Die Wiedereingliederung brach der Patient nach kurzer Zeit aufgrund erheblicher Schmerzen ab. Danach wurde beim Patienten eine Hüftarthrose bei posttraumatischer Hüftkopfnekrose nach Schenkelhalsfraktur festgestellt, woraufhin dem Patienten eine Hüftendoprothese implantiert wurde.

Das LG Koblenz verurteilte den beklagten Arzt zur Zahlung von Schmerzensgeld und führte dazu aus, dass, soweit ein Diagnoseirrtum lediglich auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen sei, eine Einstandspflicht nur dann gegeben sei, wenn sich die Fehldiagnose in der gegebenen Situation als unvertretbare Deutung der Befunde darstelle. Diese Voraussetzungen seien nach Ansicht des Gerichts erfüllt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen habe der Arzt die Röntgenaufnahmen dahingehend falsch interpretiert, dass er von einer für die Wiedereingliederung ausreichenden Knochendurchbauung ausgegangen sei, obwohl eine Frakturlinie eindeutig zu erkennen gewesen sei. Diese Diagnose sei nicht vertretbar gewesen und nicht die Wiedereingliederung, sondern allein die sofortige Wiedervorstellung bei dem behandelnden Krankenhaus indiziert gewesen.

Das LG Koblenz sprach dem Patienten ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro zu. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigte das Gericht, dass der Patient wegen der Fehldiagnose zwei Monate unter ganz erheblichen Schmerzen zu leiden hatte. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes konnte das Gericht die Hüftkopfnekrose und die Notwendigkeit der Implantation der Hüftprothese nicht einbeziehen, da diese Umstände nicht auf den Diagnosefehler des Arztes rückführbar gewesen seien. Vielmehr sei nach den Ausführungen des Sachverständigen die vorzeitig erfolgte Metallentfernung durch die behandelnden Krankenhausärzte für die Verschiebung der Bruchfragmente sowie für die Entstehung der Nekrose kausal gewesen.


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Ausblick

Für das kommende Jahr werden von der Rechtsprechung der Bundesgerichte für die radiologische Praxis relevante Entscheidungen, insbesondere vom BSG erwartet. Dort sind derzeit Verfahren anhängig, die sowohl Auswirkungen auf Einzelpraxen, BAG und MVZ haben werden.

In dem Verfahren Az. B 6 KA 2/18 wird das BSG darüber entscheiden, ob ein Gesellschafter einer GmbH, die ein MVZ betreibt, nach seinem Ausscheiden im Rahmen eines Gesellschafterwechsels die Rückgabe einer von ihm dem Zulassungsausschuss vorgelegten Bürgschaftsurkunde verlangen kann. Das LSG Niedersachsen-Bremen war der Auffassung, dass der frühere Gesellschafter einer MVZ-Trägergesellschaft bis zum Ablauf von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden in Anspruch genommen werden kann und die Bürgschaftserklärung daher erst nach Ablauf dieser Frist herauszugeben ist. Eine gesetzliche Regelung zu dieser Frage gibt es nicht.

In zwei weiteren Verfahren hat das BSG über Fälle von Honorarrückforderungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen zu entscheiden. In dem Verfahren Az. B 6 KA 9/18 R geht es um die Rechtsfragen, ob bei einem in Vollzeit angestellten Arzt in einem MVZ bei einem Quartalsarbeitszeitprofil von über 780 Stunden (390 Stunden bei 0,5 angestelltem Arzt) eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr gewährleistet ist und ob die Regelung des § 32 Ärzte-ZV auch bei einer Vertretung innerhalb eines MVZ Anwendung findet. In dem Verfahren Az. B 6 KA 58/17 ist zu klären, ob bei der Berechnung der Rückforderung nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung bereits zuvor erfolgte Honorierungen wegen Überschreitens der Job-Sharing-Obergrenze in voller Höhe als Eurobetrag zu berücksichtigen sind.

Im Rahmen eines Honorarklageverfahrens, Az. B 6 KA 1/18 R, hat das BSG die Frage zu entscheiden, ob die Kassenärztliche Vereinigung befugt ist, rückwirkende Änderungen des Honorarverteilungsmaßstabs für Sachverhalte vor dem 01.01.2012 ohne eine Vereinbarung einseitig nur im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen vorzunehmen. Die Vorinstanz hatte diese Frage verneint, da die in einzig in Betracht kommende Rechtsgrundlage § 87b Abs. 1 Satz 2 SGB V mangels einschlägiger Übergangsvorschriften nur auf Sachverhalte nach dem 01.01.2012 anzuwenden sei.

Neben diesen Entscheidungen stehen aus fast allen rechtlichen Bereichen von der Arzthaftung, dem Vergütungsrecht nach der GOÄ oder dem EBM, über sachlich-rechnerische Berichtigungen und ärztlichem Berufsrecht weitere Entscheidungen an.

René T. Steinhäuser
Rechtsanwalt

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