Einleitung
Eine der häufigsten Ursachen der genitalen Ulzerationen können sexuell übertragbare
Infektionen sowie entzündliche Hauterkrankungen, Neoplasien und Multisystemerkrankungen
sein [1]
[2]. Zu den selten vorkommenden und unzureichend untersuchten Hauterkrankungen gehört
das Ulcus vulvae acutum Lipschütz, das im Jahre 1913 zum ersten Mal vom österreichischen
Dermatologen Benjamin Lipschütz beschrieben wurde [3]. Die Ursachen der Krankheit sind bis heute noch nicht geklärt. Einige Autoren berichten
über eine Assoziation zu einer frischen EBV (Epstein-Barr-Virus)-Infektion. Als weitere
mögliche Ursachen können Infektionen, z. B. Zytomegaloviren, Mycoplasma pneumoniae
und Influenza A genannt werden [4]
[5].
Die Krankheit tritt hauptsächlich bei jungen Frauen auf, die sexuell noch inaktiv
sind, wird durch einen plötzlichen Anfang charakterisiert und dauert einige Tage bis
2 Wochen an. Die Krankheit beginnt i. d. R. mit einer kurzen Prodromalphase mit Fieber,
Lymphadenopathie und Abgeschlagenheit. Danach entstehen stark schmerzhafte, einzelne
oder mehrere genitale Ulzerationen am Introitus vaginae und an den Labia minora. Die
Ulzerationen sind oberflächlich, haben einen weichen Boden, lockere Ränder und eine
gelbgraue, serös-eitrige Absonderung. Größere Ulzerationen heilen unter Narbenbildung
ab. Die regionären Lymphknoten sind oft vergrößert [5]
[6]
Kasuistik
Eine 14-jährige Patientin stellte sich unter der Verdachtsdiagnose eines Herpes genitalis
mit Klagen über äußerst schmerzhafte Ulzerationen auf der Innenfläche der kleinen
Schamlippen vor. Außerdem bestanden seit 7 Tagen Symptome wie bei einem leichten grippalen
Infekt (Fieber bis 39°С, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit). Die Patientin wurde schon
von einem Kindergynäkologen mit Aciclovir 200 mg alle 6 Stunden über 7 Tage, Interferon
alpha 2-Zäpfchen 500 000 IE 2 × täglich für 5 Tage und Aciclovir-Salbe äußerlich 3 × täglich
behandelt. Die Therapie zeigte kein Ansprechen. Bei unserer Patientin bestand seit
dem 12. Lebensjahr eine regelmäßige Monatsblutung. Sie hatte bisher keinen Sexualkontakt.
Der Allgemeinzustand der Patientin war außer der geschilderten Symptomatik gut.
Bei der gynäkologischen Untersuchung zeigten sich zwei 3 × 2 cm große Ulzerationen
mit klaren Grenzen und einer Tiefe von bis zu 3 mm an den inneren kleinen Schamlippen.
Die Ulzerationen waren schleimig belegt und schmerzhaft bei Palpation ([Abb. 1 a]).
Abb. 1 a Ulcus vulvae acutum Lipschütz bei einer 14-jährigen Patientin vor der Behandlung.
b Ulcus vulvae acutum Lipschütz bei einer 14-jährigen Patientin, 4. Tag der Behandlung.
c Ulcus vulvae acutum Lipschütz bei einer 14-jährigen Patientin, nach der Behandlung.
Die Abstriche der Ulzeration, der Scheidenabsonderung und des Urethralsekrets waren
unauffällig auf bakterielle (N. gonorrhoeae) und virale Infektionen (CMV, EBV, VZV,
HSV I und II, HPV, Influenza, Parainfluenza) sowie Chlamydia trachomatis, Ureaplasma
urealyticum, Mycoplasma hominis und Mycoplasma genitalum. Blutuntersuchungen auf virale
Hepatitiden und HIV sowie serologische Untersuchungen auf Treponema pallidum und auf
eine akute Infektion mit EBV und CMV waren negativ.
Aufgrund der Anamnese und der Labordaten wurde die Diagnose eines Ulcus vulvae acutum
(Ulcus Lipschütz) gestellt. Die Patientin wurde daraufhin mit 0,5 % Chlorhexidin-Lösung
3 × täglich und einem Neomycin/Bacitracin-Puder 2 × täglich behandelt. Die Ulzerationen
waren am 4. Tag der Therapie bereits zum Teil epithelisiert ([Abb. 1 b]) und bis zum 14. Tag abgeheilt. Es blieben atrophe Veränderungen zurück ([Abb. 1 c]). Bei der Kontrolle über 1 Jahr trat kein Rezidiv auf.
Diskussion
Unsere Kasuistik zeigt, dass das Ulcus vulvae acutum Lipschütz eine seltene Erkrankung
ist. Die umschriebenen Symptome bei Mädchen und jungen Frauen fordern eine interdisziplinäre
Anamnese und eine besonders aufmerksame Differenzialdiagnostik zu sexuell übertragbaren
Infektionen sowie zu infektiösen und entzündlichen Dermatosen der Genitalregion, die
durch Ulzerationen gekennzeichnet sind [7]. Unter den wichtigsten Differenzialdiagnosen zum Ulcus vulvae acutum Lipschütz sind
die primäre Vulvovaginitis herpetica, der Morbus Behçet und die Syphilis zu nennen
[5].