physiopraxis 2019; 17(02): 14-16
DOI: 10.1055/a-0788-0389
Profession
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Wie man angemessene Privatpreise durchsetzt

Ralf Buchner

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Publikationsdatum:
15. Februar 2019 (online)

 

Etwa 20 Prozent der Einnahmen ambulanter Heilmittelpraxen stammen von Privatpatienten, das entspricht mehr als 1,5 Milliarden Euro im Jahr. Die Höhe der Privatpreise können Praxisinhaber selbst festlegen, was die privaten Krankenversicherungen jedoch immer wieder bestreiten und die Erstattungen kürzen. Das führt zu unerwünschten Diskussionen in der Praxis, die sich mit wenig Aufwand umgehen lassen.


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Ralf Buchner ist Geschäftsführer der buchner Gruppe in Kiel. Er bietet Coaching, Seminare sowie Produkte und Dienstleistungen für therapeutische Praxen. Im Wirtschaftsmagazin „unternehmen praxis“ gibt er unter anderem Tipps zur Abrechnung (www.up-aktuell.de).

Ärzte und Zahnärzte können ihre Preise sehr einfach über die sogenannte GoÄ (Gebührenordnung für Ärzte) und GoZ (Gebührenordnung für Zahnärzte) bestimmen. Diese Taxen sind staatlich festgelegt. Für die Erbringung von Heilmitteln durch Physio-, Ergotherapeuten, Podologen und Logopäden gibt es so etwas leider nicht. Damit ist es den Therapeuten freigestellt, welche Preise sie für die Behandlung ihrer Privatpatienten berechnen. Rechtlich gesehen muss der Patient den Preis für eine Therapie bezahlen, den der Therapeut vor der Behandlung mit ihm vereinbart. So sieht es das Bürgerliche Gesetzbuch vor, in dem die rechtlichen Rahmenbedingungen für Behandlungsverträge geregelt werden (§ 630a BGB).

Privatversicherte bekommen diese Kosten von ihrer Krankenversicherung in der Regel erstattet. Dabei hängt es vom gewählten Tarif ab, in welcher Höhe diese Kostenerstattung greift. Ganz allgemein kann man sagen: Je älter der Versicherungstarif (und der Patient), desto eher muss die private Krankenversicherung (PKV) eine vollständige Kostenerstattung sicherstellen. Neuere Tarife der PKV sehen oft prozentuale Begrenzungen der Kostenerstattung vor oder legen einseitige Obergrenzen wie die beihilfefähigen Höchstsätze fest. Bei Lehrern und anderen Beamten werden die beihilfefähigen Höchstsätze von der PKV grundsätzlich als Ersatzgebührenordnung herangezogen.

PKV informiert falsch

Ein großes Problem ist, dass privat krankenversicherte Patienten oft selbst nicht wissen, welche Erstattung ihr Tarif vorsieht. Berechnet der Therapeut für seine Behandlung einen Preis, der später nicht in voller Höhe erstattet wird, fordern gerade Beamte vom Therapeuten eine Preissenkung oder kürzen den Rechnungsbetrag eigenmächtig. Die PKVen liefern dazu Argumente, die in vielerlei Hinsicht falsch sind, aber beim Patienten den Eindruck erwecken, die Therapeuten würden überhöhte Preise fordern. Manchmal wird das geforderte Honorar von der PKV aus „Kulanz“ übernommen, verbunden mit dem Hinweis auf andere Praxen in der Nähe, die deutlich niedrigere Honorare fordern würden.

Selbst der PKV Bundesverband scheut sich nicht, rechtlich falsche oder zumindest sinnentstellende Interpretationen geltenden Rechts zu verbreiten, um damit den Eindruck zu erwecken, dass Therapeuten zu hohe Preise fordern. So behauptet die PKV, Therapeuten dürften nur die „üblichen“ Preise berechnen, womit sie die GKV-Honorare meinen. Diese These wurde jedoch gerichtlich mehrfach widerlegt.


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Beihilfe kein Maßstab für Privatpreise

Kein Wunder also, dass sich viele Therapeuten einschüchtern lassen und ihre Preise an die Erstattungspraxis der PKVen anpassen. Dann werden die beihilfefähigen Höchstsätze als Preisliste genutzt, obwohl es gute Gründe gibt, warum die Beihilfe kein Maßstab für Privatpreise sein kann:

  • Die Beihilfe kann statistisch nicht der übliche Preis für Therapie sein, weil nur 28 Prozent aller privat Krankenversicherten von der Beihilfe Zuschüsse erhalten. Die große Mehrheit von 72 Prozent hat mit der Beihilfe nichts zu tun.

  • Die Beihilfe ist eine interne Verwaltungsanweisung, die das Verhältnis des Staates als Arbeitgeber zu seinen Beamten regelt. Für alle Menschen außerhalb der Verwaltung haben diese Regeln keine rechtliche Relevanz. Praxisinhaber haben keinen Vertrag mit der PKV und/oder Beihilfe. Deswegen sind diese Regeln nicht auf den Behandlungsvertrag anwendbar. Auch die Leistungsbeschreibungen der Beihilfe sind für die behandelnden Therapeuten rechtlich nicht bindend bzw. nicht bekannt.

  • Beihilfefähige Höchstsätze sind so niedrig, dass der Minutenpreis für eine Privatleistung oft schlechter ist als der Minutenpreis für eine GKV-Leistung. Das liegt daran, dass die beihilfefähigen Höchstsätze vor der Erhöhung 2018 17 Jahre lang nicht angepasst wurden. Und auch nach der Erhöhung sind die beihilfefähigen Höchstsätze im Vergleich zur GKV nur halb so stark gestiegen.

  • Die Beihilfe als „amtliche Preisliste“ kann nicht funktionieren, denn in ihr sind Fixpreise festgelegt, die eine Differenzierung nach Qualifikation, Schwierigkeitsgrad usw. nicht vorsehen. Amtliche Preislisten werden immer in Form von Preisspannen (von–bis) aufgebaut, um die qualitativen Unterschiede der jeweiligen Leistungserbringer angemessen abbilden zu können.

Beihilfefähige Höchstsätze sind kein Maßstab für Privatpreise.


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Privathonorare sind nicht teurer

Auch die Annahme, Privathonorare seien teurer als GKV-Honorare, ist falsch. GKV-Versicherte nehmen jedes Jahr rund 300 Millionen Behandlungseinheiten in niedergelassenen Praxen in Anspruch. Kein Wunder, dass die GKV dafür besondere Preiskonditionen fordert. Wer also PKV- und GKV-Preise vergleicht, muss berücksichtigen, dass die GKV einen erheblichen „Mengenrabatt“ bekommt. Je nachdem, wie hoch man diesen Rabatt einschätzt (z. B. 35 Prozent), ergibt sich daraus der „normale“ Preis für Therapie. Beispiel: Eine Minute GKV-Therapie wird mit einem Euro bezahlt. Bei einem kalkulatorischen Mengenrabatt von 35 Prozent wäre der normale Privatpreis 1,54 Euro pro Minute.

Diese Überlegung hilft dabei, das Thema Privathonorare noch einmal vollständig neu zu bewerten und zu überlegen, wie man zu einem realistischen Privatpreis kommt. Letztlich geht es dabei auch immer darum, welchen Preis man bereit ist, gegenüber den Patienten (und damit auch gegenüber den PKVen) durchzusetzen.

Für die Praxis – Behandlungsverträge erstellen

Bei Privatpatienten ist es wichtig, entsprechende AGBs auf dem Honorarvertrag aufzuführen. Unter der Webadresse www.privatpreise.de kann man diese herunterladen oder entsprechende Vordrucke nutzen wie sie etwa die Firma buchner anbietet ( www.buchner.de ). Über www.privatpreise.de lässt sich auch die Gebührenordnung für Therapeuten für 17,90 € zzgl. Versand bestellen.

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Verbindlicher Rahmen erleichtert Durchsetzung

Bei der Preisfindung für die Praxis kann die Gebührenübersicht für Therapeuten (GebüTh) helfen, die seit 2008 auf dem Markt ist. Die GebüTh hat sich seitdem zu einem Ersatz für die fehlende staatliche Gebührenordnung entwickelt und ist mit einer verkauften Auflage von über 120.000 Exemplaren das wohl am meisten genutzte Preismodell für die Abrechnung von Heilmitteltherapie in Privatpraxen.

Die GebüTh gibt einen formellen Rahmen für die Preisfindung aller Heilmittelerbringer. Sie orientiert sich im Aufbau und in der Struktur an den üblichen staatlichen Gebührenordnungen und gibt damit sowohl Therapeuten als auch den Patienten Sicherheit. Ausgangslage für die Einführung der GebüTh waren einige Gutachten für Amtsgerichte zur Ermittlung des üblichen Preises für Therapie in bestimmten Regionen. Seitdem wurde von vielen Tausend Therapiepraxen die Preisbildung von Privatpreisen recherchiert und es wurde festgestellt, dass die Privathonorare in der Regel durch einen Multiplikator auf den GKV-Preis berechnet werden. Dieser bewegt sich üblicherweise zwischen dem 1,4- und 2,4-Fachen des höchsten GKV-Preises einer Leistung. In der jeweils aktuellsten Fassung der GebüTh wird der 1,4-fache Regelsatz als untere Preisspanne, der 1,8-fache Regelsatz als durchschnittlicher Preis und der 2,3-fache Regelsatz als obere Preisspanne dokumentiert, wobei der Regelsatz auf dem jeweiligen Höchstpreis der GVK basiert. Innerhalb dieser Preisspannen liegen vermutlich mehr als drei Viertel aller Heilmittelpraxen in Deutschland. Somit können Preise innerhalb dieser Preisspannen als übliche Preise bezeichnet werden.

Zusätzlich liefert die GebüTh auch noch den formalen Rahmen für die Behandlungsverträge in Heilmittelpraxen. Dazu werden in den allgemeinen Grundsätzen in sieben Paragrafen die Rahmenbedingungen für die Behandlung von Privatpatienten in einer Heilmittelpraxis geklärt. Diese allgemeinen Grundsätze werden in einem Kommentarteil ausführlich erläutert und können unter dem Titel „Allgemeine Grundsätze der Honorarberechnung in Therapiepraxen nach GebüTh (AGB)“ als ganz normale allgemeine Geschäftsbedingungen in den Behandlungsvertrag eingefügt werden (BEHANDLUNGSVERTRÄGE ERSTELLEN, S. 15). Damit werden Fragen bezüglich Abrechnung, Fälligkeit, Bemessung der Höhe der Gebühren usw. rechtsverbindlich geregelt.

Mit der GebüTh lassen sich für die eigene Praxis Preise festlegen.

Die Einführung einer AGB in die Heilmittelpraxis hat dazu geführt, dass die Akzeptanz bei den Patienten für die Regeln der Privatabrechnung deutlich besser wurde. Denn in Deutschland sind Menschen in der Regel bereit, „Kleingedrucktes“ zu akzeptieren. Und die meisten Patienten kennen die Grundstruktur der GebüTh von ihrem Arzt. Denn die allgemeinen Grundsätze der GebüTh sind an die formalen Regeln der GoÄ angelehnt.


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Patienten gegen PKV unterstützen

Das Konzept der GebüTh beschränkt sich nicht auf eine Preisliste und AGBs als Buch und Patientenbroschüre, sondern wird ergänzt durch ein Internetportal, das Privatpatienten hilft, ihre Rechte gegenüber ihren privaten Krankenversicherungen durchzusetzen. Unter www.privatpreise.de wird das Konzept der GebüTh verständlich für Privatversicherte und Heilmitteltherapeuten erläutert. Auf den Seiten für die Versicherten finden sich Hilfestellungen, wie sie von ihrer Kasse die vollständigen Heilmittelhonorare erstattet bekommen. Dazu gehören Hinweise zur Abrechnung des Therapeuten, Urteile des Bundesgerichtshofs, von Oberlandesgerichten, Landgerichten und Amtsgerichten zum Thema Erstattung von Heilmitteltherapie durch die PKV. Sie alle zeigen, dass Kürzungen oftmals rechtswidrig sind. Und im schlimmsten Fall bietet die Seite jedem Patienten die Möglichkeit, die Absetzung der eigenen Krankenversicherung rechtlich bewerten zu lassen. Dazu können Patienten die Zahlungskürzungen ihrer PKV einreichen und prüfen lassen, ob diese Kürzung vertragskonform ist. Juristen nehmen sich dieser Fälle an und empfehlen in etwa 50 Prozent aller Fälle, die betreffende PKV auf vollständige Erstattung der Heilmittelhonorare zu verklagen.

Damit Privatpatienten für diese Prüfung nicht bezahlen müssen, können Praxen ihren Patienten eine „rote Karte“ überreichen, auf der ein PIN-Code für die kostenlose Prüfung aufgedruckt ist. Damit lässt sich in der Praxis die Diskussion weg von der Höhe des Privatpreises hin zur unrechtmäßigen Erstattungspraxis der PKV führen.


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Kommunikation ist Trumpf

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind klar, die GebüTh hilft, den formalen Rahmen zu setzen und die Akzeptanz bei Patienten zu erhöhen. Was jetzt noch fehlt, sind klare Vereinbarungen innerhalb der Praxis über Organisation (zum Beispiel Geldeinzug, Vertragsabschluss usw.) und eine gut geübte Kommunikation, sowohl innerhalb der Praxis als auch zwischen Therapeut und Patient. Letztlich hängen angemessene Privatpreise ganz entscheidend davon ab, ob und in welcher Form Therapeuten ihre Leistungen präsentieren und die angemessene Bezahlung vereinbaren können.


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