Zeitschrift für Phytotherapie 2019; 40(01): 24-27
DOI: 10.1055/a-0799-6895
Praxis
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Teemischungen

Egbert Meyer
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Dr. Egbert Meyer
Herrenstr. 5
79098 Freiburg

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. März 2019 (online)

 

Tee als Medizin hat Tradition und trifft gleichzeitig unseren Zeitgeist. Er erfüllt den Wunsch vieler Menschen nach natürlichen Heilmethoden und kann, sachkundig ausgewählt und angewendet, eine therapeutische Wirksamkeit erzielen. Auch ökonomisch sind Teemischungen meist vorteilhaft. Davon zeugt im Einzel- und Onlinehandel ein unüberschaubares Angebot an Detox-, Wellness-, Gesundheits-, Stoffwechsel-, etc. Tees aus allen Kulturkreisen. Somit sehe ich den Einsatz von Teemischungen für Apotheken, Ärzte und Heilpraktiker als eine interessante Option zur Kundenbindung und Profilierung.


#
Zoom Image
Abb. 1 „Die Tee-Therapie ist eine für die beratungsgestützte Selbstmedikation geradezu ideale Therapieform. Sie ist einfach in der Anwendung, wenig zeitaufwendig, kostengünstig und verhilft dem Anwender während der Zubereitung zu einem Augenblick der bewussten Zuwendung zur eigenen Gesundheit.“ – Volker Fintelmann. Foto: Adobe Stock / darknightsky

Therapeutische Breite und Wirksamkeit

Heilpflanzenextrakte sind Vielstoffgemische. Die pharmakologischen Effekte lassen sich oft nicht auf einzelne Inhaltsstoffe zurückführen. Mit Pflanzenextrakten erreicht man oft eine viel größere Bandbreite an Wirkungen als es mit isolierten Inhaltsstoffen möglich ist. Werden verschiedene, sich ergänzende Pflanzen kombiniert, erhält man ein Arzneimittel, welches eine therapeutische Bandbreite besitzt, von dem isolierte oder synthetisch hergestellte Einzelwirkstoffe weit entfernt sind. Die Wirkung einer Teemischung erschöpft sich also keineswegs in der Addition einzelner pharmakologischer Eigenschaften, sondern kann durch synergistische Effekte ein neues Wirkprofil entwickeln. Es lohnt sich für Therapeuten, diese Therapieoption einzusetzen.


#

Aktives Handeln

Patienten geben gerne die Verantwortung für die Behandlung ihrer Erkrankung oder Linderung ihrer Beschwerden beim Therapeuten oder Apotheker ab. Sie wollen etwas empfohlen bzw. rezeptiert bekommen, einnehmen und damit ihr Problem lösen. Viele Beschwerden lassen sich jedoch nicht unikausal bzw. linear-kausal lösen. Ein wichtiger Schritt für einen nachhaltigen Therapieerfolg kann die Übernahme zumindest einer Teilverantwortung für eine Therapie durch den Patienten sein. Dieser muss lernen, aktiv zu werden. Er sollte Ursachenforschung betreiben, sich mit der Geschichte seiner Beschwerden auseinandersetzen, in vielen Fällen Gewohnheiten aufgeben. Er muss aktiv etwas leisten. Die kurmäßige Zubereitung und Einnahme von Tee-Aufgüssen kann ein Baustein einer aktiven Therapie sein. Er sollte auch lernen, auf die mit Naturheilmitteln oft nur langsame Symptombesserung zu achten.


#

Tee – immer der richtige Weg?

Ob Wasser das geeignete Extraktionsmedium darstellt, hängt stark vom chemischen Charakter der jeweiligen Drogeninhaltsstoffe ab. Hydrophile (wasserlösliche) Inhaltsstoffe lassen sich gut mit Wasser extrahieren, für lipophile (fettlösliche) Inhaltsstoffe stellt Wasser jedoch nicht das optimale Extraktionsmittel dar. Bei ätherischen Ölen verbleiben u. U. große Mengen im Drogenrückstand (z. B. bis zu 70 % bei Fenchel, 50–70 % bei Kamille, bis zu 30 % bei Pfefferminze). Die pharmakologischen und erwünschten Wirkungen des isolierten ätherischen Öles können somit nur bedingt auf einen wässrigen Auszug übertragen werden.


#

Die Komposition

Um die Wirksamkeit der pharmakologisch relevanten Bestandteile einer Teemischung zu garantieren, sollten diese jeweils ausreichend hoch dosiert sein. Neben den wirksamen Heilkräutern sind in vielen Teemischungen weitere Bestandteile von großer Bedeutung. Sie spielen als Geschmackskorrigens (wichtig bei längerer Anwendung und bei Kindern), visuelles Korrigens (Schmuckdroge, denn das Auge trinkt mit) oder Füll- bzw. Stabilitätsdroge (schützt vor Entmischung) eine wichtige Rolle. Sonstige Bestandteile finden mit etwa 5–10 Gewichtsprozent in einer Teemischung Verwendung.

Zu bedenken sind auch mögliche Interaktionen von Inhaltsstoffen. Zum Beispiel könnten Schleimstoffe und Gerbstoffe in einem Teeaufguss die Wirksamkeit anderer Inhaltsstoffe reduzieren, indem diese an der Resorption gehindert werden.


#

Aufguss oder Abkochung?

Aufgüsse (Infusa) eignen sich für die meisten Blatt-, Kraut- und Blütendrogen, aber auch bei entsprechender Zerkleinerung für härtere Drogen (Rinde, Wurzel, Hölzer). Die erforderliche Drogenmenge wird mit kochendem Wasser übergossen, bedeckt einige Zeit entsprechend den Empfehlungen von DAB / DAC oder anderer Quellen stehen gelassen und anschließend abgeseiht. Ob das Bedecken des Gefäßes während der Auszugszeit von Vorteil ist, wird durchaus auch kritisch gesehen: Bedeckte Ansätze kühlen langsamer ab, was einen verstärkten Übergang flüchtiger Substanzen in den überstehenden Luftraum zur Folge haben könnte. Diese Wirkstoffe gehen dann dem Teeaufguss verloren.

Eine Abkochung (Decocta) ist für harte Drogen (Rinde, Wurzel, Hölzer) geeignet. Die notwendige Drogenmenge wird mit kaltem Wasser angesetzt, zum Sieden erhitzt und 5 bis 10 Minuten gekocht. Nach kurzem Stehen wird abgeseiht und anschließend der Extrakt mit Wasser auf die vorgeschriebene Menge ergänzt. Bei Teemischungen, die harte und „weiche“ Bestandteile beinhalten, hat es sich bewährt, harte Drogen vor der Zugabe zu zerkleinern oder zu pulverisieren, damit auch mit einem Aufguss ausreichend Wirkstoffe freigesetzt werden.

Bei Kaltwasserauszügen (Macerata) wird die Drogenmenge mit kaltem Wasser übergossen, bedeckt in Abhängigkeit der jeweiligen Droge eine bestimmte Stundenanzahl stehen gelassen und anschließend abgeseiht. Zur Keimreduktion sollte der Kaltwasserauszug vor der Einnahme unbedingt erhitzt werden. Andererseits kann dies zum Abbau von Schleimstoffen führen. Das Mazerat eignet sich für schleimhaltige Drogen wie Leinsamen, Eibischwurzel oder Isländisches Moos sowie für Pflanzen, die durch Erhitzen unerwünschte Inhaltsstoffe freisetzen (Gerbstoffe aus Bärentraubenblättern).

Da Teemischungen meistens zwischen 4 und 8 Bestandteile enthalten mit jeweils unterschiedlichen Inhaltsstoffmustern, ist bei der Auszugszeit und Temperatur ein sinnvoller Kompromiss zu finden. Informationen hierzu finden sich in offizinellen Monografien sowie in der Fachliteratur (z. B. Wichtl „Teedrogen“, Meyer „Tee-Rezepturen“).


#

Individuelle Abfüllung oder Filterbeutel?

Während lose Drogenware die Zusammenstellung individueller Teemischungen erlaubt, haben Filterbeutel andere Vorteile:

  • Hohe Freisetzungsraten der Inhaltsstoffe in vergleichsweise kurzer Zeit durch homogen zerkleinertes Drogenmaterial

  • keine Entmischung der Bestandteile

  • keine allergischen Risiken (Inhalation von Pflanzenstaub) oder Gefahr von Kontaktekzemen bei bestehender Überempfindlichkeit

  • praktische Handhabung

Da bei Drogenmischungen immer die Gefahr einer Entmischung besteht, sollte empfohlen werden, die Bestandteile regelmäßig neu zu durchmischen. In jedem Fall sollte eine Entscheidung zwischen loser Ware und Filterbeutel sorgsam abgewogen werden.

Ökonomische Aspekte

Der größte Kostenfaktor ist die Arbeitszeit. Neben der reinen „Mischungszeit“ spielt v. a. auch die Dokumentation der Herstellung zeitlich eine große Rolle. Jede Herstellung muss genau dokumentiert (Herstellungsprotokoll mit Chargen der Ausgangsstoffe, u. U. Name und Anschrift des Kunden wegen Rückverfolgbarkeit bei eventuellen Chargenrückrufen) sowie ein Etikett individuell erstellt werden. Daher muss die Apotheke einen Weg finden, wie einerseits die hohen Anforderungen des QMS erfüllt werden, andererseits aber wirtschaftlich gearbeitet werden kann.

Individuelle Mischungen ermöglichen eine Profilierung der Praxis bzw. der Apotheke und können im Bereich Marketing eine wichtige Rolle spielen. Dem entgegen steht der Mehraufwand in der Herstellung. In jedem Fall sollte die Herstellung in der Apotheke zu adäquaten Preisen erfolgen. Der Faktor Arbeitszeit (Herstellung, Etikettierung, Dokumentation) muss sich im Preis widerspiegeln. Als hochwertige individuelle Rezeptur sollte der höhere Preis dem Kunden auch vermittelbar sein. Eine preisliche Nähe zu fertiger Industrieware ist natürlich nicht möglich und auch im Hinblick auf die Wertschätzung und Wertschöpfung nicht sinnvoll.


#

Thema Qualität

Alle Teedrogen, die in der Apotheke abgegeben werden, müssen eine hohe Qualität aufweisen. Die Prüfung muss nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln des Deutschen Arzneibuchs 2015 (DAB 2015) erfolgen. In der Regel erfolgt diese bereits durch den Lieferanten. In diesem Fall muss in der Apotheke nur die Identitätsprüfung der Stoffe durchgeführt werden.

Kräuterteemischungen aus dem Lebensmittelhandel [Abb. 2] entsprechen ausschließlich den Vorgaben des Lebensmittelrechts. Dieses zielt auf die Abwehr einer möglichen Gefährdung der Bevölkerung und irreführender Werbeaussagen, sieht jedoch keine qualitativen Wirkstoff- bzw. Inhaltsstoffkontrollen vor. Daher dürfen mit diesen Teemischungen auch keine Therapieindikationen verbunden sein. Arzneitees dagegen dürfen als Anwendungsgebiete die Linderung von Beschwerden in Aussicht stellen (Heilversprechen), sie müssen also im Gegensatz zu den Lebensmitteltees auch therapeutisch wirksam sein.

Zoom Image
Abb. 2 Daten aus dem Lebensmittelsektor: Teemischungen dominieren inzwischen, Monosorten verlieren an Bedeutung. Insgesamt haben die Deutschen 39 484 Tonnen Kräuter- und Früchtetees verbraucht und somit ca. 16,4 Milliarden Tassen getrunken, also 200 Tassen pro Kopf. Vor 10 Jahren waren es noch 150. Quelle: Wirtschaftsvereinigung Kräuter- und Früchtetees, wkf

Oft verlangen Kunden in Apotheken nach Ware aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA). KbA-Drogen, die den Anforderungen des Arzneibuchs entsprechen (z. B. Mindestgehalt an wertbestimmenden Inhaltsstoffen), sind sehr schwer im Drogenhandel erhältlich. KbA-Ware kann daher meist nur als Lebensmittel verkauft werden. Heilaussagen (z. B. „lindert Hustenreiz“) dürfen auf den Verpackungen dann nicht benutzt werden. Zulässig sind lediglich allgemeine Angaben (z. B. Hustentee: „aromatischer und bekömmlicher Kräutertee, wohltuend für Hals und Brust“ oder Schlaf- und Nerventee: „Lassen Sie den Tag ausklingen mit dieser ausgleichenden und harmonisierenden Kräutermischung“).


#
#

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. Egbert Meyer
Herrenstr. 5
79098 Freiburg

Zoom Image
Abb. 1 „Die Tee-Therapie ist eine für die beratungsgestützte Selbstmedikation geradezu ideale Therapieform. Sie ist einfach in der Anwendung, wenig zeitaufwendig, kostengünstig und verhilft dem Anwender während der Zubereitung zu einem Augenblick der bewussten Zuwendung zur eigenen Gesundheit.“ – Volker Fintelmann. Foto: Adobe Stock / darknightsky
Zoom Image
Abb. 2 Daten aus dem Lebensmittelsektor: Teemischungen dominieren inzwischen, Monosorten verlieren an Bedeutung. Insgesamt haben die Deutschen 39 484 Tonnen Kräuter- und Früchtetees verbraucht und somit ca. 16,4 Milliarden Tassen getrunken, also 200 Tassen pro Kopf. Vor 10 Jahren waren es noch 150. Quelle: Wirtschaftsvereinigung Kräuter- und Früchtetees, wkf