Killinger BA.
et al.
The vermiform appendix impacts the risk of developing Parkinsonʼs disease.
Sci Transl Med 2018;
DOI:
10.1126/scitranslmed.aar5280
Bestimmte Formen des Proteins α-Synuclein konnten bis heute vielfach im Gehirn von
Patienten mit Morbus Parkinson nachgewiesen werden und scheinen eine wichtige Rolle
in der Pathogenese dieser neurodegenerativen Erkrankung zu spielen. Da sich das Pathogen
ebenfalls im enterischen Nervensystem des Gastrointestinaltrakts nachweisen lässt
und Patienten mit Morbus Parkinson noch vor der Manifestation der typischen motorischen
Symptome durchaus häufig an gastrointestinalen Beschwerden leiden, stellten Killinger
und Kollegen die Hypothese nach einem Zusammenhang zwischen dem Appendix vermiformis
und der Entstehung des idiopathischen Morbus Parkinson auf.
Um diese Behauptung bestätigen zu können, analysierten sie 2 voneinander unabhängige
epidemiologische Datenbanken. Diese waren:
Das erstgenannte Register schloss dabei sämtliche Gesundheitsdaten der schwedischen
Bevölkerung von 1964 bis heute ein und umfasst Angaben zu klinischen Charakteristika
von 1 698 000 Individuen. Das 2. Register sammelte hingegen sämtliche klinische Parameter
von 849 Patienten mit einer Parkinsondiagnose.
Für beide Kohorten verglichen die Forscher Probanden mit und ohne stattgehabter Appendektomie
im Hinblick auf eine spätere Parkinsondiagnose und das Alter bei Erstmanifestation.
In einem 2. Schritt führten Killinger und Team immunhistochemische Analysen der entnommenen
Blinddärme von 48 gesunden Probanden aus der Allgemeinbevölkerung durch. Hierbei wollten
sie vor allem pathogene Formen des α-Synucleins, wie sie auch in Gehirnen von Patienten
mit Morbus Parkinson nachgewiesen werden können, im Blinddarm identifizieren.
Appendektomie als Schutzfaktor?
Von den 1 698 000 Personen des schwedischen Bevölkerungsregisters erhielten zwischen
1964 und 2015 551 647 Personen eine Appendektomie, 22 523 Personen des Registers entwickelten
im Beobachtungszeitraum einen Morbus Parkinson. Die Inzidenz für diese Diagnose lag
bei Personen nach Appendektomie bei 1,6 pro 100 000 Personenjahren im Vergleich mit
1,98 pro 100 000 Personenjahren ohne Appendektomie. Eine Blinddarmentfernung reduzierte
das Risiko der Entwicklung eines Morbus Parkinson vergleichsweise um 19,3%.
In der 2. Kohorte stellten die Forscher ähnliche Ergebnisse fest. Auch hier entwickelten
Probanden nach Appendektomie seltener die Parkinsonkrankheit oder deutlich später
als Vergleichspersonen ohne entsprechende Operation in der Anamnese. Die Diagnose
wurde nach Blinddarmentfernung im Durchschnitt 1,6 Jahre später gestellt.
Im 2. Teil der umfangreichen Untersuchung konnten die Studienautoren ebenfalls einen
deutlichen Zusammenhang zwischen Blinddarm und Parkinson belegen. In ihren immunhistochemischen
Analysen stellten sie pathologische Formen des α-Synucleins fest, wie sie auch bei
Parkinson in den Lewy-Körperchen vorkommen.
Da dieser Nachweis durch Analyse entnommener Blinddärme gesunder Versuchspersonen
glückte, halten die Forscher in ihrem Diskussionsteil den Appendix vermiformis für
einen wichtigen Akteur und Modulator im Rahmen der Pathogenese des Morbus Parkinson.
Fazit
In dieser Studie konnten die Autorinnen/Autoren eine Verbindung zwischen immunologischen
Prozessen im Blinddarm und Morbus Parkinson herstellen. So entwickelten Probanden
nach einer Appendektomie seltener einen Morbus Parkinson oder litten erst später unter
den klassischen Symptomen. Da die Forscher zudem pathologische Formen des α-Synucleins
bei Gesunden im Blinddarm nachweisen konnten, sehen die Forscher ihre Hypothese über
einen Zusammenhang zwischen Gastrointestinaltrakt und Parkinson für bestätigt.