Pneumologie 2019; 73(02): 64-65
DOI: 10.1055/a-0810-4147
Pneumo-Fokus
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Tuberkulose: Genomsequenzierung zur Vorhersage des Therapieansprechens?

Allix-Béguec C, Arandjelovic I, Bi L. et al.,
The CRyPTIC Consortium and the 100,000 Genomes Project. Prediction of Susceptibility to First-Line Tuberculosis Drugs by DNA Sequencing.

N Engl J Med 2018;
379: 1403-1415
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Publication Date:
13 February 2019 (online)

 

    Für 2035 setzte die WHO das Ziel, Tuberkulose komplett zu verhindern. Dafür sind eine bessere Prävention, Diagnostik und Therapie notwendig. Resistenzen nehmen zu und die für eine zielgerichtete Therapie erforderliche Diagnostik ist oft nicht durchführbar. 2016 erhielten nur 22 % derjenigen mit multiresistentem Mycobacterium tuberculosis eine geeignete Therapie. Whole Genome Sequencing könnte eine Option bieten, Resistenzen einfach und sicher zu testen.


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    Verfahren zur Prüfung eines möglichen Ansprechens auf Tuberkulostatika sind bereits in Gebrauch, jedoch sind manche zu aufwendig, andere nicht verlässlich genug, weil nur wenige mögliche Resistenzgene getestet werden. Mittels Whole Genome Sequencing (Genomsequenzierung, WGS) lassen sich grundsätzlich unendlich viele Gene testen; die Methode ist zudem schneller und wahrscheinlich in Zukunft preiswerter als die phänotypische Testung. Vorausgesetzt, alle Resistenz verursachenden Gene bei Tuberkulose (Tbc) wären bekannt, lässt sich ein Ansprechen mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wenn diese Gene fehlen. Das CRyPTIC Consortium prüfte daher, wie gut sich ein Therapieansprechen bei Tbc mithilfe der WGS im Vergleich zu Standard-Genassays der WHO vorhersagen lässt. Zudem ging es um die Frage, ob sich WGS als Grundlage für die Wahl einer zielgerichteten Therapie bei Tbc eignet.

    Die Autoren hatten das Erbmaterial von 23 Mycobaterium-tuberculosis-Isolaten aus 16 Ländern in 6 Kontinenten zur Verfügung. Alle unterliefen eine Genomsequenzierung, bei der in 9 bekannten Genen alle Mutationen identifiziert wurden, die mit einer Resistenz oder Empfindlichkeit gegenüber Tuberkulostatika einhergehen. Die Ergebnisse wurden abgeglichen mit dem Referenz-Genom von M. tuberculosis (GenBank accession number, NC_000962.2), das gegen alle 4 üblichen Tuberkulostatika empfindlich ist. Gesucht wurde nach Mutationen in bekannten Resistenzgenen bzw. den „stromaufwärts“ (upstream) benachbarten Genabschnitten. Zum Abgleich prüften die Autoren die Empfindlichkeit der Isolate phänotypisch anhand des Mykobaterienwachstums mittels MGIT 960-System oder mittels Microscopic-observation drug-susceptibility Assay (MDOS). Um die Genauigkeit der Vorhersage mittels WGS zu berechnen, nutzten die Autoren als Standard die Ergebnisse der phänotypischen Tests.

    Von den verfügbaren 10 290 Isolaten wurden 81 wegen sehr widersprüchlichen Ergebnissen nicht berücksichtigt. In die Auswertung gingen also 10 209 Proben ein. Für 73,6 % davon ließen sich komplette phänotypische Profile erstellen. Es ergaben sich folgende Daten für die Genauigkeit der Vorhersage einer Resistenz (Sensitivität) bzw. einer Empfindlichkeit (Spezifität):

    • Isoniazid (97,1 %, 99,0 %),

    • Rifampicin (97,5 %, 98,8 %),

    • Ethambutol (94,6 %, 93,6 %),

    • Pyrazinamid (91,3 %, 96,8 %).

    Von den 7516 Isolaten mit kompletten phänotypischen Profilen lagen vollständige genotypische Ergebnisse von 78 % vor. Für 89,5 % dieser Isolate war die Vorhersage laut WGS korrekt. 4037 Isolate erwiesen sich phänotypisch als empfindlich gegenüber allen 4 Wirkstoffen; in dieser Gruppe war die Vorhersage nach WGS zu 97,9 % richtig.

    Zudem prüften die Autoren, ob auch für einen Teil der Isolate (22 %), für die kein komplettes Profil erstellt werden konnte, eine Vorhersage zur Empfindlichkeit möglich war. Hierfür beschränkten sie ihre Vorhersagen auf Isolate, die keine unbekannten Mutationen in Isoniazidgenen aufwiesen. Unbekannte Mutationen, die eine Rolle für die anderen Medikamente spielten, wurden nicht berücksichtigt. Mit diesem Vorgehen ließ sich für 97,8 % von 4582 Isolaten eine Empfindlichkeit gegenüber allen 4 Wirkstoffen richtig vorhersagen, wobei diese auch ein Drittel der zuvor nicht berücksichtigten, unvollständigen Isolate einschlossen.

    Fazit

    Die anhand von mehr als 10 000 für M. tuberculosis repräsentativen Isolaten berechneten Ergebnisse sprechen dafür, dass sich die Genomsequenzierung eignen würde, in der klinischen Praxis mit ausreichender Genauigkeit die Empfindlichkeit gegenüber den Erstlinien-Tuberkulostatika vorherzusagen, schließen die Autoren. Einschränkend merken sie u. a. an, dass sie als Standard das phänotypische Profil nutzten, was nicht mit dem klinischen Therapieerfolg abgeglichen wurde.

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen


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