Allix-Béguec C,
Arandjelovic I,
Bi L.
et al.,
The CRyPTIC Consortium and the 100,000 Genomes Project. Prediction of Susceptibility
to First-Line Tuberculosis Drugs by DNA Sequencing.
N Engl J Med 2018;
379: 1403-1415
Verfahren zur Prüfung eines möglichen Ansprechens auf Tuberkulostatika sind bereits
in Gebrauch, jedoch sind manche zu aufwendig, andere nicht verlässlich genug, weil
nur wenige mögliche Resistenzgene getestet werden. Mittels Whole Genome Sequencing
(Genomsequenzierung, WGS) lassen sich grundsätzlich unendlich viele Gene testen; die
Methode ist zudem schneller und wahrscheinlich in Zukunft preiswerter als die phänotypische
Testung. Vorausgesetzt, alle Resistenz verursachenden Gene bei Tuberkulose (Tbc) wären
bekannt, lässt sich ein Ansprechen mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wenn
diese Gene fehlen. Das CRyPTIC Consortium prüfte daher, wie gut sich ein Therapieansprechen
bei Tbc mithilfe der WGS im Vergleich zu Standard-Genassays der WHO vorhersagen lässt.
Zudem ging es um die Frage, ob sich WGS als Grundlage für die Wahl einer zielgerichteten
Therapie bei Tbc eignet.
Die Autoren hatten das Erbmaterial von 23 Mycobaterium-tuberculosis-Isolaten aus 16
Ländern in 6 Kontinenten zur Verfügung. Alle unterliefen eine Genomsequenzierung,
bei der in 9 bekannten Genen alle Mutationen identifiziert wurden, die mit einer Resistenz
oder Empfindlichkeit gegenüber Tuberkulostatika einhergehen. Die Ergebnisse wurden
abgeglichen mit dem Referenz-Genom von M. tuberculosis (GenBank accession number, NC_000962.2), das gegen alle 4 üblichen Tuberkulostatika
empfindlich ist. Gesucht wurde nach Mutationen in bekannten Resistenzgenen bzw. den
„stromaufwärts“ (upstream) benachbarten Genabschnitten. Zum Abgleich prüften die Autoren
die Empfindlichkeit der Isolate phänotypisch anhand des Mykobaterienwachstums mittels
MGIT 960-System oder mittels Microscopic-observation drug-susceptibility Assay (MDOS).
Um die Genauigkeit der Vorhersage mittels WGS zu berechnen, nutzten die Autoren als
Standard die Ergebnisse der phänotypischen Tests.
Von den verfügbaren 10 290 Isolaten wurden 81 wegen sehr widersprüchlichen Ergebnissen
nicht berücksichtigt. In die Auswertung gingen also 10 209 Proben ein. Für 73,6 %
davon ließen sich komplette phänotypische Profile erstellen. Es ergaben sich folgende
Daten für die Genauigkeit der Vorhersage einer Resistenz (Sensitivität) bzw. einer
Empfindlichkeit (Spezifität):
-
Isoniazid (97,1 %, 99,0 %),
-
Rifampicin (97,5 %, 98,8 %),
-
Ethambutol (94,6 %, 93,6 %),
-
Pyrazinamid (91,3 %, 96,8 %).
Von den 7516 Isolaten mit kompletten phänotypischen Profilen lagen vollständige genotypische
Ergebnisse von 78 % vor. Für 89,5 % dieser Isolate war die Vorhersage laut WGS korrekt.
4037 Isolate erwiesen sich phänotypisch als empfindlich gegenüber allen 4 Wirkstoffen;
in dieser Gruppe war die Vorhersage nach WGS zu 97,9 % richtig.
Zudem prüften die Autoren, ob auch für einen Teil der Isolate (22 %), für die kein
komplettes Profil erstellt werden konnte, eine Vorhersage zur Empfindlichkeit möglich
war. Hierfür beschränkten sie ihre Vorhersagen auf Isolate, die keine unbekannten
Mutationen in Isoniazidgenen aufwiesen. Unbekannte Mutationen, die eine Rolle für
die anderen Medikamente spielten, wurden nicht berücksichtigt. Mit diesem Vorgehen
ließ sich für 97,8 % von 4582 Isolaten eine Empfindlichkeit gegenüber allen 4 Wirkstoffen
richtig vorhersagen, wobei diese auch ein Drittel der zuvor nicht berücksichtigten,
unvollständigen Isolate einschlossen.
Die anhand von mehr als 10 000 für M. tuberculosis repräsentativen Isolaten berechneten Ergebnisse sprechen dafür, dass sich die Genomsequenzierung
eignen würde, in der klinischen Praxis mit ausreichender Genauigkeit die Empfindlichkeit
gegenüber den Erstlinien-Tuberkulostatika vorherzusagen, schließen die Autoren. Einschränkend
merken sie u. a. an, dass sie als Standard das phänotypische Profil nutzten, was nicht
mit dem klinischen Therapieerfolg abgeglichen wurde.
Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen