Abends vor dem Fernseher eine Tüte Chips verzehren, am Nachmittag von Zeit zu Zeit
ein Stück Torte und zwischen den Mahlzeiten immer wieder mal was Süßes. Keine Einschränkungen
beim Essen, kein lästiges Kalorienzählen und auch keine überflüssige Bewegung. Dem
Belohnungssystem, das uns immer wieder zum Naschen anregt freien Raum lassen, einfach
zu jeder Mahlzeit eine Pille einwerfen, die alles was dick macht entfernt und vielleicht
sogar noch überflüssige Pfunde abbaut. – Abnehmen ohne Diät, das verspricht jetzt
eine breit gestreute Verbraucherwerbung aufgrund einer in dieser Zeitschrift veröffentlichten
Studie zur Wirkung von Refigura [1].
Refigura ist ein Medizinprodukt, das nicht dem Arzneimittelgesetz, sondern dem Medizinproduktegesetz
unterliegt. In diesem sind die Vorgaben der Veröffentlichung einer klinischen Studie
noch nicht vorgeschrieben. Man vertraute in der EU auf die freiwilligen Vereinbarungen
wie die Deklaration von Helsinki, CONSORT-Statement usw. Diese Lage wird nun ausgenutzt,
indem sich Studien das Mäntelchen der Wissenschaftlichkeit umhängen und so dem Verbraucher
das Gefühl vermitteln, dass er es mit wissenschaftlich gesicherten Ergebnissen zu
tun hat, die aufgrund der nicht eingehaltenen Mindeststandards das vermittelte Resultat
fragwürdig erscheinen lassen.
Die in der Zeitschrift für Phytotherapie veröffentlichte „BEFORE-Studie“ zur Gewichtsreduktion
mit Refigura ohne Änderung der Lebens- und Essgewohnheiten ist ein Beispiel für eine
solche Studie. Als Prüfmedikation wurden drei unterschiedlich wirkende Substanzen
gemeinsam eingesetzt, das aus dem Schimmelpilz Aspergillus niger gewonnene Chitosan mit einem Anteil von ca. 15 % β-Glucan [2] und Glucomannan.
Chitosan soll mit Fetten eine Emulsion im Gastrointestinaltrakt bilden, was dazu führt,
dass ein Teil der Fette nicht absorbiert wird. Gleichzeitig steigt die Magenfüllung,
was über hormonelle Effekte (Ghrelin) zu einer gewissen Sättigung beitragen kann.
Glucomannan ist ein Quellstoff, der wie viele unverdauliche Ballaststoffe in geringem
Maße Fette und Gallensäuren adsorbiert und so der Verdauung entzieht. β-Glucan ist
ein natürlicher Bestandteil der Zellwände von Pilzen und Pflanzen, wird durch menschliche
Enzyme nicht verdaut, aber stattdessen im Dünndarm aufgenommen und stimuliert das
mucosale und das systemische Immunsystem [3], [4]. Die Autoren wollen nun durch Kombination der drei Substanzen prüfen, inwieweit
eine Gewichtsreduktion ohne Änderung des Lebens- und Ernährungsstils erreicht werden
kann.
Dazu erhalten die Teilnehmer (n = 165 mit BMI zwischen 27 und 35; 81,2 % weiblich),
randomisiert in drei Gruppen (zwei Verum-Applikationen in unterschiedlicher Konzentration
[Chitosan inklusive β-Glucan/Glucomannan; Verum 1: 1,5/3,0 g bzw. Verum 2: 3,0/4,02
g] und einer Placebogruppe) die Prüfmedikation über einen Zeitraum von 56 Tagen. Primärziel
ist das Körpergewicht, Sekundärziele sind Veränderung des Bauchumfangs, des Körperfettanteils
und der Lebensqualität.
Primärziel der BEFORE-Studie: Gewichtsverlust
Primärziel der BEFORE-Studie: Gewichtsverlust
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die Anwendung der Prüfmedikation zu einem
Gewichtsverlust von 0,89 kg gegenüber Placebo geführt hat. Dieser sei signifikant.
Dies ist aber schwer nachvollziehbar, wenn sich das mittlere Gewicht in 8 Wochen nur
von 92,0 auf 91,11 kg reduziert.
Die Auswertung der Studie lässt eine Reihe von Fragen offen, wie z. B. die der Compliance.
Diese war bereits gegeben, wenn die Probanden nicht weniger als 30 % der verordneten
Menge des Präparates eingenommen hatten. In seriösen klinischen Studien ist die Grenze
bei 80 %. In ihrem Fazit kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die Kombination
übergewichtigen Patienten beim Abnehmen helfen kann, weil damit auch ohne Umstellung
der Lebens- oder Essgewohnheiten eine signifikante Gewichtsreduktion herbeigeführt
wird, die, so die Autoren, bei der höheren Dosierung entsprechend höher ausfällt.
„Höher“ sind in diesem Fall 100 g in 8 Wochen! Entsprechend internationaler Empfehlungen
sollte der Maßstab für eine erfolgreiche Gewichtsreduktion sein, 5 % Körpergewicht
(hier 4,64 kg im Patientenkollektiv) in Schritten von ca. 500 g / Woche abzunehmen
[5].
Als statistische Analyseverfahren beschreiben die Autoren die Verwendung des sogenannten
Full Analysis Set (FAS), dem alle 165 randomisierten Probanden angehören würden, die
das Prüfprodukt mindestens einmal erhalten hatten. Außerdem das Per Protocoll Analysis
Set (PPS), in dem alle Probanden erfasst werden, die bis zum Ende der Studie ohne
Prüfplanverletzung dabei waren. Bei PPS wurden 110 Probanden ausgewertet, d. h. 55
Probanden wurden somit nicht in die Auswertung einbezogen. Die FAS-Ergebnisse werden
aber nicht dargestellt, obwohl dies relevant wäre. Nur im FAS kann eine Analyse der
Auswirkung der Prüfplanverletzungen in Bezug auf das Ergebnis erfolgen. Die Beurteilung
der Wirkung nach PPS alleine ist mehr als fragwürdig, da damit nicht der geplante
Durchschnitt dargestellt ist, sondern der positive 2 / 3-Anteil der Studienteilnehmer.
In einer früheren Studie mit Kombination der beiden Substanzen (je 1,2 g Chitosan
und Glucomannan an 22 Probanden über einen Zeitraum von 28 Tagen) konnte eine signifikante
Senkung des Cholesterins (HDL, LDL, Gesamt) beobachtet werden [6]. Die Ausscheidung von Cholesterin und Gallensäuren nahm zu, die Fettausscheidung
änderte sich nicht. Ein Effekt auf das Körpergewicht blieb jedoch aus. Dies kann an
der im Vergleich zu der Verum-1-Gruppe niedrigeren Menge an Glucomannan, aber auch
am kürzeren Beobachtungszeitraum gelegen haben. Höhere Dosierungen von Glucomannan
(3 x 1,33 mg/Tag für 8 Wochen) führen zu einer Senkung des LDL- und Gesamtcholesterins
bei Probanden (23 Verum, 24 Kontrolle), die ihre Ernährung und körperliche Aktivität
nicht verändert hatten, was mit aufwendiger Prüfung durch Fragebögen sichergestellt
wurde [7]. Ein Effekt auf Körperfett oder Körpergewicht wurde dagegen nicht beobachtet.
Sekundärziele: Anthropometrische und Ernährungsdaten der Teilnehmer
Sekundärziele: Anthropometrische und Ernährungsdaten der Teilnehmer
Die wesentliche Aussage, dass der Gewichtsverlust ohne Änderung der Ernährung und
Lebensgewohnheiten erfolgt ist, ist an keiner Stelle der Studie belegt. So wird zwar
erklärt, dass die Teilnehmer alle 14 Tage einbestellt wurden und dabei der Ernährungsstatus
einschließlich Körperfettanteil erhoben wurde, die aufbereiteten Daten werden dem
Leser allerdings vorenthalten.
Die Analyse des Körperfettanteils kann nur durch die sogenannte Body Impedanz Analyse
(BIA) erfolgen. Dies ist wichtig, wenn eine Beurteilung des BMI erfolgt, da dieser
nicht unbedingt nur durch die Fettmasse, sondern auch die fettfreie Körpermasse erklärt
wird. Das ist besonders dann unerlässlich, wenn die Auswertung sich am BMI orientiert,
wie in der Studie geschehen. BIA-Messungen sind, besonders dann, wenn sie im Rahmen
einer klinischen Studie eingesetzt werden, sehr zeitaufwendig (Wiederholungsmessung)
und brauchen gut geschulte Kräfte. Es ist schlicht nicht vorstellbar, dass alle 14
Tage 165 Teilnehmer auf diese Weise untersucht wurden. Daher wundert es auch nicht,
wenn die aufbereiteten Daten in der Arbeit nicht weiter angegeben werden.
Die Erfassung der Ernährungsweise muss nach standardisierten Verfahren durch entsprechend
geschulte Interviewer erfolgen (z. B. 3-day food record oder 24h recall). In der Studie
selbst wird lediglich angegeben, dass die Studienschwestern nach der Ernährung gefragt
haben. Inwieweit die Teilnehmer spezielle Ernährungsformen hatten, die z. B. reich
an Kohlenhydraten oder Ballaststoffen waren, oder Low-fat-Produkte bevorzugt wurden,
bleibt ebenso offen, wie Unterschiede in Energieaufnahme und -verbrauch. Eine Studie,
die als Indikator Ernährungsverhalten hat – und dies ist ein wesentlicher Aspekt dieser
Studie –, kann das individuelle Ernährungsverhalten nicht nebenbei als geprüft erwähnen,
ohne Daten vorzulegen. Gleiches gilt für die körperliche Aktivität: Auch hier sind
internationale Standards festgelegt, wie das International Physical Questionnaire
[8].
Unerwünschte Nebenwirkungen
Unerwünschte Nebenwirkungen
56 % der Nebenwirkungen fielen auf Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes. Was das
bedeutet und in wie weit dies auch zu Drop out geführt hat, bleibt offen. Im Sinne
des Verbraucherschutzes wäre es sicherlich gut gewesen, wenn Hinweise auf mögliche
weitere Nebenwirkungen, wie der Einfluss auf die Vitaminversorgung, erfolgt wären.
Vitamine
Eine Einnahme des Präparates (verfügbar in der Verum-1-Dosis) über längere Zeit birgt
Risiken, die aus verschiedenen Studien bekannt sind und dem Konsumenten mitgeteilt
werden sollten.
Bei Pflanzensterolen, die die Absorption von Cholesterin kompetitiv hemmen, sind Effekte
auf die Absorption von fettlöslichen Vitaminen (E, A, D) sowie auf fettlösliche Carotinoide
vielfach untersucht worden. Bei der Beurteilung der Bioverfügbarkeit sind streng genommen
nur die Carotinoide brauchbar, da durch die homöostatische Regulierung des Vitamin
A und die Vitamin-D-Synthese der Haut Schwankungen durch Unterschiede in der Bioverfügbarkeit
kaum zu erkennen sind. Das bestätigt sich in einer ersten Metaanalyse (18 Studien)
[9], bei der eine signifikante Reduktion von Vitamin E, α-, β-Carotin und Lycopin, nicht
aber von Retinol, und Vitamin D nach Verzehr von Pflanzensterolen und -stanolen bestand.
Dies kann auch durch die Reduktion des zirkulierenden Cholesterins erklärt werden,
da Vitamin E und andere Carotinoide (Ausnahme β-Carotin) in Lipoproteinen transportiert
werden. In einer weiteren kürzlich erschienenen Metaanalyse [10], die 52 Studien erfasst, findet sich eine moderate Reduktion des Vitamin E (10 %
median) und eine signifikante Verringerung des β-Carotins um 24 %. Als Ursache für
die verringerten Blutspiegel bei Verzehr von Phytosterolen werden Interaktionen mit
der micellaren Absorption oder dem Einbau in die Lipoproteine diskutiert [11].
Im Unterschied zu den Phytosterolen wirken Chitosan und Glucomannan wohl nicht selektiv
auf die Cholesterin-Absorption, sondern auf die gesamte Absorption von Fetten und
fettlöslichen Verbindungen. Im Gegensatz zu den Phytosterolen ist der Einfluss auf
die Absorption fettlöslicher Vitamine und Carotinoide bisher nur in wenigen Studien
geprüft. Jede der beiden Substanzen führt nicht nur zu einer erwünschten Reduktion
der Bioverfügbarkeit von Fetten, sondern auch von fettlöslichen Vitaminen und Mineralen
[12], [13]. Was das für die in der BEFORE-Studie gewählte Kombination bedeutet, kann nur schwer
gesagt werden, der Verbraucher sollte jedoch darauf hingewiesen werden.
Wie es mit der Bioverfügbarkeit essenzieller fettlöslicher Verbindungen bei Anwendung
der Kombination aussieht, ist ebenso wenig geklärt wie die Frage, inwieweit die dem
enterohepatischen Kreislauf unterliegenden Mikronährstoffe davon betroffen sind. Auch
für die Wirkungen des β-Glucan im vorliegenden Zusammenhang sind keine Daten auffindbar.
Um eine solche Kombination als sicher für den Verbraucher zu empfehlen, sollten solche
Daten bekannt sein.
Wenn die Autoren dem Konsumenten suggerieren, dass er seinen Ernährungsstil nicht
ändern, sondern nur das kombinierte Präparat lange genug einnehmen muss, bis er genügend
Gewicht verloren hat (890 g in 8 Wochen), so wird dabei übersehen, dass der Konsument
ein nicht unerhebliches Risiko hinsichtlich der Versorgung mit fettlöslichen Mikronährstoffen,
aber auch Mineralien eingeht. Vor diesem Hintergrund ist eine Bewerbung eines solchen
Präparates aus gesundheitlicher Sicht höchst bedenklich. Nicht umsonst wird immer
wieder darauf hingewiesen, dass die Mikronährstoffversorgung bei Adipösen im Rahmen
vieler Untersuchungen als kritisch angesehen werden muss [14].
Dem Verbraucher zu suggerieren, er könne so weiterleben wie bisher und möglicherweise
ungesunde Ernährungs- und Lebensgewohnheiten beibehalten, steht im Widerspruch zu
den Empfehlungen der WHO und aller seriöser internationaler Fachgesellschaften, vgl.
z. B. interdisziplinäre S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas der
Deutschen Adipositas-Gesellschaft und der Deutschen Diabetes Gesellschaft [15]. Übergewichtige sollten bestärkt werden, ihr Ernährungsverhalten zu ändern und die
tägliche physische Aktivität zu erhöhen mit dem Ziel, gesund abzunehmen.
Der Ansatz, dieses „Wundermittel“ verhelfe ohne Umdenken und ohne Änderung der Lebensgewohnheiten
zu einer schönen Figur, ist grundsätzlich falsch und schadet letztendlich der Gesundheit.
Fazit
Die BEFORE-Studie will einen Gewichtsverlust durch Anwendung eines Kombinationspräparates
zeigen. Die methodischen Schwächen, die unzulänglich verfügbaren Daten und die ungeklärten
Fragen in der Auswertung lassen das Ergebnis mehr als fragwürdig erscheinen. Gerade
in der Phytomedizin sollte auf die Seriosität von Studien in Planung, Durchführung
und Veröffentlichung geachtet werden, um nicht zu einer Diskreditierung dieser wichtigen
Wissenschaften beizutragen. Dazu gehört, dass klinische Studien hinsichtlich der international
anerkannten Vorgehensweise gemäß CONSORT-Statement [16] durchgeführt wurden. Diese wurden in der BEFORE-Studie grob vernachlässigt. So fehlen
die Einschluss- und Ausschlusskriterien bzw. werden nur teilweise angegeben, die Biometrie
ist unzureichend (Mindestfallzahl liegt in der Verum-1-Gruppe über der tatsächlichen
Fallzahl), die statistischen Methoden wurden nicht ausreichend durchgeführt (FAS),
sekundäre Endpunkte nicht eindeutig beschrieben, Ausschlüsse werden nicht begründet.
Die Diskussion wird nur marginal geführt und setzt sich nicht mit der aktuellen Literatur
auseinander.
Zusammengenommen kann die Aussage zur Wirksamkeit der Kombination durch die veröffentlichten
Studiendaten nicht nachvollziehbar belegt werden.