Hebamme 2019; 32(02): 8-15
DOI: 10.1055/a-0861-0392
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Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft – Zusammenfassung aktualisierte Handlungsempfehlungen

Berthold Koletzko
,
Monika Cremer
,
Maria Flothkötter
,
Christine Graf
,
Hans Hauner
,
Claudia Hellmers
,
Mathilde Kersting
,
Michael Krawinkel
,
Hildegard Przyrembel
,
Marianne Röbl-Mathieu
,
Ulrich Schiffner
,
Klaus Vetter
,
Anke Weißenborn
,
Achim Wöckel
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. April 2019 (online)

 

2012 hatte das Netzwerk Gesund ins Leben erstmalig Empfehlungen herausgegeben, die sich mit der Ernährung und dem Lebensstil in der Schwangerschaft befassen. Behandelt werden unter anderem Themen wie Körpergewicht, Nährstoffbedarf, Supplemente und körperliche Aktivität. Diese Empfehlungen wurden nun aktualisiert und um das Thema präkonzeptioneller Lebensstil ergänzt. Eine Zusammenfassung von Katharina Kerlen-Petri.


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Abb. 1 Körperliche Bewegung mit moderater Intensität und eine ausgewogene Ernährung vor und in der Schwangerschaft wirken sich positiv auf die Gesundheit von Mutter und Kind aus. Geeignet sind neben klassischen Ausdauersportarten auch Low-Impact-Aerobic, Aqua-Fitness und Schwangeren-Yoga. (Foto: Kalim – stock.adobe.com)

Hintergrund

In den Mutterschaftsrichtlinien ist dokumentiert, dass jede Schwangere bei ihrem ersten Kontakt mit Hebamme oder Gynäkologin / Gynäkologe zu Ernährung und Lebensgewohnheiten während der Schwangerschaft beraten werden soll.

Damit diese Beratung fundiert erfolgen kann, unterstützt das Netzwerk Gesund ins Leben die einbezogenen Berufsgruppen mit harmonisierten, wissenschaftsbasierten und anwendungsorientierten Empfehlungen.

Die Empfehlungen stehen im Einklang mit dem 2016 vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) formulierten Nationalen Gesundheitsziel „Rund um die Geburt“ und sehen die ersten 1000 Tage ab der Empfängnis als wichtige Zeitspanne, in der die Grundlagen für die Gesundheit des Kindes gelegt werden. Besonders in der Lebensphase der Schwangerschaft sind werdende Eltern motiviert, ihren Lebensstil zu ändern, und zugänglich für entsprechende Beratung und Aufklärung.


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Aufbau der Empfehlungen

Die aktualisierten Handlungsempfehlungen gliedern sich in folgende Bereiche:

  • Allgemeine Empfehlung

  • Körpergewicht vor der Konzeption und Gewichtsentwicklung in der Schwangerschaft

  • Energie- und Nährstoffbedarf in der Schwangerschaft

  • Ernährungsweise

  • Vegetarische und vegane Ernährung in der Schwangerschaft

  • Supplemente

  • Schutz vor Infektionen durch Lebensmittel in der Schwangerschaft

  • Bewegung vor und in der Schwangerschaft

  • Alkohol

  • Rauchen

  • Koffeinhaltige Getränke in der Schwangerschaft

  • Arzneimittel in der Schwangerschaft

  • Vorbereitung auf das Stillen

  • Ernährung in der Schwangerschaft zur Allergieprävention beim Kind

  • Mund und Zahngesundheit

  • Impfen

INFO

Netzwerk Gesund ins Leben

Gesund ins Leben [1] ist ein Netzwerk von Institutionen, Fachgesellschaften und Verbänden, die sich mit jungen Familien befassen. Das Ziel ist es, Eltern einheitliche Botschaften zur Ernährung und Bewegung zu vermitteln, damit sie und ihre Kinder gesund leben und aufwachsen.

Das Netzwerk Gesund ins Leben ist angesiedelt im Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) und Teil des nationalen Aktionsplans IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung.

Gesund ins Leben hat eine Lenkungsgruppe (hier unter anderem vertreten der Berufsverband der Frauenärzte, der Deutsche Hebammenverband und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte), einen Wissenschaftlichen Beirat, Arbeitsgruppen, die Geschäftsstelle im BZfE und wird unterstützt von zahlreichen Partnern.


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Gewicht vor der Schwangerschaft und Gewichtsentwicklung in der Schwangerschaft

Laut der 2013 im Bundesgesundheitsblatt veröffentlichten Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland sind 30 % der 18–29-jährigen Frauen in Deutschland übergewichtig oder adipös, bei den 30–39-jährigen sind es 38 %. Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass Übergewicht / Adipositas vor der Schwangerschaft mit einem höheren Gesundheitsrisiko assoziiert ist und während der Schwangerschaft zu Komplikationen wie Gestatationsdiabetes, Hypertonie, fetaler Makrosomie und damit einhergehenden Geburtskomplikationen führen kann. Frauen mit Kinderwunsch sollten darüber aufgeklärt werden. Reduktionsdiäten werden in der Schwangerschaft nicht empfohlen.

Empfehlungen zum Körpergewicht vor der Konzeption und der Gewichtsentwicklung in der Schwangerschaft

  • Schon vor der Schwangerschaft ist eine bestmögliche Annäherung des Körpergewichts an ein Normalgewicht wünschenswert.

  • Eine angemessene Gewichtszunahme in der Schwangerschaft liegt für normalgewichtige Frauen etwa zwischen 10 und 16 kg.

  • Bei Übergewicht und Adipositas ist eine geringere Gewichtszunahme in der Schwangerschaft wünschenswert.

  • Bei untergewichtigen Frauen sollte auf eine ausreichende Gewichtszunahme in der Schwangerschaft geachtet werden. [4]

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Abb. 2 Für normalgewichtige Frauen liegt eine angemessene Gewichtszunahme bei ca. 10 bis 16 kg. (Foto: Kirsten Oborny / Thieme Mediengruppe)

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Energie- und Nährstoffbedarf

Im Gegensatz zu früheren Annahmen haben Schwangere nur einen leicht erhöhten Energiebedarf. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine zusätzliche Energiezufuhr von 250 Kilokalorien pro Tag im zweiten Trimester und für das dritte Trimester eine Erhöhung von 500 Kilokalorien täglich, wenn die körperliche Aktivität gleichbleibend hoch ist. Da diese aber bei den meisten Frauen im Laufe der Schwangerschaft zurückgeht, wird bei vielen keine erhöhte Energiezufuhr benötigt. Das Netzwerk regt eine Beratung im Sinne von „für zwei denken, aber nicht für zwei essen“ an.

Mit Ausnahme von Folat und Jod können alle Vitamine und Mineralstoffe / Spurenelemente durch eine geeignete Ernährung gedeckt werden.

Empfehlungen zu Energie- und Nährstoffbedarf

  • Schwangere Frauen sollten besonders auf die Qualität ihrer Ernährung achten. Im Verhältnis zum Energiebedarf steigt der Bedarf an einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen / Spurenelementen in der Schwangerschaft deutlich stärker.

  • Der Energiebedarf steigt im Verlauf der Schwangerschaft nur leicht an. Schwangere sollten erst in den letzten Monaten der Schwangerschaft ihre Energiezufuhr nur geringfügig (bis zu ca. 10 %) steigern. [4]


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Ernährungsweise

Wie bei allen Erwachsenen wirken sich auch vor und in der Schwangerschaft eine ausgewogene Ernährung und körperliche Bewegung positiv auf die Gesundheit, in diesem Falle von Mutter und Kind, aus. Auch wenn verschiedene Studien einen Zusammenhang zwischen Lebensstilinterventionen und vermindertem Risiko für Gestationsdiabetes zeigen, ist die Datenlage nicht konsistent.

Das Netzwerk rät dazu, in der Beratung von Schwangeren Ernährung und Bewegung wiederholt anzusprechen.

Empfehlungen zur Ernährungsweise

  • Die Ernährung vor und in der Schwangerschaft soll ausgewogen und abwechslungsreich sein. Sie sollte sich an den allgemeinen Empfehlungen für gesunde Erwachsene orientieren.

  • In einer ausgewogenen Ernährung sollten die Lebensmittelgruppen unterschiedlich gewichtet werden:

    1. Reichlich sollten sowohl kalorienfreie Getränke als auch pflanzliche Lebensmittel (Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte) verzehrt werden.

    2. Mäßig sollten tierische Lebensmittel (Milch und Milchprodukte, fettarmes Fleisch und fettarme Wurstwaren, fettreiche Meeresfische und Eier) gegessen werden.

    3. Sparsam sollten Süßigkeiten, zuckerhaltige Getränke und Snackprodukte sowie Fette mit hohem Anteil gesättigter Fettsäuren (vor allem tierische Fette) und Öle verzehrt werden.

      Pflanzenöle (z. B. Raps- und Olivenöl) sollten als Fettquellen bevorzugt werden. [4]


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Vegetarische / vegane Ernährung

Die Datenlage zu vegetarischer und veganer Ernährung in der Schwangerschaft ist als dürftig einzuschätzen. Vor allem die vegane Ernährung wird kritisch gesehen. Bei veganer Ernährung sollten eine regelmäßige Überprüfung und individuelle Ernährungsberatung empfohlen.

Empfehlungen zur vegetarischen bzw. veganen Ernährung

  • Eine ausgewogene vegetarische Ernährung mit Verzehr von Milch(-produkten) und Eiern (ovo-lakto-vegetarisch) kann grundsätzlich auch in der Schwangerschaft den Bedarf an den meisten Nährstoffen decken. Zur Absicherung ist eine gezielte Beratung zu empfehlen.

  • Bei einer rein pflanzlichen (veganen) Ernährung soll die Versorgung mit kritischen Nährstoffen ärztlich überprüft werden und eine individuelle Ernährungsberatung soll erfolgen. Nicht nur Jod und Folsäure, sondern auch zusätzliche Mikronährstoffsupplemente (insbesondere Vitamin B12) sollen eingenommen werden, um einem Nährstoffmangel und daraus folgenden Schädigungen der kindlichen Entwicklung vorzubeugen. [4]


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Folsäure

Schon seit Mitte der 1990er Jahre gilt die Empfehlung vor und in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft zusätzlich Folsäure einzunehmen, da zahlreiche Studien ein dadurch geringeres Risiko für kindliche Neuralrohrdefekte nachgewiesen haben. Folsäurehaltige Lebensmittel wie grünes Blattgemüse, Kohl, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte sowie Tomaten und Orangen unterstützen die Versorgung. Zurzeit ist besonders die präkonzeptionelle Folsäureeinnahme unzureichend, nur circa 10–34 % der Frauen nehmen das Supplement rechtzeitig und in ausreichender Menge ein.

Empfehlungen zur Folsäuresupplementierung

  • Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollen zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung 400 μg Folsäure pro Tag oder äquivalente Dosen anderer Folate in Form eines Supplements einnehmen.

  • Die Einnahme soll mindestens 4 Wochen vor der Konzeption beginnen und bis zum Ende des 1. Schwangerschaftsdrittels fortgesetzt werden.

  • Frauen, die die Folsäuresupplementierung weniger als 4 Wochen vor der Konzeption beginnen, sollten höherdosierte Präparate verwenden. [4]


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Jod

Deutschland ist gemäß der Kriterien der WHO ein Gebiet mit mildem bis moderatem Jodmangel. Zudem steigt in der Schwangerschaft der Jodbedarf aufgrund vermehrter mütterlicher Produktion von Schilddrüsenhormonen und einer erhöhten renalen Ausscheidung sowie des Bedarfs für die Entwicklung des Ungeborenen.

Frauen mit Kinderwunsch sollen schon vor der Schwangerschaft über die Bedeutung von Jod und eine ausreichende Jodzufuhr beraten werden. Das Netzwerk empfiehlt, jodiertes Speisesalz zu verwenden und regelmäßig Milch, Milchprodukte und Meeresfisch zu verzehren. Bei Lebensmitteln (z. B. Brot) sind Produkte mit jodiertem Speisesalz zu bevorzugen.

Empfehlungen zur Jodsupplementierung

  • Zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung sollen Schwangere täglich ein Supplement mit 100 (bis 150) μg Jod einnehmen. Bei Schilddrüsenerkrankungen soll vor der Supplementierung eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen. [4]


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Weitere Supplementierungen

Eisen

In Deutschland und anderen europäischen Ländern wie England, Frankreich oder Irland wird eine routinemäßige Eisensupplementierung in der Schwangerschaft nicht empfohlen. Für den Nutzen einer generellen Eisensupplementierung ist zum einen die Datenlage nicht eindeutig genug und zum anderen gibt es Hinweise, dass eine zusätzliche Eisenzufuhr bei gut versorgten Schwangeren das Risiko für eine Frühgeburt und ein niedriges Geburtsgewicht erhöhen kann.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für nichtschwangere, menstruierende Frauen eine Eisenzufuhr von 15 mg pro Tag, für Schwangere gilt die Empfehlung für 30 mg täglich.

Die Netzwerk-Empfehlungen regen an, im Rahmen der Mutterschafts-Vorsorge nicht nur Hb-Bestimmungen vorzunehmen, sondern auch den Serumferritinwert zu bestimmen.

  • Empfehlung: Eine gezielte Eisensupplementierung zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung sollte nur nach einer ärztlich diagnostizierten Unterversorgung erfolgen. [4]


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DHA

Um in der Schwangerschaft ausreichend langkettige Omega-3-Fettsäuren aufzunehmen, wird der wöchentliche Verzehr von Fisch empfohlen. Einmal pro Woche sollte fettreicher Meeresfisch (z. B. Makrele, Hering, Sardine) auf den Teller kommen. Auf Raubfische, die am Ende der maritimen Nahrungskette stehen und erhöhte Schadstoffgehalte aufweisen können, sollte laut Handlungsempfehlungen verzichtet werden. Schwangere, die keinen Fisch essen, sollten Supplemente mit der Omega-3-Fettsäure DHA (Docosahexaensäure) zu sich nehmen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, täglich mindestens 200 mg DHA zuzuführen.

DHA kann nach mehreren randomisiert kontrollierten Studien das Risiko für frühe Frühgeburten (< 34. SSW) senken. DHA leistet einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Sehfunktion und des Gehirns.

  • Empfehlung: Schwangeren ohne regelmäßigen Verzehr von fettreichem Meeresfisch wird empfohlen, DHA zu supplementieren. [4]


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Vitamin D

Eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung der werdenden Mutter ist wichtig für die fetale Vitamin-D-Versorgung und die kindliche Knochenmineralisation. Der Körper bildet Vitamin D induziert durch Sonnenbestrahlung in der Haut. Regelmäßiger Aufenthalt im Freien fördert die Vitamin-D-Versorgung. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für Schwangere bei fehlender Vitamin-D-Eigensynthese, d. h. in der sonnenarmen Zeit und bei überwiegendem Aufenthalt im Haus, eine Vitamin-D-Aufnahme von 20 µg (800 IU) pro Tag. [4]


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Lebensmittelinfektionen

Bei der Beratung zu Infektionen durch Lebensmittel in der Schwangerschaft liegt der Fokus auf den Erregern von Toxoplasmose und Listeriose. Diese können auf die Plazenta und den Feten übergehen und so schwere Erkrankungen sowie Früh- und Totgeburten auslösen. Dem Robert-Koch-Institut werden jährlich rund 20–40 Fälle von Neugeborenen-Listeriose gemeldet, bei konnataler Toxoplasmose sind es circa 5–40 laborbestätigte Fälle. Wahrscheinlich liegt die tatsächliche Zahl höher – eine bundesweite Seroprävalenzstudie von 2016 geht von 345 konnatalen Toxoplasmose-Fällen jährlich aus [6].

Zur Prophylaxe der Toxoplasmose ist der Verzehr von rohem sowie nicht durchgegartem Fleisch (auch Rohwurst, Salami, roher Schinken) vom Schwein, Lamm bzw. Schaf und Wild problematisch. Rohe Fleischprodukte, Räucherfisch und Weichkäse bergen ein erhöhtes Risiko, pathogene Listerien zu enthalten. Auch Rohmilch und Rohmilcherzeugnisse sowie Gemüse und Salate können Listerien enthalten. Schwangere sollten ihre Speisen möglichst erst kurz vor dem Verzehr zubereiten und rasch verbrauchen.

Empfehlungen zum Schutz vor Lebensmittelinfektionen in der Schwangerschaft

  • Schwangere sollen keine rohen tierischen Lebensmittel essen. Darüber hinaus sollten sie bei der Auswahl, Lagerung und Zubereitung von Lebensmitteln die Empfehlungen zur Vermeidung von Listeriose und Toxoplasmose beachten.

  • Schwangere Frauen sollen Eier nur verzehren, wenn Eigelb und Eiweiß durch Erhitzung fest sind. [4]

Die Empfehlungen sind im 2017 vom Bundeszentrum für Ernährung herausgegebenen Informationsblatt „Listeriose und Toxoplasmose. Sicher essen in der Schwangerschaft“ zusammengefasst (Bestell-Nr. 0346, www.ble-medienservice.de).


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Bewegung

Das Netzwerk orientiert sich an Empfehlungen von Fachgesellschaften und Expertengruppen wie z. B. den NICE Richtlinien, Empfehlungen des American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) und den Nationalen Empfehlungen zur Bewegung und Bewegungsförderung.

Danach sollen sich Schwangere mit moderater Intensität (die Bewegung ist etwas anstrengend, aber eine Unterhaltung ist möglich) sportlich betätigen. Geeignet sind Ausdauersportarten wie Walking, Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen, Aqua Fitness, Skilanglauf, Schwangeren-Yoga oder Low-Impact-Aerobic.

Für gesunde Schwangere ist eine sportliche Betätigung auch in den Bergen bis zu einer Höhe von 2000–2500 m möglich, wenn sie daran gewöhnt sind.

Da Schwangere häufig auch aus Unsicherheit auf regelmäßigen Sport verzichten, sollte die Beratung aufklären und Mut machen. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass moderate sportliche Aktivität in der Schwangerschaft nicht nur sicher ist, sondern auch positive Effekte hat: Regelmäßige Bewegung ist mit einem verringerten Risiko verbunden, z. B. für Frühgeburt, Gestationsdiabetes, Hypertonie oder übermäßige Gewichtszunahme.

Empfehlungen zur Bewegung in der Zeit von Kinderwunsch und Schwangerschaft

  • Frauen mit Kinderwunsch und schwangere Frauen sollen sich an den allgemeinen Bewegungsempfehlungen für Erwachsene orientieren.

  • Frauen sollen auch in der Schwangerschaft im Alltag körperlich aktiv sein und sitzende Tätigkeiten begrenzen oder regelmäßig unterbrechen.

  • Schwangere sollten an mindestens 5 Tagen pro Woche, am besten täglich, mindestens 30 Minuten moderat körperlich aktiv sein. Moderat bedeutet, dass eine Unterhaltung während des Sporttreibens noch möglich ist (Talk-Test).

  • Sportlich aktive Frauen können in der Schwangerschaft auch intensiver körperlich aktiv sein. [4]


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Alkohol

Aufgrund der verfügbaren Evidenz kann eine für das Ungeborene unschädliche Alkoholmenge oder ein in der Schwangerschaft sicheres Zeitfenster für Alkoholkonsum nicht definiert werden. Daher raten nationale wie internationale Fachgesellschaften vom Alkoholkonsum in der Schwangerschaft ab.

Alkoholkonsum in der Schwangerschaft kann laut Handlungsempfehlungen zu Fehlbildungen, Wachstumshemmung, Schädigung von Gewebe- und Nervenzellen sowie zu nicht reversibler Intelligenzminderung des Kindes führen und sich auf sein Verhalten auswirken (z. B. Hyperaktivität, Impulsivität, Ablenkbarkeit, riskantes Verhalten, Infantilität und soziale Reifungsstörung). Das fetale Alkoholsyndrom (FAS) ist die häufigste vermeidbare Behinderung bei Neugeborenen. Noch mehr Kinder sind von einer sog. fetalen Alkoholspektrum-Störung (FASD) betroffen. Das individuelle Gesundheitsrisiko ist schwer vorhersagbar und wird durch maternale und fetale Charakteristika beeinflusst.

Die Handlungsempfehlungen weisen darauf hin, dass Fachkräfte differenziert und sensibel beraten sollten. Denn die alleinige Empfehlung, Alkohol in der Schwangerschaft zu meiden, könnte Frauen, die Alkohol getrunken haben, bevor sie von der Schwangerschaft wussten, verunsichern oder Schuldgefühle bei ihnen fördern.

Empfehlung zum Meiden von Alkoholkonsum

  • Frauen, die eine Schwangerschaft planen, und Schwangere sollen Alkohol meiden. [4]


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Rauchen

Da Rauchen die Fertilität negativ beeinflusst, schließt sich das Netzwerk in seinen Empfehlungen zahlreichen Fachgesellschaften und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung an, bereits in der Phase des Kinderwunsches mit dem Rauchen aufzuhören und in der Schwangerschaft nicht zu rauchen. In Deutschland rauchen 26 % der 18- bis 25-jährigen Frauen, bei den Männern im gleichen Alter sind es 34 % – eine gezielte Beratung ist daher wichtig. Rauchen in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Fehl- und Frühgeburten, Fehlbildungen, vorzeitige Plazentalösung und geringes Geburtsgewicht.

Eine Beratung sollte den Partner mit einbeziehen und die werdenden Eltern sollten gegebenenfalls wiederholt auf ihr Rauchverhalten angesprochen werden. Sie sollten zu Entwöhnungsmaßnahmen motiviert und darauf hingewiesen werden, dass der Kinderwunsch bzw. eine Schwangerschaft gute Gelegenheiten sind, mit dem Rauchen aufzuhören. Zur Unterstützung des Rauchausstiegs stehen Materialien für Schwangere und für Beratende sowie Beratungstelefone zur Verfügung. Infos dazu gibt es unter www.rauchfrei-info.de.

Die Handlungsempfehlungen weisen ausdrücklich darauf hin, dass auch in E-Zigaretten vielfach Nikotin enthalten ist. Auch für E-Zigaretten ohne Nikotin werden gesundheitliche Bedenken diskutiert, weshalb Schwangeren das Meiden von E-Zigaretten empfohlen wird.

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Abb. 3 Frauen mit Kinderwunsch sollten das Rauchen bereits präkonzeptionell aufgeben. (Foto: Firsten Oborny / Thieme Mediengruppe)

Empfehlungen zum Meiden von Nikotinkonsum

  • Frauen / Paare, die eine Schwangerschaft planen, sollten nicht rauchen.

  • Schwangere sollen nicht rauchen und sich nicht in Räumen aufhalten, in denen geraucht wird oder wurde. [4]


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Koffeinhaltige Getränke

Laut der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA passiert Koffein schnell die Plazenta, kann aber weder vom Fetus noch in der Plazenta verstoffwechselt werden. Die EFSA benennt für die Zeit der Schwangerschaft als sichere Dosis 200 mg Koffein pro Tag [3]. Insgesamt ist die Datenlage aber bisher noch unzureichend, um eine risikolose Koffeinmenge in der Schwangerschaft zu konkretisieren.

Tab. 1

Durchschnittlicher Koffeingehalt von Getränken

Getränk

durchschnittlicher Koffeingehalt

Filterkaffee (200 ml)

ca. 90 mg

Espresso (60 ml)

ca. 80 mg

Tee, schwarz (200 ml)

ca. 45 mg

Tee, grün (200 ml)

ca. 30 mg

Cola-Getränk (250 ml)

ca. 25 mg

Energydrink (250 ml)

ca. 80 mg

Kakao-Getränk (200 ml)

8–35 mg

Quelle: Koletzko B et al. Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft [4] nach BfR [2], EFSA 2015 [3]



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Arzneimittel

Die meisten Medikamente sind in Bezug auf Risiken in der Schwangerschaft unzureichend untersucht. Bei der Beratung muss zwischen dem individuellen Risiko der Mutter ohne Medikation und dem des Kindes mit Medikation der Mutter abgewogen werden. Eine gute Unterstützung ist das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité in Berlin: www.embryotox.de.

Empfehlung zum Umgang mit Arzneimitteln

  • Schwangere sollen Arzneimittel nur nach ärztlicher Rücksprache einnehmen oder absetzen. [4]


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Vorbereitung auf das Stillen

Ein Cochrane-Review kommt zu dem Ergebnis, dass sich Maßnahmen zur Unterstützung des Stillens positiv auf Stillbeginn und Stilldauer auswirken. Es wird empfohlen, werdende Eltern über das Stillen zu informieren und zu beraten. [4]


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Allergieprävention

Weder die S3-Leitlinie zur Allergieprävention noch aktuelle Daten sprechen für einen Verzicht auf bestimmte potenziell allergene Lebensmittel in der Schwangerschaft, um dadurch das Allergierisiko für das Kind zu verringern. Von diätetischen Einschränkungen wird daher abgeraten, da sie zudem das Risiko einer unzureichenden Nährstoffzufuhr bergen. Lebensmittel, auf welche die Frau selbst allergisch reagiert, soll sie jedoch auch in der Schwangerschaft meiden.

Zur Allergieprävention beim Kind wird erneut darauf hingewiesen, dass Schwangere nicht rauchen sollten. Sie sollten sich auch nicht in Räumen aufhalten, in denen geraucht wird oder wurde. In Familien mit bestehenden Allergien sollten keine Katzen aufgenommen werden. Schwangere sollten zudem erhöhte Belastungen durch Luftschadstoffe und Schimmelbildung meiden.

Empfehlungen zur Allergieprävention

  • Schwangere sollen zur Allergieprävention beim Kind keine Lebensmittel aus ihrer Ernährung ausschließen. Das Meiden bestimmter Lebensmittel in der Schwangerschaft hat keinen Nutzen für eine Allergieprävention beim Kind.

  • Schwangeren wird regelmäßiger Verzehr von fettreichem Fisch auch unter dem Gesichtspunkt der Allergieprävention empfohlen. [4]


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Mund- und Zahngesundheit

Durch die Hormonumstellung in der Schwangerschaft erhöht sich das Risiko von Zahnfleischentzündungen und Parodontitis. Eine unbehandelte Parodontitis ist mit erhöhtem Risiko für Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht verbunden. Die Empfehlung zu einer professionellen Zahnreinigung zu Beginn und zum Ende der Schwangerschaft wird von der Dt. Gesellschaft für Parodontologie gegeben. In der Regel dürfen in der Schwangerschaft keine Amalgamfüllungen gelegt werden. Bei gegebener Indikation können Amalgamfüllungen entfernt und durch andere Füllmaterialien ersetzt werden.

Empfehlung zur Mund- und Zahngesundheit

  • Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollten ihre Zahngesundheit überprüfen und gegebenenfalls eine gezielte Behandlung durchführen lassen.


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Impfen

Da Infektionen in der Schwangerschaft nicht nur die Gesundheit der Mutter beeinträchtigen, sondern auch den Feten gefährden, verweist das Netzwerk auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO). Das Netzwerk empfiehlt, bereits Paare mit Kinderwunsch dahingehend zu beraten, dass der Impfstatus überprüft wird und Impflücken geschlossen werden. Während einer Schwangerschaft sind Lebendimpfstoffe (z. B. gegen Masern, Mumps, Röteln oder Varizellen) kontraindiziert. Eine Influenzaimpfung (Totimpfstoff) wird in der Schwangerschaft von der STIKO angeraten, da das Risiko für schwere Krankheitsverläufe hoch ist. Durch die Impfung ist auch das Neugeborene in den ersten Wochen geschützt. [4]


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Fazit

Die vorliegenden praxisorientierten und auf aktuellem Wissen basierenden Empfehlungen des Netzwerks Gesund ins Leben sollen Gesundheitsfachkräfte, die in der Beratung von Paaren mit Kinderwunsch und werdenden Eltern tätig sind, unterstützen. Ziel ist es, das in dieser Lebensphase hohe Potenzial zur Prävention bestmöglich zu nutzen.

Zum Weiterlesen

Dieser Artikel ist eine stark verkürzte Zusammenfassung der Originalveröffentlichung [4], die Online oder kostenfrei als PDF verfügbar ist unter www.gesund-ins-leben.de → Für Fachkreise → Handlungsempfehlungen → Ernährung und Lebensstil vor und in der Schwangerschaft.


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Autorinnen / Autoren

Die Autorinnen und Autoren der Originalveröšffentlichung sind:

Berthold Koletzko, Monika Cremer, Maria Flothkötter, Christine Graf, Hans Hauner, Claudia Hellmers, Mathilde Kersting, Michael Krawinkel, Hildegard Przyrembel, Marianne Röbl-Mathieu, Ulrich Schiffner, Klaus Vetter, Anke Weißenborn, Achim Wöckel.

Katharina Kerlen-Petri ist Hebamme in Berlin und hat die aktualisierten Handlungsempfehlungen für diesen Artikel zusammengefasst.



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Abb. 1 Körperliche Bewegung mit moderater Intensität und eine ausgewogene Ernährung vor und in der Schwangerschaft wirken sich positiv auf die Gesundheit von Mutter und Kind aus. Geeignet sind neben klassischen Ausdauersportarten auch Low-Impact-Aerobic, Aqua-Fitness und Schwangeren-Yoga. (Foto: Kalim – stock.adobe.com)
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Abb. 2 Für normalgewichtige Frauen liegt eine angemessene Gewichtszunahme bei ca. 10 bis 16 kg. (Foto: Kirsten Oborny / Thieme Mediengruppe)
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Abb. 3 Frauen mit Kinderwunsch sollten das Rauchen bereits präkonzeptionell aufgeben. (Foto: Firsten Oborny / Thieme Mediengruppe)