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1 Diagnostik des Aszites
1.1 Einleitung
Das Auftreten von Aszites signalisiert in der Regel eine schwere Erkrankung und erfordert
daher eine diagnostische Abklärung. Neben der Anamnese und der körperlichen Untersuchung
gehören Laboruntersuchungen der Leberwerte, Nierenfunktion sowie der Serum- und Urinelektrolyte
sowie die Sonografie zur Primärdiagnostik. Anschließend folgt die gezielte ätiologisch
ausgerichtete Diagnostik entsprechend der Wahrscheinlichkeit einer speziellen Organerkrankung.
Bei etwa 75 % der Patienten ist die Ursache im Bereich der Leber zu finden [1 ]. Hierzu gehören auch die vaskulären Erkrankungen der Leber, insbesondere das Budd-Chiari-Syndrom
(BCS) und das sinusoidale Obstruktionssyndrom.
Wesentlich für die Differenzialdiagnostik des Aszites ist die diagnostische Parazentese.
Sie muss insbesondere die Fragen klären, ob es sich um einen malignen oder infizierten
Aszites handelt. Hier kann der makroskopische Aspekt erste Hinweise geben. Hämorrhagischer
Aszites kann ein Zeichen für Malignität sein, jedoch kann dieser auch Folge eines
Traumas, einer Pankreatitis oder – sehr selten – einer Peritonealtuberkulose sein.
Trüber Aszites kann Ausdruck einer hohen Leukozytenzahl oder eines hohen Eiweißgehaltes
sein [2 ]. Milchig-trüber bzw. chylöser Aszites ist pathognomonisch für Aszites mit einer
hohen Konzentration von Chylomikronen und Triglyceriden (> 200 mg/dl) [3 ]
[4 ]. Die häufigsten Ursachen des chylösen Aszites sind maligne Erkrankungen und die
portale Hypertension [4 ]. Eine laborchemische und zytologische Aufarbeitung des Punktats ist obligatorisch.
1.2 Aszitespunktion
Eine diagnostische Aszitespunktion soll bei neu aufgetretenem Aszites erfolgen. Außerdem
soll sie bei allen Patienten mit Leberzirrhose und Komplikationen sowie bei nicht
elektiver stationärer Aufnahme durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Bei jedem neu aufgetretenen Aszites erfolgt die diagnostische Punktion zur Klärung
der Genese. Bei jeder Verschlechterung des Allgemeinzustandes von Patienten mit Leberzirrhose
und Aszites oder neu aufgetretenen Komplikationen der Leberzirrhose oder Verschlechterung
der Leberfunktionsparameter sowie anderer laborchemischer Parameter wie Kreatinin,
Harnstoff oder Elektrolyte soll eine diagnostische Punktion zum Ausschluss einer spontan
bakteriellen Peritonitis (SBP) frühzeitig erfolgen [1 ]
[2 ]. Eine frühzeitige Aszitespunktion zur Diagnosestellung bei Verdacht auf SBP ist
essenziell, um eine optimale Therapie zu gewährleisten [5 ]. Bei Patienten mit bekanntem Aszites, die nicht elektiv stationär aufgenommen werden,
ist ebenfalls eine diagnostische Aszitespunktion indiziert, da eine hohe Prävalenz
von Infektionen bei diesen Patienten besteht [6 ]. Die SBP geht als inflammatorische Reaktion mit einer vermehrten Zytokinausschüttung
einher. Klinisch kann es zu einer Aggravation bestehender oder Auftreten neuer Komplikationen
wie hepatorenalem Syndrom oder hepatischer Enzephalopathie kommen. Eine nicht diagnostizierte
und somit nicht therapierte SBP ist mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Wiederholte
diagnostische Aszitespunktionen sind bei Patienten in ambulanter Behandlung im stabilen
klinischen Zustand und mit stabilen laborchemischen Parametern nicht notwendig. Die
Prävalenz von Infektionen ist bei dieser Patientengruppe sehr niedrig. Bei 400 Punktionen
bei ambulanten Patienten wurden in einem Zeitraum von zwei Jahren insgesamt acht Episoden
einer spontan bakteriellen Peritonitis (2 %) diagnostiziert [7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ]. Bei kurzfristig wiederholten therapeutischen Punktionen ist eine zusätzliche diagnostische
Analyse des Punktats nur im Bedarfsfall erforderlich.
1.3 Zytologische Diagnostik
Bei Verdacht auf malignen Aszites soll eine zytologische Diagnostik durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Verdacht auf malignen Aszites sollen große Volumina oder mehrere Proben (mindestens
50 – 100 ml) verwendet werden. Bei fehlendem Nachweis von malignen Zellen und weiterhin
bestehendem Verdacht auf eine maligne Ursache soll eine Wiederholung der Punktion
erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Punktaten, bei denen eine geringe Zellzahl zu erwarten ist, sollte ein Zytozentrifugenpräparat
angefertigt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Befinden sich Gewebspartikel oder Präzipitate im Punktat, sollten diese in Paraffin
eingebettet und Schnittpräparate angefertigt werden.
Empfehlung, Konsens
Die zytologische Diagnostik sollte an May-Grünwald-Giemsa-Präparaten erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Eine Eisenfärbung kann zusätzlich zum Nachweis hämosiderinspeichernder Makrophagen,
eine PAS-Färbung bei Verdacht auf eine Infiltration durch ein monozellulär schleimbildendes
Karzinom durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Eine Gramfärbung ist meist nicht indiziert wegen zu geringer Erregerkonzentration
und sollte daher nicht routinemäßig erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Bei klinischem Verdacht auf Malignität und bisher fehlendem Nachweis im Punktat sollte
eine mehrmalige Wiederholung der Punktion erfolgen, um die Chance zu erhöhen, Tumorzellen
aus dem Punktat zu isolieren [1 ]
[2 ]. Dabei sollten stets möglichst große Volumina bzw. mehrere Proben (mindestens 50 – 100 ml)
verwendet werden [1 ]
[2 ]
[3 ]. Aszites aus einer Drainage sollte nicht mehr als wenige Stunden gesammelt werden,
um die Gefahr der bakteriellen Kontamination und damit der Autolyse zu minimieren
[2 ]. Bei großer Menge an Punktionsflüssigkeit oder bei Drainageflüssigkeit sollte jeweils
die letzte gewonnene Fraktion eingesendet werden, da diese den höheren Zellgehalt
an vitalen Zellen aufweist [3 ]. Der Versand sollte möglichst zügig und nativ in sterilen, bruchsicheren und dicht
schließenden Gefäßen erfolgen, unter diesen Bedingungen ist die Ergussflüssigkeit
zwei bis drei Tage haltbar, ohne dass die Zellen morphologisch und immunologisch Schaden
nehmen [1 ]. Ist der Transport z. B. aus Infrastrukturgründen nicht möglich, sollte das Punktat
ca. eine Stunde lang an einem erschütterungsfreien Ort zum Sedimentieren stehen gelassen
werden und anschließend der Sedimentanteil in 100 ml nativer Ergussflüssigkeit eingesandt
werden bzw. bei 4 °C gelagert werden [2 ]. Da seröse Flüssigkeiten gute Nährmedien sind, halten sich die Zellen darin bis
zu 24 h bei Raumtemperatur, bei 4 °C auch bis zu 48 h [2 ]. Wichtig für eine treffsichere zytologische Diagnostik ist die Mitteilung wesentlicher
klinischer Befunde wie Herzinsuffizienz und therapeutischer Maßnahmen wie z. B. Chemo-
oder Strahlentherapie [1 ]. Lavageflüssigkeiten (z. B. intraoperative Abdominallavage) sollten als solche gekennzeichnet
werden [2 ].
Technische Bearbeitung im Labor
Bei geringen Ergussvolumina oder klaren Transsudaten bzw. bei resuspendierten zellarmen
Sedimenten, bei denen eine geringe Zellzahl zu erwarten ist, können Zytozentrifugenpräparate
angefertigt werden [1 ]. Größere Flüssigkeitsmengen sollten in Portionen von 50 – 1000 ml bei 1500 – 2500
Umdrehungen pro min (700 g) zehn min zentrifugiert werden. Muss das Punktat aufgeteilt
werden, sollten die Sedimente gemischt und nochmals zentrifugiert werden. Befinden
sich Gewebspartikel oder Präzipitate bzw. Fibrinflocken im Erguss, sollten diese in
Paraffin eingebettet werden [2 ]. Hiervon können dann gefärbte Paraffinschnitte angefertigt werden [1 ]. Die zytologische Diagnostik erfolgt an May-Grünwald-Giemsa (MGG)-Präparaten; andere
Färbemethoden werden kontrovers diskutiert [1 ]
[2 ]. Eine Eisenfärbung kann zusätzlich zum Nachweis Hämosiderin-speichernder Makrophagen,
eine PAS-Färbung bei V. a. eine Infiltration durch ein monozellulär schleimbildendes
Karzinom durchgeführt werden [2 ]. Eine Gramfärbung ist in der Regel nicht indiziert, da die Keimkonzentration meist
zu gering ist, sodass nur in Einzelfällen ein Keimnachweis gelingt [6 ].
Standardisierte lichtmikroskopische Beurteilung
Die Befundung sollte standardisiert nach der unten folgenden – von den Deutschen Gesellschaften
für Pathologie und Zytologie erarbeiteten – Nomenklatur für die extragenitale Zytologie
erfolgen [11 ]
[12 ]
[13 ]
[14 ]:
Angabe des eingesandten Untersuchungsmaterials, ggf. auch der klinischen Verdachtsdiagnose
laut Begleitschein.
Beschreibung des erhaltenen Untersuchungsmaterials (Typ, Makroskopie/Farbe, Menge).
Beschreibung der Zellbilder, ggf. mit Hinweisen auf Erhaltungszustand und Repräsentativität.
Stufung der Malignitätswahrscheinlichkeit
bösartige Zellen nicht nachweisbar (negativ) (0 %)
bösartige Zellen nicht auszuschließen (zweifelhaft) (ca. 30 %)
bösartige Zellen wahrscheinlich (dringender Verdacht) (ca. 60 %)
bösartige Zellen nachweisbar (positiv) (100 %)
unzureichendes Untersuchungsmaterial (mit Begründung: nekrotische, autolytische und
osmotisch geschädigte Zellen)
Diagnose im Klartext, möglichst unter Verwendung von „preferred terms“ der ICD-O-M
bzw. des SNOMED, ggf. Angabe von Ausschlussdiagnosen, evtl. Hinweis auf mangelhafte
Repräsentativität, unzureichenden Erhaltungszustand oder Präparationsartefakte. Weiterhin
Kommentare, Empfehlungen, Stellungnahme zu klinischen Fragestellungen. Die Papanicolaou
(Pap)-Klassifikation eignet sich nicht für die extragenitale Zytodiagnostik und sollte
nicht verwendet werden [14 ].
Etablierte Zusatztechniken
Bei malignitätsverdächtigen oder nicht eindeutigen Befunden können zusätzliche immunzytochemische
bzw. immunhistochemische (nach Anfertigen eines Zellblocks) Untersuchungen durchgeführt
werden, um die Treffsicherheit der zytologischen Untersuchung zu erhöhen. Dabei können
auch geringe Anzahlen von Karzinomzellen durch den Nachweis epithelspezifischer Antigene
wie BerEP4 identifiziert werden.
Treffsicherheit
Die konventionelle Ergusszytologie besitzt eine Sensitivität von 58 %, eine Spezifität
von 97 % und einen mittleren positiven Prädiktionswert von 99 % sowie einen negativen
Prädiktionswert von 80 %.
Ca. 5 % der zytologischen Diagnosen sind zweifelhaft/unklar. Eine Wiederholung der
Ergussgewinnung kann die diagnostische Treffsicherheit jedoch erhöhen [15 ]. Spezifische Zusatzmethoden können nicht empfohlen werden.
1.4 Aszitespunktion und Substitution von Gerinnungsfaktoren
Eine Substitution von Plasmaderivaten vor Aszitespunktion soll unabhängig von dem
Schweregrad der Gerinnungseinschränkung nicht durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Eine Ausnahme bildet die disseminierte intravasale Gerinnungsstörung (DIC). Hier sollte
eine gezielte Substitution der einzelnen Faktoren nach Gerinnungsanalyse erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Bei einer hochgradigen Thrombozytopenie < 20 000/ul kann eine prophylaktische Thrombozyten-Transfusion
vor Aszitespunktion durchgeführt werden, ansonsten soll keine prophylaktische Transfusion
von Thrombozytenkonzentraten erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Die Studienlage zu Blutungskomplikationen nach Aszitespunktionen bei Leberzirrhose
zeigt ein insgesamt sehr niedriges Blutungsrisiko unabhängig vom eingeschränkten Gerinnungsstatus
bei chronischer Lebererkrankung.
Die üblichen Gerinnungsanalysen geben das Blutungsrisiko von Patienten mit einer Leberzirrhose
nicht wieder, da meist ein ausgewogener Abfall aller Parameter vorliegt, der die Koagulation
des Blutes nicht beeinträchtigt oder sogar teilweise eine Hyperkoagulabilität vorliegt
[16 ]
[17 ].
In einer Studie mit 1100 Aszitespunktionen zeigten sich keine Blutungskomplikation
trotz i) fehlender prophylaktischer Substitution von Gerinnungsfaktoren, ii) minimaler
Thrombozytenzahl < 19 000/ul (54 % < 50 000/ul) und iii) INR für die Prothrombinzeit
bis 8,7 (75 % > 1,5 und 26,5 % > 2,0) [18 ]. Die Aszitespunktion war auch in anderen Studien bei Patienten mit verlängerter
PTT (bis 2-mal oberer Normwert) oder niedrigen Thrombozytenzahlen (Minimum 50 000/ul)
sicher [19 ]
[20 ]. In der oben genannten Studie traten auch bei noch ausgeprägteren Thrombozytopenien
(Minimum 19 000/ul keine Blutungskomplikationen auf [18 ]. Eine weitere Studie zeigte eine niedrige Blutungsrate von 0,99 % bei Ultraschall-gesteuerten
Aszitespunktionen bei Patienten mit einer Thrombozytopenie mit mittleren Werten von
38 400/ul auf [21 ].
Die prophylaktische Substitution von Blutprodukten (Thrombozytenkonzentrate, Fresh
Frozen Plasma (FFP), Gerinnungsfaktoren) wird daher im Allgemeinen vor einer Parazentese
nicht empfohlen – eine Ausnahme kann die disseminierte intravasale Gerinnungsstörung
(DIC) sein [19 ].
Die Querschnitts-Leitlinie der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten
und Plasmaderivaten (4. überarbeitete und aktualisierte Auflage 2014) gibt keine spezielle
Empfehlung bezüglich einer Thrombozytenkonzentrat-Transfusion bei bestehender portal-hypertensiver
Thrombozytopenie vor einer Aszitespunktion [22 ]. Sie empfiehlt jedoch eine Thrombozyten-Transfusion bei einer Thrombozytenzahl kleiner
20 000/ul bei invasiven Prozeduren wie Lumbalpunktion, Gelenkpunktion, transjuguläre
Leberbiopsie, Bronchoskopie mit Biopsie oder gastrointestinaler Endoskopie mit Biopsie.
Diese Prozeduren haben zwar ein höheres Blutungsrisiko als eine Aszitespunktion [23 ], bei fehlender Datenlage bezüglich des Blutungsrisikos einer Aszitespunktion bei
einer Thrombozytenzahl kleiner 20 000/ul sollte diese Empfehlung dennoch analog auf
die Aszitespunktion übertragen werden.
Eine Substitution von Plasmaderivaten vor Aszitespunktion empfiehlt die Querschnitts-Leitlinie
der Bundesärztekammer bei chronischem Leberschaden nicht. Dies entspricht der amerikanischen
Leitlinie zur Aszitespunktion, die ebenfalls zum einen keine Substitution von Gerinnungsfaktoren
und zum anderen keine zusätzliche Gerinnungsanalyse vor Punktion empfiehlt [24 ].
Zusammenfassend konnte die Datenlage kein erhöhtes Blutungsrisiko nach Aszitespunktion
adaptiert nach dem Schweregrad der eingeschränkten Gerinnung zeigen [22 ].
Analog empfiehlt die europäische Gesellschaft für Ultraschalldiagnostik (EFSUMB) ebenfalls
keine Grenzen für Gerinnungswerte vor Ultraschall-gesteuerten Organ-Feinnadelpunktionen
[25 ]. Eine explizite Empfehlung bei Aszitespunktionen gibt es allerdings nicht, jedoch
besteht auch hier ein deutlich geringeres Blutungsrisiko als bei Organpunktionen [23 ].
Bislang gibt es keine ausreichenden Daten, die den zusätzlichen Einsatz von Thrombelastometrie-Untersuchungen
wie z. B. der ROTEM-Analyse mit der Frage nach Notwendigkeit einer Gerinnungssubstitution
vor Aszitespunktion rechtfertigen. Vielmehr zeigen Daten, dass die Ergebnisse der
ROTEM-Analyse bei Patienten mit Leberzirrhose eher zu einer unnötigen Transfusion
von FFPs führen können [26 ].
Zusammenfassend ist bei niedrigem Blutungsrisiko der Aszitespunktion und veränderter
Gerinnungssituation bei chronischem Leberschaden mit zusätzlicher Hyperkoagulabilität
trotz Verringerung der Gerinnungsparameter keine Substitution von Plasmaderivaten
oder Transfusion von Thrombozytenkonzentraten mit Ausnahme des Zustandes der DIC notwendig.
Bei einer Thrombozytopenie von weniger als 20 000/ul kann eine prophylaktische Transfusion
durchgeführt werden.
1.5 Aszitespunktion unter Antikoagulation
Die Therapie mit Acetylsalicylsäure vor einer Aszitespunktion sollte fortgesetzt werden.
Eine Therapie mit Thienopyridinen oder Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitoren sollte vor
einer Aszitespunktion pausiert werden.
Empfehlung, starker Konsens
Ergibt sich jedoch aus der Dringlichkeit des Eingriffs wie der Verdacht auf eine spontan
bakterielle Peritonitis oder des ansonsten bestehenden hohen zerebrovaskulären Embolierisikos
die Notwendigkeit, diesen unter der entsprechenden Medikation durchzuführen, so kann
unter der bestehenden Thrombozytenaggregationshemmung eine Punktion erfolgen, sodass
die Diagnostik nicht verzögert wird.
Empfehlung offen, starker Konsens
Der Patient soll über das entsprechend erhöhte Blutungsrisiko aufgeklärt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Eine Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten oder direkten oralen Antikoagulantien
(DOAKs) sollte vor Aszitespunktion – wenn möglich – pausiert werden.
Empfehlung, starker Konsens
Ergibt sich jedoch aus der Dringlichkeit des Eingriffs wie der Verdacht auf eine spontan
bakteriellen Peritonitis oder des ansonsten bestehenden hohen cerebrovaskulären Embolierisikos
die Notwendigkeit diesen unter der entsprechenden Medikation durchzuführen, so kann
unter der bestehenden Antikoagulation eine Punktion erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Insgesamt gibt es nur sehr wenige Daten zum Blutungsrisiko unter Antikoagulation und
unter Thrombozytenaggregationshemmung bei Aszitespunktionen.
Orale Antikoagulanzien
Es existieren hauptsächlich Daten zum Blutungsrisiko bei Punktionen solider abdomineller
Tumoren und parenchymatöser Organe unter einer Antikoagulation mit oralen Antikoagulanzien
(Vitamin-K-Antagonisten bzw. DOAKs). Die Blutungsrate bei Aszitespunktion ist generell
niedriger als bei Punktionen parenchymatöser Organe [23 ]. In einer multizentrisch angelegten Studie der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall
in der Inneren Medizin (DEGUM) wurde das Blutungsrisiko von 8172 Ultraschall-gesteuerten
abdominellen Punktionen untersucht. Hier zeigte sich eine insgesamt niedrige Blutungskomplikationsrate:
in 0,4 % bedurfte es einer Transfusion, in 0,1 % eines operativen Eingriffs und in
0,05 % eines radiologischen Coilings. Trotz der insgesamt niedrigen Blutungskomplikationsrate
zeigte die Studie jedoch eine signifikant höhere Blutungsrate bei einem INR-Wert > 1,5
[27 ].
Eine Studie von Devarbhavi et al. fand kein erhöhtes Blutungsrisiko nach Aszitespunktion
unter fortlaufender Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten bei Patienten mit Budd-Chiari-Syndrom
[28 ].
Thrombozytenaggregationshemmer
Für abdominelle bioptische Interventionen ist bekannt, dass das Risiko für Blutungen
bei Patienten mit Thrombozytenaggregationshemmern oder Medikamenten mit Wirkung auf
die Plasmakoagulation erhöht ist. Bei diagnostischer Punktion sollte daher eine entsprechende
Medikation pausiert werden, vorausgesetzt das Absetzen der Medikamente birgt kein
unverhältnismäßig hohes Risiko für thromboembolische Ereignisse. Hierzu zählen u. a.
Patienten nach Koronar-Intervention, Implantation von künstlichen Herzklappen oder
die Antikoagulation bei Vorhofflimmern mit hohem Risiko-Score.
Bei einer retrospektiven Analyse von über 15 000 bildgebend gesteuerten Punktionen
bei Patienten mit ASS war die Rate an Blutungskomplikationen im Vergleich zu knapp
12 000 Patienten ohne ASS nicht signifikant erhöht (0,6 vs. 0,4 %; p = 0,34) [29 ].
Die Leitlinie der European Federation of Societies for Ultrasound in Medicine and
Biology (EFSUMB) zum interventionellen Ultraschall bezieht sich auf therapeutische
Punktionen und gibt keine Empfehlung bezüglich des Absetzens von Antikoagulanzien
und Thrombozytenaggregationshemmern vor Aszitespunktionen [25 ].
Die Society of Interventional Radiology (SIR) empfiehlt das Pausieren von Acetylsalicylsäure
nur bei Punktionen mit erhöhtem Blutungsrisiko (z. B. Nierenpunktion, Gallengangsintervention,
Nephrostomieanlage, komplexe Radiofrequenzablation u. a.). Dabei wird die Aszitespunktion
nicht namentlich genannt, sie zählt aber zu den Eingriffen mit einem niedrigen Blutungsrisiko
[30 ]
[31 ]. Sie empfiehlt weiter für Thienopyridine und Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitoren oder
direkte Thrombininhibitoren ein Pausieren für Punktionen von soliden Tumoren. Vitamin-K-Antagonisten
sollten ebenfalls pausiert werden [25 ].
In Anlehnung an die S2k-Leitlinie Qualitätsanforderungen an die gastrointestinale
Endoskopie wird ein Pausieren der Thrombozytenaggregationshemmung fünf Tage vor dem
Eingriff und eine früheste Wiedereinnahme nach der Punktion von 24 Stunden empfohlen
[32 ].
Risikostratifizierung vor einer Aszitespunktion
Die deutsche Leitlinie für Qualitätssicherung in der Endoskopie [32 ] und die amerikanische Gesellschaft für Endoskopie (American Society of Gastrointestinal
Endoscopy [ASGE]) unterteilen gastrointestinale endoskopische Interventionen unter
Antikoagulation in zwei Risikokonstellationen [33 ]. Eine Entscheidung bezüglich des Fortsetzens oder Pausierens der Antikoagulation
geschieht durch Definition des jeweiligen Falls in eine dieser zwei Risikogruppen.
Zum einen wird das kardio- und zerebrovaskuläre Risiko in niedrig und hoch gruppiert.
Beispielhaft ist das Risiko eines thromboembolischen Ereignisses nach Absetzen der
Antikoagulation bei mechanischer Mitralklappe als hoch einzustufen. Es wird an dieser
Stelle auf die S2k-Leitlinie Qualitätssicherung in der Endoskopie bezüglich der Risikobewertung
für zerebro-/kardiovaskuläre Ereignisse verwiesen [32 ]. Die andere Risikokonstellation bezieht sich auf das Blutungsrisiko des jeweiligen
endoskopischen Eingriffes. Hier wird ebenfalls in hoch und niedrig eingeteilt. Die
deutsche S2k-Leitlinie zur Qualitätssicherung in der Endoskopie bewertet im Einzelnen
das Blutungsrisiko endoskopischer Interventionen [32 ]. Jedoch wird in dieser keine Stellung zu der Aszitespunktion und deren Risikobewertung
genommen. Bei endoskopischen Interventionen mit niedrigem Blutungsrisiko wie beispielhaft
die Biopsie im Rahmen einer Ösophagogastroduodenoskopie oder Koloskopie wird kein
Pausieren der Antikoagulation bei bestehender Dringlichkeit des Eingriffes unabhängig
von dem Risiko des thromboembolischen Ereignisses empfohlen. Besteht diese Dringlichkeit
nicht und handelt es sich um einen elektiven Eingriff sollte – wenn kardio-/zerebrovaskulär
vertretbar – die Antikoagulation pausiert werden. Der Patient ist über beide Risiken
– der Blutung und des thromboembolischen Ereignisses – aufzuklären. Eine solche Strategie
ist analog auf das Vorgehen vor Aszitespunktion bei antikoagulierten Patienten zu
übertragen.
1.6 Technik der Aszitespunktion
Die Parazentese soll nach Aufklärung des Patienten unter sterilen Bedingungen durchgeführt
werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die Punktion soll sonografisch-assistiert (nach vorheriger sonografischer Detektion)
oder sonografisch-gezielt (unter permanenter Sicht der Nadel) durchgeführt werden.
Ausnahme ist die wiederholte großvolumige Punktion mit gleichbleibendem Punktionsort.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Eine Venenverweilkanüle oder eine andere Punktionskanüle soll an geeigneter Stelle
(typische Stelle: linker unterer Quadrant des Abdomens) durch die Bauchdecke in den
Aszites vorgeschoben werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
1.7 Kontraindikationen für eine Aszitespunktion
Absolute Kontraindikationen für eine Aszitespunktion sind außer einer fehlenden Einverständniserklärung
des Patienten ein fehlender Zugangsweg zum Aszites oder eine fehlende diagnostische
oder therapeutische Konsequenz. Das Vorliegen einer disseminierten intravasalen Koagulopathie
(DIC) ist mit einem erhöhten Blutungsrisiko assoziiert und daher als relative Kontraindikation
abzuwägen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Unter dem Begriff der Aszitespunktion versteht man die Gewinnung von Flüssigkeit aus
dem Peritonealraum mit diagnostischer oder therapeutischer Intention. Nach den allgemein
geltenden Richtlinien für Krankenhaushygiene und Infektprävention gilt eine Aszitespunktion
als invasive Maßnahme und soll daher unter sterilen Bedingungen erfolgen [34 ]. Die Komplikationsrate einer Aszitespunktion ist als gering einzuschätzen, dennoch
ist jeder Patient vor Punktion über mögliche Komplikationen aufzuklären. Zur diagnostischen
Punktion können dünnkalibrige Kanülen gewählt werden. Bei der therapeutischen Punktion
des Aszites können Venenverweilkanülen [35 ], 17-G-Metall-Kanülen [36 ], Pigtailkatheter [37 ] oder weitere speziell entwickelte Punktionsnadeln mit mehreren Seitenlöchern [38 ] eingesetzt werden. In Deutschland werden für die Parazentese meist Venenverweilkanülen
eingesetzt. Nachteile sind eine geringe Knickstabilität, nur eine Öffnung am Distalende,
was zu häufigeren Repositionen führen kann, sowie schwierige Befestigungsmöglichkeiten
an der Bauchdecke [35 ]. Vorteile sind jedoch die generelle Verfügbarkeit und die geringen Kosten. Vor Durchführung
der Parazentese erfolgt die Aufklärung des Patienten über den Eingriff. Vor einer
diagnostischen Aszitespunktion soll eine Sonografie des Abdomens durchgeführt werden,
um die Aszitesmenge zu definieren, den Aszites zu beurteilen (z. B. Fibrinfäden, diffuse
Binnenechos), einen optimalen Zugangsweg zu finden und große Bauchwandkollateralen
im Punktionsweg auszuschließen [39 ].
Die Aszitespunktion ist sonografisch assistiert oder sonografisch gezielt (permanente
Sicht der Nadel) möglich, hierdurch ist in der Regel eine Fehlpunktion zu vermeiden.
Ausnahme ist dabei die wiederholte, großvolumige Aszitespunktion mit gleichbleibendem
Punktionsort – hier kann auf die sonografische Beurteilung verzichtet werden.
Bei geringer Punktatmenge kann die Punktion unter direkter sonografischer Steuerung
durchgeführt werden [39 ]
[40 ]. Der Ultraschall erlaubt nicht nur, Fehlpunktionen zu vermeiden [39 ] und die optimale Punktionsstelle zu finden [40 ], sondern auch eine Einschätzung des Aszitesvolumens [41 ]
[42 ]. In einer Studie war die Aszitesausdehnung im linken lateralen unteren Quadranten
des Abdomens bei Linksschräglage ausgeprägter als infraumbilical in Rückenlage [40 ]. Der rechte untere Quadrant des Abdomens kann grundsätzlich auch als Punktionsstelle
aufgesucht werden, hat aber den Nachteil eines
z. B. unter Laktulosegabe evtl. geblähten Zökums oder einer Narbe nach Appendektomie
mit der Gefahr einer Darmperforation. Weiterhin sollte die Punktionsstelle unter Berücksichtigung
des mutmaßlichen Verlaufs der epigastrischen Gefäße erfolgen. „Blindpunktionen“ sollten
bei Verfügbarkeit eines Ultraschallgerätes in der Regel nicht durchgeführt werden
[39 ]
[40 ]. Ausnahmen können kurzfristig wiederholte therapeutische Parazentesen bei massivem
Aszites unter Beachtung der vormaligen Punktionsstellen darstellen. Eine sonografisch-assistierte
Punktion verringert das Blutungsrisiko (0,8 %) um 68 % – nach der Analyse einer großen
retrospektiven Analyse [43 ]. Daten zu einer sonografisch-assistierten Punktion mit zusätzlicher Doppler-Funktion
zur eventuellen Detektion von Gefäßen innerhalb des Punktionsweges gibt es nicht.
Es kann möglicherweise eine weitere Reduktion der bereits geringen Blutungsrate bewirken
und kann im Einzelfall verwendet werden.
Der Einstich erfolgt unter sterilen Bedingungen mit oder ohne vorherige lokale Anästhesie.
Zur Vermeidung einer Fistelbildung werden ein schräger Einstich im 45°-Winkel oder
die „Z-Durchstichtechnik“ empfohlen.
1.8 Komplikationen nach Aszitespunktion
Diagnostische Aszitespunktionen sind nicht mit schwerwiegenden und häufigen Komplikationen
verbunden, eine höhere Komplikationsrate besteht bei den therapeutischen Punktionen
[44 ]
[45 ]
[46 ]. Die häufigste Komplikation der therapeutischen Parazentesen ist mit 5 % ein protrahierter
Austritt von Aszites durch den Stichkanal [44 ]. Dies kann durch Lagerung des Patienten auf die dem Stichkanal gegenüberliegende
Seite, Wahl eines schrägen Stichkanals oder der Z-Durchstichtechnik, vollständigen
Ablassens des Aszites oder ggf. eine Tabaksbeutelnaht verhindert werden [18 ]
[44 ]. Eine Peritonitis oder ein Bauchdeckenabszess nach Darmperforation fand sich jeweils
nur bei einem von 242 Parazentesen [47 ].
Blutungen (Einblutungen in die Bauchdecke oder intraperitoneale Blutungen) sind neben
der oben genannten Fistelbildung die häufigsten Komplikationen, aber mit 0,19 – 1 %
der Parazentesen selten [47 ]
[48 ]
[49 ]
[50 ].
Eine große retrospektive Analyse von 69 859 Parazentesen hat einen durchschnittliche
Blutungsrate von 0,8 % gezeigt. In dieser Analyse konnte weiterhin gezeigt werden,
dass eine sonografisch-assistierte Punktion das Blutungsrisiko senkt (siehe Abschnitt
Technik der Aszitespunktion).
Nur kasuistisch wurden lebensbedrohliche Blutungsereignisse (0,016 %) beschrieben
[51 ]. Ein stark erhöhter Kreatininwert (> 6 mg/dl) wurde als Risikofaktor für eine Blutungskomplikation
beschrieben [20 ], insgesamt hatten 70 % der Patienten mit Blutungskomplikationen nach Aszitespunktion
einen Kreatininwert > 1,2 mg/dl bzw. eine GFR von < 60 ml/min [52 ], sodass in diesen Fällen eine intensivere Nachsorge nach Aszitespunktion erforderlich
ist.
Typischerweise kommt es durch die Fehlpunktion einer oberflächlich gelegenen Bauchhautvene,
mesenterischer Varizen oder der inferioren epigastrischen Arterie zu Blutungen. In
Zusammenschau der Literatur sind drei Arten der hämorrhagischen Komplikation zu nennen:
Bauchwand-Hämatome (52 %), Hämoperitoneum (41 %) und Pseudoaneurysmen (7 %) [53 ].
Das Vorliegen einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC) wird in der Regel
als relative Kontraindikation dargestellt.
1.9 Weitere Untersuchungen bei initialer Aszitespunktion
Bei der initialen Aszitespunktion soll die Zellzahl mit Zelldifferenzierung sowie
das Gesamteiweiß im Aszites bestimmt und eine mikrobiologische Kultur angelegt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Der Serum-Aszites-Albumin-Gradient (SAAG: Bestimmung von Albumin im Aszites und Serum)
kann bei der initialen Aszitespunktion zur Differenzierung zwischen portal-hypertensivem
und nicht-portal-hypertensivem Aszites bestimmt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Eine Beimpfung von aeroben und anaeroben Blutkulturflaschen mit mindestens 10 – 20 ml
Aszitesflüssigkeit pro Kulturflasche sollte bei der initialen Aszitesdiagnostik, bei
stationären Patienten sowie bei Verdacht auf eine spontan bakterielle Peritonitis
(SBP) erfolgen. Dies sollte unmittelbar am Patientenbett unter sterilen Bedingungen
durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Eine zusätzliche Bestimmung der Cholesterin- und CEA-Spiegel im Aszites kann zur Differenzierung
maligner/nicht-maligner Aszites durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Die Bestimmung des Serum-Aszites-Albumin-Gradienten (SAAG) ist im Regelfall bei Folgepunktionen
nicht erforderlich.
Empfehlung offen, starker Konsens
In der Diagnostik der SBP soll nicht die Anwendung von Leukozytenstreifen (sog. Urinstix)
zum semiquantitativen Nachweis von Leukozyten im Aszites als alleiniges Nachweisverfahren
verwendet werden. Die Bestimmung von bakterieller DNA im Aszites soll nicht als alleiniger
Erregernachweis verwendet werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Zellzahl/-differenzierung
Eine Zellzählung und -differenzierung im Aszites sollte bei jeder initialen Aszitespunktion
erfolgen. Sie ist eine valide und schnelle Untersuchung. Dabei gilt eine Gesamtzellzahl
> 500/ul als diagnostischer Hinweis auf eine SBP bzw. sekundäre Peritonitis [10 ]. Die Zelldifferenzierung ist jedoch der „Goldstandard“ in der Diagnostik der SBP.
Dabei ist das diagnostische Kriterium für eine SBP eine Erhöhung der segmentkernigen
Granulozyten > 250/ul [54 ]
[55 ]
[56 ]. Eine maschinelle Zelldifferenzierung ist gegenüber der manuellen Differenzierung,
die zeit- und personalaufwendig ist, gleichwertig [10 ]. Die Erythrozytenzahl im Aszites ist meist niedrig (< 1000/ul). Bei hämorrhagischem
Aszites (Erythrozyten > 50 000/ul) kann es zu einer falsch hohen Zellzahl kommen.
Hier sollte ein Korrekturfaktor für eine sonstige Zellzählung wie folgt angewendet
werden: Subtraktion der Granulozytenzahl um jeweils 1 pro 250 Erythrozyten/ul [54 ]. Lymphozytärer Aszites mit einem Überwiegen des Lymphozytenanteils ist häufig bei
Lymphomen, aber auch bei abdomineller Tuberkulose zu finden. Zur weiteren Differenzierung
sind zusätzliche immunzytochemische bzw. -histochemische oder mikrobiologische Untersuchungen
hilfreich.
Gesamteiweiß im Aszites
Ein niedriges Gesamteiweiß (< 1,5 g/dl) im Aszites korreliert mit einer geringen Opsonierungsfähigkeit,
die mit einer höheren Inzidenz einer SBP einhergeht und damit potenziell zur Identifikation
von Patienten für eine primär prophylaktische Antibiotika-Gabe verwendet werden kann
[57 ]
[58 ]
[59 ]
[60 ].
Serum-Aszites-Albumin-Gradient (SAAG)
Die Bestimmung des SAAG (Differenz zwischen der Albuminkonzentration im Serum und
im Aszites) kann hilfreich sein zur Differenzierung zwischen portal-hypertensiver
und nicht-portal-hypertensiver Genese des Aszites und sollte daher bei der initialen
Punktion bestimmt werden. Dabei soll die Bestimmung der beiden Werte (Albumin im Aszites
und im Blut) am selben Untersuchungstag erfolgen [61 ]. Ein SAAG > 1,1 g/dl spricht mit einer Treffsicherheit von 97 % für eine portale
Hypertension als Ursache des Aszites [62 ], während ein Gradient < 1,1 g/dl zu etwa 95 % auf eine andere Ursache des Aszites
hinweist (Peritonealmetastasen, Pankreatitis, Tuberkulose, Myxödem) [61 ]
[62 ]. Die Bestimmung des SAAG und des Gesamteiweißes im Aszites kann zur Differenzierung
des kardialen Aszites herangezogen werden: Bei kardialer Ursache des Aszites ist der
SAAG ebenfalls > 1,1 g/dl, da es sich hierbei um ein Filtrat handelt. Die Eiweißkonzentration
ist jedoch in der Regel bei kardialem Aszites > 2,5 g/dl, bei zirrhotischem Aszites
< 2,5 g/dl63.
Mikrobiologische Diagnostik
Bei Patienten mit Aszites in ambulanter Behandlung mit stabilem Verlauf sind wiederholte
diagnostische Untersuchungen im Aszites nicht notwendig, da die Prävalenz von Infektionen
sehr niedrig ist (etwa 2 %) [58 ]
[59 ]
[60 ]
[61 ]. Bei Verdacht auf infektiösen Aszites beinhaltet die Diagnostik als grundlegende
Untersuchung neben der Zellzahl mit Differenzierung auch die Beimpfung von Bakterienkulturflaschen
mit Aszitespunktat. Das positive Ergebnis der Bakterienkultur beweist zum einen die
bakterielle Besiedlung des Aszites und gibt Hinweise auf eine evtl. vorliegende Infektion,
zum anderen kann nach Antibiogramm gezielt antibiotisch therapiert werden. In prospektiven
Studien konnte eine höhere Sensitivität der Bakterienkultur gezeigt werden, wenn a)
die Kulturflaschen direkt am Bett des Patienten beimpft werden und b) mindestens 10 ml
Punktat beimpft werden [64 ]
[65 ]
[66 ]. Allerdings liegen selbst bei dieser Methodik häufig negative Kulturergebnisse vor:
Nur bei 36 – 59 % der Patienten mit einer SBP nach Goldstandard (segmentkernige Granuloyzten
> 250/ul) kann eine bakterielle Besiedlung durch die Bakterienkultur nachgewiesen
werden [65 ]
[66 ]
[67 ]
[68 ]. Ursächlich für die niedrige Zahl positiver Kulturergebnisse ist wahrscheinlich
die geringe Konzentration von Bakterien in der Aszitesflüssigkeit, im Gegensatz zu
anderen Körperflüssigkeiten wie z. B. im Urin [66 ]. In mehreren teilweise multizentrischen Studien wurde untersucht, ob durch den Einsatz
von Teststreifen, die primär für die Urinanalyse entwickelt wurden, die Diagnose einer
SBP schnell und zuverlässig gestellt werden kann. Das Prinzip basiert auf einer Farbreaktion,
die durch Leukozytenesterase bei entsprechender Leukoyztenkonzentration im Punktat
abläuft. Diese Studien zeigten, dass die diagnostische Methode der Teststreifen eine
Sensitivität von 64,7 – 100 % und eine Spezifität von 99 – 100 % besitzt [53 ]
[69 ]
[70 ]
[71 ]
[72 ]
[73 ]. Vorteile sind ein rasches Ergebnis, eine hohe Verfügbarkeit, eine einfache Handhabung
und niedrige Kosten. In einer aktuellen multizentrischen Studie wurde bei 1041 stationären
und ambulanten Patienten mit Leberzirrhose und Aszites der Einsatz von Urin-Teststreifen
zur Diagnostik der SBP mit der Frage nach Sensitivität und Spezifität dieses Testverfahrens
erneut untersucht. Es zeigte sich hier eine deutlich geringere Sensitivität von nur
45,3 % bei einer Spezifität von 99,2 % [74 ], sodass nach diesen Ergebnissen und bestätigendem Ergebnis einer vergleichbaren
Studie [75 ] sowie nach einer systematischen Analyse aller Studien [76 ] die Teststreifen lediglich als mögliche Ergänzung zur üblichen Aszitesdiagnostik
verwendet werden sollten, wenn ein klinisch-chemisches Labor nicht unmittelbar zur
Verfügung steht.
Der Nachweis von bakterieller DNA im Aszites mittels PCR-Verfahren gelingt [77 ]. Dabei ist jedoch nicht zu differenzieren, ob diese von lebenden oder toten Bakterien
oder nur von bakteriellen Bestandteilen anders als bei einem positiven Nachweis einer
Bakterienkultur stammt. Die kontroverse Datenlage zeigt keine eindeutige Korrelation
zwischen dem Nachweis bakterieller DNA im Aszites und dem Vorhandensein einer SBP
nach diagnostischem Goldstandard [78 ]
[79 ]. Eine prognostische Signifikanz des Nachweises bakterieller DNA konnte die Studienlage
ebenfalls nicht klar zeigen [79 ]
[80 ].
Eine zusätzliche Bestimmung bakterieller DNA im Aszites im Rahmen der Diagnostik der
SBP wird nicht empfohlen, da es zum aktuellen Zeitpunkt keine ausreichende Datenlage
zur klinischen Aussagekraft gibt, es ein kostenintensives Verfahren darstellt und
nicht ubiquitär in der Routinediagnostik verfügbar ist.
CEA- und Cholesterin-Bestimmung in der Diagnostik des malignen Aszites
Maligner Aszites ist die zweithäufigste Ursache des Aszites und sollte daher in der
Diagnostik frühzeitig in Betracht gezogen werden. Standard in der Diagnostik des malignen
Aszites ist die zytologische Untersuchung des Aszites (siehe 1.3).
Die Bestimmung von Cholesterin und CEA im Aszites stellen zusätzliche Parameter in
der Differenzierung zwischen malignem und nicht malignem Aszites dar [81 ]
[82 ].
Die Konzentration von Cholesterin im Aszites kann in der diagnostischen Sequenz zur
Differenzierung maligne/nicht maligne hilfreich sein (Normwert im Aszites < 45 mg/dl)
[82 ]
[83 ]
[84 ]. Für diesen Parameter konnte eine Sensitivität bis zu 91 % und eine Spezifität bis
zu 95 % gezeigt werden [82 ]. Bei einem Cholesterinwert > 45 mg/dl sollten als weitere diagnostische Schritte
eine zytologische Untersuchung des Aszites und eine CEA-Bestimmung im Aszites erfolgen
[81 ]
[85 ]. Diese diagnostische Kombination erreicht dann einen positiven Vorhersagewert von
92 % [86 ]. Die CEA-Bestimmung im Aszites alleine hat bei einem Cut-off-Wert von > 5 ng/ml
eine Sensitivität von nur 51 % [85 ]. Zusammen mit der zytologischen Diagnostik steigt diese auf 80 % bei gleichbleibender
Spezifität von 100 % [81 ].
1.10 Sekundäre Peritonitis
Der Verdacht auf eine sekundäre Peritonitis sollte bei Nachweis von mehr als einer
Erregerspezies – auch von Anaerobiern und Pilzen, neu aufgetretenen abdominellen Beschwerden,
Nichtansprechen auf eine antibiotische Therapie nach 48 h, stark erhöhter Zellzahl
oder einer Eiweißerhöhung im Aszites gestellt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei Verdacht auf eine sekundär bakterielle Peritonitis soll zeitnah eine Bildgebung
des Abdomens erfolgen. Verfahren der ersten Wahl ist die Computertomografie.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die sekundäre bakterielle Peritonitis bei Patienten mit einer portalen Hypertension
beschreibt eine bakterielle Peritonitis durch eine abdominelle Infektionsquelle (z. B.
Abszess, Perforation) und ist mit bis zu 15 % aller Peritonitiden deutlich seltener
als die spontan bakterielle Peritonitis [87 ]. Da die Mortalität der sekundären bakteriellen Peritonitis mit 50 – 80 % sehr hoch
ist [87 ]
[88 ], ist ein invasives Vorgehen (z. B. Operation, Abszessdrainage) in der Regel notwendig.
In einer retrospektiven Analyse waren Bauchschmerzen signifikant häufiger bei Patienten
mit einer sekundären als bei Patienten mit einer spontan bakteriellen Peritonitis
nachweisbar (79 vs. 49 %) [87 ].
Die Zellzahl im Aszites ist durchschnittlich höher bei einer sekundären Peritonitis
im Vergleich zur SBP [87 ], einen evaluierten Cut-off-Wert gibt die Studienlage jedoch nicht.
Laborchemisch ergaben sich bei einer sekundär bakteriellen Peritonitis folgende Konstellationen:
Eiweißgehalt im Aszites > 1 g/l, Glukose im Aszites < 2,7 mmol/l, Aszites-LDH oberhalb
der oberen Normgrenze des Serum-LDH-Wertes. Die Sensitivität dieser Kriterien liegt
zwischen 66 und 97 % und die Spezifität bis zu 90 % [87 ]
[89 ]
[90 ]
[91 ]. Die Erhöhung des Carcinoembrionalen Antigens (CEA) und der alkalischen Phosphatase
(AP) können ebenfalls Hinweise auf eine sekundär bakterielle Peritonitis geben.
In einer Untersuchung wurde ein CEA > 5 ng/ml (Vorkommen in Enterozyten) und die alkalische
Phosphatase (AP) > 240 U/l im Aszites bestimmt. Die Sensitivität für das Vorliegen
eines dieser Kriterien zur Unterscheidung sekundäre vs. primäre Peritonitis lag bei
92 %, wobei nicht nur Patienten mit einer Leberzirrhose einbezogen wurden [92 ].
Diese Aszitesparameter sind jedoch zu einer genauen Diagnosestellung einer sekundär
bakteriellen Peritonitis und insbesondere zur Fokussuche nicht ausreichend.
Bei Verdacht auf sekundäre Peritonitis soll daher immer eine zusätzliche schnittbildgebende
radiologische Untersuchung durchgeführt werden. Die intraabdominelle Infektquelle
konnte in 91,3 % der Fälle durch eine abdominelle Computertomografie nachgewiesen
werden [87 ].
2 Therapie des Aszites
2.1 Therapieindikation
Der klinisch nachweisbare Aszites sollte behandelt werden.
Empfehlung, Konsens
Ziel einer Aszitestherapie ist die deutliche Reduktion der Aszitesmenge und symptomatische
Kontrolle des Aszites, nicht das vollständige Verschwinden des Aszites in der Bildgebung.
Starker Konsens
Kommentar
Eine zu aggressive diuretische Therapie eines gering ausgeprägten und asymptomatischen
Aszites kann zur Entwicklung oder Verschlechterung einer hepatischen Enzephalopathie
oder zum prärenalen Nierenversagen führen [93 ]. Daher ist in dieser Situation eine milde Aszitestherapie unter regelmäßigen Kontrollen
der Klinik und der renalen Retentionsparameter zu empfehlen. Eine frühe Therapie scheint
insgesamt die Prognose zu verbessern [94 ].
Die Entwicklung eines klinisch nachweisbaren Aszites definiert ein Voranschreiten
der Leberzirrhose mit einer Verschlechterung der Prognose [95 ] vor allem bei Patienten mit refraktärem oder intraktablem Aszites [96 ]
[97 ]. Sekundärkomplikationen wie die spontan bakterielle Peritonitis und das hepatorenale
Syndrom können akut lebensbedrohlich sein [98 ]. Die Indikation und die Intensität der symptomatischen Therapie eines Aszites sollten
von der Klinik des Patienten abhängig sein.
2.2 Nicht-medikamentöse Therapie
Patienten mit Leberzirrhose und Aszites sollen eine ausreichend eiweißhaltige Ernährung
(empfohlene Eiweißzufuhr: 1,2 – 1,5 g/kg/d) mit ausreichendem Energiegehalt (30 – 35 kcal/kg/d)
erhalten.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Alle Patienten sollen aufgeklärt werden, dass eine zusätzliche Salzzufuhr zu einer
Verschlechterung des Krankheitsbildes führen kann.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Für Patienten, die mit einer diuretischen Therapie gut zu führen sind, ist der Nutzen
einer diätetischen Kochsalzrestriktion nicht erwiesen. Patienten mit refraktärem oder
schwierig zu behandelndem Aszites sollten eine diätetische Kochsalzrestriktion (max.
5 g/d NaCl, entsprechend 85 mmol Natrium) einhalten.
Empfehlung, starker Konsens
Bei Patienten mit einem Serum-Natrium ≥ 125 mmol/l ist eine Flüssigkeitsrestriktion
nicht erforderlich, bei Patienten mit einer ausgeprägten Hyponatriämie (< 125 mmol/l)
kann eine Flüssigkeitsrestriktion auf 1,5 l/d sinnvoll sein.
Offene Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Patienten mit Leberzirrhose und Aszites sind häufig mangelernährt. Sie zeigen dabei
einerseits Eiweißmangel und Muskelschwund (Sarkopenie) sowie andererseits einen Überschuss
an extrazellulärem Wasser [99 ]. Die Mangelernährung und die Sarkopenie scheinen nicht nur für das Auftreten einer
hepatischen Enzephalopathie wichtig zu sein [100 ], sondern auch für das Überleben der Patienten [101 ]
[102 ]
[103 ]. Ein normaler oder erhöhter BMI schließt eine Mangelernährung nicht aus und ist
bei Zirrhosepatienten durch die Wassereinlagerung oft irreführend [99 ]. In vielen Fällen kann die Mangelernährung schon mittels Anamnese und klinischer
Untersuchung diagnostiziert werden [104 ], bei adipösen Patienten wird dafür allerdings eine Analyse der Körperzusammensetzung
benötigt [105 ]. Die Sarkopeniediagnostik aus einem CT-Schnittbild [101 ]
[102 ]
[105 ] benötigt ionisierende Strahlen; demgegenüber erlaubt die Bestimmung des Phasenwinkels
mittels bioelektrischer Impedanzanalyse (BIA) eine Analyse der Körperzusammensetzung
und die Bestimmung des Sterblichkeitsrisikos auf nicht invasivem Wege [106 ]
[107 ]
[108 ]
[109 ]. Die Handgriffstärke ist bei eiweißmangelernährten Zirrhosepatienten vermindert
[99 ]
[110 ], sie ist ein guter Prädiktor für Komplikationen im folgenden Jahr [110 ]
[111 ]
[112 ] und eine geeignete Methode für die Erfolgskontrolle einer Ernährungstherapie [113 ]. Die Behandlung der Mangelernährung mit ausreichender Zufuhr von Eiweiß (1,2 – 1,5 g/kg/d),
Energie (30 – 35 kcal/kg/d), Vitaminen (insbesondere der B-Gruppe) und Spurenelementen
(insbesondere Zink) ist Bestandteil der Basistherapie und sollte primär oral erfolgen
oder über Ernährungssonde und nur bei Versagen oder Nichtanwendbarkeit parenteral
[114 ]. Als Bezugsgröße wird das aktuelle Körpergewicht und bei Adipösen und Patienten
mit Aszites das Idealgewicht empfohlen [100 ]
[114 ]. Patienten sollten instruiert werden, zusätzlich eine Spätmahlzeit zu sich zu nehmen
bzw. die verordnete Trinknahrung nach 20:00 Uhr, weil auf diese Weise der Eiweißstatus
effizienter verbessert werden kann [115 ]. Die adäquate Ernährungstherapie kann nicht nur die Körperzusammensetzung, sondern
auch das Überleben verbessern [104 ]
[115 ]
[116 ]. Unzureichende Nahrungs- und vor allem Eiweiß-Aufnahme (spontan oder ärztlich verordnet)
induzieren eine katabole Stoffwechsellage und begünstigen die Ausbildung einer hepatischen
Enzephalopathie und sollten daher vermieden werden [117 ]. Eine Ernährung mit ausreichendem Energiegehalt (30 – 35 kcal/kg/d) ist bei Patienten
mit morbider Adipositas und/oder NASH-Zirrhose nicht angezeigt.
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Adipositas bei Zirrhosepatienten ein
unabhängiger ungünstiger Prognosefaktor ist [118 ]
[119 ], insbesondere auch, wenn diese Patienten eine Lebertransplantation erhalten [120 ]
[121 ]
[122 ]. Lebensstilintervention mit Gewichtsreduktion durch Sport und Ernährungsumstellung
kann bei adipösen Zirrhosepatienten die portale Hypertension senken [123 ].
Bei Leberzirrhose sind die Geschmackserkennung und Geschmackschwellen für salzig,
süß und sauer gestört und werden durch Hypomagnesiämie (z. B. durch Diuretika) verstärkt
[124 ]. Eine Diät mit strenger Kochsalzrestriktion (50 mmol entsprechend ca. 3 g Natrium/d)
brachte in einer Studie keinen Vorteil gegenüber einer nur moderaten Kochsalzrestriktion
(120 mmol/d, entsprechend etwa 7 g Salz) [125 ] und könnte die Nahrungsaufnahme eher verringern und damit den Katabolismus erhöhen
[126 ]. Ferner kommt eine alleinige moderate diätetische Kochsalzrestriktion (5 – 6 g/d
entspricht 85 – 100 mmol/d) als Basismaßnahme bei Zirrhose ausschließlich für Patienten
mit einer Natriumausscheidung von mehr als 80 mmol/24 h infrage, denn nur bei ausreichender
Natriumausscheidung im Urin kann eine negative NaCl-Bilanz erreicht werden. Patienten
mit geringerer Natriumausscheidung im Urin bedürfen der Gabe von Diuretika. Um die
Rate der Aszitesneubildung und damit die Frequenz der Parazentese zu minimieren, können
Patienten mit refraktärem Aszites eine kochsalzarme Kost erhalten. Zusätzlich kann
die Extra-Gabe von verzweigtkettigen Aminosäuren und ein abendlicher Snack mit komplexen
Kohlenhydraten die Morbidität und Mortalität im Vergleich zur strikten natriumarmen
Kost verbessern [127 ].
Bei Patienten mit Leberzirrhose und Aszites ist die Verdünnungshyponatriämie häufig
und vor allem Patienten mit Serum-Natriumwerten unter 135 mmol/l haben eine gesteigerte
Mortalität mit abnehmenden Serum-Natriumwerten [128 ]
[129 ]. Das führte letztlich zur Modifikation des MELD-Scores zum MELD-Na score [130 ], welcher in den USA seit Januar 2016 zur Allokation der Lebertransplantation verwendet
wird. Da in der Regel eine Verdünnungshyponatriämie ohne einen Ganzkörper-Natriummangel
vorliegt, ist eine Kochsalzgabe bei zirrhotischem Aszites nicht indiziert, ebenso
wenig wie ein rascher Ausgleich bei chronischer Hyponatriämie, um das Risiko ernsthafter
Komplikationen, wie einer zentralen pontinen Myelinolyse, zu vermeiden [131 ]. Eine Flüssigkeitsrestriktion erscheint sinnvoll ab einem Serumnatrium < 120 – 125 mmol/l
[1 ]. Flüssigkeitsrestriktion bedeutet häufig aber eine signifikante Einschränkung der
Lebensqualität des Patienten und sollte daher längerfristig nur bei im Einzelfall
erwiesener Wirksamkeit und Notwendigkeit angeordnet werden.
2.3 Medikamentöse Therapie
Der orale Aldosteronantagonist Spironolacton (initial 100 mg/d) soll als Diuretikum
der ersten Wahl eingesetzt werden. Bei unzureichender Aszitesmobilisation sollte ein
Schleifendiuretikum (Furosemid, Torasemid) hinzugegeben werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die Kombinationstherapie aus Spironolacton und einem Schleifendiuretikum kann bei
Patienten mit ausgeprägtem oder länger bestehendem Aszites auch initial erfolgen.
Die zusätzliche Gabe von Clonidin und/oder Midodrin kann vor allem bei Patienten mit
refraktärem Aszites ein verbessertes Ansprechen bewirken.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei ausgeprägter Hyponatriämie (< 125 mmol/l), klinisch manifester hepatischer Enzephalopathie
(ab Grad II) oder einer deutlichen Nierenfunktionsverschlechterung sollte auf Diuretika
verzichtet werden.
Empfehlung, starker Konsens
Die Anwendung von Vaptanen zur Langzeitbehandlung des Aszites ist kontraindiziert.
Ferner sollte die Gabe von Prostaglandin-Inhibitoren, ACE-Inhibitoren, alpha-1-Rezeptor-Blockern
und Aminoglykosiden bei Patienten mit einer Leberzirrhose und Aszites vermieden werden.
Empfehlung, starker Konsens
Die Indikation einer nicht-selektiven Betablocker-Therapie bei Patienten mit refraktärem
Aszites und Varizen sollte sorgfältig überprüft werden, insbesondere bei Patienten
mit spontan bakterieller Peritonitis. Bei Anzeichen einer zunehmenden Nierenfunktionsstörung,
ausgeprägten Hypotonie oder Hyponatriämie sollte diese unterbrochen oder reduziert
werden.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Das primäre Diuretikum zur Behandlung des moderaten Aszites ist der kompetitive Aldosteronantagonist
Spironolacton, welcher am distalen Tubulus die Rückresorption von Natriumionen hemmt
und dadurch kaliumsparend wirkt. Die Anfangsdosis einer oralen Monotherapie beträgt
1-mal tgl. 100 – 200 mg Spironolacton [132 ]
[133 ]. Furosemid ist als Monotherapie dem Spironolacton unterlegen und sollte daher nur
in begründeten Einzelfällen benutzt werden [132 ]
[133 ]. Die tägliche Gewichtskontrolle überwacht den Erfolg, wobei ein Gewichtsverlust
von ≤ 500 g/d bei Patienten ohne periphere Ödeme bzw. ≤ 1000 g/d bei Patienten mit
peripheren Ödemen anzustreben ist [134 ]. Darunter sollten regelmäßige Kontrollen der Serumelektrolyte sowie des Serumkreatinins
erfolgen. Das Ziel der Therapie ist erreicht, wenn klinisch kein oder nur eine geringe
Menge Aszites vorliegt und keine peripheren Ödeme mehr nachweisbar sind. Eine Dosissteigerung
ist indiziert, wenn der Gewichtsverlust < 1 kg in der ersten Woche bzw. 2 kg/Woche
in den folgenden Wochen beträgt.
Eine additive Therapie mit einem Schleifendiuretikum (Furosemid 20 – 40 mg/d) wird
eingeleitet, wenn der Patient auf 200 mg/d Spironolacton in den ersten zwei bis drei
Wochen nicht ausreichend anspricht. Bei nicht ausreichendem Ansprechen kann die Diuretikatherapie
bis auf 400 mg/d Spironolacton und 160 mg/d Furosemid gesteigert werden [135 ]. Bei diesen hohen Dosen ist aber mit Elektrolyt- und Nierenfunktionsstörungen zu
rechnen. Furosemid sollte, wenn möglich, oral appliziert werden, da die intravenöse
Gabe ein höheres Risiko für eine Nierenfunktionsstörung aufweist [136 ]. Allerdings zeigen neuere Daten ein besseres Ansprechen auf das hoch-dosierte Furosemid
in Kombination mit Kochsalzlösung oder -Tabletten als die üblichen Diuretika-Regimes
[137 ]
[138 ]. Diese Daten müssen aber erst noch bestätigt werden, bevor hierzu eine definitive
Empfehlung ausgesprochen werden kann. Das neuere Schleifendiuretikum Torasemid zeigt
sich mindestens gleich effektiv und sicher wie Furosemid bei Patienten mit Leberzirrhose
und Aszites [139 ]
[140 ].
Obwohl die Studienlage zu dem Vergleich einer sequenziellen vs. kombinierten Therapie
bei moderatem Aszites nicht eindeutig ist, lässt sich zusammenfassen, dass die initiale
Kombinationstherapie eher bei Patienten mit länger bestehendem Aszites und erniedrigter
GFR zu weniger Nebenwirkungen (v. a. Hyperkaliämen) führt [141 ], wobei die sequenzielle Therapie vor allem bei Patienten mit neu aufgetretenem Aszites
mit normalem Serumkreatinin weniger Nebenwirkungen aufwies [133 ]. Zudem ist die initiale Kombinationstherapie bei massivem Aszites indiziert [142 ], meist in der Kombination aus 100 mg Spironolacton sowie 40 mg Furosemid als einmalige
morgendliche Gabe [143 ]. Sollte diese Dosierung nicht ausreichend sein, kann in diesem Verhältnis weiter
gesteigert werden (z. B. 200 mg Spironolacton und 80 mg Furosemid). Auf diese Weise
kann das Risiko einer Spironolacton-induzierten Hyperkaliämie gering gehalten werden.
Mittels einer kombinierten Therapie aus kochsalzreduzierter Diät, Spironolacton und
Furosemid lässt sich bei bis zu 90 % der Patienten mit Aszites und Leberzirrhose ein
Therapieerfolg erzielen [132 ]
[135 ]. Wenn eine ausreichende Aszitesmobilisation erreicht wurde, sollte die Diuretikadosis
so weit wie möglich reduziert werden. Bei Patienten, die nicht ausreichend auf die
diuretische Therapie ansprechen, sollte die Natriumexkretion im 24-h-Sammelurin gemessen
werden, um echtes Nicht-Ansprechen von Nicht-Compliance zu unterscheiden. Bei einer
24-h-Natriumausscheidung über 85 mmol ohne Gewichtsverlust liegt die Kochsalzaufnahme
vermutlich über 5 g/d. Bei refraktärem oder intraktablem Aszites könnte die Kombination
der Diuretika-Therapie mit Midodrin (7,5 mg/8 h) oder/und Clonidin (0,1 mg/12 h) ein
besseres Ansprechen ohne wesentliche Nebenwirkungen erzielen [144 ]
[145 ]
[146 ].
Ein Teil der männlichen Patienten entwickelt unter Spironolacton eine schmerzhafte
Gynäkomastie, die einen Abbruch der Therapie erforderlich machen kann. Amilorid (10 – 40 mg/d)
wäre eine Alternative, obwohl es weniger effektiv als Kaliumcanrenoat (aktiviertes
Spironolacton) zu sein scheint [147 ]. Der Aldosteronantagonist Epleneron, der seltener zur Gynäkomastie führt als Spironolacton,
ist bisher nur in der experimentellen Leberfibrose untersucht worden [148 ]. Weitere verwendete Diuretika sind Triamteren, Hydrochlorothiazid und Xipamid; diese
sind eher als Reservemedikamente anzusehen [149 ].
Einen neuen Therapieansatz stellen selektive, orale Vasopressin-V2-Rezeptorantagonisten,
die sog. Vaptane, dar. Sie steigern die Wasserausscheidung ohne gleichzeitige Natriurese
und sind daher für den Einsatz bei Hyponatriämie entwickelt worden. In Kombination
mit Spironolacton konnte für Satavaptan eine signifikante Gewichtsabnahme verglichen
mit Placebo sowie eine Besserung der vorbestehenden Hyponatriämie gezeigt werden [150 ]
[151 ]
[152 ]. Leider zeigte die Langzeitbehandlung eine gesteigerte Mortalität [153 ]. Die bereits zugelassene Substanz, Tolvaptan, zeigte sich ebenfalls effektiv in
der kurzzeitiger Anwendung (7 – 30 Tage), vor allem für die Behandlung der Ödeme,
allerdings mit höherer Nebenwirkungsrate [154 ]
[155 ]
[156 ]
[157 ]
[158 ], zudem wurde auch ein Rote-Hand-Brief zu diesem Medikament in Jahr 2013 veröffentlicht.
Die Gabe von Prostaglandin- und Angiontensin-Converting-Enzyme-Inhibitoren können
ein Nierenversagen bei Patienten mit einer Leberzirrhose induzieren und sollten deshalb
vermieden werden [159 ]
[160 ]
[161 ]
[162 ]
[163 ]. Bereits die niedrig-dosierte oder einmalige Gabe von ACE-Inhibitoren sowie die
kurzzeitige Gabe auch von moderneren COX-Inhibitoren kann merkliche Veränderungen
in der Nierenfunktion induzieren und sollten deshalb bei Patienten mit einer Leberzirrhose
und Aszites vermieden werden [164 ]
[165 ]
[166 ]
[167 ].
Diskutiert wird, ob durch nicht-selektive Betablocker bei Patienten mit Leberzirrhose
und Therapie-refraktärem Aszites die Mortalitätsrate ansteigt. Während zwei Arbeitsgruppen
[168 ]
[169 ] eine höhere Mortalität bei Patienten mit Therapie-refraktärem Aszites bzw. mit spontan
bakterieller Peritonitis nachweisen konnten, kommen zwei neuere Studien [170 ]
[171 ] bei Patienten mit Aszites auf der Transplantationsliste bzw. Patienten mit akut-auf-chronischem
Leberversagen zu dem Ergebnis, dass durch die NSBB-Therapie die Mortalität im Gegenteil
sinkt. Dementsprechend kann eine abschließende Empfehlung für oder gegen eine Therapie
mit NSBB bei Therapie-refraktärem Aszites nicht gegeben werden, jedoch rät die Baveno-Konferenz
zur Vorsicht, vor allem bei Anzeichen einer Nierenfunktionsstörung (systolischer Blutdruck
< 90 mmHg, Hyponatriämie < 130 mmol/l, Acute kidney injury definiert nach der IAC)
[172 ]
[173 ].
Die Anwendung von Protonenpumpeninhibitoren bei Patienten mit Leberzirrhose und Aszites
kann mit Komplikationen assoziiert sein. Protonenpumpeninhibitoren sollten daher nur
nach strenger Indikationsstellung bei Patienten mit Leberzirrhose und Aszites verwendet
werden. Bei der Indikation der gastrointestinalen Blutung ist die Gabe einer hochdosierten
PPI-Therapie mit einem erhöhten Risiko für eine spontan bakterielle Peritonitis verbunden,
ohne größere Vorteile in den klinischen Endpunkten [174 ]. Die Analyse größerer Serien von Patienten mit Aszites (zwischen 500 und mehr als
1500 Patienten) konnte den Zusammenhang zwischen PPI-Einnahme und der Entwicklung
einer spontan bakteriellen Peritonitis und/oder einer hepatischen Enzephalopathie
weder ausschließen noch bestätigen. Während in einigen retrospektiven und prospektiven
Kollektiven ein Zusammenhang statistisch gesehen werden konnte [175 ]
[176 ]
[177 ], ließ sich in anderen retrospektiven und prospektiven Kohorten kein Zusammenhang
erkennen [178 ]
[179 ]. Insgesamt sollte aber die Indikation einer PPI-Therapie bei Patienten mit refraktärem
Aszites streng überprüft werden. Neuere Daten aus einer großen italienischen multizentrischen
randomisierten Studie zeigen, dass die Langzeitanwendung von Albumin möglicherweise
bei Patienten mit Aszites das Überleben verbessert [180 ]
[181 ].
Auch wenn diese Studie noch Bestätigung braucht, hat die Langzeitgabe von Albumin
bereits jetzt einen Stellenwert in den EASL-Leitlinien [182 ].
2.4 Therapierefraktärer und rezidivierender Aszites
Der therapierefraktäre Aszites ist als Diuretika-resistenter oder intraktabler Aszites
definiert. Diuretika-Resistenz bedeutet inadäquates Ansprechen auf eine hoch dosierte
diuretische Therapie (Spironolacton max. 400 mg/d und Furosemid max. 160 mg/d) in
Kombination mit einer Natriumrestriktion [183 ]. Beim intraktablen Aszites bestehen Komplikationen wie hepatische Enzephalopathie,
prärenales Nierenversagen oder ausgeprägte Hyponatriämie, die eine adäquate diuretische
Therapie verhindern [183 ].
Starker Konsens
Rezidivierender Aszites ist definiert als Aszites, der trotz Empfehlung zur Natriumrestriktion
und Diuretika-Gabe in adäquater Dosierung mindestens dreimal in einem Zeitraum von
einem Jahr wieder auftritt [183 ].
Starker Konsens
Bei therapierefraktärem oder rezidivierendem Aszites soll immer die Lebertransplantation
erwogen werden, und die TIPS-Anlage bei fehlenden Kontraindikationen wiederholten
großvolumigen Parazentesen vorgezogen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Eine TIPS-Anlage zur Aszitestherapie ist in der Regel kontraindiziert bei vorbestehender
chronischer hepatischer Enzephalopathie ≥ Grad 2 oder einem Serum-Bilirubin > 5 mg/dl
(weitere Kontraindikationen siehe Kommentar).
Empfehlung, Konsens
Für die TIPS-Anlage sollte prinzipiell ein PTFE-beschichteter Stent (Stentgraft) eingesetzt
werden. Eine Empfehlung für die optimale Antikoagulation nach TIPS-Anlage kann bislang
nicht ausgesprochen werden.
Empfehlung, starker Konsens
Die Anpassung der Medikation (v. a. Diuretika), Vorbeugung, frühe Erkennung und Behandlung
von möglichen Komplikationen (hepatische Enzephalopathie, kardiale Dysfunktion) nach
TIPS sollte durch eine engmaschige Betreuung der Patienten erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Die (peritoneovesikale) Aszitespumpe kann in erfahrenen Zentren als Alternative der
großvolumigen Parazentese in Erwägung gezogen werden.
Offene Empfehlung, Konsens
Bei Durchführung einer großvolumigen Parazentese (> 5 l) soll eine intravenöse Albumingabe
(6 – 8 g/Liter Aszites) erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die Parazentese sollte Ultraschall-assistiert erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Abgesehen von der Lebertransplantation, die bei therapierefraktärem oder intraktablem
Aszites immer erwogen werden sollte, stehen die wiederholte großvolumige Parazentese
und der transjuguläre intrahepatische portosystemische Shunt (TIPS) zur Verfügung.
Die sogenannte Aszitespumpe stellt eine gute und sichere Alternative zu wiederholten
großvolumigen Parazentesen dar [184 ]
[185 ]
[186 ]
[187 ]. Für getunnelte Katheter ist die veröffentlichte Datenlage bei Leberzirrhose bislang
gering [188 ]. Die Anlage eines peritoneovenösen Shunts ist weniger effektiv als der TIPS und
mit mehr Komplikationen behaftet und sollte nur ausgewählten Einzelfällen vorbehalten
bleiben [189 ].
Großvolumige Parazentese
Bei fast allen Patienten müssen wiederholte Parazentesen durchgeführt werden. Diese
sollen mindestens Ultraschall-assistiert, ggf. auch Ultraschall-gesteuert erfolgen.
Durch eine Ultraschall-gestützte Punktion in Echtzeit reduziert sich nachweislich
das Risiko von Gefäßverletzungen in der Bauchwand (V. epigastrica inferior, Paraumbilikalvenen).
Die permanente Visualisierung der Nadelspitze verringert darüber hinaus Fehlpunktionen
[43 ]
[190 ].
Die Parazentese ist ein relativ sicheres Verfahren [44 ], die Aszites-Neubildung wird dadurch allerdings nicht verhindert. Beachtet werden
muss, dass eine großvolumige Parazentese zu hämodynamischen Veränderungen führen
kann, die als zirkulatorische Dysfunktion nach Parazentese bezeichnet wird [191 ]
[192 ]
[193 ]. Zentraler pathophysiologischer Aspekt dabei ist eine Aggravation der schon vorbestehenden
Verminderung des effektiven zentralen Blutvolumens mit der Folge einer weiteren Stimulation
vasokonstriktorischer Systeme. Die klinische Manifestation dieser Veränderungen ist
die Verschlechterung der Nierenfunktion bis hin zum hepatorenalen Syndrom. Da das
Auftreten einer zirkulatorischen Dysfunktion nach Parazentese mit einer reduzierten
Lebenserwartung assoziiert ist [192 ], sollte dieser vorgebeugt werden. Die Gabe von Albumin ist nach kontrollierten Studien
die beste Vorbeugung einer zirkulatorischen Dysfunktion nach großvolumiger (> 5 l)
Parazentese und daher anderen Plasmaexpandern vorzuziehen [192 ]. Albumin kann laut einer Pilotstudie auch den längerfristigen Schäden der zirkulatorischen
Dysfunktion vorbeugen [194 ]. Ist das abpunktierte Aszitesvolumen kleiner als 5 l, ist keine Gabe von Humanalbumin
notwendig. Allerdings zeigen neuere Daten, dass eine regelmäßige Albuminsubstitution
möglicherweise das Überleben der Patienten mit Aszites verbessern kann [180 ]
[181 ].
TIPS-Anlage
Die Rationale der TIPS-Anlage besteht vorwiegend darin, den portalen Druck und damit
die Transsudation in die Peritonealhöhle zu reduzieren. Vier Wochen nach TIPS-Anlage
zeigten sich Natriumausscheidung und Nierenfunktion verbessert [195 ]
[196 ]
[197 ]
[198 ]
[199 ].
Im Vergleich zur wiederholten großvolumigen Parazentese ist die TIPS-Anlage zur Aszitestherapie
deutlich effektiver [199 ]
[200 ]
[201 ]
[202 ]
[203 ] und zeigte zumindest in einer Studie eine Verbesserung der Lebensqualität [204 ]. Bezüglich der Mortalität ist nun die Datenlage etwas klarer. Nach mehreren Arbeiten
mit einem Überlebensvorteil [201 ]
[205 ] und einer Metaanalyse auf der Basis individueller Patientendaten [202 ], wurde kürzlich eine randomisiert-kontrollierte Studie publiziert, welche zeigte,
dass TIPS einen deutlichen Überlebensvorteil gegenüber der großvolumigen Parazentese
hat [203 ]. Diese Studie setzte im Gegensatz zu einer früheren randomisiert-kontrollierten
Studie ausschließlich beschichtete Stentgrafts ein [203 ]. In einer Metaanalyse wurde deutlich, dass der Überlebensvorteil des TIPS bei refraktären
und/oder rezidivierendem Aszites in Studien mit beschichteten Stents deutlicher ist
[206 ].
Es existiert eine ausreichende Datenlage, dass durch die Verwendung von beschichteten
Stentgrafts das Risiko für eine kurzfristige (bis zu sechs Monate nach Anlage) Stentdysfunktion
signifikant gesenkt werden kann. Es gibt hierzu zwei Metaanalysen und sechs weitere
Studien, die eindeutig zeigen, dass ein Stentgraft den konventionellen Stents bzgl.
Shuntdysfunktion überlegen ist [207 ]
[208 ]
[209 ]
[210 ]
[211 ]
[212 ]. Die Rate der langfristigen Dysfunktion ist jedoch nicht abschließend geklärt. Unklarheit
besteht bisweilen aber über das richtige Antikoagulationsregime nach TIPS-Anlage,
bzw. ob überhaupt eine Antikoagulation nach Stentgraftimplantation noch erforderlich
ist. Dies ist Gegenstand zukünftiger Studien.
Einschränkungen und Kontraindikationen für die TIPS-Anlage
Hepatische Enzephalopathie. Bei Patienten mit refraktärem Aszites ist die HE multifaktorieller
Genese (eingeschränkte Leber- und Nierenfunktion, Exsikkose, reduzierte arterielle
Organperfusion [202 ], Infekt, Hypoglykämie). Auch die Sarkopenie scheint einen deutlichen Einfluss auf
die Entwicklung der HE nach TIPS zu haben [213 ]. Während die Leberperfusion durch eine TIPS-Anlage in der Regel verschlechtert wird,
werden andere HE-relevante Faktoren verbessert. Daher unterscheidet sich das kumulative
Auftreten der ersten HE-Episode nicht zwischen den Behandlungsgruppen (TIPS vs. wiederholte
Parazentese) [202 ]. Allerdings erhöht der TIPS die Anzahl der HE-Episoden insgesamt sowie die Anzahl
schwerer HE-Episoden [202 ]. Auch die kürzlich publizierte randomisiert-kontrollierte Studie zeigte keinen Unterschied
im Auftreten der HE (34 % HE im ersten Jahr in beiden Gruppen, p = 0,868) [203 ].
Bei Vorliegen von Risikofaktoren für eine HE (höheres Lebensalter, vorbestehende
HE, mittlerer arterieller Blutdruck < 80 mmHg, MELD-Score > 15), aber dringlicher
TIPS-Indikation ist eine limitierte Drucksenkung des portosystemischen Druckgradienten
(z. B. 30 – 50 %) anzustreben. Eine kürzlich publizierte Studie konnte zeigen, dass
ein kleinerer Stentdiameter (8 mm) im Vergleich zu größeren Stentdiametern (10 mm)
die HE-Rate nach TIPS-Anlage deutlich senkt [214 ]. Die Daten dieser chinesischen Studie stimmen mit der Rate an HE in der deutschen
Blutungsstudie mit 8 mm cTIPS von ca. 18 % überein [215 ], wobei die Verwendung von 10 mm Stents ca. doppelt so häufig HE-Episoden zeigte,
und mit der jüngst publizierten niederländischen Studie mit 10 mm cTIPS übereinstimmt
[216 ]. Auch wenn diese Studien an Patienten mit Varizenblutungen vorgenommen wurden, zeigen
sie dennoch, dass kleinere Stents zu bevorzugen sind.
Leberfunktion. Ein Bilirubin über 3 mg/dl korreliert eng mit einer erhöhten Mortalität
nach TIPS-Anlage [217 ]. Jede Erhöhung des Bilirubins um 1 mg/dl über 3 mg/dl hinaus steigert das Risiko
der 30-Tages-Mortalität um 40 % [218 ]. Deshalb ist eine Erhöhung des Gesamtbilirubins über 3 mg/dl als relative und eine
Erhöhung über 5 mg/dl als absolute Kontraindikation einer TIPS-Anlage zur Behandlung
von Aszites anzusehen [219 ]. Zudem ist die Kombination aus der Thrombozytenzahl (< 150 G/l) und Bilirubin (> 3 mg/dl)
bei Patienten mit refraktärem Aszites als prognostisch ungünstiges Zeichen anzusehen
[220 ].
Malignome. Maligne Raumforderungen der Leber (HCC) stellten in den meisten Studien
ein Ausschlusskriterium für die TIPS-Anlage dar. Daher wird ein Malignom in der Leber
von vielen Experten als Kontraindikation gegen eine TIPS-Anlage gesehen. In Einzelfällen
eines rein palliativen Therapieansatzes gibt es z. B. bei Spannungsaszites mit der
Notwendigkeit hochfrequenter Parazentesen auch bei Patienten mit HCC positive Erfahrungen
nach TIPS-Implantation. Es muss sichergestellt sein, dass der Aszites durch die portale
Hypertension und nicht den malignen Tumor bedingt ist und dass der TIPS-Trakt nicht
durch das HCC läuft.
Kardiale Funktion. In der klinischen Praxis spielt die Herzinsuffizienz bei der TIPS-Indikation
eine untergeordnete Rolle. Bei offensichtlicher, sehr schlechter kardialer Pumpfunktion
kann nach Wegfall der portalen Perfusion durch den TIPS eine mangelhafte arterielle
Leberperfusion resultieren. Deshalb wird für die TIPS-Anlage eine untere Grenze der
Ejektionsfraktion von 40 % festgelegt. Diese Grenze ist willkürlich, da keine entsprechenden
Studienergebnisse vorliegen.
Auch eine vorbestehende Rechtsherzinsuffizienz sowie eine signifikante pulmonalarterielle
Hypertonie können Kontraindikationen für eine TIPS-Anlage darstellen: Nach TIPS-Anlage
kommt es zu einem vorübergehenden Anstieg des ZVD und einem kräftigen Anstieg des
Herzminutenvolumens um etwa 4 l/min, das nach wenigen Stunden auf etwa 1 l/min abfällt.
Dies erklärt eine evtl. Verschlechterung der diastolischen Funktion, wie dies in verschiedenen
Studien gezeigt wurde. Ein echokardiografischer Grenzwert existiert bislang nicht.
Es konnte allerdings gezeigt werden, dass die Mortalität nach TIPS-Anlage bei einer
E/A-Ratio < 1 deutlich höher ist als bei einer E/A-Ratio > 1 [221 ].
Pfortaderthrombose. Die langfristig komplett verschlossene oder kavernös transformierte
Pfortader stellt in der Regel eine technische Herausforderung, jedoch keine Kontraindikation
für die TIPS-Anlage dar [222 ]. Hierbei spielt es keine große Rolle, ob frische oder ältere Thrombosen oder Teilverschlüsse
vorliegen.
Die peritoneovesikale Aszitespumpe
Eine potenzielle Alternative zur regelmäßigen Parazentese ist die operativ eingesetzte
sogenannte Aszitespumpe. Die bisherigen Studien zeigten für die automatisierte peritoneovesikale
Aszitespumpe, dass hierdurch die Anzahl der Parazentesen gesenkt werden kann. Zudem
konnte in einer ersten Studie gezeigt werden [184 ], dass mit steigender Erfahrung auch die häufigen Komplikationen wie Infektionen,
Katheterdiskonnektionen, und Re-Interventionen gesenkt werden. Allerdings treten eine
transiente Verschlechterung der Nierenfunktion und vor allem aber Elektrolytentgleisungen
nach wie vor bei diesen Patienten auf [184 ]
[185 ]
[186 ]
[187 ]. Insofern wird aktuell evaluiert, ob insbesondere durch die regelmäßige Albuminsubstitution
die Elektrolytentgleisungen bzw. die Verschlechterung der Nierenfunktion verhindert
werden kann [187 ]. Obwohl dieses Verfahren noch in klinischen Studien im Vergleich zum TIPS evaluiert
wird, gibt es bereits publizierte Daten, dass die Pumpe zwar keinen Überlebensvorteil
gegenüber der großvolumigen Parazentese bringt [184 ]
[185 ], allerdings eine Verbesserung der Lebensqualität und des Ernährungszustandes erreicht
werden kann [186 ], welche auch durch die Interimsanalysen der randomisiert-kontrollierten Studie MOSAIC
in den USA bestätigt wurden. Voraussetzung für die Anlage einer Aszitespumpe ist eine
Lebenserwartung von mehr als 6 Monaten. Die Aszitespumpe kann bei Vorliegen von Kontraindikationen
für die TIPS-Anlage in Erwägung gezogen werden. Dabei ist eine engmaschige ambulante
Betreuung der Patienten nach Anlage der Pumpe erforderlich.
Getunnelte Katheter
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, getunnelte Katheter in den Aszites einzubringen.
Erste klinische Erfahrungen existieren zu sogenannten getunnelten Kathetern, die in
die Bauchhöhle eingebracht werden. Hierbei hat sich gezeigt, dass durchaus relevante
aszendierende Infektionen in den Aszites auftreten können, die zu einer schweren Peritonitis
führen können. Bislang existiert hierzu eine Studie, die allerdings kein eindeutig
gehäuftes Auftreten von Infektionen zeigt [188 ]. Somit sollte das Verfahren weiterhin vor allem in klinischen Studien evaluiert
werden. Für gut ausgewählte Patienten stellen getunnelte Katheter möglicherweise eine
Therapiealternative dar.
3 Spontan bakterielle Peritonitis
3 Spontan bakterielle Peritonitis
3.1 Einleitung und Definiton
Eine spontan bakterielle Peritonitis (SBP) ist definiert über den Nachweis von > 250
polymorphonukleären (PMN)-Zellen, d. h. neutrophilen Granulozyten, pro mm3 Aszites. Bei einer SBP handelt es sich um eine bakterielle Entzündung der Peritonealhöhle
ohne Hinweis auf eine anderweitige intraabdominelle Ursache der Infektion (z. B. Cholezystitis,
Divertikulitis etc.), Peritonealmetastasen oder Tuberkulose. Ein Bakteraszites ist
definiert als mikrobiologischer Nachweis einer Kolonisation des Aszites mit Bakterien
ohne erhöhte PMN-Zahl im Aszites (d. h. < 250 PMN/mm3 ).
Kommentar
Diese Definition beruht auf folgenden Gesichtspunkten:
Da mehr als 40 % der mikrobiologischen Aszitesuntersuchungen bei SBP kulturnegativ
bleiben und eine verzögerte Antibiotikatherapie (durch Warten auf ein Kulturergebnis)
fatale Auswirkungen für den Patienten haben kann, wird die Indikation zur empirischen
Antibiotikatherapie durch die Aszites-PMN-Konzentration gestellt.
Der initial verwendete Grenzwert zur Detektion und Definition einer SBP von > 500
PMN/mm3 , der für eine kulturpositive SBP eine Spezifität von 98 % und eine Sensitivität von
90 % erzielt [55 ] wurde aufgrund der suboptimalen Sensitivität korrigiert. Bei einem Grenzwert von
250 PMN/mm3 wird hierbei die höchste Sensitivität erzielt und hierdurch das Risiko, eine tatsächliche
Therapieindikation fälschlicherweise zu übersehen, minimiert. Ein Bakteraszites definiert
dagegen eine Kolonisation des Aszites mit Bakterien ohne Nachweis einer inflammatorischen
Reaktion im Peritonealraum, d. h. PMN-Zahl < 250/mm3 [223 ]. Beides, SBP und Bakteraszites, stellen eine Therapie-Indikation dar.
Die SBP ist die häufigste bakterielle spontane Infektion bei der Leberzirrhose und
wird in prospektiven Fallserien mit etwa 24 % aller bakteriellen Infektionen bei hospitalisierten
Patienten angegeben [224 ]. Während im ambulanten Sektor bei asymptomatischen Patienten, auch bei Vorliegen
eines therapierefraktären Aszites, eine Prävalenz der SBP von 3,5 % [9 ] oder weniger [7 ]
[8 ] berichtet wird, steigt die Zahl bei hospitalisierten Patienten auf 8 – 36 % an [54 ]
[225 ]. Hierbei unterscheidet sich auch das Keimspektrum entscheidend. Im ambulanten Sektor
dominieren Gram-negative Keime, während nosokomial vor allem Gram-positive Erreger
ursächlich sind [224 ].
Risikofaktoren für das Auftreten einer SBP sind a) eine bereits stattgehabte SBP [226 ]
[227 ], b) eine gastrointestinale Blutung [228 ]
[229 ] und c) ein niedriger Gesamteiweißgehalt im Aszites (< 1,5 bzw. < 1,0 g/dl) [230 ]
[231 ]. Bei Verwendung eines Grenzwerts von < 1,5 g/dl liegt die Wahrscheinlichkeit, eine
erste SBP innerhalb eines Jahres zu entwickeln, bei 14 – 23 %. Weitere Risikofaktoren,
die mit einer zusätzlichen unabhängigen Erhöhung des Risikos einer ersten SBP-Episode
einhergehen, sind Bilirubinerhöhung (> 3,2 mg/dl) und Thrombopenie (< 98 000/mm3)
[59 ]. Zudem steigt das Risiko einer SBP mit zunehmendem MELD-Score [232 ] sowie dem Einsatz von Protonenpumpenhemmern [233 ]. Ferner scheint das Vorliegen einer NOD2-Genmutation das Auftreten einer SBP zu
begünstigen [234 ].
Die Wahrscheinlichkeit des Rezidivs einer SBP nach Erstmanifestation ohne Einleitung
einer Prophylaxe beträgt zwischen 30 und 68 % innerhalb eines Jahres [226 ]
[227 ]. Als unabhängige Risikofaktoren hierfür wurden ebenfalls der Gesamteiweißgehalt
des Aszites (< 1 g/dl), aber auch eine Prothrombin-Aktivität < 45 % oder Bilirubin
> 4 mg/dl identifiziert [227 ]. Die Prävalenz des monomikrobiellen Bakteraszites bei asymptomatischen ambulanten
Patienten liegt bei 2 – 3 % [7 ]
[8 ]
[9 ] hingegen bei hospitalisierten Patienten bis zu 11 % [225 ]
[235 ]. Für das Wiederauftreten eines Bakteraszites finden sich in der Literatur keine
zuverlässigen prospektiven Daten.
Die Krankenhausmortalität einer ersten SBP-Episode wird je nach begleitenden Risikofaktoren
mit 10 – 50 % angegeben [225 ]
[227 ]
[236 ]
[237 ]
[238 ]
[239 ]
[240 ]. Die 1-Jahres-Mortalität nach Auftreten einer ersten SBP liegt zwischen 31 % und
93 % [9 ]
[227 ]
[241 ]
[242 ]
[243 ]. Als prädiktive Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf ließen sich in unterschiedlichen
Kollektiven verschiedene Faktoren identifizieren, welche u. a. beinhalten: Alter des
Patienten [239 ]
[242 ], Child-Pugh-Score [240 ]
[242 ]
[244 ], Intensivaufenthalt [239 ]
[240 ], nosokomiale SBP [240 ], hepatische Enzephalopathie [245 ]
[246 ], Serum-Kreatinin und -Bilirubin [247 ], fehlende Infektresolution und kultureller Erregernachweis [248 ]
[249 ] sowie Auftreten einer Bakteriämie [250 ]. Der Verlauf eines Bakteraszites ist variabel, kann spontan reversibel sein oder
in eine SBP übergehen [223 ]
[235 ]. Dabei beträgt die Krankenhausmortalität 21 – 50 % [235 ].
3.2 Primärprophylaxe einer SBP
Bei Vorliegen eines Aszites mit erniedrigtem Gesamteiweißgehalt (< 1,5 g/dl) kann
eine Primärprophylaxe mit Antibiotika erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei Patienten mit zusätzlichem Vorliegen eines der beiden Kriterien (1. schwere Leberinsuffizienz,
d. h. Child-Pugh-Score > 9 mit Bilirubin > 3 mg/dl oder 2. Niereninsuffizienz mit
Serum-Kreatinin > 1,2 mg/dl, Harnstoff > 25 mg/dl oder Natrium < 130 mEq/l) sollte
eine antibiotische Primärprophylaxe erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Bei einer gastrointestinalen Blutung bei Leberzirrhose (mit oder ohne Aszites) soll
immer eine antibiotische Primärprophylaxe erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Keine neue relevante Literatur bei unveränderter Empfehlung.
Eine Primärprophylaxe sollte mit Norfloxacin erfolgen und kontinuierlich täglich durchgeführt
werden. Rifaximin kann als Alternative in begründeten Fällen eingesetzt werden*.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
*Die Datenlage zur Wahl der/s Antibiotikum/a in der Primärprophylaxe bei gastrointestinaler
Blutung bei Leberzirrhose ist in der DGVS-Leitlinie Gastrointestinale Blutung von
2017 detailliert beschrieben [251 ].
In der vormaligen Leitlinie fokussierte die Datenlage zur Wahl der/s Antibiotikum/a
in der Primärprophylaxe der SBP vornehmlich auf Norfloxacin und Chinolone. Insgesamt
ist die Datenlage zu Norfloxacin in der Primär- und Sekundärprophylaxe der SBP deutlich
breiter als die zu Ciprofloxacin. Dabei wird Norfloxacin nur in geringem Maße systemisch
absorbiert, während Ciprofloxaxin eine gute systemische Bioverfügbarkeit aufweist.
Zusätzlich ist Norfloxacin möglicherweise hinsichtlich der extraintestinalen Selektion
chinolon-resistenter Keime günstiger einzuschätzen als Ciprofloxacin. Zudem ist die
Gabe von systemisch absorbierten Chinolonen wie Ciprofloxacin mit möglichen Nebenwirkungen
behaftet, welche für Norfloxacin nicht in dem Maße berichtet sind, wie Tendinitiden
etc. Daher kann diese Substanzklasse zwar effektiv eingesetzt werden, Norfloxacin
ist aber gegenüber Ciprofloxacin zu bevorzugen.
Nun liegen verschiedene Studien zur Evaluation der Wirksamkeit von Rifaximin vor.
Rifaximin ist ein semi-synthetisches Antibiotikum mit vernachlässigbarer systemischer
Resorption und Breitband-antibiotischer Wirkung gegenüber Gram-negativen und Gram-positiven
aeroben und anaeroben Keimen. Argumente, welche in der Literatur für die Anwendung
von Rifaximin genannt werden, sind, dass i) Rifaximin zusätzlich zur antibakteriellen
Wirkung (inklusive Reduktion der Expression von bakteriellen Virulenzfaktoren) auch
indirekte positive Effekte auf den Patienten hat (wie Hemmung der mukosalen Bakterien-Adhäsion
und anti-inflammatorische Prozesse) [252 ], ii) nur selten die Antibiotika-Empfindlichkeit der Darmflora beeinflusst [253 ] bzw. bei Zirrhosepatienten nicht mit einer erhöhten Entwicklungsrate an resistenten
Bakterien einhergeht [254 ] und iii) im Falle der Entwicklung einer Rifaximin-resistenten Keimpopulation diese
nach Absetzen der Medikation rasch wieder verschwindet [255 ].
Die einzige randomisierte, multizentrische Studie zum Einsatz von Rifaximin in der
Primärprophylaxe einer SBP stammt aus Saudi-Arabien und Ägypten und untersuchte Rifaximin
(2-mal 550 mg/Tag) und Norfloxacin (400 mg/Tag) jeweils als Mono-Therapie im Vergleich
zu einem alternierenden Regime der beiden Antibiotika (Gabe jeweils für einen Monat)
[256 ]. Die eingeschlossenen 239 Patienten erfüllten die von Fernandez et al. Publizierten
[257 ] und der Empfehlung hier zugrundeliegenden Indikationskriterien. Die Rifaximin-Behandlung
unterschied sich hinsichtlich des primären Studienendpunktes des Auftretens einer
SBP statistisch nicht von der alternierend behandelten Patientengruppe oder der Norfloxacin-Therapie.
Dagegen schnitt die Norfloxacin-Behandlung signifikant schlechter ab als die alternierend
behandelte Studiengruppe. Kritisch anzumerken gilt, dass unklar bleibt i) warum 52
Patienten in der finalen Analyse nicht aufgenommen wurden aufgrund von z. B. gastrointestinaler
Blutung oder Auftreten einer SBP und ii) inwiefern die statistische Methodik für multiples
Testen der Analyse von drei Studiengruppen korrekt angewendet wurde. Ferner fällt
auf, dass im Vergleich mit den Daten von Fernandez et al. mit einer 1-Jahres-SBP-Inzidenz
von nur 7 % unter Norfloxacin die SBP-Inzidenz von 22,8 bzw. 43,6 % in der Per-Protokoll-
oder Intention-to-Treat-Analyse über einen Zeitraum von sechs Monaten deutlich höher
ausfällt, ohne dass ein Grund hierfür ersichtlich ist. Insgesamt unterstützen die
Daten die Anwendung von Rifaximin, sind aber unseres Erachtens nicht ausreichend,
das alternierende Schema und/oder Rifaximin als Erstlinien-Antibiotikum (und damit
dem Norfloxacin gleichberechtigt) zu empfehlen. Ferner ist festzuhalten, dass Rifaximin
für diese Indikation nicht zugelassen ist und daher Off-label-Use darstellt. Weitere
Fall-Kontroll-Serien und retrospektive Daten unterstützen den Einsatz von Rifaximin
in der genannten Indikation und sollen hier kurz diskutiert werden:
Eine retrospektive Evaluation von 404 konsekutiven Zirrhosepatienten der Pittsburgh-Gruppe
[258 ] verglich Patienten, welche Rifaximin (vornehmlich zur HE-Behandlung/-Prophylaxe)
erhielten (n = 49) und solche ohne Rifaximin (oder andere Antibiotika-Gabe; n = 355).
Dabei wies die Rifaximin-Gruppe zu Beginn der Datenerhebung (nach der ersten Parazentese)
eine signifikant höhere Child-Punktzahl auf. Dagegen unterschieden sich die Studiengruppen
nicht im MELD-Score, Aszites-Eiweißgehalt (im Mittel je ca. 1 g/dL), Nierenfunktion,
Alter und Geschlecht. Während einer Nachbeobachtung von im Median 4,2 Monaten traten
in der Rifaximin-behandelten Patientengruppe signifikant weniger SBP-Episoden auf
(10,2 vs. 31,8 %, p = 0,002). Ausgedrückt in SBP-Fällen pro Patientenjahr fanden sich
0,09 vs. 0,4/Jahr (p < 0,001). In der multivariaten Regressionsanalyse resultierte
die Rifaximin-Behandlung auch nach Korrektur für MELD-Score, Child-Klasse, Serum-Natrium
und Aszites-Gesamteiweiß in einer Reduktion der SBP-Rate um 72 % (HR 0,28; 95 % CI
0,11 – 0,71; p = 0,007). Daraus errechnet sich eine beeindruckende NNT von 5, um eine
SBP-Episode durch Rifaximin zu verhindern. Interessanterweise blieben alle SBP-Fälle,
welche unter Rifaximin auftraten, in der Kultur negativ, während in der Studiengruppe
ohne Rifaximin-Behandlung 31 % der SBP-Fälle in der Kultur positiv waren (49 bzw.
51 % Gram-negative bzw. -positive Erreger, respektive). Zudem zeigte sich in der multivariaten
Cox-Regressionsanalyse nach Adjustierung für den MELD-Score der Gebrauch von Rifaximin
als signifikant mit dem transplantationsfreien Überleben assoziiert (HR 0,54; 95 %
CI [0,3 – 0,97], p = 0,039). Limitiert werden diese an sich sehr optimistischen Daten
durch: a) retrospektives Studiendesign, b) fehlendes definiertes Verlaufs-Protokoll
z. B. hinsichtlich SBP-Screening, c) hohe Drop-out-Rate in der Rifaximin-Gruppe (nach
zwölf Monaten Follow-up nur mehr 9/49 Patienten unter Beobachtung), d) keinerlei Dokumentation
über die Compliance der Medikamenteneinnahme und schließlich e) einer in der Rifaximin-Gruppe
signifikant häufigere Ko-Medikation mit Lactulose (nämlich 100 % der Rifaximin-behandelten
Patienten vs. 38 % der Kontrollgruppe).
Vlachogiannakos et al. [259 ] berichten über die Nachbeobachtung von 23 Patienten mit dekompensierter Zirrhose,
welche ursprünglich an einer RCT zur Evaluation der Wirkung von Rifaximin auf den
hepatovenösen Druckgradienten teilgenommen hatten und als Responder klassifiziert
wurden. Für jeden Rifaximin-Patient/in wurden zwei sog. Kontrollpatienten/innen ge-„matched“
für Alter, Geschlecht und Child-Score ausgewählt. Die gesamte Kohorte wurde nachbeobachtet
bis zum Erreichen eines der Endpunkte Lebertransplantation, Tod oder fünf Jahre nach
Einschluss in die Studie.
Nach einer medianen Nachbeobachtung von 24 Monaten war unter Rifaximin folgender Benefit
im Vergleich zur Kontrollgruppe zu verzeichnen: geringere Wahrscheinlichkeit für das
Auftreten einer SBP (4,5 vs. 46 %, p = 0,027), einer Varizenblutung (35 vs. 59,5 %,
p = 0,01), einer hepatischen Enzephalopathie (53 vs. 68,5 %, p = 0,034) sowie eines
HRS (49 vs. 95,5 %, p = 0,037). Ferner fand sich unter Rifaximin eine signifikant
bessere 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit (61 vs. 13,5 %, p = 0,012). Dieser Unterschied
bestätigte sich als signifikant auch nach Wertung der transplantierten Patienten als
verstorben zum Zeitpunkt der Tx. Neben dem Child-Pugh-Score fand sich die Anwendung
von Rifaximin als unabhängig prädiktiv für das Überleben (HR 0,258; 95 % CI [0,075 – 0,891],
p = 0,032).
Der Einsatz von Trimethoprim-Sulfamethoxazol scheint vergleichbar effektiv zu Norfloxacin
zu sein. Neben den vormals in der S3-Leitlinie diskutierten Daten (retrospektive Beobachtung
[260 ] und randomisiert-kontrollierter Studie von suboptimaler Qualität (mit Jadad-Score
2 von 5 [261 ]) liegt nun eine weitere randomisierte Untersuchung vor, welche erneut keine Unterschiede
in der Effektivität der Vermeidung einer SBP aufzeigt [262 ]. Hierbei gilt anzumerken, dass auch Patienten mit Indikation für eine Sekundärprophylaxe
eingeschlossen wurden und Trimethoprim-Sulfamethoxazol mit einem ungünstigeren Nebenwirkungsprofil
assoziiert war.
Die Empfehlung einer täglichen Applikation der Antibiotika-Prophylaxe bleibt mit derselben
Datenlage wie in der vorgängigen Leitlinie bestehen.
Zur Wahl der Antibiotikatherapie bei gastrointestinaler Blutung siehe die DGVS-Leitlinie
[251 ]: In Kürze zusammengefasst: Das lokale antimikrobielle Resistenzprofil sollte in
der Wahl der Erstlinien-Antibiose berücksichtigt werden. Intravenöse Gabe Ceftriaxone
1 g/24 h sollte angewendet werden bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose,
erhöhter Prävalenz chinolon-resistenter bakterieller Infektionen und Patienten mit
vorgängiger Chinolon-Prophylaxe.
3.3 Therapie der SBP
Unmittelbar nach Diagnosestellung einer SBP soll eine empirische Antibiotikatherapie
eingeleitet werden. Eine ambulant erworbene unkomplizierte SBP soll mittels Cephalosporinen
der Gruppe 3a behandelt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Patienten mit nosokomial erworbener SBP und/oder Vorliegen von Risikofaktoren
für ein Therapieversagen (lokale Resistenzlage, antibiotische Vorbehandlung in den
letzten 12 Wochen) und zusätzlichen individuellen Faktoren (klinischer Schweregrad,
MRE-Trägerstatus) kann eine empirische Therapie mit Carbapenemen durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Unverändert zur letzten Version der Leitlinie gilt, dass unmittelbar mit der Diagnosestellung
einer SBP eine Antibiotikatherapie eingeleitet werden soll. Ferner gilt zu betonen,
dass dies ein nicht nur klinisch relevantes, sondern ein kritisches und potenziell
vital bedrohliches Ereignis darstellt. Daher ist eine entsprechende medizinische Überwachung
und Kontrolle angezeigt. Dies sollte zumindest im Rahmen der auch hier in der Leitlinie
empfohlenen Verlaufs-Parazentese 48 Stunden nach Therapiebeginn sowie der Albumin-Gabe
im Rahmen der HRS-Prophylaxe (siehe jeweils Empfehlungen unten) erfolgen.
Bei der Auswahl von Antiinfektiva zur Behandlung der SBP sollten Risikofaktoren für
den Erwerb multiresistenter Erreger berücksichtigt werden. Deshalb sollte zwischen
der ambulant erworbenen und der nosokomialen Situation unterschieden werden. Bei einer
ambulant erworbenen ersten Episode einer SBP soll diese mit einem Cephalosporin der
3. Generation behandelt werden, wenn es sich um eine unkomplizierte SBP handelt und
der Patient keine wesentliche Antibiotika-Vortherapie aufweist [263 ]
[264 ]. Eine unkomplizierte SBP liegt vor bei Fehlen von Schock, Ileus, gastrointestinaler
Blutung, schwergradiger Enzephalopathie oder Serumkreatinin < 3 mg/dl [265 ]. Die Empfehlung deckt sich mit aktuellen internationalen Empfehlungen [263 ]
[264 ]. Randomisierte kontrollierte Studien mit unterschiedlichen Therapieregimen liegen
für die ambulant erworbene unkomplizierte SBP nicht vor. Eine Chinolontherapie kann
kalkuliert aufgrund der Resistenzraten von E. coli und anderen Enterobakterien nicht
mehr empfohlen werden.
Für die nosokomiale SBP ist die Therapieentscheidung schwieriger. Es ist ein deutlicher
Anstieg von multiresistenten Gram-negativen Erregern (vor allem E. coli) bei Patienten
mit SBP zu erkennen [266 ]
[267 ]. So betrug die Rate multiresistenter Bakterienisolate aus Aszites im Zeitraum 1991 – 1995
noch 8 % und im Vergleichszeitraum 1996 – 2001 bereits 38 % [224 ]. Dabei ist insbesondere die Durchführung einer SBP-Prophylaxe z. B. infolge dauerhafter
Chinolon-Einnahme mit einer hohen Rate an Chinolonresistenz bei gram-negativen Isolaten
assoziiert (65 vs. 29 %) [224 ]. Aktuelle deutsche Daten mit einer prospektiven [268 ] und mehreren retrospektiven Studien [269 ]
[270 ] zeigen eine Zunahme der Resistenz gegenüber Cephalosporinen der 3. Generation. Hierbei
ist allerdings zu beachten, dass diese Studien in hohem Anteil vortherapierte Patienten
und Patienten mit nosokomial-erworbener SBP eingeschlossen haben [268 ]
[269 ]
[270 ]. Bei Unterscheidung von Patienten mit ambulant-erworbener SBP, vortherapierten Patienten
und Patienten mit nosokomial-erworbener SBP [271 ]
[272 ]
[273 ] zeigen neuere Studien eine Resistenz von 7,1 % gegenüber Drittgenerations-Cephalosporinen
in der ambulanten Situation [274 ]. Auch in Deutschland zeigt sich eine Zunahme der Resistenzraten gegenüber Drittgenerations-Cephalosporinen
bei E. coli und Gram-negativen Enterobakterien. Generell sind diese jedoch noch so
niedrig, dass bei der unkomplizierten ambulant-erworbenen SBP eine Therapie mit Cephalosporinen
der 3. Generation empfohlen werden kann [275 ]
[276 ]
[277 ]
[278 ].
Ein Unterschied in der Wirksamkeit zwischen einer hohen (4-mal 2 g i. v.) und einer
niedrigen (2-mal 2 g i. v.) Cefotaximdosis konnte nicht gezeigt werden. Aus pharmakokinetischen
Erwägungen ist jedoch der häufigeren Verabreichung von Cefotaxim (z. B. 3-mal 1 – 2 g
i. v.) oder Ceftriaxon mit deutlich längerer Halbwertszeit und 1-mal täglicher Gabe
(1-mal 2 g i. v.) der Vorzug bei der Behandlung der SBP zu geben.
Bei nosokomialer Situation muss zunehmend mit (multi-)resistenten Erregern der SBP
gerechnet werden, was mit einer deutlich erhöhten Mortalität assoziiert zu sein scheint
[263 ]
[264 ]. Insbesondere ist bei der in den letzten Jahren stark gestiegenen Chinolon-Resistenz
von E. coli die Möglichkeit der Resistenz gegen diese Antibiotika-Klasse zu beachten.
Resistenzen gegen Cephalosporine der 3. Generation sind zunehmend häufiger bei nosokomialer
oder komplizierter SBP, wobei auch hier als entscheidender Risikofaktor die Vortherapie
mit Antibiotika zu nennen ist [263 ]
[264 ]
[279 ]
[280 ]. Allerdings liegen keine prospektiven randomisierten Therapiestudien mit hoher Qualität
(zwei kleine Studien mit Limitationen) [281 ]
[282 ] zum Einsatz alternativer Antibiotikaregimes vor. In der einzigen randomisierten
prospektiven Studie zur Primärtherapie bei nosokomialer SBP zeigt sich kein klinischer
Nachteil für Patienten mit initialer Behandlung mit Drittgenerations-Cephalosporin,
wobei die Studie aufgrund der sehr kleinen Patientenzahl (n = 32; n = 16 pro Untersuchungsarm)
nur bedingt aussagefähig ist und ein strenges Eskalationsregime bei Therapieversagen
angewandt wurde [281 ].
Zusätzlich muss bei nosokomialer SBP neben einer Zunahme von intrinsisch Cephalosporin-resistenten
Enterokokken [269 ]
[270 ]
[283 ] vermehrt mit schwer therapierbaren Gram-positiven Erregern gerechnet werden (z. B.
MRSA und Vancomycin-resistente Enterokokken). Auch dies betrifft vornehmlich Patienten
mit Antibiotika-Vortherapie. So ist eine Chinolon-Prophylaxe bei Zirrhosepatienten
mit einem erhöhten Risiko einer MRSA-Besiedlung assoziiert [284 ]
[285 ].
Vergleichbar hohe Raten von Antibiotika-resistenten Erregern konnten in Studien aus
Deutschland nachgewiesen werden [268 ]
[269 ]. Daher sollte bei jeglicher Antibiotikatherapie von Patienten mit nosokomialer oder
komplizierter SBP die lokale Resistenzlage vor Ort und die Vortherapien Berücksichtigung
finden. Vorgeschlagen zur empirischen Therapie bei nosokomial erworbenen Infektionen
sind zum Zeitpunkt der Erstellung der Leitlinie in erster Linie Piperacillin/Tazobactam
(bei niedrigen Raten von Erregern mit Resistenzen gegen Drittgenerations-Cephalosporinen)
und Carbapeneme [263 ]
[264 ]. Dabei wird optional die empirische Gabe eines Glykopeptids additiv besonders vor
dem Hintergrund der Nephrotoxizität kontrovers diskutiert und sollte zurückhaltend
erfolgen. Ob der Einsatz von Piperacillin/Tazobactam aufgrund der Wirksamkeit bei
ampicillinsensiblen Enterokokken einen Vorteil gegenüber dem Einsatz eines Cephalosporins
der 3. Generation bietet, ist bisher nicht systematisch untersucht worden.
Nach Erhalt der Resistenztestung sollte die Antibiotikatherapie gezielt umgestellt
werden, und zwar auf ein Präparat, welches das Isolat mit möglichst schmalem Spektrum
und hoher antimikrobieller Aktivität erfasst.
Zur Therapie der Rekurrenz einer SBP unter Sekundärprophylaxe liegen keine prospektiv
randomisierten Studien vor. In diesem Zusammenhang sollten die obengenannten Empfehlungen
zur nosokomial erworbenen SBP angewendet werden.
Eine Behandlung mit Aminoglykosiden sollte wegen des hohen Risikos von additiver Nephrotoxizität
bei Patienten mit Leberzirrhose und SBP nach Möglichkeit vermieden werden. Dies gilt
insbesondere, wenn bereits eine eingeschränkte Nierenfunktion vorliegt, z. B. bei
HRS. Ferner scheint die Effektivität der SBP-Behandlung mit Aminoglykosiden ohnehin
geringer zu sein als mit β-Laktam-Antibiotika [286 ]
[287 ]
[288 ]. Patienten mit bekannter Penicillin-Allergie können mit geringem Kreuzallergie-Risiko
mit Cephalosporinen, solche mit Cephalosporin-Allergie ggf. mit Carbapenemen behandelt
werden. Gegenüber Chinolonen besteht bei Penicillinallergie keinerlei Kreuzallergie.
Der Erfolg der Antibiotikatherapie der SBP sollte klinisch sowie mittels diagnostischer
Kontrollpunktion des Aszites ca. 48 h nach Beginn der Therapie beurteilt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Durch die o. g. Antibiotika wird in etwa 90 % der Fälle eine Ausheilung der SBP erzielt.
Dies ist mit einem Abklingen bestehender Symptome und Verschwinden von Infektzeichen
(falls vorher vorhanden) begleitet. Allerdings sind diese Kriterien nicht zuverlässig.
Daher wird als Parameter für den Therapieerfolg die Kinetik der PMN-Zahl im Aszites
verwendet und eine Verlaufspunktion des Aszites nach 48 h Antibiotikatherapie empfohlen.
Hierbei gilt es zu betonen, dass die Höhe der peripheren Leukozytose nicht mit der
PMN-Zahl im Aszites und/oder deren Verlauf korreliert [289 ]. Als Kriterium für einen adäquaten Therapieerfolg wird ein Abfall der PMN-Konzentration
im Aszites positiv prädiktiv für das Ausbleiben einer Rezidiv-SBP genutzt [290 ]. Obwohl keine gezielte Untersuchung einen klaren minimalen Grenzwert für den Abfall
der PMN in der Verlaufspunktion des Aszites definiert hat, wurde vormals eine Abnahme
um wenigstens 25 % des Ausgangswerts als sinnvoll erachtet [54 ]. Dies beruht auf einer retrospektiven Beobachtung zur Halbwertszeit der PMN im Aszites
nach Einleitung einer Antibiotikatherapie bei Vorliegen einer SBP [291 ]. Ferner zeigte eine prospektive Evaluation, dass der prozentuale Abfall der PMN-Zahl
im Aszites nach 48 h einer Antibiotikabehandlung bei Patienten, welche überlebten,
mit 92 ± 9 % signifikant stärker ausfiel als bei Patienten, die verstarben (66 ± 38 %)
[292 ]. Im Falle einer klinischen Besserung und Nachweis eines PMN-Abfalls auf < 250/mm3 Aszites sollte die antibiotische Behandlung nach fünf Tagen beendet werden und eine
Sekundärprophylaxe (s. u.) eingeleitet werden. Eine Verlängerung der Behandlungsdauer
auf zehn Tage bringt in diesem Fall keinen Vorteil [293 ]. Sinkt die PMN-Zahl im Aszites in der Kontrollparazentese 48 h nach Beginn der Antibiotikatherapie
nicht um mindestens 25 % des Ausgangswerts ab, sollte die Behandlung modifiziert werden.
Ferner sollte jegliche klinische Verschlechterung im Verlauf der Therapie frühzeitig
Anlass zum Überdenken des Antibiotikaregimes geben. Dabei ist im Falle einer Kultur-positiven
SBP das Antibiogramm und in der empirischen Therapiesituation das Resistenzspektrum
vor Ort zu berücksichtigen. Ferner sollte das Vorliegen einer sekundären Peritonitis
differenzialdiagnostisch in dieser Situation betrachtet werden.
Begleitend zur antibiotischen Therapie soll die Gabe von Albumin intravenös am Tag
der Diagnosestellung und am dritten Tag nach Diagnosestellung durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Begleitend zur antibiotischen Therapie ist die Gabe von Albumin am Tag der Diagnosestellung
mit einer Dosis von 1,5 g/kg KG und am dritten Tag nach Diagnosestellung mit 1 g/kg
KG empfohlen [294 ]
[295 ]. Diese Empfehlung basiert auf randomisierten kontrollierten Studien (zwei europäische
und zwei asiatische RCT) und einer Metaanalyse. Zu beachten ist, dass die Albumindosis
zwischen den europäischen und asiatischen Studien variiert. Während die europäischen
Studien die obengenannte Dosis untersuchten, wurde in den asiatischen Studien in einer
Studie niedrigerer gewichtsunabhängiger Dosen (50 ml 20 % Albumin am ersten und dritten
Tag, entsprechend 0,14 g/kg KG für einen 70 kg schweren Patienten) bzw. niedriger
Dosen über einen längeren Zeitraum (0,5 – 1 g/kg KG in den ersten sechs Stunden und
anschließend jeden dritten Tag für 21 Tage) verwendet. Eine randomisierte Untersuchung
verglich die Standarddosis mit einer reduzierten Albumindosis (1,0 g/kg am Diagnosetag
und 0,5 g/kg am dritten Tag nach Diagnosestellung). Nach dieser Untersuchung ergaben
sich keine Unterschiede in Bezug auf das Auftreten einer Nierenfunktions-Einschränkung
(13,3 [2/24 Pat.] vs. 7,1 % [1/22 Pat.], p = 0,9) oder Mortalität (37,5 [9/24 Pat.]
vs. 36,4 % [8/22 Pat.], p = 0,9). Allerdings sind diese Daten nur als Kurzmitteilung
(Letter) publiziert und die Patientengruppen sind klein (n = 24 vs. n = 22) [296 ]. Daher wird aufgrund der robusteren Datenlage durch zwei RCT die Gabe von Albumin
am Tag der Diagnosestellung mit einer Dosis von 1,5 g/kg KG und am dritten Tag nach
Diagnosestellung mit 1 g/kg KG empfohlen.
In der wichtigsten randomisierten kontrollierten Studie mit europäischen Patienten
wurde die Gabe von Albumin in der obengenannten Dosis zusätzlich zu einer antibiotischen
Therapie bei Patienten mit einer spontan bakteriellen Peritonitis verglichen [294 ]. In der Gruppe mit Albumin- und Antibiotikatherapie kam es zu einem signifikant
niedrigeren Auftreten eines hepatorenalen Syndroms Typ I verglichen mit der Gruppe
mit Antibiotikatherapie ohne Albumingabe (10 vs. 33 %) [294 ]. Weiterhin konnte in dieser Studie eine signifikante Abnahme der Krankenhausmortalität
(10 vs. 29 %) und der Drei-Monats-Mortalität (22 vs. 41 %) in der Albumin-Antibiotikagruppe
verglichen zur Antibiotikagruppe beobachtet werden [294 ]. Die Therapie mit Albumin war besonders effektiv in der Hochrisikogruppe von Patienten
mit höherem Bilirubin (≥ 68 µmol/l [4 mg/dl]) und höherem Kreatinin (≥ 88 µmol/l [1 mg/dl]).
Inwieweit eine Albumingabe allen Patienten mit SBP oder nur in der Hochrisikogruppe
gegeben werden sollte, ist nicht eindeutig geklärt. Daten die eine Gabe nur in der
Hochrisikogruppe als vorteilhaft zeigen, liegen nur in Form einer Kurzmitteilung (Letter)
vor, sodass keine endgültige Empfehlung dazu gegeben werden kann [297 ].
Die Ergebnisse zur Albumingabe bei SBP wurden in einer Metaanalyse aus dem Jahr 2013
untersucht/zusammengefasst. In dieser Metaanalyse wurden im Wesentlichen die vier
obengenannten RCT inkorporiert. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Verbesserung
der Nierenfunktion in der Gruppe der Patienten mit Gabe von Albumin und Antibiotika
verglichen mit der Gruppe von Patienten mit ausschließlicher Therapie mit Antibiotika
(OR 0,21 [CI 0,11 – 0,42]) [298 ]. In der Metaanalyse konnte auch ein Vorteil im Überleben mit längeren Überlebenszeiten
in der Gruppe der Patienten mit Albumingabe gezeigt werden (OR 0,34 [CI 0,19 – 0,60]).
Eine weitere randomisierte Studie beschäftigte sich mit der Frage der Gabe eines Plasmaexpanders
anstelle von Albumin [295 ]. Die Ergebnisse zeigen, dass die positiven Effekte auf die Systemzirkulation (Anstieg
der Blutdruckes, Anstieg des rechts-atrialen Druckes, Anstieg des systolischen Volumens,
Anstieg der Herzleistung und Anstieg des peripheren Gefäßwiderstandes) nur in der
Gruppe mit Albumingabe vorhanden waren [295 ]. Im Gegensatz dazu zeigten die Patienten in der Gruppe des Plasmaexpanders keine
relevanten Veränderungen der Systemhämodynamik. Es wird daher von einem Ersatz des
Albumins durch einen Plasmaexpander abgeraten.
3.4 Sekundärprophylaxe und Nachsorge der SBP
Nach erfolgreicher Therapie einer SBP soll eine Sekundärprophylaxe mittels Norfloxacin
400 mg pro Tag erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Alternativen zu Norfloxacin in der Sekundärprophylaxe stellen Rifaximin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol
oder Ciprofloxacin dar.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei Patienten mit durchgemachter SBP sollte die Indikation zur Lebertransplantation
geprüft werden.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die Wahrscheinlichkeit des erneuten Auftretens einer SBP nach Erstmanifestation ohne
Einleitung einer Prophylaxe beträgt bis zu 69 % innerhalb eines Jahres [227 ]. Das höchste Risiko der Rekurrenz wiesen in dieser Studie Patienten mit einem Aszitesprotein
≤ 10 g/l und/oder einem Quick-Wert ≤ 45 % auf [227 ]. Insgesamt liegen aktuell vier kontrollierte Studien vor, welche die Wirksamkeit
einer sekundären antibiotischen Prophylaxe prospektiv, kontrolliert, ausschließlich
an einem Patientenkollektiv mit durchgemachter SBP untersucht haben. Dabei liegt nur
eine Placebo-kontrollierte Studie vor, welche durch den Einsatz von Norfloxacin (400 mg/Tag)
die Einjahreswahrscheinlichkeit eines SBP-Rezidivs von 68 % in der Placebo-Gruppe
auf 20 % in der Verumgruppe signifikant senken konnte [226 ].
Drei weitere randomisierte Studien verglichen den Einsatz einer antibiotischen Sekundärprophylaxe
gegen den Standard Norfloxacin unter unverblindeten [299 ]
[300 ] oder einfach verblindeten [301 ] Bedingungen. Bauer et al. [299 ] verglichen den täglichen Einsatz von Rufloxacin (400 mg/Woche) mit dem von Norfloxacin
(400 mg/Tag) ohne signifikante Unterschiede in der Einjahreswahrscheinlichkeit eines
SBP-Rezidivs (36 % unter Rufloxacin vs. 26 % unter Norfloxacin, n. s.). Allerdings
zeigten sich unter einer nur einmal wöchentlichen Rufloxacin-Gabe signifikant mehr
SBP-Fälle durch Enterobacteriaceae (22 vs. 0 %). Mostafa et al. [301 ] verglichen Rifaximin (800 mg/Tag) mit Norfloxacin (400 mg/Tag) und beobachteten
eine SBP-Rekurrenz bei 0 % der Patienten mit Rifaximin versus 17 % der Patienten mit
Norfloxacin innerhalb des Beobachtungszeitraumes von sechs Monaten (p = 0,01). In
der bislang größten Studie in der Sekundärprophylaxe der SBP untersuchten Elfert et
al. [300 ] die Wirksamkeit von Rifaximin (1200 mg/Tag) im Vergleich zu Norfloxacin (400 mg/Tag).
Innerhalb von sechs Monaten entwickelten 4 % der mit Rifaximin behandelten Patienten
im Vergleich zu 14 % der mit Norfloxacin Patienten eine erneute SBP (p = 0,04). Primärer
Endpunkt dieser vier kontrollierten Studien war das Wiederauftreten einer SBP und
nicht Mortalität. Obwohl auf Nicht-Unterlegenheit von Rifaximin gegenüber Norfloxacin
in der Effektivität der SBP-Rezidivprophylaxe angelegt, zeigte sich in der Studie
von Elfert et al. [300 ] für den sekundären Endpunkt Sechs-Monats-Mortalität ein Vorteil von Rifaximin (14 %)
gegenüber Norfloxacin (24 %; p = 0,04).
Insgesamt sechs weitere Interventionsstudien untersuchten die Wirksamkeit von Ciprofloxacin
[230 ], Trimethoprim-Sulfamethoxazol [261 ]
[262 ]
[302 ], Rifaximin [303 ] oder Norfloxacin [304 ] zur Verhinderung einer SBP, schlossen jedoch Patienten mit und ohne stattgehabte
SBP ein.
Obwohl die randomisierte, adäquat gepowerte Studie von Elfert et al. [300 ] eine Überlegenheit von Rifaximin gegenüber Norfloxacin in der Sekundärprophylaxe
suggeriert, lassen i) das monozentrische, unverblindete Design, ii) der Ausschluss
von Patienten mit hepatischer Enzephalopathie, iii) die erhobene, jedoch nicht berichtete
Therapieadhärenz und iv) das gewählte Dosierungsschema eine generelle Empfehlung als
Erstlinientherapie in der Sekundärprophylaxe derzeit noch nicht zu. An dieser Aussage
ändern auch i) das zuletzt erschienene Review mit Zusammenfassung aller Rifaximin-Daten
im Vergleich zu Norfloxacin, welches zumindest keine Unterlegenheit für Rifaximin
nahelegt [305 ] wie auch ii) die erwähnte Metaanalyse [306 ] mit Subgruppen-Analyse zur Effektivität von Rifaximin in der Sekundärprophylaxe
und Zusammenfassung der beiden genannten Studien [300 ]
[301 ] (mit berichteter OR 0,2, 95 % KI 0,07 – 0,59) nichts, da die Metaanalyse die Schwächen
der einzelnen Datensets nicht ausgleichen kann. Aktuell scheint jedoch ein alleiniger
Einsatz bei Patienten, die eine SBP durchgemacht haben und Rifaximin zur Rezidivprophylaxe
einer hepatischen Enzephalopathie erhalten und bei Patienten mit Kontraindikationen
zur Chinolontherapie und ggf. bei Patienten, bei denen Chinolonresistenzen unter Norfloxacintherapie
auftreten, aufgrund der positiven Studienergebnisse gerechtfertigt.
Die sinnvolle Dauer einer antibiotischen Prophylaxe zur Verhinderung eines SBP-Rezidivs
wurde bisher in keiner prospektiven Studie ausreichend evaluiert. Allerdings erscheint
aufgrund des erhöhten Risikos der Selektion resistenter Keime eine zeitliche Limitierung
sinnvoll, z. B. dann, wenn eine Verbesserung der Child-Pugh-Klasse und/oder Resolution
des Aszites erreicht wird.
4 Hepatorenales Syndrom
4.1 Definitionen
Das hepatorenale Syndrom (HRS) ist definiert als potenziell reversible Nierenfunktionsstörung
bei Patienten mit Leberzirrhose und Aszites oder bei Patienten mit alkoholischer Steatohepatitis.
Es werden zwei Formen unterschieden [307 ]:
HRS Typ I ist charakterisiert durch rasches Nierenversagen, definiert als Verdoppelung
des Serumkreatinins auf über 2,5 mg/dl (226 mmol/l) in weniger als zwei Wochen.
HRS Typ II ist oft mit refraktärem Aszites vergesellschaftet und zeigt ein moderates
Nierenversagen mit Serumkreatininwerten zwischen 1,5 und 2,5 mg/dl (133 bis 226 mmol/l)
bei stabilem oder langsam fortschreitendem Verlauf.
Zirrhose mit Aszites (oder alkoholische Steatohepatitis)
Serumkreatinin > 1,5 mg/dl (> 133 mmol/l).
Keine Besserung des Serumkreatinins auf Werte < 1,5 mg/dl nach mindestens zweitägiger
Pausierung aller Diuretika und Volumenexpansion mit Albumin. Die empfohlene Albumindosierung
beträgt 1 g/kg Körpergewicht pro Tag bis zu einem Maximum von 100 g/Tag.
Ausschluss eines Schockgeschehens
Keine laufende oder kürzlich erfolgte Therapie mit nephrotoxischen Medikamenten.
Ausschluss einer parenchymatösen Nierenerkrankung (keine Proteinurie > 500 mg/Tag
und
unauffälliges Urinsediment und keine Mikrohämaturie > 50 Erythrozyten/HPF und unauffällige
Nierensonografie).
Akute Nierenschädigung (Acute Kidney Injury, AKI) umfasst alle Ursachen einer Nierenfunktionsverschlechterung
gemessen an einem Anstieg des Serumkreatinins über 50 % des Ausgangswertes innerhalb
einer Woche oder einem Anstieg ≥ 26,4 µmol/l (≥ 0,3 mg/dl) innerhalb 48 h. Chronische
Nierenerkrankung ist definiert durch eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) < 60 ml/min
berechnet mit der Modification of Diet in Renal Disease 6 (MDRD6)-Formel, bestehend
über mindestens drei Monate. Akut auf chronische Nierenschädigung ist definiert als eine akute Nierenschädigung bei vorbestehender Nierenerkrankung,
definiert durch die Kombination der o. g. diagnostischen Kriterien.
Kommentar
Ein Nierenversagen kann aufgrund der niedrigen Muskelmasse von Patienten mit Leberzirrhose
auch bei einem niedrigeren Kreatinin vorliegen. Im klinischen Alltag soll deshalb
bei raschem Anstieg des Serumkreatinins oder signifikantem Abfall der Diurese bereits
vor Erreichen der o. g. Grenzwerte eine rasche Diagnostik und gegebenenfalls therapeutische
Intervention erfolgen. Die neuen diagnostischen Kriterien sollen Nierenfunktionsstörungen
bei Patienten mit Leberzirrhose früher erkennen lassen und durch eine frühzeitige
Behandlung zu einer verbesserten Prognose führen [308 ]
[309 ].
4.2 Nierenversagen bei Leberzirrhose
Nierenversagen ist die häufigste Manifestation (> 50 %) eines Akut-auf-chronischen
Leberversagens.
Starker Konsens
Akut-auf-chronisches Leberversagen ist mit einer erhöhten Mortalität verbunden und
der CLIF-C ACLF-Score erlaubt diesbezüglich eine exaktere Prognose als MELD, MELD-Na
und Child-Pugh-Score.
Starker Konsens
Bei akuter Dekompensation einer chronischen Lebererkrankung kann Cystatin C im Serum
oder Plasma zur Beurteilung eines AKI bzw. der Prognose bestimmt werden.
Empfehlung offen, Konsens
Kommentar
In einer richtungsweisenden, prospektiven Europäischen multizentrischen Studie [310 ] an über 1300 Patienten mit Leberzirrhose/fortgeschrittener chronischer Lebererkrankung
konnte gezeigt werden, dass ein ACLF selbst bei gut erhaltener Leberfunktion auftreten
kann und vor allem durch extrahepatische Organversagen determiniert wird. Als akute
Auslöser werden vor allem entzündliche Prozesse postuliert. Eine rasche Verschlechterung
ist mit einer hohen Mortalität verbunden, es wurde jedoch auch das Potenzial zur Reversibilität
demonstriert. Mit 56 % lag in dieser Studie das Nierenversagen (definiert an einem
Serumkreatinin zwischen 1,5 und 1,9 mg/dl) an erster Stelle der Organkomplikationen.
Aus diesen Daten wurde der sogenannte „CLIF-C ACLF-Score“ ermittelt [311 ], welcher sich in seiner Aussagekraft bezüglich der Mortalität hinsichtlich anderer
etablierter Klassifikationen überlegen zeigte.
Dies konnte inzwischen auch in mehreren externen Kohortenstudien validiert werden
[312 ]
[313 ].
Gegenüber dem Serumkreatinin, welches insbesondere bei kachektischen Patienten mit
fortgeschrittener Lebererkrankung häufig verspätet eine akute Nierenschädigung erkennen
lässt, weist Cystatin C eine höhere Sensitivität auf [314 ]. Zudem zeigen aktuelle Studien, dass Cystatin C ein geeigneter Biomarker für die
Vorhersage von Nierenschädigung, hepatorenalem Syndrom, Akut-auf-chronischem Leberversagen
und der kurzfristigen Mortalität von Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose ist
[315 ]
[316 ]
[317 ].
4.3 Albumingabe bei HRS
Die intravenöse Albumingabe zum Ausschluss eines Volumenmangels bzw. zur Sicherung
der Diagnose eines hepatorenalen Syndroms sollte in einer Dosierung von 1 g pro kg
Körpergewicht, bis maximal 100 g/Tag über zwei Tage erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Die Kombinationsbehandlung aus Albumininfusion 20 – 40 g/Tag und Vasokonstriktortherapie
ist Therapie der ersten Wahl bei hepatorenalem Syndrom.
Die fortgesetzte alleinige Albumininfusion soll nicht durchgeführt werden. Andere
Plasmaexpander können in dieser Indikation aufgrund der unzureichenden Datenlage auch
weiterhin nicht empfohlen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Während in der ersten Fassung der diagnostischen Kriterien des HRS u. a. das fehlende
Ansprechen auf Volumenexpansion mit 1,5 l isotoner Kochsalzlösung gefordert wurde
[183 ], wurde dies in der Revision durch die Volumenexpansion mit Humanalbumin in einer
Dosierung von 1 g pro kg Körpergewicht bis zu einem Maximum von 100 g pro Tag über
zwei Tage geändert [307 ]. Hintergrund war die pathophysiologische Überlegung, dass isotone Kochsalzlösung
bei Patienten mit HRS rasch in die Peritonealhöhle filtriert wird und somit eine Erhöhung
des zentralen Blutvolumens schlechter möglich ist als mit Albumin. Auch in der aktualisierten
Empfehlung des International Club of Ascites wird sich für dieses Vorgehen ausgesprochen,
sofern ein Absetzen aller Diuretika und potenziell nephrotoxischen Medikamente nicht
zu einer Stabilisierung der Nierenfunktion führt [172 ].
In mehreren kontrollierten Studien zum Nutzen von Terlipressin wurden die Patienten
im Kontrollarm mit Albumininfusionen behandelt [318 ]
[319 ]
[320 ]
[321 ]. Hierbei kam es in einer Studie bei keinem der ausschließlich mit Albumin behandelten
Patienten zu einem Ansprechen und alle Patienten aus dem Kontrollarm waren an Tag
15 zum Studienende verstorben [318 ]. Bessere Ansprechraten ergaben sich in den Kontrollarmen der Studien von Sanyal
et al. (komplettes Ansprechen bei 13 %) [319 ], Martin-Llahí M et al. (Besserung der Nierenfunktion bei 9 %) [320 ] und Neri et al. (komplettes Ansprechen bei 19 %, partielles Ansprechen bei 16 %)
[321 ].
Zusammenfassend führt die alleinige Albumininfusion somit nur bei wenigen Patienten
mit HRS zu einer Besserung der Nierenfunktion.
Die Frage, ob eine Albumininfusion zusätzlich zur Terlipressingabe erforderlich ist,
wurde in einer Fall-Kontroll-Studie an Patienten mit HRS Typ I oder II untersucht
[322 ]. In dieser Studie wurde bei 13 Patienten, die Terlipressin mit Albumin erhielten,
ein Abfall der Serumkreatininkonzentration von 3,6 ± 0,5 mg/dl auf 1,5 ± 0,2 mg/dl
zum Studienende beobachtet, wohingegen die mittlere Kreatininkonzentration bei acht
Patienten, die nur Terlipressin erhielten, weitgehend konstant blieb (3,4 ± 0,3 mg/dl
vs. 3,4 ± 0,7 mg/dl). Hieraus kann gefolgert werden, dass der Effekt der Vasokonstriktortherapie
mit Terlipressin durch die regelmäßige Albumininfusion signifikant verbessert werden
kann.
Lediglich eine Fallserie zum Einsatz von Gelatinepolysuccinat in Kombination mit Terlipressin
[323 ] zeigte eine Verbesserung der Nierenfunktion bei 5 von 7 Patienten mit HRS Typ I
oder II. Hierbei kam es zu einem Abfall der mittleren Serumkreatininkonzentration
von 3,9 ± 0,4 mg/dl auf 1,9 ± 0,3 mg/dl. Direkte Vergleichsstudien zwischen Albumin
und synthetischen Plasmaexpandern existieren für Patienten mit HRS nicht, sodass eine
Gleichwertigkeit zur Albumininfusion nicht belegt ist. Gerade bei sehr schlechter
Nierenfunktion sollte die Gabe von Hydroxyäthylstärke aber mit größter Zurückhaltung
betrieben werden, da sie insbesondere bei septischen Patienten zu einem akuten Nierenversagen
führen kann [324 ].
4.4 Vasokonstriktoren bei HRS
Sofern keine Kontraindikationen vorliegen, sollen Patienten mit hepatorenalem Syndrom
Typ I mit Terlipressin und Albumin behandelt werden, da dies das kurzfristige Überleben
signifikant verbessert.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Diese Therapie soll mit einer Terlipressindosis von 2 – 4 mg/Tag begonnen werden und
über einen Zeitraum von mindestens 3 Tagen durchgeführt werden. Terlipressin soll
maximal in einer Dosis von 12 mg/Tag eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Statt einer wiederholten Bolusapplikation kann Terlipressin beim hepatorenalen Syndrom
auch als kontinuierliche Infusion verabreicht werden (initiale Dosis 3 mg über 24
Stunden).
Empfehlung offen, starker Konsens
Ein Nutzen dieser Therapie für Patienten mit HRS Typ II ist bislang nicht klar belegt,
deswegen sollten diese Patienten analog zu Patienten mit refraktärem Aszites behandelt
werden.
Empfehlung, starker Konsens
Unter intensivmedizinischem Monitoring kann bei hepatorenalem Syndrom auch zunächst
ein Therapieversuch mit kontinuierlicher Noradrenalin-Gabe gemacht werden. Für andere
Vasokonstriktoren ist ein Nutzen beim hepatorenalen Syndrom nicht belegt.
Empfehlung offen, starker Konsens
Wird aus anderer Indikation eine kontinuierliche Noradrenalin-Gabe durchgeführt, soll
keine additive Terlipressingabe erfolgen.
Starke Empfehlung, Konsens
Kommentar
Der Nutzen der Vasokonstriktortherapie, insbesondere mit Terlipressin, ist durch zahlreiche
Studien belegt und mittlerweile in drei Metaanalysen bestätigt [325 ]
[326 ]
[327 ]. In der Analyse von Fabrizi et al. flossen 5 Studien ein, in denen je 126 Patienten
mit HRS entweder mit Terlipressin oder Placebo behandelt wurden. Es zeigte sich eine
signifikante Verbesserung der Nierenfunktion mit Terlipressin (OR 8,09 95 % CI 3,52 – 8,59),
ischämische Nebenwirkungen traten häufiger auf (OR 2,91 95 % CI 1,09 – 7,72), ein
Überlebensvorteil wurde nicht beobachtet (OR 2,06 95 % CI 0,94 – 4,54). Eine weitere
Metaanalyse [326 ] fasste zehn Studien zusammen, in denen 188 Patienten mit HRS mit Vasokonstriktoren
(Terlipressin, Midodrin + Octreotid und Noradrenalin) und 190 ausschließlich mit Albumin
behandelt wurden. Es fand sich eine reduzierte Mortalität bei allen Vasokonstriktoren
vs. Albumin (OR 0,82 95 % CI 0,70 – 0,96), in der Subgruppenanalyse nur an Tag 15,
nicht jedoch nach 30, 90 oder 180 Tagen. Stratifiziert nach der Art der Behandlung
ergab sich eine reduzierte Mortalität nur bei Terlipressin (OR 0,81 95 % CI 0,68 – 0,97).
Die Metaanalyse von Sagie et al. wertete vier Studien aus, in denen ausschließlich
Patienten mit HRS Typ 1 behandelt wurden, davon erhielten 111 Terlipressin und 112
Placebo plus Albumin. Es zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Nierenfunktion
unter Terlipressin (OR 3,66 95 % CI 2,15 – 6,23); schwere Nebenwirkungen bei 6,8 %
und ein tendenzieller Überlebensvorteil an Tag 90 (OR 1,86 95 % CI 1,0 – 3,4).
Aufgrund der geringen Zahl an Patienten mit HRS Typ II, die in kontrollierten Studien
untersucht wurden, kann auch in Anbetracht der signifikanten Nebenwirkungen für diese
Patienten derzeit keine Therapieempfehlung ausgesprochen werden. Für Patienten mit
HRS Typ I scheint nach mindestens dreitägiger Terlipressingabe die kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit
verbessert, was für Patienten auf der Transplantationswarteliste relevant sein kann.
Dass die kontinuierliche Gabe von Terlipressin [328 ] der intermittierenden Bolusgabe hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils überlegen
ist, konnte unlängst in einer prospektiven randomisierten Studie gezeigt werden [329 ].
Bezüglich anderer Vasokonstriktoren kann lediglich für Noradrenalin eine Empfehlung
ausgesprochen werden [330 ], welches in einer Metaanalyse eine vergleichbare Erfolgsrate zeigte wie Terlipressin.
Die Verabreichung von Noradrenalin sollte jedoch nur auf Intensivtherapiestationen
erfolgen. Für Midodrin plus Octreotid kann derzeit aufgrund der sehr niedrigen Fallzahlen
keine eindeutige Empfehlung ausgesprochen werden.
Die Kontrolle des Ansprechens auf die Vasokonstriktortherapie erfolgt klinisch (Zunahme
der Diurese) und laborchemisch (Abfall des Serumkreatinins). Zeigt sich innerhalb
von drei Tagen kein Ansprechen, sollte die Terlipressindosis stufenweise auf die Höchstdosis
von 12 mg gesteigert werden. Fehlendes Ansprechen auf diese Dosis macht einen Therapieerfolg
unwahrscheinlich. Zeigt sich ein Ansprechen auf die Vasokonstriktortherapie, sollte
bis zu einer Normalisierung der Nierenfunktion, zumindest aber bis zum Erreichen eines
Serumkreatinins < 1,5 mg/dl behandelt werden. Wichtig ist in jedem Fall die Kombination
der Therapie mit Albumininfusionen [322 ].
4.5 TIPS bei HRS
Die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) sollte
bei allen Patienten mit HRS erwogen werden.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Nach TIPS-Anlage wird eine Verbesserung der Nierenfunktion bei Patienten mit refraktärem
Aszites beobachtet [331 ]
[332 ]. In bislang vier prospektiven unkontrollierten Studien wurde der Effekt des TIPS
auf die Nierenfunktion bei Patienten mit HRS untersucht [197 ]
[333 ]
[334 ]
[335 ]. In der ersten Studie wurden sieben Patienten mit HRS Typ I (Serumkreatinin 2,7 – 7,9 mg/dl,
Bilirubin 0,8 – 19 mg/dl) einer TIPS-Anlage unterzogen. Eine Verbesserung der Nierenfunktion
wurde bei sechs von sieben Patienten bereits nach sieben Tagen beobachtet. Bei diesen
sechs Patienten kam es bis Tag 30 nach TIPS zu einem weiteren, deutlichen Abfall des
Kreatinins auf 1,8 ± 0,8 mg/dl (vs. 5,0 ± 0,8 mg/dl vor TIPS). Das mediane Überleben
dieser Patienten betrug 4,7 ± 2,0 Monate.
Eine weitere Kohorte [197 ] umfasste 41 Patienten, davon 21 mit HRS Typ I und 20 mit HRS Typ II. 14 Patienten
mit HRS Typ I (66 %) und 17 mit HRS Typ II (85 %) wurden einer TIPS-Anlage unterzogen,
die restlichen Patienten wurden wegen Kontraindikationen (Bilirubin ≥ 15 mg/dl, Child-Pugh
Score > 12 Punkte oder spontane hepatische Enzephalopathie) nicht mit einem TIPS versorgt
und der spontane Krankheitsverlauf beobachtet. Bei 24 von 31 Patienten zeigte sich
eine Verbesserung der Nierenfunktion mit Mobilisierung des Aszites, was mit einer
signifikanten Verlängerung des Überlebens verbunden war (50 % vs. 0 % nach zwölf Monaten).
Das Überleben von Patienten mit HRS Typ II nach TIPS-Anlage war signifikant besser
als das von Patienten mit HRS Typ I (59 vs. 14 % nach zwölf Monaten). In einer Multivarianzanalyse
wurden das Serumbilirubin und der Child-Pugh Score vor TIPS, nicht aber das Serumkreatinin
als Prädiktoren für das Überleben identifiziert.
In einer weiteren Studie wurden 14 Patienten mit HRS Typ I zunächst medikamentös mit
Midodrin und Octreotid behandelt. Vier Non-Responder verstarben, von den zehn Respondern
erhielten fünf einen TIPS. Alle fünf Patienten zeigten eine kontinuierliche Verbesserung
der Nierenfunktion über einen Verlauf von sechs bis 30 Monaten, wobei ein Patient
im Beobachtungszeitraum lebertransplantiert wurde.
Bei 18 Patienten mit HRS Typ II wurde sowohl eine Verbesserung der Nierenfunktion
als auch eine komplette (acht Patienten) oder partielle Mobilisierung (zehn Patienten)
des Aszites berichtet. Angaben zum medianen Überleben fehlen jedoch in dieser Studie
[335 ].
Zusammenfassend führt die Anlage eines TIPS sowohl bei Patienten mit HRS Typ I als
auch Typ II zu einer (längerfristigen) Verbesserung der Nierenfunktion und dadurch
möglicherweise auch zu einer Überlebensverlängerung. Kontraindikationen, wie eine
vorbestehende Enzephalopathie ≥ Grad 2 oder eine eingeschränkte Leberfunktion (Bilirubin
> 3 – 5 mg/dl) müssen jedoch beachtet werden.
4.6 Nieren- und Leberersatzverfahren bei HRS
Da Nierenersatzverfahren allein die Prognose bei HRS nicht verbessern, können sie
bei Vorliegen von Dialysekriterien vor allem als Überbrückung bis zur Lebertransplantation
eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Die extrakorporale Albumindialyse hat keinen Einfluss auf Nierenfunktion und Überleben
bei Patienten mit HRS. Leberersatzverfahren sollten daher bei Patienten mit HRS nur
im Rahmen kontrollierter Studien zum Einsatz kommen.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Zum möglichen Nutzen von intermittierender Hämodialyse bzw. kontinuierlicher Hämofiltration
existiert lediglich eine Outcome-Research Studie [336 ]. In dieser Studie war das mediane Überleben unter Nierenersatztherapie 21 Tage.
Neben Parametern der Leberfunktion war in einer Multivarianzanalyse die mechanische
Beatmung ein unabhängiger Prädiktor für eine frühe Sterblichkeit. Die Autoren schlussfolgern,
dass durch intermittierende Hämodialyse Patienten mit HRS bis zur Lebertransplantation
überbrückt werden können, bei Patienten mit zusätzlicher respiratorischer Insuffizienz
Nierenersatzverfahren aber sinnlos sind.
In einer prospektiven, randomisierten Studie wurde die extrakoporale Albumindialyse
(MARS® ) in Kombination mit Hämodiafiltration bei 8 Patienten mit der medikamentösen „Standardtherapie“
plus Hämodiafiltration bei 5 Patienten verglichen [337 ]. Keiner der Patienten erhielt einen TIPS oder Vasokonstriktoren. Die Kaplan-Meier-Analyse
ergab einen signifikanten Überlebensvorteil bis Tag 30 bei Abfall des Serumkreatinins
unter laufender Behandlung mit MARS. In einer neueren Untersuchung [338 ] wurden sechs Patienten mit HRS Typ I, die auf eine Therapie mit Vasokonstriktoren
plus Albumin nicht angesprochen hatten, einer fünftägigen Behandlung mit MARS unterzogen.
Hierbei konnte keine Verbesserung von renalem Blutfluss, glomerulärer Filtrationsrate
oder Diurese gezeigt werden. Entsprechend konnte in einer prospektiven kontrollierten
Studie zur Behandlung mit MARS bei Patienten mit Akut-auf-chronischem-Leberversagen
kein Überlebensvorteil nachgewiesen werden [339 ].
Auch unter dem extrakorporalen Leberunterstützungsverfahren Prometheus® zeigte sich eine temporäre Besserung der Nierenfunktionswerte [340 ]. Eine randomisierte kontrollierte Studie konnte keine Überlebensverlängerung für
das Gesamtkollektiv der Patienten mit Akut-auf-chronischem-Leberversagen nachweisen,
in einer Subgruppenanalyse war das Überleben von Patienten mit HRS Typ I oder einem
MELD-Score über 30 durch die Behandlung mit Prometheus allerdings signifikant verlängert
[341 ].
Zusammenfassend senken extrakorporale Leberunterstützungsverfahren die Serumkonzentration
harnpflichtiger Substanzen. Sie haben jedoch keinen langfristigen Einfluss auf die
renale Hämodynamik und Diurese bei Patienten mit HRS. Leberersatzverfahren sollten
daher derzeit bei Patienten mit HRS nur im Rahmen kontrollierter Studien zum Einsatz
kommen.
4.7 Lebertransplantation bei HRS
Die Lebertransplantation ist die einzige potenziell kurative Therapie des HRS und
soll bei geeigneten Patienten angestrebt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Auch bei beabsichtigter Lebertransplantation sollten Albumin und Terlipressin verabreicht
werden, da Patienten mit Niereninsuffizienz bei Transplantation eine deutlich schlechtere
postoperative Prognose haben.
Empfehlung, starker Konsens
Bei Patienten mit HRS und einer längerdauernden Dialysepflichtigkeit sollte die Indikation
zur Leber- und Nierentransplantation erwogen werden.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Da die eingeschränkte Leberfunktion mit ihren Folgen die Ursache des hepatorenalen
Syndroms ist, stellt die Lebertransplantation die einzige kausale Therapie dar. Nach
Normalisierung der Leberfunktion sowie der durch die zirrhotische Leber gestörten
Physiologie und Hämodynamik kann es nach Lebertransplantation zu einer deutlichen
Besserung oder Normalisierung der Nierenfunktion bei einem Patienten mit HRS kommen
[342 ].
Bei Patienten, die im Zustand eines HRS transplantiert werden, kommt es jedoch in
der perioperativen Situation vorübergehend sogar zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion,
bedingt durch das operative Trauma, eine weitere Nierenschädigung im Rahmen des Ischämie/Reperfusions-Syndroms
der Leber, einer perioperativen Flüssigkeitsrestriktion (zur Erreichung eines niedrigen
ZVDs) sowie der postoperativen Immunsuppression mit nephrotoxischen Medikamenten (wie
z. B. Calcineurin-Inhibitoren). Diese problematischen Aspekte sollen daher perioperativ
im Management berücksichtigt werden (z. B. Flüssigkeitsmanagement, Art/Dosis der Immunsuppression
etc.).
Da das HRS oft ein Zeichen einer Dekompensation der Leberzirrhose darstellt, ist es
ein indirekter Parameter, der auf eine ungünstige Ausgangssituation der Transplantation
hinweist. In der Tat ist das Überleben nach Transplantation direkt beeinflusst durch
die präoperative Nierenfunktion [343 ]
[344 ].
Das Kreatinin stellt einen der drei Parameter dar, aus denen sich der MELD-Score errechnet.
Dieser Score diente ursprünglich zur Abschätzung des Überlebens von Patienten mit
Leberzirrhose ohne Transplantation. Der MELD-Score wird inzwischen in vielen Ländern
(und auch in Deutschland) als Basis der Organallokation zur Lebertransplantation (d. h.
zur Zuteilung von Organen verstorbener Organspender) angewendet. Da die „klinische
Dringlichkeit“ bei der Allokation im Vordergrund steht, bedeutet dies, dass nur Patienten
mit hohem MELD-Score (i. d. R. über 30) die Chance haben, ein Organ alloziert zu bekommen.
Dies sind häufig Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion oder einem HRS.
Eine Stabilisierung der Nierenfunktion durch konservative Maßnahmen führt daher in
vielen Fällen zu einer deutlichen Stabilisierung des Patienten – aber auch dazu, dass
der MELD-Score wieder abfällt, und der Patient damit eine deutlich geringere Chance
hat, ein Organangebot zu erhalten. Andererseits führt eine Verbesserung der Nierenfunktion
vor Transplantation zu einer geringeren postoperativen Morbidität und Mortalität [345 ]. Ein Unterlassen konservativer Maßnahmen zur Stabilisierung der Nierenfunktion vor
Lebertransplantation kann daher nicht empfohlen werden, insbesondere weil ein hoher
MELD-Score nicht zwangsläufig zu einem raschen Organangebot führt. Da der für eine
Transplantation erforderliche MELD-Score in Deutschland aufgrund des Spendermangels
höher ist als in anderen Ländern, sind die Ergebnisse auch schlechter, d. h. die Mortalität
ist höher. Falls bei einem solchen Lebertransplantationskandidaten die Notwendigkeit
zu einer Nierentransplantation gesehen wird, soll bei Vorliegen eines HRS und einer
glomerulären Filtrationsrate < 15 ml/min die Nierentransplantation sequenziell nach
erfolgreicher Lebertransplantation und nicht simultan erfolgen [346 ]. Eine Indikation zu einer zusätzlichen Nierentransplantation sollte in folgenden
Situationen erwogen werden: länger bestehendes Nierenversagen mit der Notwendigkeit
zum Einsatz von Nierenersatzverfahren (da dann die Wahrscheinlichkeit einer Erholung
der Nierenfunktion von Patienten mit HRS nach Lebertransplantation reduziert ist).
Dies ist in Anlehnung an die Empfehlungen der UNOS [347 ] gegeben bei Dialysepflichtigkeit von ≥ sechs Wochen und/oder organischem Nierenversagen.
Für eine sequenzielle Transplantation erhalten die gelisteten Patienten nach erfolgreicher
alleiniger Lebertransplantation 500 Zusatzpunkte im Zeitraum von Tag 90 bis Tag 360,
sofern sie eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) von < 15 ml/min aufweisen.
5 Hepatischer Hydrothorax und hepatopulmonales Syndrom
5 Hepatischer Hydrothorax und hepatopulmonales Syndrom
5.1 Einleitung
Grundsätzlich können pathophysiologisch pulmonale Beeinträchtigungen bei Leberkranken
folgendermaßen unterteilt werden:
Pulmonalvaskuläre Erkrankungen (Hepatopulmonales Syndrom, portopulmonale Hypertonie)
Veränderungen des Lungenparenchyms (COPD, interstitielle Lungenerkrankungen etc.)
extrapulmonale Beeinträchtigung der Ventilation (Aszites, hepatischer Hydrothorax)
Im Rahmen der vorliegenden Leitlinie werden neben dem Aszites der hepatische Hydrothorax
und das hepatopulmonale Syndrom behandelt. Für Diagnose und Therapie anderer pulmonaler
Erkrankungen wie der portopulmonalen Hypertonie wird auf die entsprechenden Leitlinien
der verantwortlichen Fachgesellschaften verwiesen [348 ].
5.2 Diagnose des hepatischen Hydrothorax
Zur initialen Darstellung des Hydrothorax sollte eine Röntgen-Thorax-Aufnahme oder
eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Sowohl bei Erstdiagnose als auch bei klinischer Verschlechterung soll eine Pleurapunktion
bei relevantem Erguss erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die Punktion sollte sonografisch assistiert durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Im Pleurapunktat sollte die Zellzahl, nach Möglichkeit mit Zelldifferenzierung, der
pH-Wert und das Gesamteiweiß im Pleuraerguss bestimmt sowie bei Infektverdacht eine
mikrobiologische Kultur angelegt werden.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Als hepatischer Hydrothorax werden Pleuratranssudate bei Patienten mit Leberzirrhose
und/oder portaler Hypertension nach Ausschluss einer primären Herz- oder Lungenerkrankung
definiert [349 ]. Ca. 4 – 15 % der Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose entwickeln einen
Hydrothorax [350 ]
[351 ]. In der bisher größten Untersuchung konnte mittels Computertomografie bei 49 (4,7 %)
von 1038 Patienten ein hepatischer Pleuraerguss nachgewiesen werden, in der Mehrzahl
der Fälle rechtsseitig (70 %), seltener bilateral (18 %) oder linksseitig (12 %) [351 ]. Pathophysiologisch beruht der Hydrothorax auf denselben Mechanismen wie der Aszites
[352 ]
[353 ]. Bei den meisten Patienten mit Hydrothorax lassen sich mikro- und makroskopisch
Zwerchfellläsionen nachweisen [354 ]. Die derzeit favorisierte Hypothese zur Pathogenese geht daher von einer transdiaphragmalen
Passage der Flüssigkeit aus dem Peritoneal- in den Pleuraraum entweder über Zwerchfelldefekte
oder über Lymphgefäße aus. Typischerweise finden sich bei den Patienten daher gleichzeitig
Aszites und Hydrothorax, ein isoliertes Auftreten eines hepatischen Hydrothorax ist
aber aufgrund des negativen intrathorakalen Drucks möglich [355 ].
Die führenden klinischen Symptome des hepatischen Hydrothorax sind Dyspnoe in Ruhe
(34 %) oder nach Belastung (7 %) sowie nichtproduktiver Husten (22 %) [350 ]. Weiterhin klagen Patienten über Schwindel (11 %), Pleuraschmerz (8 %) und Müdigkeit
als Folge der Hypoxämie (7 %). Differenzialdiagnostisch müssen andere Komplikationen
der Zirrhose wie das hepatopulmonale Syndrom und die porto-pulmonale Hypertonie ebenso
in Betracht gezogen werden wie nicht-hepatische Erkrankungen, z. B. Herzinsuffizienz,
Tuberkulose, Bronchialkarzinom oder parapneumonischer Pleuraerguss [356 ]
[357 ].
Zur initialen Darstellung des Pleuraergusses eignet sich neben dem Röntgen-Thorax
die Sonografie [358 ]. Zusätzlich sollte bei jedem Patienten sowohl bei Erstdiagnose als auch bei Wiedervorstellung
eine diagnostische Pleurapunktion durchgeführt werden, um 1) andere Erkrankungen und
2) eine Infektion (Empyem) auszuschließen [350 ]
[357 ]. Häufige Komplikationen diagnostischer Pleurapunktionen sind der Pneumothorax (1,0 – 5,2 %),
Blutungen (< 1 %) und vasovagale Reaktionen (< 1 %) [358 ]
[359 ]. Dabei konnte in einer 2010 publizierten Metaanalyse nachgewiesen werden, dass die
sonografische Kontrolle der Punktionsstelle die Inzidenz eines Interventions-assoziierten
Pneumothorax signifikant senkt (Odds Ratio 0,3) [358 ]. Eine andere Studie zeigte, dass Blutungen auch bei moderaten Gerinnungsstörungen
(INR < 3, Thrombozyten ≥ 25 000/mm3 ) nicht vermehrt auftraten; eine prophylaktische Substitution von Blutprodukten (Thrombozytenkonzentrate,
„fresh frozen Plasma“ (FFP), Gerinnungsfaktoren) wurde daher bei diesen Patienten
nicht empfohlen [359 ]. Da für Punktionen bei ausgeprägten Gerinnungsstörungen (INR > 3, Thrombozyten < 25 000/mm3 ) jedoch keine auswertbaren Publikationen vorliegen, muss unter diesen Umständen eine
entsprechende Substitution erwogen werden.
Die Diagnose eines hepatischen Hydrothorax basiert auf dem Nachweis eines Transsudats
unter gleichzeitigem Ausschluss einer primären renalen, kardialen oder pneumologischen
Erkrankung. Die Punktion dient zuvorderst dem Ausschluss einer Infektion sowie der
Unterscheidung zwischen Transsudat und Exsudat. Folgende Parameter sollten daher aus
dem Pleurapunktat bestimmt und mit den entsprechenden Werten im Serum verglichen werden:
Zellzahl/-differenzierung sowie Eiweiß- oder Albuminkonzentration. Der hepatische
Hydrothorax ist gekennzeichnet durch eine Gesamtzellzahl segmentkerniger Granulozyten
< 250 pro mm3 , eine totale Proteinkonzentration < 2,5 g/dl und einen Albumingradienten > 1,1 g/dl
zwischen Serum und Pleuraflüssigkeit bzw. ein Albuminquotient (Pleura/Serum) < 0,6
(Sensitivität 87 %, Spezifität 92 %) [360 ]
[361 ]. Weitere optionale Parameter sind ein Proteinquotient < 0,5 (Pleura/Serum), ein
LDH (Lactatdehydrogenase)-Gradient < 0,6 (Pleura/Serum) sowie vergleichbare Werte
für pH und Glukose in Serum und Pleuraflüssigkeit. Im Falle eines Transsudats müssen
schließlich für die Diagnose hepatischer Hydrothorax noch eine renale und eine kardiale
Ursache (Echo, Kreatinin-/Eiweißausscheidung im Urin) sowie eine Lungenembolie klinisch/laborchemisch,
ggf. auch durch weitere diagnostische Verfahren ausgeschlossen werden. Bei einem Exsudat
muss eine Differenzialdiagnose zwischen spontan bakteriellem Empyem und anderen Erkrankungen
erfolgen [362 ].
In unklaren Fällen – insbesondere bei linksseitigem/isoliert auftretendem Pleuraerguss
– oder bei spezifischer klinischer Fragestellung kann zusätzlich nach einer Verbindung
zwischen Peritoneal- und Pleuraraum gesucht werden. Die Datenlage zu den einzelnen
Verfahren ist aber insgesamt unbefriedigend und stützt sich lediglich auf Fallserien,
eine Empfehlung kann daher nicht ausgesprochen werden. Am besten untersucht ist die
szintigrafische Darstellung des Übertritts von radiomarkiertem Albumin nach intraperitonealer
Applikation mit einer Spezifität bis 100 % bei einer Sensitivität von 70 %, die jedoch
durch vorherige Pleurapunktion zur Reduktion des intrapleuralen Drucks erhöht werden
kann [363 ]
[364 ]. Eine potenzielle Alternative bietet sich mit Doppler- und Kontrastmittelsonografie
an. Die verfügbaren Einzelfallberichte lassen aber eine Einschätzung der Sensitivität
und Spezifität dieser Methoden noch nicht zu [365 ]
[366 ]. Der direkte Nachweis eines makroskopisch sichtbaren diaphragmalen Defekts durch
Thorakoskopie mit/ohne Einsatz von Farbstoffen sollte dagegen aufgrund seiner hohen
Invasivität der Vorbereitung eines therapeutischen Eingriffs vorbehalten bleiben [354 ].
5.3 Therapie des (rezidivierenden) hepatischen Hydrothorax
Die Behandlung des klinisch relevanten hepatischen Hydrothorax unterscheidet sich
nicht von der Standardtherapie bei Aszites.
Starker Konsens
Aufgrund der geringeren Komplikationsrate sollte ein symptomatischer Hydrothorax zuerst
– sofern Aszites vorhanden – mittels therapeutischer, abdomineller Parazentese, bei
weiter bestehenden Symptomen mittels therapeutischer Thorakozentese behandelt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Das Volumen des drainierten Pleurapunktats sollte 1,5 – 2 l/Punktion nicht überschreiten,
eine Volumensubstitution ist nicht notwendig.
Empfehlung, starker Konsens
Bei wiederholter Thorakozentese kann ein getunneltes Drainagesystem palliativ oder
als Überbrückung bis zur Lebertransplantation eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kontinuierlich drainierende Systeme sollten wegen vermehrt auftretender renaler und
septischer Komplikationen vermieden werden.
Empfehlung, starker Konsens
Falls doch eine Thoraxdrainage notwendig wird, kann eine intravenöse Albumingabe (6 – 8 g/Liter
Pleuraerguss) durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei rezidivierendem hepatischem Hydrothorax sollte die Anlage eines transjugulären
intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) erwogen werden.
Empfehlung, starke Konsens
Bei Kontraindikationen für eine TIPS-Anlage kann eine Video-assistierte Thorakoskopie
mit Pleurodese und/oder Verschluss erkennbarer Läsionen des Zwerchfells erwogen werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Ein hepatischer Hydrothorax stellt keine Kontraindikation für eine Lebertransplantation
dar.
Starker Konsens
Kommentar
Da dem hepatischen Aszites und dem hepatischen Hydrothorax gemeinsame pathogenetische
Mechanismen zugrunde liegen, können die Prinzipien der Standardtherapie eines Aszites
auf den hepatischen Hydrothorax übertragen werden, auch ohne dass spezifische Untersuchungen
hierzu vorliegen [353 ]. Aufgrund der anatomischen Begrenzung können bereits bei geringer Flüssigkeitsmenge
im Pleuraraum Symptome wie Dyspnoe, nichtproduktiver Husten, Schmerzen oder Müdigkeit
durch Hypoxämie auftreten [350 ]. In Fallberichten wurde auch über respiratorisches Versagen und Spannungshydrothorax
mit kardialem Versagen berichtet [367 ]. Laut neuerer Studien ist ein hepatischer Hydrothorax daher mit einer höheren Morbidität
und Mortalität assoziiert als Aszites alleine [368 ]. Der hepatische Hydrothorax stellt somit grundsätzlich eine behandlungsbedürftige
Erkrankung dar, eine Therapie sollte in jedem Fall unter Berücksichtigung von Nutzen,
Risiken und Kontraindikationen evaluiert werden. Die Standardtherapie richtet sich
nach den Therapieprinzipien und Kontraindikationen der Standardtherapie bei Aszites.
Da eine therapeutische Parazentese häufig zu einer Besserung der Symptome führt [369 ] und therapeutische Thorakozentesen mit einer höheren Komplikationsrate einhergehen
[370 ], sollte bei symptomatischem Hydrothorax zuerst eine Parazentese durchgeführt werden.
Bei weiterbestehenden Symptomen kann kurzfristig eine Besserung durch Thorakozentesen
erreicht werden. Das Risiko insbesondere eines Pneumothorax erhöht sich aber bei Patienten
mit Leberzirrhose mit jeder Wiederholung. So steigt die Komplikationsrate von 7,7 %
bei der ersten auf 34,7 % bei der vierten Thorakozentese an [370 ].
Die bisher gültige Empfehlung, das Volumen des drainierten Pleurapunktats auf 1,5 – 2 l/Punktion
zu beschränken, stützt sich auf wenige Fallberichte über Reexpansions-Lungenödeme
bei großvolumigen Thorakozentesen [371 ]. Andere Komplikationen wie renale Dysfunktion, Elektrolyt-Verschiebungen und Infektionen
wurden jedoch in dieser Studie nicht untersucht, treten aber bei 80 % der Patienten
mit Leberzirrhose nach Anlage einer kontinuierlichen Thoraxdrainage wegen des Verlusts
großer Flüssigkeitsmengen auf [372 ]
[373 ]. Die interventionsassoziierte Mortalität innerhalb des stationären Aufenthaltes
(Median acht Tage) nach Anlage der Thoraxdrainage erreichte in einer Serie 16 % bei
Child-B- und 40 % bei Child-C.Patienten. Getunnelte Drainagesysteme scheinen dagegen
aufgrund der kontrollierten Entnahme geringerer Volumina keine renalen Komplikationen
hervorzurufen und sind lediglich mit einem höheren Infektionsrisiko behaftet [374 ]. In den bisher publizierten kleinen Fallstudien konnte sogar bei 30 – 60 % der Patienten
eine spontane Pleurodese nach drei bis vier Monaten erreicht und der Katheter entfernt
werden [374 ]
[375 ]. Aufgrund der derzeitigen Datenlage muss daher eine Beschränkung des drainierten
Ergussvolumens empfohlen werden, eine Volumensubstitution scheint dann nicht notwendig.
Wird eine kontinuierliche Thoraxdrainage verwendet, sollte analog zum Vorgehen bei
Aszites 6 – 8 g Albumin pro Liter entferntem Pleuraerguss substituiert werden. Getunnelte
Drainagesysteme können die Komplikationsrate wiederholter Thorakozentesen reduzieren,
sollten aber aufgrund fehlender Langzeitdaten nur palliativ oder zur Überbrückung
bis zur Lebertransplantation eingesetzt werden.
Als Therapie der Wahl eines rezidivierenden hepatischen Hydrothorax muss derzeit die
Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) angesehen
werden, die kausal die portale Hypertension als pathogenetische Ursache des Hydrothorax
beseitigt [376 ]. Zwar beruhen die publizierten Daten auf einer Reihe von unkontrollierten Fallserien,
umfassen aber das bisher größte Kollektiv behandelter Patienten [377 ]
[378 ]
[379 ]
[380 ]
[381 ]
[382 ]. 2015 fasste eine Metaanalyse die sechs qualitativ besten Studien mit insgesamt
198 Patienten zusammen [383 ]. Bei 56 % der Patienten zeigte sich ein komplettes Therapieansprechen, bei 18 %
ein partielles. Die frühe Letalität innerhalb von 45 Tagen lag bei 18 %, die Gesamtmortalität
bei 50 % bei einem durchschnittlichen Nachverfolgungszeitraum zwischen sechs und 14
Monaten. Prädiktive Indikatoren der Mortalität waren wie bei anderen Indikationen
zur TIPS-Anlage Alter, Child-Pugh- oder MELD-Score, renale Dysfunktion und TIPS-Versagen.
Trotz häufiger Rechtsinsuffizienz bei Patienten mit hepatischem Hydrothorax [360 ] wurde dagegen ein pulmonales Versagen post-TIPS nur vereinzelt beschrieben.
Je nach Fallserie sind jedoch Kontraindikationen für die TIPS-Anlage häufig, teils
erfüllen nur 15 % der Patienten die entsprechenden Voraussetzungen [350 ]. Alternativ wurde daher in einer Reihe von Fallberichten bzw. Fallserien die Pleurodese
mittels sklerosierender Substanzen untersucht. Problematisch ist dabei, dass ein standardisiertes
Verfahren hierfür derzeit fehlt. Aufgrund eher enttäuschender Erfolgsraten wird heutzutage
die Applikation via therapeutischer Video-assistierter Thorakoskopie (VATS) der Applikation
via Thoraxdrainage vorgezogen [384 ]
[385 ]
[386 ]
[387 ]. Weitere Variablen sind unterschiedliche sklerosierende Substanzen (Talkum, OK-432,
Pikibanil, Minozyklin), ein Naht- oder plastischer Verschluss erkennbarer Läsionen
des Zwerchfells, die prä- oder peri-operative Parazentese, der Einsatz splanchnischer
Vasokonstriktoren (Somatostatin, Octreotid) sowie die post-operative Beatmung mit
Überdruck (CPAP) zur Reduktion des intrathorakalen Unterdrucks [388 ]
[389 ]
[390 ]. In zwei Metaanalysen mit 189 bzw. 180 Patienten zeigte sich eine initiale Erfolgsrate
von 70 – 75 % bei jedoch hoher Rückfallquote von 25 % [391 ]
[392 ]. Wegen der hohen Invasivität der Methode und der anschließenden kontinuierlichen
Thoraxdrainage treten Komplikationen in bis zu 80 % der Fälle auf, insbesondere Infektionen
wie Empyeme und renales Versagen tragen zu der hohen Gesamtletalität von 20 – 30 %
bei.
Einzig kurative Methode zur Behandlung sowohl des hepatischen Hydrothorax als auch
der zugrundeliegenden Leberinsuffizienz stellt die Lebertransplantation dar, jedoch
wird der Hydrothorax trotz der erhöhten Mortalität [368 ] in den bisherigen Allokationsmodellen nicht berücksichtigt und kann daher nicht
als alleinige Indikation zur Transplantation herangezogen werden. Während aber in
früheren Untersuchungen der hepatische Hydrothorax keinen Einfluss auf das post-operative
Management oder die langfristige Überlebensrate (70 % nach fünf Jahren) nach Lebertransplantation
zeigte [393 ]
[394 ], berichtete eine asiatische Gruppe in einer neueren Publikation über eine höhere
Rate an post-operativen Infektionen und eine Dreijahres-Überlebensrate von lediglich
60 % [395 ].
5.4 Diagnostik und Therapie des spontan bakteriellen Empyems (SBEM)
Bei Verdacht auf ein SBEM oder bei klinischer Verschlechterung des Patienten sollte
eine diagnostische Pleurapunktion unter sterilen Bedingungen mit Bestimmung des pH-Werts
und der Zellzahl/-differenzierung sowie einer Gramfärbung und Beimpfung von Kulturflaschen
durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Die medikamentöse Standardtherapie beim SBEM kann analog zur Standardtherapie bei
einer SBP erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei hohem Komplikationsrisiko (nachweisbarem Eiter oder gekammertem Erguss) kann das
SBEM mittels kontinuierlicher Thoraxdrainage unter Albuminsubstitution behandelt werden,
falls notwendig zusätzlich mittels lokaler Fibrinolyse oder Video-assistierter Thorakoskopie
(VATS).
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Das spontan bakterielle Empyem (SBEM) ist eine spezifische Komplikation des hepatischen
Hydrothorax und setzt eine bakterielle Infektion, aber nicht notwendigerweise einen
eitrigen Pleuraerguss voraus [362 ]. Risikofaktoren für die Entwicklung eines SBEM sind eine schlechte Leberfunktion,
niedrige Eiweiß- und Albuminkonzentrationen in Serum und/oder Pleuraflüssigkeit sowie
eine bereits vorliegende spontan bakterielle Peritonitis (SBP) [396 ]
[397 ]. Inzidenz (13 – 30 %) und Letalität (20 – 38 %) sind vergleichbar mit Inzidenz und
Letalität einer SBP [398 ]
[399 ]
[400 ]. Da sich auch das Keimspektrum (E. coli, Klebsiellen, Streptokokken und Enterokokken)
bei beiden Erkrankungen und die pathophysiologischen Eigenschaften der intraperitonealen
und -pleuralen Flüssigkeiten ähnelt, wird bei dem SBEM ein ähnlicher pathogenetischer
Mechanismus mit bakterieller Translokation wie bei der SBP vermutet [362 ]. Patienten mit SBEM leiden häufig unter unspezifischen Symptomen (Fieber, Enzephalopathie,
hepatorenale Dekompensation), eine diagnostische Pleurapunktion unabhängig von einer
diagnostischen Aszitespunktion wird daher sowohl bei Erstdiagnose eines Pleuraergusses
als auch bei klinischer Verschlechterung des Patienten empfohlen. Da eigenständige
Daten fehlen, erfolgt die Diagnostik des SBEM üblicherweise analog zur SBP und beinhaltet
die Bestimmung der Granulozyten im Pleurapunktat sowie den mikrobiologischen kulturellen
Nachweis der Erreger, der jedoch nur in 2/3 der Fälle gelingt [396 ]
[397 ]. Eine Granulozyten-Konzentration über 250/µl verbunden mit einem positiven Erregernachweis
bzw. eine Granulozyten-Konzentration von über 500/µl verbunden mit einem negativen
Erregernachweis gelten als diagnostisch für das Vorliegen eines SBEM.
Die Verwendung von Teststreifen für Leukozytenesterase als Schnelltest kann aufgrund
der geringen Datenlage nicht empfohlen werden [400 ].
Auch die Basistherapie wird analog zur SBP mittels intravenöser Gabe eines Cephalosporins
der 3. Generation für mindestens sieben bis zehn Tage sowie Albumin-Substitution durchgeführt
[401 ]. Je nach lokaler Resistenzlage muss das verwendete Antibiotika-Regime jedoch insbesondere
bei nosokomialen Infektionen angepasst werden, da das initiale Therapieversagen der
Antibiose neben der Aufnahme auf der Intensivstation und der Leberfunktion gemessen
am MELD-Score als unabhängige Risikofaktoren für die Letalität bei SBEM gelten [401 ]. Im Gegensatz zum komplizierten parapneumonischen Erguss der ambulant erworbenen
Pneumonie [402 ] stellt das nicht-eitrige SBEM bei hepatischem Hydrothorax aufgrund der hohen peri-interventionellen
Komplikations- und Rezidivrate noch keine Indikation zur kontinuierlichen Thoraxdrainage
dar [362 ]. Lediglich das eitrige SBEM sollte analog des Pleuraempyems (trüber bis eitriger
Erguss, pH-Wert < 7,2) entsprechend den aktuellen Leitlinien invasiv mittels Thoraxdrainage
ggf. unterstützt durch lokale Fibrinolyse (Streptokinase) oder VATS bei gekammertem
Erguss behandelt werden [402 ]. Abweichend von der angesprochenen Leitlinie sollte jedoch die Thoraxdrainage bei
Patienten mit Leberzirrhose wegen der damit verbundenen Morbidität und Mortalität
(renale Dysfunktion, Elektrolyt-Verschiebungen) mit einer Volumensubstitution mittels
Albumin- und Elektrolytlösungen kombiniert werden [372 ]
[373 ]. Eine Kontrolle des Therapieerfolges durch eine diagnostische Pleurapunktion sollte
in jedem Fall vor Beendigung der Antibiose erfolgen. Für eine antibiotische Sekundär-Prophylaxe
wie bei der SBP liegen keine Daten vor, eine Empfehlung kann daher nicht gegeben werden.
5.5 Diagnostik des hepatopulmonalen Syndroms
Als Screening-Test für moderate und schwere Verlaufsformen des hepatopulmonalen Syndroms
eignet sich die Pulsoxymetrie (Sättigung < 96 %), die bei Patienten in der Vorbereitung
auf eine Lebertransplantation durchgeführt werden soll.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Verdacht auf ein hepatopulmonales Syndroms (Dyspnoe, Sättigung < 96 %) soll neben
dem Nachweis einer Lebererkrankung oder portalen Hypertension eine arterielle Blutgasanalyse
(Kriterium altersabhängiger AaDO2 ) und eine Kontrastmittel-Echokardiografie (Kriterium intrapulmonaler Shunt) durchgeführt
werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei pulmonalen Begleiterkrankungen kann eine MAA-Lungenszintigrafie zur Quantifizierung
des intrapulmonalen Shunts erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Der Schweregrad des hepatopulmonalen Syndroms soll mittels arterieller Blutgasanalyse
(Kriterium PaO2 ) bestimmt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Das hepatopulmonale Syndrom (HPS) gehört zu den pulmonalvaskulären Erkrankungen und
ist definiert als Gasaustauschstörung infolge einer intrapulmonalen Gefäßweitstellung
bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung, portaler Hypertension oder portosystemischer
Shuntbildung [403 ]. Die meisten klinischen Daten liegen für die Leberzirrhose vor, das HPS wurde aber
auch bei akuten Lebererkrankungen wie der ischämischen oder viralen Hepatitis, bei
der idiopathischen portalen Hypertension oder bei Pfortaderthrombosen und dem Budd-Chiari-Syndrom
beschrieben [404 ]
[405 ].
Eine isolierte intrapulmonale vaskuläre Gefäßdilatation lässt sich dabei bereits bei
50 – 60 % der Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose nachweisen, meist jedoch
ohne Einfluss auf die arterielle Oxygenierung [406 ]
[407 ]. Ein HPS mit Gasaustauschstörung ist seltener mit einer Prävalenz von 5 – 30 % bei
fortgeschrittener Leberzirrhose abhängig von genetischen und sozialen Faktoren mit
der höchsten Erkrankungsrate bei Kaukasiern und einer niedrigen Inzidenz bei Rauchern
[408 ]. Pathophysiologisch entsteht das manifeste HPS bei fehlender arterieller Oxygenierung
durch Veränderungen der pulmonalen Gefäße. Dabei spielen sowohl die Dilatation vorhandener
Gefäße durch vasoaktive Substanzen wie Stickstoff- oder Kohlenmonoxid als auch eine
pulmonale Neoangiogenese eine Rolle, die schließlich zu einem Ventilations-Perfusions-Missverhältnis
mit gesteigerter Lungendurchblutung bei gleichbleibender alveolärer Ventilation führen.
Im Verlauf der Erkrankung entwickelt sich eine alveolokapilläre Diffusionslimitierung
sowie ein ausgeprägter Rechts-Links-Shunt, die schließlich die Hypoxie verursachen
[403 ]
[409 ].
Klinisch zeichnet sich das HPS durch eine – mit der Schwere der Erkrankung zunehmende
– Dyspnoe aus, die bei der Hälfte der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose insbesondere
nachts symptomatisch wird und bei 20 % bereits zur chronischen Hypoxie mit Uhrglasnägeln,
Trommelschlegelfinger und Zyanose führt [408 ]
[410 ]. Bei 25 – 30 % der Patienten findet sich bei prädominanter Gefäßdilatation in den
basalen Lungenabschnitten eine Platypnoe (verstärkte Atemnot im Sitzen, welche sich
im Liegen bessert) oder Orthodeoxie (Abnahme des Sauerstoffpartialdrucks (PaO2 ) beim Lagewechsel von liegender in die sitzende Position), die jedoch beide nicht
spezifisch für das HPS sind [411 ]. Der Schweregrad eines hepatopulmonalen Syndroms wird anhand des arteriellen PaO2 bestimmt und in mild (PaO2 ≥ 80 mmHG), moderat (PaO2 = 60 – 79 mmHG), schwer (PaO2 = 50 – 59 mmHG) und sehr schwer (PaO2 < 50 mmHG) unterteilt [403 ]. Auch extrapulmonale Komplikationen eines manifesten Rechts-Links-Shunts wie zerebrale
Abszesse, intrakranielle Blutungen und eine Polyzythämie wurden bereits beschrieben,
haben aber keinen Einfluss auf den Schweregrad [412 ]. Differenzialdiagnostisch müssen neben den pulmonalen Komplikationen der Leberzirrhose
wie hepatischer Hydrothorax und portopulmonale Hypertonie vor allem kardiale und pulmonale
Ursachen der Dyspnoe ausgeschlossen werden, die jedoch auch als Begleiterkrankung
die Symptomatik zusätzlich beeinflussen können [412 ].
Aufgrund der häufig asymptomatischen Patienten wird derzeit als kostengünstiger Screening-Test
die Pulsoxymetrie mit einem Cut-off von 96 % Sättigung bei Raumluft favorisiert, die
bei Kandidaten für eine Lebertransplantation eine Hypoxämie mit einem Sauerstoffpartialdruck
(PaO2 ) < 70 mmHg (Meereshöhe) mit einer Sensitivität von 100 % und mit einem PaO2 < 60 mmHg (Meereshöhe) mit einer Spezifität von 88 % identifiziert [413 ]. Der Test wird insbesondere für Patienten in der Vorbereitung zur Transplantation
empfohlen, da entsprechende Patienten in vielen Ländern inklusive Deutschland einen
Sonderstatus (Standard-Exceptions) bei der Organallokation erhalten [414 ]
[415 ].
Die Diagnose eines hepatopulmonalen Syndroms basiert auf der Trias Lebererkrankung
bzw. portale Hypertension/portosystemischer Shunt, Gasaustauschstörung und intrapulmonale
Gefäßdilatation [403 ]. Nach der Diagnose einer entsprechenden Lebererkrankung sollte daher die alveoläre
Gasaustauschstörung entsprechend der derzeitig festgelegten Kriterien mittels arterieller
Blutgasanalyse nachgewiesen werden [403 ]
[414 ]. Eine erhöhte alveolar-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz (AaDO2 ) ≥ 15 mmHg in einem Alter ≤ 64 Jahren bzw. ≥ 20 mmHg in einem Alter > 64 Jahre gilt
als diagnostisch und wurde kürzlich in einer Kohorte von 194 Zirrhosepatienten validiert
[416 ]. Die Blutabnahme sollte bei sitzendem Patienten in Ruhe unter Raumlauft erfolgen,
die obligatorische Lungenfunktionstestung maximal geringe Veränderungen zeigen. Als
Goldstandard zum Nachweis einer intrapulmonalen Gefäßdilatation gilt schließlich die
transthorakale Kontrastmittelechokardiografie [403 ]
[406 ]
[414 ]. Hierfür wird ein normalerweise nicht-lungengängiges Ultraschall-Kontrastmittel
– derzeit empfohlen ist eine aufgeschüttelte 0,9-prozentige Kochsalzlösung-peripher-venös
injiziert und der funktionelle Shunt über die dilatierten Lungengefäße durch die Detektion
des Kontrastmittels im linken Herzen verifiziert. Intrakardiale können dabei von intrapulmonalen
Shunts zeitlich anhand des Kontrastmittelübertritts vom rechten zum linken Herzen
unterschieden werden, typischerweise ein bis zwei Herzschläge bei intrakardialen und
zwei bis fünf Herzschläge bei intrapulmonalen pathologischen Veränderungen [417 ]. Zwar gilt die transösophageale Kontrastmittelechokardiografie als sensitiver für
milde Verläufe des HPS, jedoch sollte diese wegen der höheren Invasivität nur bei
eingeschränkter transthorakaler Beurteilbarkeit der Untersuchung zur Anwendung kommen
[418 ].
Eine alternative Methode zur Darstellung intrapulmonaler Shunts ist die Lungenperfusionsszintigrafie
mittels 99 m Technetium-makroaggregiertem Humanalbumin (MAA) und basiert auf demselben Prinzip
wie die Kontrastmittelechokardiografie [419 ]. Nach Injektion können die MAA-Partikel aufgrund ihrer Größe nur bei einem Rechts-Links-Shunt
die Lunge passieren und extrapulmonal in Gehirn, Milz oder Nieren nachgewiesen werden.
Vorteil der Methode ist die Möglichkeit, das Ausmaß des Shunts zu quantifizieren und
bei pulmonalen Begleiterkrankungen die Relevanz des HPS für die Hypoxie nachzuweisen
[420 ]
[421 ]. Gegen den Test spricht die wesentlich geringere Sensitivität verglichen mit der
Kontrastmittelechokardiografie, auch konnte die bisher postulierte Korrelation mit
der Prognose nicht bewiesen werden [422 ]. Eine intrapulmonale Vasodilatation lässt sich schließlich auch radiologisch mittels
Computertomografie oder spezifischer invasiv mittels pulmonaler Arteriografie darstellen
[420 ]
[423 ]. Hierbei lassen sich diffuse (HPS Typ I) von fokalen (HPS TypII)-Shunts differenzieren.
Aufgrund der hohen Invasivität und sonst mangelnder Konsequenz sollte die Methode
jedoch der Vorbereitung einer Embolisation vorbehalten bleiben [424 ].
5.6 Therapie des hepatopulmonalen Syndroms
Die Lebertransplantation stellt die einzig etablierte Therapie des hepatopulmonalen
Syndroms dar. Alle geeigneten Patienten mit einem PaO2 < 60 mmHg sollen hierfür evaluiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Zur symptomatischen Behandlung der Hypoxie soll eine Sauerstofftherapie erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die Studienlage zur Prognose des HPS ist widersprüchlich, neuere Studien zeigen keinen
Einfluss der Erkrankung auf die Mortalität, solange der Schweregrad nicht berücksichtigt
wird [420 ]
[425 ]. Im Gegensatz dazu steigt die Morbidität und Mortalität der Patienten in Studien
mit vorwiegend moderatem oder schwerem HPS mit einem Fünfjahresüberleben unter 25 %
unabhängig von der Schwere der Lebererkrankung [408 ]
[426 ]
[427 ]. In einer der Studien konnte zusätzlich ein Progress der Erkrankung mit einem durchschnittlichen
Abfall des PaO2 um 5 mmHg/Jahr nachgewiesen werden [426 ]. Das HPS stellt daher laut derzeitiger Empfehlungen grundsätzlich eine behandlungsbedürftige
Erkrankung dar, eine Therapie sollte in jedem Fall unter Berücksichtigung von Nutzen,
Risiken und Kontraindikationen evaluiert und symptom- bzw. stadienorientiert erfolgen
[403 ]
[420 ].
Trotz einer Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen und Präparaten sind die Ergebnisse
für eine konservative Behandlung des HPS enttäuschend und beruhen lediglich auf einzelnen
Fallberichten [412 ]
[425 ]. Es existiert daher derzeit keine etablierte medikamentöse Therapie [414 ]. Lediglich eine symptomatische Behandlung der Hypoxie bei einer Sauerstoffsättigung
unter 88 % sollte analog zu anderen Lungenerkrankungen erfolgen [414 ]. Auch die Effektivität einer invasiven Senkung der portalen Hypertension mittels
eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) ist umstritten,
eine Empfehlung kann auf Grundlage der derzeitigen Evidenz nicht gegeben werden [414 ]
[428 ].
Die chirurgische oder angiografische Sanierung portosystemischer Shunts mittels Ligatur,
Embolisation oder Cavoplasty zeigte dagegen in nicht-zirrhotischen Patienten mit portaler
Hypertension oder Budd-Chiari-Syndrom eine Besserung des HPS in mehreren Fallserien
und kann bei entsprechender Konstellation erwogen werden [405 ]. Ebenso konnte in kleinen Fallserien ein palliativer Effekt einer Embolisation der
intrapulmonalen Shunts demonstriert werden, für eine Empfehlung reicht aber die Datenlage
derzeit noch nicht aus [429 ].
Einzig kurative Methode zur Behandlung sowohl des HPS als auch der zugrundeliegenden
Leberinsuffizienz stellt die Lebertransplantation dar, die stadienabhängig in den
meisten Fällen innerhalb von sechs bis zwölf Monaten zu einer kompletten Revision
der Erkrankung führt [430 ]. Aufgrund der hohen, von der Leberfunktion unabhängigen Mortalität der Patienten
mit schwerem oder sehr schwerem HPS erhalten Kandidaten für die Lebertransplantation
mit einem PaO2 < 60 mmHg einen Sonderstatus bei der Organallokation, um die Wartezeit anzupassen
[414 ]. Zwar werden diese schwerkranken Patienten aufgrund der pulmonalen Veränderungen
als Hochrisiko für die Operation eingestuft, jedoch konnte ein verbessertes perioperatives
Management diesen Nachteil in neueren Publikationen ausgleichen [431 ].
6 Diagnostik der hepatischen Enzephalopathie (HE)
6 Diagnostik der hepatischen Enzephalopathie (HE)
6.1 Einleitung
Patienten mit einer Leberzirrhose sollen bei Erstdiagnose sowie im Verlauf auf Symptome
einer manifesten HE klinisch beurteilt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die hepatische Enzephalopathie (HE) ist die Summe aller Störungen des Zentralnervensystems,
die als Komplikation akuter oder chronischer Lebererkrankungen und/oder portosystemischer
Kollateralkreisläufe auftreten können [432 ]
[433 ]
[434 ]
[435 ]
[436 ]. Der Gegenstand dieser Leitlinie ist die HE bei Leberzirrhose, welche durch eine
zunehmende psychomotorische Verlangsamung bis hin zum Koma gekennzeichnet ist und
ein breites Spektrum sehr variabel auftretender intellektueller, emotionaler, kognitiver,
psychischer und motorischer Störungen umfasst [432 ]
[435 ].
Pathophysiologisch liegt der HE eine reduzierte Kapazität der zirrhotischen Leber
zur Ammoniakentgiftung zugrunde. Entzündungsmediatoren, reaktive Sauerstoff- und Stickstoff-Spezies
führen zu RNA-Oxidation, Astrozytenseneszenz, Genexpressions-Veränderungen und Proteinmodifikationen
[437 ]
[438 ]
[439 ]
[440 ]. Daraus resultiert ein geringgradiges chronisches Gliaödem, welches eine Dysfunktion
der Astroglia und gestörte glioneuronale Kommunikation zur Folge hat. Auf neurophysiologischer
Ebene ist die HE durch ein abnormes, niederfrequentes Kopplungsverhalten zentraler
Neurone und peripherer Motoneurone gekennzeichnet, welches eine Erklärung für die
zahlreichen unterschiedlichen kognitiven und motorischen Störungen darstellt [441 ]
[442 ]
[443 ]
[444 ]
[445 ]
[446 ]
[447 ]
[448 ].
Die Prävalenz einer klinisch manifesten HE zum Zeitpunkt der Diagnose-Stellung einer
Leberzirrhose liegt zwischen 10 und 21 % [449 ]
[450 ]
[451 ]. Die kumulative Prävalenz einer manifesten HE bei Patienten mit Zirrhose liegt bei
ca. 30 – 45 % [432 ]
[452 ]
[453 ] und ist mit zahlreichen negativen Auswirkungen im täglichen Leben verbunden [453 ]. Diese umfassen u. a. eine reduzierte Fahrtauglichkeit [454 ]
[455 ]
[456 ]
[457 ] sowie verschiedenste Defizite in Bezug auf die Arbeits- und intellektuelle Leistungsfähigkeit
[432 ]
[435 ]
[453 ]
[458 ]
[459 ]. Jepsen et al. konnten zeigen, dass 45 % der Patienten mit HE innerhalb von einem
Monat, 64 % innerhalb eines Jahres und 85 % innerhalb von fünf Jahren verstarben [451 ]. Das Vorliegen einer HE ist somit ein starker Prädiktor für die Mortalität [451 ]
[460 ]
[461 ]. Entgegen der früher postulierten obligaten Reversibilität der HE konnte inzwischen
gezeigt werden, dass HE-Episoden nach einer initialen Verbesserung möglicherweise
mit persistierenden und sich langsam akkumulierenden Defiziten in Bereichen des Arbeitsgedächtnisses
und des Lernens verbunden sind und zu einer progressiven neurologischen Degeneration
führen können [462 ]
[463 ].
Aufgrund der Häufigkeit und prognostischen Bedeutung sollte bei jeder stationären
Aufnahme eines Patienten mit Zirrhose im Krankenhaus sowie im ambulanten Bereich bei
entsprechender Klinik (z. B. erhöhte Tagesmüdigkeit, Konzentrationsdefizite) eine
Untersuchung auf HE durchgeführt werden, auch im Verlauf der Erkrankung eine regelmäßige
Re-Evaluation der HE erfolgen und eine Therapieindikation je nach Befund immer wieder
geprüft werden [432 ]
[433 ]
[434 ]
[435 ]
[436 ].
Bei Patienten mit Zirrhose ohne klinische Anzeichen einer HE sollte eine Testung auf
das Vorliegen einer minimalen HE (mHE) erwogen werden.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Bei 20 – 85 % der klinisch unauffälligen Patienten mit Leberzirrhose lassen sich Hinweise
auf kognitive Dysfunktionen feststellen [432 ]
[433 ]
[434 ]
[435 ]
[436 ]
[449 ]
[450 ]
[451 ]
[452 ]
[453 ]
[464 ]. Diese minimale HE (mHE) definiert sich somit als ein klinisch unauffälliger neurologischer
Zustand, aber mit nachweisbaren Auffälligkeiten in apparativen und psychometrischen
Tests [432 ]
[434 ]
[435 ]
[436 ]
[465 ]
[466 ]
[467 ]
[468 ]
[469 ]. Die mHE ist über den pathologischen Ausfall eines psychometrischen Tests definiert,
d. h. der Test zur Diagnose des Syndroms definiert auch gleichzeitig die Erkrankung.
Die mHE kann jedoch ein Prädiktor für die Ausbildung einer manifesten HE sein und
ist häufig mit einer Reduktion der Lebensqualität verbunden [450 ]
[470 ]
[471 ]
[472 ]
[473 ]
[474 ]
[475 ]
[476 ]
[477 ]. Bei Patienten mit einer mHE kommt es im Vergleich zu Patienten ohne mHE häufiger
zu Episoden einer manifesten HE (nach drei Jahren 46 vs. 21 %) [460 ]. Zu den negativen Auswirkungen zählen auch Einschränkungen der Fahrtauglichkeit
[454 ]
[455 ]
[456 ]
[457 ].
Eine Detektion und Behandlung der mHE kann der Entwicklung einer manifesten HE vorbeugen
[450 ]. In die Entscheidungsfindung zur Durchführung einer HE-Diagnostik sollten neben
der gezielten Frage nach Ereignissen wie z. B. Stürzen und Verkehrsunfällen Fremdbeobachtungen
von Familienangehörigen (z. B. Verwahrlosungstendenz, Persönlichkeitsveränderungen)
sowie das soziale und berufliche Umfeld einbezogen werden ([Abb. 1 ]). Auch bei neurologisch-psychiatrisch unauffälligen Patienten sollte aufgrund der
weitreichenden Konsequenzen und der gut belegten Defizite z. B. beim Führen eines
Kraftfahrzeuges, bedingt bereits durch eine mHE, bei entsprechender Berufsanamnese
ein Screening veranlasst werden.
Abb. 1 Algorithmus zur Diagnostik der hepatischen Enzephalopathie (HE).
6.2 Differenzialdiagnosen und auslösende Faktoren einer HE
Für die Diagnosestellung einer HE sollen bei Patienten mit Zirrhose wichtige Differenzialdiagnosen
ausgeschlossen werden ([Tab. 1 ]).
Starke Empfehlung, starker Konsens
Tab. 1
Wichtige Differenzialdiagnosen, welche vor der Diagnose einer HE ausgeschlossen werden
müssen (adaptiert nach [436 ]
[478 ]).
Entgleisung bei Diabetes mellitus (Hypo-, Hyperglykämie, Ketoazidose, Laktat-Azidose)
Elektrolytstörungen (z. B. Hyponatriämie, Hyperkalzämie)
Infektionen (z. B. Neuroinfektionen und septische Enzephalopathie)
Alkohol-, Drogen-, Mischintoxikation (z. B. Benzodiazepine, Neuroleptika, Opioide)
Neurologische Erkrankungen (Epilepsie, Wernicke-Enzephalopathie)
Strukturelle zerebrale Ursachen (z. B. Blutungen, Raumforderungen)
Psychiatrische Erkrankungen (z. B. Dementielle Syndrome, Psychose)
Kommentar
Die Symptome einer HE sind unspezifisch. Dementsprechend stellt die HE eine Ausschlussdiagnose
dar. Differenzialdiagnostisch müssen daher vor Diagnosestellung einer HE andere neurologisch-psychiatrische
Störungen im Gefolge oder auch unabhängig von einer Leberzirrhose soweit möglich ausgeschlossen
werden ([Tab. 1 ]) [436 ]
[478 ].
Bei Nachweis einer HE soll nach auslösenden Faktoren gesucht werden ([Tab. 3 ])
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Zahlreiche Faktoren können z. B. über die Induktion von inflammatorischen Zytokinen
oder Veränderungen der Elektrolyte ein Gliaödem auslösen oder verschlechtern. Die
Identifizierung und umgehende Therapie dieser präzipitierenden Trigger ist eine wichtige
therapeutische Maßnahme und wird im Therapiekapitel eingehend kommentiert [435 ]
[436 ]
[478 ] ([Tab. 3 ]).
6.3 Diagnostische Verfahren und Klassifikationen
Eine manifeste HE soll klinisch anhand der West-Haven-Kriterien diagnostiziert und
klassifiziert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Eine klinische Graduierung des Schweregrades der HE ist mithilfe der West-Haven-Kriterien
möglich, welche das am häufigsten angewandte Graduierungssystem zur Beurteilung der
HE bei Patienten mit Leberzirrhose darstellt und sich durch hohe Praktikabilität im
klinischen Alltag auszeichnet [432 ]
[433 ]
[434 ]
[435 ]
[436 ]
[465 ]
[479 ] ([Tab. 2 ]).
Tab. 2
West-Haven-Kriterien (gestörter mentaler Zustand) sowie Klassifikation der International
Society of Hepatic Encephalopathy and Nitrogen Metabolism nach (ISHEN) zur klinischen
Graduierung einer manifesten Hepatischen Enzephalopathie (adaptiert nach [432 ]
[436 ]).
HE-Graduierung
Klinische Symptome
Graduierung nach ISHEN
Grad 0
keine Abnormalitäten
verdeckte (covert) HE
Grad 1
mentale Verlangsamung, Antriebsstörung, Konzentrationsschwäche, Schlafbedürfnis, Störung
der Feinmotorik (z. B. Schriftbildveränderung)
verdeckte (covert) HE
Grad 2
starke Müdigkeit (leichte Somnolenz), Lethargie, zeitlich desorientiert, verwaschene
Sprache, flapping tremor
offensichtliche (overt) HE
Grad 3
starke Somnolenz oder Sopor, zeitlich und örtlich desorientiert, unzusammenhängende
Sprache, Hyper- oder Hyporeflexie, Asterixis, Krämpfe, Rigor
offensichtliche (overt) HE
Grad 4
Koma, Muskeleigenreflexe erloschen, Muskelsteife
offensichtliche (overt) HE
Die West-Haven-Kriterien ermöglichen eine Graduierung von Veränderungen des Bewusstseins,
der intellektuellen Funktionen und des Verhaltens anhand der Schwere der einzelnen
Symptome in einem kategorialen Klassifikationsschema von HE Grad 1 bis 4 ([Tab. 2 ]). Patienten mit Grad 1 der HE zeigen gering ausgeprägte, klinisch manifeste Symptome
wie verringerte kognitive Leistungen, eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne und Beeinträchtigungen
der Additions-/Subtraktionsfähigkeit, während in Grad 2 der HE Lethargie, Verwirrtheit,
unangemessenes Verhalten, Flapping Tremor sowie eine verwaschene Sprache dominieren.
Bei HE Grad 3 treten zusätzlich Somnolenz (nur noch Fluchtreflexe, fehlender vestibulookulärer
Reflex, abgeschwächte Pupillenreaktion), Desorientiertheit, bizarre Verhaltensmuster,
muskuläre Steifigkeiten und Kloni bzw. Hyperreflexionen auf. Bei Grad 4 der HE (Koma)
reagiert der Patient auf keinerlei verbale, optische oder starke äußere Stimuli (wiederholte
Schmerzreize) mehr; eine Dezerebration kann vorhanden sein [432 ]
[433 ]
[434 ]
[435 ]
[436 ].
In der aktuellen Leitlinie der Fachgesellschaften EASL und AASLD werden von der International
Society of Hepatic Encephalopathy and Nitrogen Metabolism (ISHEN) die minimale HE
und die HE Grad 1 zusammen als „verdeckte HE“ (covert HE, cHE), die HE Grade 2 – 4
als „offensichtliche HE“ (overt HE, oHE) zusammengefasst ([Tab. 2 ]) [436 ]
[479 ]. Der Begriff „covert“ soll entsprechend der ISHEN Einteilung beschreiben, dass der
mentale oder motorische Defekt durch den Kliniker oder Patienten selbst zumeist noch
nicht zu erkennen ist. Die Leitlinienkommission schloss sich nach umfassender Diskussion
den EASL/AASLD-Leitlinien der ISHEN-Kommission an. Eine weitere Möglichkeit der Graduierung,
die aber in der Leitlinienkommission der DGVS keinen Konsens für eine Empfehlung fand,
ist die Einteilung der HE in eine geringgradige HE, die durch psychometrische Tests
und Flimmerfrequenzanalyse kontinuierlich graduiert werden kann, und eine schwergradige
HE, bei der die Glasgow-Koma-Skala angewendet werden kann. Sie wird insbesondere in
Westeuropa und Indien angewandt [435 ]
[436 ]
[480 ]
[481 ].
Zusätzlich kann die HE nach dem zeitlichen Verlauf eingeteilt werden. Dabei unterscheidet
man zwischen einer episodischen, einer rezidivierenden und einer persistierenden Verlaufsform
([Abb. 2 ]). Bei der episodischen HE hat der Patient maximal eine Episode in sechs Monaten
und ist zwischen den HE-Episoden (mit oder ohne präzipitierende[n] Faktor[en]) klinisch
asymptomatisch [432 ]
[433 ]
[434 ]
[435 ]
[436 ]. Der Begriff der rezidivierenden HE findet Verwendung, wenn mindestens zwei Episoden
einer manifesten, episodischen HE innerhalb eines halben Jahres auftreten [432 ]
[434 ]
[435 ]
[436 ]. Patienten mit einer persistierenden HE weisen durchgehend klinische Symptome auf.
Die persistierende HE schließt kognitive Defizite ein, die sich oft auf die sozialen
und beruflichen Belange der betreffenden Person negativ auswirken [432 ]
[433 ]
[434 ]
[435 ]
[436 ]
[478 ].
Abb. 2 Einteilung der manifesten und minimalen hepatischen Enzephalopathie (HE) nach der
zugrundeliegenden Erkrankung, dem Schweregrad der Störung, dem klinischen Verlauf
und dem Vorhandensein bzw. Fehlen auslösender Faktoren (nach [432 ]
[435 ]
[436 ]).
Zur Diagnostik einer cHE sollten neurophysiologische oder psychometrische Tests durchgeführt
werden.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Die cHE umfasst die mHE und die HE Grad 1. Per Definition kann die mHE nur über validierte
neurophysiologische oder psychometrische Tests erfasst werden, während die HE Grad
1 gemäß der West-Haven-Kriterien eine klinische Diagnose ist. Die Tests zur Diagnose
einer mHE wurden formal bisher nicht für die HE Grad 1 validiert.
Die Diagnosestellung einer gering ausgeprägten HE kann schwierig sein, wenn subjektive
Symptome wie reduzierte Lebensqualität, Schlafstörungen und erhöhte Tagesmüdigkeit
im Vordergrund stehen. Hinweise auf eine cHE können sich z. B. aus der Anamnese oder
Fremdanamnese ergeben.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die HE nicht zu einer undifferenzierten
allgemeinen zerebralen Leistungsminderung führt, sondern dass einzelne kognitive Funktionen
wie Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, der sekundäre Gedächtnisspeicher oder die Kontrolle
der Bewegung frühzeitig stark beeinträchtigt sein können, während andere über einen
längeren Verlauf kaum Defizite aufweisen [466 ]
[476 ]
[482 ]
[483 ]
[484 ]
[485 ].
Aufgrund der komplexen multifaktoriellen Pathophysiologie der HE, die häufig durch
differente präzipitierende Faktoren ausgelöst wird, gibt es keinen diagnostischen
Goldstandard, weshalb zur sicheren Detektion, Graduierung und Verlaufskontrolle multimodale
diagnostische Testverfahren erforderlich sind. Die Strategien zur Diagnose der HE
bzw. mHE reichen von einfachen klinischen Skalen bis zu komplexen psychometrischen
und neurophysiologischen Test-Tools. Bezüglich der verschiedenen diagnostischen Testverfahren
ist die Studienlage allerdings sehr heterogen [432 ]
[436 ]. Die klinisch eingesetzte mHE-Diagnostik wird maßgeblich von der jeweiligen nationalen
bzw. lokalen Expertise beeinflusst und zeigt im internationalen Vergleich große Unterschiede
bezüglich der Verfügbarkeit und Validität [436 ]
[486 ]
[487 ]. So findet der Continuous Reaction Time Test vorwiegend in Dänemark Anwendung und
der Inhibitory Control Test in den USA [488 ]
[489 ]
[490 ]. Bei der Methodenwahl zur Diagnostik der HE sind daher die lokale Expertise sowie
die praktische Umsetzbarkeit im klinischen Alltag wichtig. Die Anwendung von zwei
ergänzenden Verfahren („Two Test Strategy“) verbessert die Diagnosesicherheit, wird
jedoch bisher nur zur diagnostischen Objektivierung in Studien empfohlen [491 ].
In Deutschland sind der Psychometric Hepatic Encephalopathy Score (PHES-Test), welcher
aus einer Testbatterie von fünf neuropsychologischen Tests besteht, sowie neurophysiologische
Tests wie die kritische Flimmerfrequenzanalyse (CFF) die am weitesten verbreiteten
diagnostischen Verfahren; die Durchführung eines EEG ist dagegen nicht allgemein etabliert
[486 ]
[487 ]
[492 ]
[493 ]
[494 ]
[495 ].
Für die Beurteilung der mHE sollten bevorzugt die kritische Flimmerfrequenzanalyse
(CFF) und/oder der vollständig durchgeführte Psychometric Hepatic Encephalopathy Score
(PHES) eingesetzt werden.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Keiner der derzeitig verfügbaren Tests kann das vollständige Spektrum der cHE in allen
Teilbereichen abbilden. Während computergestützte Testbatterien und die Repeatable
Battery for the Assessment of Neuropsychological StatusUpdate (RBANS® ) in der Regel wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten sind, haben sich der
PHES-Test und die Bestimmung der CFF in klinischen Studien bewährt und erscheinen
für die Routinediagnostik praktikabel [480 ].
Der PHES-Test ist eine Testbatterie von fünf neuropsychologischen Tests. Die Testbatterie
erfasst motorische Geschwindigkeit und Genauigkeit, visuelle Wahrnehmung, visuell-räumliche
Orientierung, visuelle Konstruktion, Konzentration, Aufmerksamkeit und in geringerem
Umfang auch das Gedächtnis. Der originale PHES-Test subsummiert die Resultate aus
den Zahlenverbindungstests A und B (ZVT-A, -B), dem Zahlensymboltest (ZST), dem Liniennachfahrtest
(LTT, Zeit, Fehler) und dem Test „Kreise punktieren“, denen jeweils entsprechend ihres
Testwertes und ihrer SD zum altersentsprechenden Mittelwert des jeweiligen Tests Punktewerte
zwischen + 1 und – 3 zugeordnet werden. Die individuellen Punktewerte werden summiert
und ergeben den PHES-Test-Score, welcher somit zwischen + 6 und –18 schwankt. Ein
Cut-Off-Score von − 4 wurde für die Summe der einzelnen Testergebnisse erarbeitet,
da er am besten zwischen normalen und pathologischen Resultaten trennte [491 ]
[492 ]
[493 ]
[494 ]
[496 ]
[497 ]. Der PHES-Test ist ein geeignetes psychometrisches Verfahren zur Diagnostik der
minimalen HE und zur Quantifizierung der HE als Kontinuum sowie zur Verlaufsbeurteilung
[432 ]
[435 ]
[436 ]
[491 ]
[492 ]
[493 ]
[494 ]
[495 ]
[496 ]
[497 ].
Die Bestimmung der kritischen Flimmerfrequenz (critical flimmer frequency, CFF) ist
eine zuverlässige, gut validierte und sensible Methode zur Quantifizierung und Verlaufsbeurteilung
der mHE und korreliert auch mit der Prognose [480 ]
[498 ]
[499 ]
[500 ]
[501 ]
[502 ]
[503 ]
[504 ]
[505 ]. Aufgrund der guten Reproduzierbarkeit, raschen Durchführbarkeit und Unabhängigkeit
von Training und Bildungsgrad ist die CFF ein geeignetes Instrument zur Detektion
von mHE. Es wird vermutet, dass die Flimmerfrequenzanalyse darauf beruht, dass bei
HE die Gliazellen der Retina ähnlichen morphologischen Alterationen unterworfen sind
wie die Astrozyten [432 ]
[435 ]
[436 ]
[457 ]
[480 ]
[498 ]
[499 ]
[500 ]
[501 ]
[502 ]
[503 ]
[504 ]
[505 ]. Wesentliche Grundlage ist eine intrafoveale Stimulation mit einer Leuchtdiode.
Das definierte Licht wird dabei im Bereich von 60 Hertz (Hz) bis 25 Hz in Schritten
von 0,1 Hz in absteigender Richtung einer Testperson vorgegeben und erlaubt die Ermittlung
des Schwellenwertes der Flimmerfrequenz. Der parallele Abfall der Flimmerfrequenz
bei gleichzeitiger Zunahme der motorischen, kognitiven und mentalen Störungen zirrhotischer
Patienten erlaubt die Quantifizierung der HE im Sinne eines Kontinuums über einen
weiten Bereich des klinischen Spektrums. Die CFF, die beim Gesunden in der Regel zwischen
50 Hz und 39 Hz liegt, wird bei Patienten mit HE je nach Ausprägungsgrad zum Teil
erst ab einer deutlich niedrigeren Hertz-Zahl wahrgenommen [498 ]
[499 ]
[500 ]
[501 ]
[502 ]
[503 ]
[504 ]
[505 ].
Evozierte Potenziale und EEG-Veränderungen sind bei HE nicht spezifisch und können
auch bei anderen metabolischen, neurodegenerativen oder strukturellen Erkrankungen
auftreten. Das EEG kann aber Differenzialdiagnosen der HE, wie z. B. komplex-fokale
Anfälle, aufdecken [506 ]
[507 ]
[508 ]
[509 ]
[510 ]
[511 ]
[512 ]
[513 ]. Anwendbar, allerdings etwas komplizierter in der Handhabung, sind eine Summe von
Reaktionstests („Scan Package“), Testbatterien wie die Cognitive Drug Research oder
der Inhibitory-Control-Test [488 ]
[489 ]
[490 ]. Auch der Stroop-Test ist prinzipiell geeignet. Die EncephalApp basiert auf dem
Stroop-Effekt, sollte aber aufgrund vielfältiger limitierender Einflussfaktoren (u. a.
Farbempfindlichkeit, Bildungsgrad) und unzureichender Validierung derzeit nicht zur
Diagnostik der mHE eingesetzt werden [514 ]
[515 ]
[516 ]
[517 ]
[518 ]
[519 ]. Psychometrische Einzeltests (z. B. Zahlenverbindungstest) sind als Suchtest für
einzelne Bereiche des kognitiven Defekts bei HE anwendbar, erlauben aber keine zuverlässige
Beurteilung der vielfältigen bei HE gestörten Hirnfunktionen bzw. eine Diagnosestellung.
Das Gleiche gilt auch für die früher gebräuchlichen Rechentests (z. B. Subtraktion
über Zehnergrenzen) oder eine Schriftprobe. Zu den interessanten Tests, die allerdings
auch nur eine Dimension im Rahmen des kognitiven Defekts untersuchen, zählt aktuell
der Animal-Naming-Test, bei dem in einem vorgegebenen Zeitintervall unterschiedliche
Tiere aufgezählt werden sollen [520 ]
[521 ]
[522 ]
[523 ]
[524 ].
Eine Bestimmung des Plasma-Ammoniaks sollte nicht routinemäßig erfolgen.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Laborchemische Diagnosetests wie die Bestimmung der Ammoniakkonzentration im arteriellen
oder venösen Blut zeigen aufgrund vielfältiger Störfaktoren (u. a. bei der Probenentnahme
und -analytik) eine zu geringe Sensitivität und Spezifität und erlauben weder eine
sichere Detektion der HE noch eine verlässliche Graduierung des Schweregrads [525 ]
[526 ]
[527 ]
[528 ]. Aktuelle Konsensus-Arbeiten verzichten daher, von differenzialdiagnostischen Fragestellungen
abgesehen, auf eine Empfehlung der Ammoniakbestimmung für die Diagnostik der HE [526 ].
Für die Bestimmung des Ammoniakpartialdrucks wurde gezeigt, dass erhöhte Werte positiv
mit der Schwere der HE korrelieren [529 ]
[530 ]. In Einzelfällen kann daher eine Bestimmung in der Differenzialdiagnostik der HE
hilfreich sein und in der individuellen Therapiesteuerung eingesetzt werden.
Bildgebende Verfahren wie z. B. MRT oder CT sollten in der differenzialdiagnostischen
Abgrenzung bei unklarer neurologisch-psychiatrischer Symptomatik Anwendung finden.
Empfehlung, Starker Konsens
Kommentar
Eine bildgebende Diagnostik mittels CT kann in der differenzialdiagnostischen Abgrenzung
anderer Ursachen einer gestörten Hirnfunktion hilfreich sein, insbesondere zum Ausschluss
von strukturellen Ursachen wie z. B. intrakraniellen Blutungen bei somnolenten oder
komatösen Patienten. Mit speziellen MR-Techniken können bei HE eine Zunahme des zerebralen
Wassergehaltes und Veränderungen der Diffusion gemessen werden [531 ]
[532 ]. In der MR-Spektroskopie wird abhängig vom Grad der HE eine Zunahme der Glutamin-Konzentration
und Abnahme von Myo-Inositol gefunden. Magnetresonanztomografie und Magnetresonanzspektroskopie
ermöglichen bei HE die Diagnostik von funktionellen und metabolischen Veränderungen
des Gehirns. Die Kernspintomografie zeigt häufig Hyperintensitäten im Globus pallidus,
welche auch auf Manganablagerungen zurückzuführen sind [531 ]
[532 ]
[533 ]
[534 ]
[535 ]
[536 ]. Diese Veränderungen korrelieren jedoch nicht mit dem Schweregrad der HE und werden
gelegentlich auch bei Patienten mit Zirrhose ohne manifeste HE gefunden. Magnetenzephalografie,
Magnetresonanzspektroskopie und Positronenemissionstomografie zeigen bei HE ebenfalls
Veränderungen, sind jedoch bisher rein wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten
[445 ]
[531 ]
[532 ]
[533 ]
[534 ]
[535 ]
[536 ].
6.4. HE und Fahrtauglichkeit
Ein Beratungsgespräch sollte mit dem Patienten mit Zirrhose und HE über die Konsequenzen
der Diagnose (u. a. im Hinblick auf eine negative Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit)
geführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die Defizite in den Bereichen Aufmerksamkeit, Daueraufmerksamkeit, Wahrnehmung, Vigilanz,
Motorik und Gedächtnisleistung im Rahmen einer HE können zu einer negativen Beeinträchtigung
der Fahrtauglichkeit führen. Untersuchungen unter Verwendung verschiedener neuropsychologischer
Tests zeigten eine erheblich beeinträchtigte Fahrtauglichkeit bei Patienten mit Zirrhose
und HE in 38 – 85 % [454 ]
[455 ]
[456 ]
[457 ]. Die Fahreignungsprobe durch eine Realfahrt mit einem Sachverständigen (Fahrlehrer)
bleibt aber der Goldstandard für die Bewertung der Fahrleistung, da computerisierte
Tests die Fahrtüchtigkeit nicht verlässlich vorhersagen können [457 ]. Während Srivastara et al. in einer Realfahrstudie keine Einschränkungen der Fahrtauglichkeit
bei HE belegen konnten [454 ], waren in der Studie von Kircheis et al. unter Realfahrtbedingungen nur 48 % der
Patienten mit mHE und nur 38 % der Patienten mit manifester HE in der Lage, ein Fahrzeug
korrekt zu führen, verglichen mit 87 % bei Kontrollpersonen [457 ]. Die derzeit verfügbaren diagnostischen Tests bei mHE sind nicht in der Lage, die
Fahrtüchtigkeit mit hinreichender Sicherheit zu beurteilen [457 ]. Aufgrund der insgesamt heterogenen Datenlage kann derzeit keine Stellungnahme zu
einem generellen Fahrverbot bei Patienten mit HE gegeben werden. Trotzdem sollten
Patienten mit Zirrhose und HE über die potenzielle Beeinträchtigung ihrer Fahrtauglichkeit
informiert und gegebenenfalls die Objektivierung durch eine Fahreignungstest veranlasst
werden. Die einfache Frage nach Verkehrsunfällen im vorangegangenen Jahr kann Hinweis
auf Beeinträchtigungen in diesem Bereich geben [537 ].
7 Therapie der hepatischen Enzephalopathie bei Leberzirrhose
7 Therapie der hepatischen Enzephalopathie bei Leberzirrhose
7.1 Therapie der akuten Episode einer hepatischen Enzephalopathie (HE)
7.1.1 Therapie auslösender Faktoren
Einer HE-Episode können eine oder mehrere mögliche auslösende Ursachen zugrunde liegen
([Tab. 3 ]). Diese sollen bei jedem Patienten mit Leberzirrhose und HE gesucht und spezifisch
therapiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Tab. 3
Auslöser einer HE bei Leberzirrhose [538 ]
[540 ]
[542 ].
HE Auslöser
Infektionen
SBP, Harnwegsinfekt, Pneumonie, etc.
GI-Blutung
Varizenblutung, Ulkus-Blutung, etc.
Elektrolytentgleisung
Hypokaliämie, Hyponatriämie
Medikamente
Diuretika, Sedativa (Benzodiazepine), PPI, Regarofinib
Exsikkose
Diuretika, Parazentese, abführende Maßnahmen, reduzierte Flüssigkeitsaufnahme
Obstipation
Operation/Trauma
Azidose
Eiweißexzess
> 100 g Protein/Tag an mindestens einem Tag in den letzten vier Tagen [538 ]
Kommentar
Nachdem eine hepatische Enzephalopathie (HE) gesichert wurde, sind alle Anstrengungen
darauf auszurichten, eine oder mehrere mögliche auslösende Ursachen zu finden ([Tab. 3 ]) und spezifisch zu therapieren [538 ]
[539 ]
[540 ]. In bis zu 90 % der episodisch auftretenden HE findet sich eine auslösende Ursache,
deren erfolgreiche Therapie fast immer zu einer Besserung oder Beseitigung der HE
führt [541 ]
[542 ].
Infektionen
Infektionen konnten wiederholt als Auslöser für eine HE-Episode nachgewiesen werden
[543 ]
[544 ]
[545 ]. In einer prospektiv angelegten Kohortenstudie waren Infektionen in 39 % der Fälle
der Auslöser für eine HE. Sie betrafen in 26,7 % die Atemwege oder die ableitenden
Harnwege. In den übrigen Fällen fand sich eine spontan bakterielle Peritonitis [539 ]. In einer ähnlichen prospektiven Studie an 150 Patienten mit Leberzirrhose entwickelten
17 % ohne Infektion und 42 % mit Infektion (ohne SIRS) eine klinisch manifeste HE-Episode
(„overt HE“) [546 ]. Eine Sepsis war bei 29 % der Patienten von einer klinischen HE-Episode begleitet.
Die Prozentsätze für eine klinisch nicht zuverlässig fassbare HE („covert HE“)
lagen in diesen Patientenkohorten bei 25 % (ohne Infektion), 37 % (mit Infektion)
bzw. 61 % (bei Sepsis). Während in der Kontrollgruppe (Patienten mit Infektionen ohne
Leberschaden) keiner eine Enzephalopathie entwickelte, zeigte sich auch in der Kontrollgruppe
bei 42 % der Patienten mit Sepsis ein pathologischer Ausfall psychometrischer Tests.
Infektionen steigerten das Mortalitätsrisiko der HE deutlich [547 ].
Die Therapie der Infektion führt zu einer Besserung der HE-Episode. So verschwand
unmittelbar nach Beseitigung eines infizierten Bilioms nach TIPS-Anlage die hepatische
Enzephalopathie bei einer Patientin mit Leberzirrhose [548 ].
Gastrointestinale Blutungen
Nach einer oberen gastrointestinalen Blutung kam es bei 44,7 % der Patienten mit einer
Leberzirrhose zu weiteren Komplikationen [549 ]. Eine erste HE-Episode oder die Verschlechterung einer vorbestehenden HE konnte
bei über der Hälfte dieser Patienten nachgewiesen werden. Das Auftreten einer HE nach
oberer gastrointestinaler Blutung war ein unabhängiger negativer Prognoseindikator.
In einer Kohorte von Patienten mit Leberzirrhose war die Varizenblutung mit 23,3 %
nach Infektionen der zweithäufigste Auslöser für eine oHE [539 ]. Die Wirksamkeit einer Primärprävention der HE bei Patienten mit Leberzirrhose und
oberer gastrointestinaler Blutung unterstützt den kausalen Zusammenhang von gastrointestinaler
Blutung und Auftreten einer HE-Episode [550 ]
[551 ]
[552 ]
[553 ].
Obstipation
In 15,6 – 40 % der Fälle von Patienten mit Leberzirrhose und HE konnte die Ursache
der oHE auf eine Verstopfung zurückgeführt werden [539 ]
[540 ]. Ein weiteres Indiz für die mögliche kausale Rolle der Obstipation für die Entstehung
der HE ist, dass ausschließlich abführende Maßnahmen zum Verschwinden oder zu einer
Besserung der HE führten [554 ]. Die Obstipation kann durch abführende Maßnahmen (Lactulose, PEG-Lösung), Volumengabe
bei Exsikkose, Elektrolytausgleich oder Umstellung verursachender Medikamente therapiert
werden.
Verschlechterung der Nierenfunktion und Exsikkose
Bei 32 – 74 % der Patienten mit neu aufgetretener HE fand sich als Ursache ein akutes
Nierenversagen [540 ]. Eine Exsikkose wiesen 46 – 76 % der Patienten mit HE auf, was wohl zu dem akuten
Nierenversagen ursächlich beigetragen hat. Diuretikaeinnahme, zu hohe Dosierung von
Lactulose, verminderte Flüssigkeitsaufnahme unter sedierender Medikation, großvolumige
Parazentesen und ein vorbestehender Diabetes mellitus sind hierfür die möglichen Gründe.
Ein erhöhter Kreatininwert erwies sich in einer Studie an 70 Patienten mit Leberzirrhose
als unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten einer HE [542 ]
[555 ].
Die Verschlechterung der Nierenfunktion ist bei diesen Patienten mit erhöhter Mortalität
assoziiert. In einer retrospektiven Studie beeinflusste ein terminales Nierenversagen
die Mortalität von Patienten mit einer HE aber weniger als die von Patienten mit Aszites
oder einer Varizenblutung [556 ]. Ein terminales Nierenversagen hatte weniger Auswirkungen auf die Dreijahres Mortalität
von Patienten mit HE als ein hepatorenales Syndrom, ein akutes oder chronisches Nierenversagen
[557 ]. Möglicherweise beeinflusst die Dialysebehandlung bei terminaler Niereninsuffizienz
auch die HE über eine Erniedrigung des Ammoniakspiegels und anderer an der Pathogenese
der HE beteiligten Substanzen im Blut. Ein Abfall des Kreatininwertes unter Einsatz
des MARS-Systems (Molecular adsorbent recirculating System) zeigte dagegen keine Auswirkungen
auf die HE [558 ]. Bei Patienten mit Leberzirrhose und Verschlechterung der Nierenfunktion sollte
im Hinblick auf die Assoziation mit einer HE deren Ursache geklärt und behandelt werden.
Medikamente
Diuretika können die Entwicklung einer HE über die Entstehung einer Exsikkose, einer
Hyponatriämie oder Hypokaliämie begünstigen [540 ]. 15 % der beobachteten HE-Episoden konnten entsprechend in einer Studie auf die
Einnahme von Diuretika zurückgeführt werden [542 ].
Benzodiazepine interagieren mit GABA Rezeptoren, die in der Pathophysiologie der HE
eine wichtige Rolle spielen. Flumazenil kann diese Interaktion antagonisieren. Auch
ohne Gabe von Benzodiazepinen können endogene Neurosteroide für die Auslösung einer
HE Episode über die Bindung an diesen Rezeptor verantwortlich sein [559 ]. In einer Metaanalyse [560 ] zur Wirkung von Flumazenil bei oHE zeigte sich eine vorübergehende klinische Besserung
nach Flumazenil-Gabe bei Patienten auch ohne vorherige Einnahme eines Benzodiazepins
[560 ]
[561 ]
[562 ]
[563 ]. Wurde vor Auftreten der HE ein Benzodiazepin eingenommen, empfiehlt sich dessen
Bindung an den GABA-Rezeptor mit Flumazenil zu antagonisieren. Auch Opiate und andere
zentral nervös angreifende Substanzen können eine HE begünstigen oder verschlimmern
[538 ].
Die Einnahme von Protonenpumpenhemmern war statistisch signifikant häufiger assoziiert
mit dem Auftreten einer HE. Die Daten in den Studien wurden jedoch retrospektiv gesammelt,
sodass derzeit die Empfehlung zu einem Absetzen des Präparates bei vorhandener Indikation
nicht gegeben werden kann [177 ]
[564 ]
[565 ]. Eine Metaanalyse aller vorliegenden Studien wies ebenfalls keinen statistisch signifikanten
Zusammenhang zwischen PPI-Einnahme und Auslösung einer HE nach [566 ].
Seltene Assoziationen mit einer HE-Episode wurden unter Einnahme des Tyrosinkinaseinhibitors
Regarofinib [567 ] oder dem Proteinkinaseinhibitor Imatinib beobachtet [568 ].
Bei Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen Medikamenteneinnahme und Auftreten einer
HE sollte deren Applikation sofort beendet werden.
Proteinexzess
Klinische Beobachtungen wiesen bei 35 % der Patienten mit Leberzirrhose nach stark
erhöhter Proteinzufuhr eine hepatische Enzephalopathie nach [568 ]
[569 ]. Mehr als 100 g Eiweiß an mindestens einem der letzten vier Tage vor Auftreten einer
HE wurde als möglicher Auslöser für eine HE angesehen [538 ]. Eine Mahlzeit mit 20 g Eiweiß löste bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose
keine HE aus [570 ]. Das Verhältnis von verzweigtkettigen zu aromatischen Aminosäuren stieg bis zu vier
Stunden nach der Proteinzufuhr bei diesen Patienten an. Die Zufuhr von 30 – 40 g pflanzlichen
Eiweißes erwies sich als unschädlich [100 ]
[117 ].
Epilepsie
21 von 1120 Patienten mit Leberzirrhose und Aszites litten an einer Epilepsie [571 ]. Sie hatten ein fast vierfach erhöhtes Risiko für eine HE.
Sarkopenie
Eine Sarkopenie konnte bei 40 – 60 % der Patienten mit Leberzirrhose nachgewiesen
werden, wobei mit zunehmendem Schweregrad der Lebererkrankung auch der Schweregrad
der anthropometrisch eingeschätzten Sarkopenie zunahm. HE-Episoden sind bei Leberzirrhose
und Sarkopenie signifikant häufiger [572 ]
[573 ]. Dies gilt auch für das Auftreten einer HE nach TIPS-Anlage [213 ].
Elektrolytstörungen, Azidose
65 % der HE-Episoden wiesen in einer Studie einen auslösenden Faktor auf [542 ]. Bei 21 % fand sich eine Hyponatriämie (< 130 mEq/l). Die Hyponatriämie war in dieser
Arbeit in allen Rechenmodellen ein unabhängiger Vorhersageparameter für das Auftreten
einer HE. Ein Abfall der Serum-Natriumkonzentration um mindestens 5 mEq/l in den ersten
drei Monaten der Beobachtungszeit war in 75 % der Fälle von einer HE gefolgt, während
nur bei 39 % der Patienten ohne Abfall des Serumnatriums diese Komplikation beobachtet
wurde [542 ]. Verschiedene Arbeiten unterstützen die Annahme, dass die Hyponatriämie einen prognostisch
ungünstigen Faktor für die HE darstellt [128 ]
[574 ]
[575 ]. Ein erniedrigtes Serumnatrium (< 135 mEq/l) vor einer TIPS-Implantation war ebenfalls
mit einem achtfach erhöhten Risiko für eine spätere HE verbunden [576 ]. Störungen des Säure-Basen-Haushaltes und Hypokaliämie sind weitere Risikofaktoren
für diese Komplikation [538 ]
[539 ]
[540 ]
[577 ].
7.1.2 Allgemeinmaßnahmen bei einer HE-Episode – Intensivmedizinische Überwachung
Patienten mit Zirrhose und HE ≥ Grad 3 nach West-Haven bedürfen einer intensiven medizinischen
Überwachung.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten mit HE und akutem Leberversagen (ALV) und Akut-auf-chronischem-Leberversagen
(ACLF) oder mit dekompensierter Leberzirrhose und HE Grad 3 oder 4 sollten intensiv
medizinisch überwacht werden. Bei komatösen Patienten (ab Grad 3) ist frühzeitig die
Intubation und Beatmung einzuleiten [578 ]
[579 ]. Ist eine orale Nahrungszufuhr nicht möglich, sollte bei Fehlen von größeren Ösophagusvarizen
zur Vermeidung einer Aspiration eine Magensonde gelegt werden, worüber Medikamentengaben
und eine enterale Ernährung erfolgen. Die EASL (European Association for the Study
of the Liver)-Leitlinie rät bei ALV und progressiver HE von einer Magensonde wegen
Überfüllung des Magens, der Gefahr von Mikroaspirationen und möglicher Auslösung einer
oberen gastrointestinalen Blutung ab [579 ].
Beim ALV sind weitere spezifische Maßnahmen bei HE erforderlich, da sich rasch ein
erhöhter Hirndruck bei fortschreitendem zerebralem Ödem mit tödlicher Hirnstammeinklemmung
entwickeln kann [579 ]
[580 ]. Oft ist in dieser Situation eine Lebertransplantation angezeigt, sodass die Patienten
frühzeitig in ein Transplantationszentrum verlegt werden sollten. Auch bei Patienten
mit chronischem Leberversagen und HE ist die Indikation zur Lebertransplantation stets
zu prüfen.
Bei desorientierten Patienten mit HE können Stürze mit Verletzungen auftreten, was
eine entsprechende Überwachung erfordert. Die Anlage eines Blasenkatheters erlaubt
eine bessere Flüssigkeitsbilanzierung. Elektrolyte, Blutgase, Blutzucker und Volumenbilanz
sind im Verlauf regelmäßig zu kontrollieren.
Kalorien- und Proteinzufuhr
Die Energiezufuhr bei Patienten mit Leberzirrhose und hepatischer Enzephalopathie
sollte bei 30 – 35 kcal/kg Körpergewicht (Idealgewicht) täglich liegen.
Empfehlung, starker Konsens
Die tägliche Eiweißzufuhr sollte bei 1,2 – 1,5 g/kg Körpergewicht (Idealgewicht) täglich
liegen.
Empfehlung, starker Konsens
Eine regelhafte Proteinrestriktion soll nicht durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Klug-Entscheiden-Empfehlung
Die Nahrungsaufnahme sollte in häufigeren kleinen Mahlzeiten mit einem abendlichen
zusätzlichen Imbiss vor dem Schlafengehen erfolgen. Nüchternphasen über vier bis sechs
Stunden sollten vermieden werden.
Empfehlung, starker Konsens
Bei Intoleranz von tierischen Eiweißen sollte auf Milchprodukte, pflanzliche Eiweiße
oder selten auf eine Nahrungsergänzung mit verzweigtkettigen Aminosäure-Präparaten
umgestellt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Die vorübergehende Gabe von Multivitamin- oder Zinkpräparaten kann bei HE aufgrund
einer Leberzirrhose erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Bis zu 60 % der Patienten mit Leberzirrhose sind mangelernährt [581 ]. Der Energieverbrauch im Ruhezustand ist bei Patienten mit Leberzirrhose erhöht,
was unter anderem auf einen Ersatz der Glykogenolyse durch die Energie verbrauchende
Gluconeogenese zurückzuführen ist [582 ]. Die hepatische Glukosefreisetzung durch gesteigerte Gluconeogenese hat einen erhöhten
Aminosäureverbrauch und Proteinabbau zur Folge. Dies bewirkt zusätzliche Aminosäureverluste
und die Freisetzung von Ammoniak [100 ]. Die empfohlene Energiezufuhr variiert zwischen 30 – 45 kcal/kg Körpergewicht täglich
[100 ]
[579 ]
[583 ]. Dabei sollte das ideale Körpergewicht als Berechnungsgrundlage dienen. Die Leitlinienkommission
folgt in ihrer Empfehlung der ESPEN (European Society for Clinical Nutrition and Metabolism)-Leitlinie
[583 ].
Die Eiweißzufuhr sollte bei 1,2 – 1,5 g/kg Körpergewicht pro Tag liegen [583 ]. Eine Proteinrestriktion wird auch bei Vorliegen einer HE nicht empfohlen, da eine
Eiweißzufuhr von unter 0,8 g/kg Körpergewicht proTag zu einer katabolen Stoffwechselsituation
mit Anstieg der Stickstoffbelastung im Kreislauf führt.
Allenfalls bei Patienten mit HE und oberer gastrointestinaler Blutung kann für drei
bis fünf Tage auf eine Proteinzufuhr verzichtet werden [584 ]. Das Auftreten weiterer HE-Episoden wird durch eine normale Proteinkost unter Fortführung
einer HE-Standardtherapie in der Regel nicht begünstigt [117 ]
[570 ].
Eine gestörte Muskelproteinsynthese und ein durch Autophagie vermittelter Proteinabbau
tragen zur Sarkopenie bei Zirrhose bei. Da die Muskulatur wichtig für die Verwertung
von Ammoniak im Blut ist [585 ], begünstigt ihr Abbau die Entstehung einer HE [586 ]. Entsprechend ist das Vorliegen einer Sarkopenie bei Patienten mit Leberzirrhose
ein prognostisch ungünstiger Parameter für das Auftreten einer HE [213 ]
[587 ].
Ziel diätetischer Maßnahmen sollte daher die Erhaltung der Muskulatur oder deren Zunahme
sein [588 ]. Die Steigerung der Kalorienzufuhr durch orale oder parenterale Zufuhr oder Nahrungsergänzungsmittel
erwiesen sich jedoch in zwei Metaanalysen ohne sicheren Vorteil für das Überleben
der Patienten [589 ]
[590 ]. Positive Auswirkungen auf die Muskelmasse ergaben sich bei oraler zusätzlicher
Nahrungszufuhr [590 ]. Wichtig erscheint die Verteilung mehrerer kleiner Mahlzeiten über den Tag, um die
energieverbrauchende Gluconeogenese und den Aminosäuren-Abbau zu unterdrücken [100 ]. Nüchternphasen von drei bis sechs Stunden sollten vermieden werden. Eine abendliche
zusätzliche Nahrungsaufnahme erwies sich in einer systematischen Analyse von mehreren
Studien im Hinblick auf metabolische und klinische Effekte günstiger als nur die am
Tag zugeführten Nahrungsportionen [591 ]. Möglicherweise kann hierdurch die anabole Resistenz durchbrochen, eine Sarkopenie
gebessert, das Auftreten einer HE-Episode vermieden und deren Schweregrad reduziert
werden. Langzeitaussagen zu dieser Maßnahme sind aber derzeit noch nicht möglich.
Hohe Dosen von Leucin [100 ] und anderen verzweigtkettigen Aminosäuren [592 ] können hilfreich sein. Körperliche Aktivität verbessert die Arbeitskapazität und
möglicherweise die Muskelmasse [593 ]. Körperliches Training kann aber auch die Ammoniakkonzentration im Muskel erhöhen,
was die funktionellen Konsequenzen der Hyperammoniämie und die verminderte ATP-Synthese
des Muskels verschlimmern kann. Ein Absenken des Ammoniaks im längeren zeitlichen
Verlauf kann eine zukünftige mögliche Strategie auch bei fehlendem Nachweis einer
HE bei Zirrhose sein, um die Muskelmasse anzuheben [594 ].
Eiweiß enthaltende pflanzliche Produkte weisen mehr Fasern im Vergleich zu tierischem
Eiweiß auf, was das Mikrobiom des Darmes modifizieren (Präbiotikum), die Darmpassage
beschleunigen, den intraluminalen pH absenken und die Stickstoff Ausscheidung mit
dem Stuhl erhöhen kann [100 ]
[595 ]. Die Ernährung mit ausschließlich pflanzlichen Eiweißen (30 – 35 kcal/kg Körpergewicht/Tag,
1,0 – 1,5 g vegetarische Proteine/kg Körpergewicht/Tag) erwies sich als besser im
Vergleich mit einer unveränderten Ernährungsweise bei Patienten mit gesicherter Leberzirrhose
und mHE [595 ]
[596 ].
Unter modifizierter Kost stieg nach sechs Monaten der Prozentsatz der Patienten ohne
mHE auf 71,1 % gegenüber 22,8 % unter normaler Kost [597 ].
Bei dokumentierter Intoleranz von Nahrungsproteinen kann somit auf pflanzliche Proteine
oder Milchprodukte [598 ] gewechselt werden [436 ]. Die parenterale oder orale Verabreichung von verzweigtkettigen Aminosäurelösungen
zeigte in einer Metaanalyse positive Effekte auf die HE [598 ]. Mortalität, Lebensqualität oder Ernährungsparameter wurden allerdings hierdurch
nicht beeinflusst. In Einzelfällen kann bei unzureichender Eiweißzufuhr und Unverträglichkeit
von pflanzlichen oder Milchprodukten eine zusätzliche Gabe von verzweigtkettigen Aminosäurepräparaten
erfolgen.
Zink-Supplementation
Ein Zinkmangel (< 0,66 µg/ml) kann bei über 80 % der Patienten mit Leberzirrhose nachgewiesen
werden [599 ]. Im Gegensatz zu anderen Nahrungsergänzungsmitteln oder Vitaminen sprechen die Daten
für die Verabreichung von Zink bei Nachweis eines entsprechenden Mangels. Die Datenlage
zur Durchführung der Zink-Substitution bei HE ist nicht klar. Auf den Zahlenverbindungstest
zeigten sich in einer Metaanalyse positive Effekte, wohingegen die Gabe von Zink keine
Wirkung in einer Studie zur Sekundärprophylaxe hatte [600 ]. Konkrete Empfehlungen zur Dosierung können nicht gegeben werden. Nach Erreichen
eines normalen Zinkspiegels kann aber eine Erhaltungsdosis von z. B. 220 mg Zinksulfat
(entsprechen 50 mg elementarem Zink) täglich verabreicht werden.
Vitamin-Supplementation
Niedrige Vitamin-A-Spiegel sind bei HE und Leberzirrhose nachgewiesen worden [601 ]. Bei chronischen Lebererkrankungen finden sich niedrige Plasmaspiegel von Vitamin
D, E und B1 in Abhängigkeit vom Schweregrad und der Ätiologie der zugrundeliegenden
Lebererkrankung [602 ]. Auch wenn es keine gesicherten Daten für eine positive Wirkung der Gabe von Multivitaminpräparaten
auf die HE bei Leberzirrhose gibt, kann diese zumindest in den ersten Tagen nach Auftreten
einer HE erfolgen [436 ].
7.1.3 Medikamentöse Therapie
Lactulose soll als Medikament der ersten Wahl zur Therapie einer oHE-Episode eingesetzt
werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Zusätzlich zur oralen Gabe oder bei nicht möglicher oraler Zufuhr kann Lactulose als
Einlauf (300 ml Lactulose/700 ml Wasser) verabreicht werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
In Einzelfällen kann eine Kombinationstherapie mit Rifaximin erwogen werden.
Empfehlung offen, Konsens
Rifaximin als Monotherapie soll nur bei Unverträglichkeit von Lactulose zur Therapie
einer HE-Episode ≥ 1 nach West-Haven-Kriterien eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, Konsens
Die intravenöse Gabe von verzweigtkettigen Aminosäuren kann zusätzlich oder alternativ
bei Patienten in der Akuttherapie bei oHE eingesetzt werden, die nicht auf eine Therapie
mit Lactulose allein angesprochen haben.
Empfehlung offen, starker Konsens
Intravenös appliziertes L-Ornithin-L-Aspartat kann zusätzlich oder alternativ bei
Patienten mit akuter HE-Episode eingesetzt werden, die nicht auf eine Therapie mit
Lactulose angesprochen haben.
Empfehlung offen, starker Konsens
Für den Einsatz von oral appliziertem L-Ornithin-L-Aspartat gibt es keine ausreichende
Evidenz für eine klinische Wirksamkeit bei HE.
Konsens
Wegen des höheren Risikos von Nebenwirkungen sollte auf Neomycin und Paromomycin in
der Therapie der HE verzichtet werden.
Empfehlung, Konsens
Die Anwendung von Probiotika zur Therapie und Prophylaxe der HE sollte nicht erfolgen.
Empfehlung, Konsens
Flumazenil kann bei Patienten mit oHE zur Klärung der HE-Auslösung nach möglicher
Exposition mit Benzodiazepinen zusätzlich zu einer Standardtherapie eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Für den Einsatz von Glycerolphenylbutyrat oder Ornithinphenylazetat bei oHE kann aufgrund
der Datenlage zum jetzigen Zeitpunkt keine Empfehlung gegeben werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Bei HE kann in Einzelfällen die Verabreichung von 4 l PEG-Lösung hilfreich sein.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Probleme der Studien zur medikamentösen Therapie der hepatischen Enzephalopathie
Die Studien, die den Einsatz von Medikamenten bei hepatischer Enzephalopathie untersuchten,
wiesen zum Teil stark voneinander abweichende Ergebnisse auf. Ursachen hierfür sind
eine nicht einheitliche Diagnostik der HE, abweichende Definitionen für das Vorliegen
einer HE, variierende Patientenkollektive und variable Gestaltung der Standardtherapie
in der Verum- und Kontrollgruppe.
Die Besserung einer oHE wird anhand der West-Haven-Kriterien und die einer mHE mithilfe
verschiedener psychometrischer Tests oder der Bestimmung der kritischen Flimmerfrequenz
diagnostiziert. Die Tests zur Diagnostik der mHE sind jedoch wenig spezifisch und
sensitiv und korrelieren untereinander nur schlecht [504 ]
[603 ]. Oft werden die Tests nicht korrekt durchgeführt, insbesondere wenn nur der NCT
des portosystemischen Enzephalopathie-Syndrom-Testes (PSES) eingesetzt wird. Weiterhin
wird das Vorliegen einer mHE über Tests definiert, die auch zu ihrer Diagnostik verwandt
werden.
Das Überleben von Patienten mit einem MELD-Score > 10 war schlechter für Patienten
mit gleichzeitig vorhandener mHE, wenn diese mittels kritischer Flimmerfrequenz (< 39 Hz),
nicht aber durch psychometrische Tests diagnostiziert wurde [504 ]. Die kritische Flimmerfrequenz zeigte in der Diagnostik der oHE mit 41 % eine deutlich
geringere Sensitivität als die psychometrischen Tests [604 ]. Die Testergebnisse werden durch Alter, Lerneffekte, Alkoholkonsum und Begleiterkrankungen
beeinflusst [605 ].
Das Stadium 1 der West-Haven-Kriterien ist allenfalls für Verwandte des Patienten,
aber kaum für den Arzt diagnostizierbar, weshalb dieses Stadium zuletzt der „covert
HE“ zugeordnet wurde [605 ]
[606 ]. Trotz dieser Schwierigkeit wurde das Stadium 1 in vielen Studien als klinisch sicher
einschätzbar verwandt, was deren Ergebnisse relativiert. Grundsätzlich wird verlangt,
dass mindestens zwei verschiedene Tests in Studien zur Anwendung kommen sollen [607 ]. Diese 2015 festgelegte Forderung wurde in älteren Studien meist nicht berücksichtigt.
Die eingesetzten Tests sollten zudem in Studienzentren validiert und auf die zu untersuchende
Population standardisiert sein.
Die West-Haven-Kriterien zur Einschätzung der HE sind umso ungenauer je niedriger
das HE Stadium ist und unterliegen somit der subjektiven Einschätzung des Untersuchers
[578 ]. Der Übergang von einem Stadium zum anderen ist fließend und erlaubt kaum eine genaue
Kategorisierung [607 ].
Studienergebnisse sollten sich auf klar definierte Patientenpopulationen beziehen.
Patienten mit mHE, cHE (= mHE + HE 1 [West-Haven-Klassifikation]) und oHE (= West-Haven-Klassifikation
> 1) sollten getrennt betrachtet werden. Die zu vergleichenden Studienkollektive sollten
nach Alter, Schweregrad der Lebererkrankung, Alkoholexposition und Begleiterkrankungen
möglichst gleichförmig zusammengesetzt sein. HE Typ A, B und C oder bei ACLF müssen
bei Therapiestudien getrennt betrachtet werden. Auch hat das Vorliegen von auslösenden
Faktoren einen so starken Einfluss auf Studienergebnisse, dass ihr Vorliegen als Ausschlusskriterium
gelten sollte. In vielen Studien wurde dies nicht berücksichtigt. Die Einschlusskriterien
sollten ebenfalls klar festlegen, ob eine Therapie bei Patienten mit akuter HE-Episode,
in der Primär- oder Sekundärprävention getestet wird.
Die Therapie in der Placebo- und Verum-Gruppe (Standard of Care) beeinflusst die Konsequenzen,
die für den zukünftigen Einsatz des getesteten Medikaments gezogen werden. Erhalten
Verum- und Kontrollgruppe Lactulose, kann bei positivem Studienergebnis nur die Kombination
von Lactulose mit der getesteten Substanz eingesetzt werden. Selbst in aktuellen Studien
[608 ] erhielt die Vergleichsgruppe eine Standardtherapie, die nicht den Vorgaben der europäisch/amerikanischen
Leitlinie [603 ] entsprach.
Die Definition der Studienendpunkte ist von besonderer Bedeutung für den Wert von
Studienergebnissen [607 ]. Aussagen zur therapeutischen Wirksamkeit erfordern als Endpunkt die Besserung der
HE. Geht nur der Schweregrad der HE zurück, kann dennoch weiterhin eine HE vorliegen.
Weiterhin ist als Endpunkt der alleinige Nachweis der Absenkung des Ammoniakgehaltes
im Blut durch die getestete Substanz für die klinische Wirksamkeit unerheblich, da
weder das Vorliegen noch der klinische Schweregrad einer HE mit diesem Laborparameter
korrelieren [603 ]
[609 ]
[610 ].
Eine Proteinbelastung [611 ]
[612 ] im Rahmen einer Studie wie bei der Testung von LOLA soll heute nicht mehr durchgeführt
werden.
Therapeutische Beeinflussung der intestinalen Ammoniakaufnahme
Ammoniak wird bei Patienten mit Leberzirrhose nicht nur beim endogenen Abbau z. B.
von Proteinen in der Muskulatur, sondern insbesondere auch aus intestinalen Nahrungsproteinen
oder Blut freigesetzt. Enterozyten katalysieren die Umwandlung von Glutamin in Glutamat
und Ammoniak mittels einer intestinalen Glutaminase [613 ]. Darmbakterien (Enterobacter, Clostridium und Proteusspezies) verfügen über eine
Urease, die bei einer intestinalen Blutung aus in den Darm gelangten Harnstoff Ammoniak
und CO2 entstehen lassen. Die Ammoniakaufnahme über den Darm wird durch die zugeführte absolute
Eiweißmenge, die Art des aufgenommenen Proteins (pflanzliche vs. tierische Proteine),
den pH im intestinalen Lumen und die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflusst. Hieraus
ergeben sich mehrere therapeutische Ansatzpunkte, über die die Aufnahme intestinalen
Ammoniaks und dessen Serumspiegel beeinflusst werden können.
Lactulose (nicht-absorbierbare Disaccharide)
Lactulose oder Lactitol sind Disaccharide, die im menschlichen Dünndarm nicht gespalten
und daher auch nicht intestinal resorbiert werden können. Daher gelangen sie ungespalten
bis in den Dickdarm, wo sie bakteriell verstoffwechselt werden. Sie sind osmotisch
wirksam und haben dadurch eine die Darmpassage beschleunigende Wirkung. Der intraluminale
pH wird abgesenkt, wodurch aus Ammoniak Ammoniumionen werden, die nicht resorbiert
werden können. Kurzkettige Fettsäuren, die beim bakteriellen Stoffwechsel von Lactulose
freigesetzt werden, begünstigen das Wachstum bestimmter Bakterienstämme, die den Ammoniak
zur Proteinsynthese verwenden und somit binden [614 ]. Die Freisetzung von Ammoniak aus Glutamin wird zudem durch Lactulose über eine
Hemmung der Glutaminase vermindert. Die bei Leberzirrhose nachgewiesene Dysbiose im
Kolon wird ebenfalls günstig beeinflusst (Rolle der Disaccharide als sog. Präbiotikum)
[615 ].
Nicht-absorbierbare Disaccharide zeigten in einer Metaanalyse [616 ] von 38 randomisierten Studien mit 1828 Teilnehmern eine statistisch signifikante
Besserung der akuten HE. Weiterhin zeigten sich im Hinblick auf die Mortalität Vorteile
für Lactulose gegenüber Placebo oder keine Intervention, wenn nur acht gut angelegte
Studien berücksichtigt wurden. Auch wenn die eingeschlossenen Studien meist mäßiger
Qualität waren, ergibt sich dennoch eine klare Empfehlung zu ihrem bevorzugten Einsatz
bei der Behandlung der manifesten HE und zur Sekundärprävention, also zur Vermeidung
eines Rezidivs nach einer Indexepisode [616 ]. Lactulose führt zu einer Abnahme der Gesamtmortalität und hat günstige Auswirkungen
auf Komplikationen des chronischen Leberversagens wie Varizenblutung, schwere Infektionen,
spontan bakterielle Peritonitis und hepatorenales Syndrom. Zwischen Lactitol und Lactulose
fanden die Autoren keinen Unterschied im Hinblick auf evaluierbare Endpunkte [617 ].
Die Metaanalyse [616 ] wies auch auf positive Effekte bei der Behandlung der mHE und dem Einsatz in der
Primärprävention hin. Neun Studien mit insgesamt 434 Patienten gingen in eine zweite
Metaanalyse ein, die die Wirkung von Lactulose bei mHE untersuchte [618 ]. Lactulose erwies sich im Hinblick auf die Besserung psychometrischer Tests, der
Häufigkeit des Übergangs in eine oHE und der Lebensqualität gegenüber Placebo oder
keiner Therapie als signifikant besser. Lediglich die Mortalität wurde nicht beeinflusst.
Beim Vergleich mit schwer resorbierbaren Antibiotika und Rifaximin erwies sich Lactulose
in mehreren Metaanalysen als gleichwertig [619 ]
[620 ]
[621 ]. Es fand sich kein Unterschied im Hinblick auf eine Besserung bei akuter oder chronischer
HE. Auch die Nebenwirkung einer Diarrhö fand sich gleich häufig bei Anwendung beider
Medikamente [619 ]. Lediglich Bauchschmerzen fanden sich signifikant häufiger unter Lactulose. Die
zweite Metaanalyse fand mehr Diarrhöen und weniger Bauchschmerzen unter Lactulose
gegenüber Rifaximin [620 ]. Die Tagestherapiekosten liegen für Rifaximin aktuell bei 14,00 €/Tag (2-mal 550 mg)
und für Lactulose bei 0,39 €/T (3-mal 20 ml) [622 ].
Nebenwirkungen der Therapie mit nicht absorbierbaren Disacchariden sind Blähungen,
Bauchschmerzen, Flatulenz und Durchfall, sodass die Präparate bei einigen Patienten
aus diesen Gründen abgesetzt werden müssen. Beim Sirup mit Beimengungen von weiteren
Zuckern sind diese Nebenwirkungen offenbar stärker ausgeprägt als bei rein kristallinen
Präparationen (Lactitol). Diese Annahme konnte allerdings in einer Metaanalyse von
sechs Studien, die das Vorkommen nicht schwerer Nebenwirkungen von Lactulose im Vergleich
zu Lactitol untersuchten, nicht bestätigt werden [616 ]. Die Dosierung der Lactulose richtet sich nach Stuhlfrequenz und Konsistenz. Es
sollten zwei bis drei weiche Stühle pro Tag abgesetzt werden. Die verabreichten Mengen
liegen zwischen 3-mal 10 ml und 3-mal 30 ml p. o. pro Tag. Die Dosis kann je nach
Stuhlverhalten auch auf zwei tägliche Gaben beschränkt werden [603 ].
Probiotika
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die die Zusammensetzung des intestinalen
Mikrobioms modifizieren können, wenn genügend Bakterien p. o. in das Kolon gelangen.
Sie sollen die bei Leberzirrhose und HE nachgewiesene Dysbiose [623 ] über eine Verminderung pathogener Bakterienstämme mit reduzierter Endotoxin- und
Ammoniakfreisetzung bessern. Die unter den nicht- absorbierbaren Disacchariden (= Präbiotika)
nachgewiesenen Effekte lassen sich vom gedanklichen Ansatz her auf die Wirkungen der
Probiotika weitgehend übertragen [615 ]
[624 ].
Randomisierte kontrollierte Studien und verschiedene Metaanalysen lassen derzeit allerdings
noch keine eindeutige Bewertung dieses Therapieansatzes bei HE zu [603 ]
[624 ]
[625 ]
[626 ]
[627 ]. Die Cochrane-Metaanalyse berücksichtigte 21 Studien mit 1420 Patienten [626 ]. 14 Studien verglichen die Gabe von Probiotika mit Placebo oder keiner Therapie
und sieben setzten Lactulose als Vergleichstherapie ein. VSL#3 wurde am häufigsten
in den Studien als Probiotikum eingesetzt. Beim Vergleich mit Placebo fand sich keine
Beeinflussung der Gesamtmortalität (alle Ursachen). Ein Therapieversagen fand sich
seltener unter Probiotika. Sie besserten geringfügig die Lebensqualität und senkten
den Ammoniakgehalt des Blutes. Beim Vergleich mit Lactulose erwiesen sich Probiotika
in allen untersuchten Parametern als nicht besser. Die in die Metaanalyse eingeschlossenen
Studien wiesen ein hohes Risiko für systemische und zufallsbedingte Fehler auf. Beim
Vergleich mit Placebo, aber nicht mit Lactulose ergaben sich insgesamt Hinweise auf
eine bessere Wirkung bei akuter HE. Für eine genauere Einschätzung der Wirkung von
Probiotika bei HE fehlt derzeit eine ausreichende Datenlage.
Probiotika zeigten sich wirksam in der Therapie der mHE beim Vergleich mit Placebo
oder keiner Therapie [627 ].
Stuhltransfer
Entsprechend der Bedeutung des Mikrobioms bei Patienten mit Leberzirrhose und HE lag
es nahe, die therapeutische Wirkung eines Stuhltransfers zu prüfen. Bajaj und Mitarbeiter
untersuchten die Wirkung des Stuhltransfers in der Sekundärprophylaxe der HE und behandelten
in einer randomisierten Studie insgesamt 20 Patienten, die unter einer Standardtherapie
mindestens zwei akute HE-Episoden entwickelt hatten. Sie selektionierten einen einzigen
Stuhlspender, der eine für Patienten mit HE „optimale“ Darmflora im Stuhl aufwies
[608 ]. Vor der Verabreichung des Stuhls mittels Einlauf wurde über fünf Tage antibiotisch
mit einer Kombination von Metronidazol, Ciprofloxacin und Ampicillin behandelt. Der
primäre Endpunkt war das Auftreten von Nebenwirkungen, was in der Gruppe mit Stuhltransfer
deutlich günstiger ausfiel. Ein vermindertes Auftreten einer HE als sekundärer Endpunkt
fand sich ebenfalls nur in dieser Gruppe. Weitere HE-Episoden wurden ausschließlich
bei sechs von insgesamt zehn Kontrollpatienten beobachtet. Obwohl auch die Patienten
der Kontrollgruppe Rifaximin und Lactulose erhielten, überrascht die hohe Rezidivrate
von 60 % in dieser Gruppe. Die aktuelle Datenlage erlaubt derzeit keine Empfehlung
für dieses Verfahren außerhalb von klinischen Studien.
Schwer resorbierbare Antibiotika
Schwer resorbierbare Antibiotika, wie Paromomycin, Neomycin und Rifaximin, beeinflussen
die Darmflora, indem pathogene Darmbakterien mit Endotoxin- oder Ammoniakbildung abgetötet
werden. Die fast ausschließlich im Darmlumen wirkenden Antibiotika verändern somit
die quantitative und qualitative Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms mit positiven
Auswirkungen auf Therapie und Prävention einer HE.
Rifaximin hat ein breites antimikrobielles Spektrum mit Wirkung gegen intestinale
Gram-positive und Gram-negative Organismen, was sowohl Aerobier als auch Anaerobier
einschließt. Es beeinflusst Funktion und Aktivitäten der intestinalen Bakterien mit
Anstieg langkettiger Fettsäuren und von Intermediärprodukten des Kohlenhydratstoffwechsels
[628 ]. Die intestinale bakterielle Zusammensetzung, die bakterielle Translokation [629 ] und Hämodynamik werden jedoch bei dekompensierter Leberzirrhose durch eine vierwöchige
Behandlung mit Rifaximin nicht oder kaum beeinflusst [630 ].
In einer Metaanalyse von zehn Studien [631 ], die Rifaximin mit anderen Therapien bei einer akuten HE-Episode verglichen, fand
sich bei neun von zehn analysierten Studien kein statistisch signifikanter Unterschied
gegenüber der jeweiligen Kontrolltherapie. Die anhand dieser Daten durchgeführte Metaanalyse
zeigte in der Akutbehandlung keinen Vorteil für Rifaximin allein im Vergleich zu einer
Standardtherapie, zumal die einzige Studie [632 ] mit signifikantem Ergebnis nicht Rifaximin, sondern dessen Kombination mit Lactulose
gegen Lactulose allein verglich. Zudem war in dieser Studie in beiden Gruppen eine
außergewöhnlich hohe Mortalität vorhanden und der Nachweis eines auslösenden Faktors
für eine HE war kein Ausschlusskriterium [632 ]. 17 Patienten in der Kontrollgruppe litten an einer Sepsis, während dies nur bei
sieben in der Rifaximingruppe der Fall war. Dies und die Tatsache, dass in der Metaanalyse
[631 ] von den Herstellern des Präparates (Salix und Alfa Wasserman) zur Verfügung gestellte
bis dahin nicht publizierte Daten eingingen, schmälern die Aussagekraft dieser Metaanalyse
weiter.
Drei weitere Metaanalysen [619 ]
[620 ]
[621 ] konnten ebenfalls keine Überlegenheit von Rifaximin gegenüber Kontrolltherapien
bei akuter HE-Episode nachweisen.
Der primäre Einsatz von Rifaximin bei einer manifesten HE wurde in der gemeinsamen
Leitlinie von AASLD und EASL nicht empfohlen, da hierfür keine soliden Daten zur Verfügung
standen [603 ]. Rifaximin ist in Deutschland zur Behandlung der ersten HE-Episode nicht zugelassen.
Eine Monotherapie mit Rifaximin soll entsprechend der Leitlinienkommission nicht bei
der Erstbehandlung, sondern nur in den wenigen Fällen einer Unverträglichkeit von
Lactulose (s. Empfehlung 7.14, „Off-Label-Use“) erfolgen. Bei fehlendem Ansprechen
von Lactulose allein kann zusätzlich Rifaximin gegeben werden (Empfehlung 7.11). Diese
Empfehlung beruht auf einer einzigen positiven Studie, die die oben angeführten Schwächen
aufweist, und entspricht zudem einer nicht zugelassenen Indikation [632 ] (s. auch Abschnitt 7.1.4) Rifaximin ist nur in der Sekundärprävention in Kombination
mit Laktulose zugelassen.
Paromomycin, Neomycin und Rifaximin waren in einer Metaanalyse gleichwertig [620 ]. Das Nebenwirkungsspektrum von Paromomycin und Neomycin ist aber ungünstiger als
das von Rifaximin [633 ]. Auch die schwer resorbierbaren Antibiotika werden in geringen Mengen intestinal
resorbiert. Insbesondere bei Paromomycin und Neomycin besteht bei längerer Einnahme
das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen wie Oto- oder Nephrotoxizität. Auch Rifaximin
wird bei Patienten mit Leberzirrhose wegen der durchlässigeren Darmwand leichter in
die Blutbahn aufgenommen, was zu höheren Blutplasmakonzentrationen (10 ng/ml) im Vergleich
zu gesunden Kontrollpersonen (1 ng/ml) führt [634 ]. Interaktionen am CYP3A4 bei gleichzeitiger Einnahme von Statinen können in sehr
seltenen Fällen das Risiko für eine Myopathie erhöhen [635 ]. Trotz bekannter Aktivität gegen Clostridium difficile wurden unter Rifaximin Infektionen
mit diesem Erreger beobachtet [636 ].
Laxanzien und abführende Maßnahmen
Schon früh wurden abführende Maßnahmen mit Einläufen und wiederholten Gaben von Magnesiumcitrat
[637 ] oder die orthograde intestinale Lavage mit einer Mannitlösung bei HE und Leberzirrhose
vorgeschlagen [552 ]
[553 ]. In der Primärprophylaxe bei Patienten mit oberer gastrointestinaler Blutung erwies
sich die Applikation der Mannitlösung als genauso effektiv wie die Kombination von
Paromomycin und Lactulose [553 ] oder besser als keine Therapie [638 ].
Eine kleinere Studie zeigte bei Patienten mit akuter HE Vorteile für reine Abführmaßnahmen
mittels Polyäthylenglykol (PEG)-Lösung im Vergleich zur Gabe von Lactulose [554 ]. Im klinischen Alltag dürfte es nicht einfach sein, 4 l PEG-Lösung bei Patienten
mit dekompensierter Leberzirrhose und HE zu verabreichen. Die Studie zeigt aber, dass
alleinige abführende Maßnahmen positiv in die Pathophysiologie der HE eingreifen.
Naderian und Mitarbeiter [639 ] kamen zu einem ähnlichen Ergebnis, wobei sie leichte Vorteile im Sinne einer schnelleren
Besserung der HE für die Kombination von PEG-Lösung und Lactulose nachweisen konnten.
Eine Empfehlung zum routinemäßigen Einsatz der PEG-Lösung bei HE oder in der Primärprophylaxe
kann zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht gegeben werden. Eine Alternative zur oralen
Lavage können möglicherweise Lactulose-Einläufe (300 ml Lactulose auf 1000 ml H2 O) sein [640 ]
[641 ]
[642 ].
Substanzen zur Bindung von Ammoniak
Erhöhte Serumammoniakspiegel können durch exogene Zufuhr von L-Ornithin-L-Aspartat
(LOLA) bei Patienten mit Leberzirrhose gesenkt werden [643 ]. LOLA stimuliert möglicherweise den Einbau von Ammoniak in Harnstoff oder Glutamin
über das erhöhte Angebot an Vorstufen zur Harnstoffsynthese und Glutaminbildung. Auch
nicht natürliche Substanzen wie Glycerolphenylbutyrat oder Ornithin-phenylazetat binden
Ammoniak in Form von Phenylazetylglutamin, das renal eliminiert wird [644 ].
L-Ornithin-L-Aspartat (LOLA)
Die Wirkung von LOLA auf den Ammoniakgehalt des Blutes wurde in einigen [612 ]
[645 ], aber nicht in allen Studien [645 ] gezeigt. Der Nachweis der Ammoniakabsenkung allein lässt zudem keinen Rückschluss
auf die klinische Wirksamkeit zu [646 ]. Gelegentlich setzte der Einschluss von Patienten in diese Studien einen erhöhten
Ammoniakspiegel voraus, was deren Aussagekraft wegen einer möglichen Patientenselektion
beeinträchtigen kann.
Die Autoren einer aktuellen Metaanalyse [647 ] kommen zu dem Schluss, dass unzureichende Informationen vorliegen, um eine endgültige
Bewertung trotz einiger positiver Effekte von LOLA vornehmen zu können, da die bisher
vorliegenden Studienergebnisse zufälligen und systematischen Fehlern unterliegen können.
LOLA zeigte in dieser Metaanalyse keine Wirkung bei mHE oder in der HE-Prävention.
Der Nachweis von positiven Effekten von intravenös appliziertem LOLA bei HE (akute
oder chronische HE) war von geringer Qualität und erfordert zusätzliche randomisierte
Studien.
In einer weiteren Metaanalyse zur Wirkung von LOLA bei akuter HE und mHE gingen acht
randomisierte und kontrollierte Studien mit 646 Patienten ein [646 ]. Es ergaben sich Vorteile für alle eingeschlossenen Patienten mit HE beim Vergleich
von LOLA mit Placebo oder keine Behandlung (vier Studien, RR für Rückbildung der HE
1,33; 95 % Konfidenzintervall 1,04 – 1,69). In den Studien bewirkte eine mindestens
zehntägige Gabe von LOLA eine signifikante Absenkung des Ammoniakspiegels. Die Wirkung
auf den Ammoniakgehalt des Blutes korrelierte jedoch nicht mit einer Besserung der
HE. Wenn nur Studien mit hoher Qualität eingeschlossen wurden, fand sich in dieser
Metaanalyse kein statistisch signifikanter Vorteil von LOLA auf die mHE oder akute
HE bei Patienten mit Leberzirrhose [646 ].
Eine kürzlich publizierte randomisierte kontrollierte Studie an 193 Patienten mit
HE untersuchte die zusätzliche i. v. Gabe von LOLA im Vergleich mit Lactulose und
Ceftriaxon allein [645 ]. Das Vorliegen von Auslösern für eine HE-Episode war in dieser Studie kein Ausschlusskriterium.
LOLA als zusätzliches Medikament zu Ceftriaxon und Lactulose gegeben zeigte nur in
den ersten vier Tagen nach Therapiebeginn eine bessere Wirkung auf den HE-Grad. Am
fünften Tag zeigte sich gegenüber der Placebogruppe kein Unterschied mehr. Die Dauer
des Krankenhausaufenthaltes konnte durch die zusätzliche Gabe von LOLA um etwas mehr
als einen halben Tag verkürzt werden.
Insbesondere für die orale Gabe von LOLA gibt es keine gesicherten Daten [603 ]
[609 ]. Die beste Studie [611 ], die die orale Gabe von LOLA mit Placebo verglich, schloss überwiegend Patienten
mit mHE und HE Grad 1 und nur 7 bzw. 11 Patienten mit HE Grad 2 in die jeweilige Vergleichsgruppe
ein. Auch bei mHE erwies sich die orale Gabe als unwirksam [648 ].
Zwei Studien mit oraler Gabe [611 ]
[649 ] und eine weitere mit i. v.-Gabe [612 ] gingen in eine dritte Metaanalyse ein [650 ]. Ein positiver Effekt wurde für Patienten mit HE-Schweregrad 1 und 2 und nicht für
die mHE nachgewiesen. Die Besserung von Grad 1 auf 0 ist allerdings nach heutiger
Auffassung klinisch nicht sicher einschätzbar.
Der Einsatz von i. v. LOLA bei akutem Leberversagen (HE Typ A) zeigte weder eine Wirkung
auf die Ammoniakspiegel im Serum noch auf das Überleben der Patienten [651 ].
Glycerolphenylbutyrat und Ornithinphenylazetat
Glycerolphenylbutyrat und Ornithinphenylazetat sind ebenfalls in der Lage, den Ammoniakspiegel
im Blut über eine vermehrte renale Ausscheidung von Ammoniak-haltigen Metaboliten
abzusenken [644 ]. Unter Glycerylphenylbutyrat war in der Sekundärprävention der Prozentsatz der Patienten
mit einem erneuten HE-Rezidiv statistisch signifikant niedriger als unter nur fortgeführter
Standard-HE-Therapie [652 ]. Auch die Zeit bis zum nächsten HE-Rezidiv und die Zahl der Hospitalisationen war
unter dieser Substanz statistisch signifikant günstiger. Glycerylphenylbutyrat wurde
von Patienten mit Leberzirrhose gut vertragen [653 ].
Ornithinphenylazetat in einer Dosierung von 10 g/Tag führte zu keiner Absenkung der
Ammoniakspiegel bei Patienten mit Leberzirrhose [654 ]. Die Substanz erwies sich bei Patienten mit Leberzirrhose als sicher [655 ]. Klinische Studien liegen zu dieser Substanz noch nicht vor.
Verzweigtkettige Aminosäuren (BCAA)
Valin, Leuzin und Isoleuzin sind verzweigtkettige Aminosäuren (BCAA, branched-chain
amino acids), die für die zelluläre Proteinsynthese erforderlich sind. Bei Patienten
mit Leberzirrhose ist die Relation von BCAA zu aromatischen Aminosäuren im Serum zuungunsten
der BCAA verschoben. Bei diesen Patienten scheint sich die Gabe von BCAA günstig auf
die Albuminsynthese, die Insulinresistenz und die Synthese von Muskelproteinen auszuwirken
[656 ]
[657 ]. Bei HE können BCAA die Stickstoffbindung in Proteinen und eine verminderte Freisetzung
von Ammoniak bei anaboler Stoffwechsellage bewirken.
Eine Metaanalyse [592 ] schloss 16 randomisierte klinische Studien mit 827 Teilnehmern ein, die die Wirkung
von verzweigtkettigen Aminosäuren auf die HE nach oraler oder intravenöser Gabe untersuchten.
Die Analyse belegte einen statistisch signifikanten Effekt dieser Therapie auf die
HE bei Patienten mit Leberzirrhose. Mortalität, Lebensqualität oder Ernährungsparameter
wurden allerdings hierdurch nicht beeinflusst. Der positive Effekt von BCAA auf die
HE blieb auch erhalten, wenn Studien mit geringer Qualität ausgeschlossen wurden.
Es fand sich kein Unterschied zur Wirkung von Lactulose oder Neomycin.
Die orale Zufuhr von BCAA führte bei Patienten mit Leberzirrhose zu keiner Abnahme
des Auftretens typischer Komplikationen wie eine HE [658 ], obwohl sich der MELD-Score signifikant besserte. In einer weiteren Studie besserte
sich der Child-Pugh-Score unter kontinuierlicher Verabreichung von BCAA [659 ]. Die orale Zufuhr von BCAA und von Leuzin hatte zudem günstige Effekte auf die Skelettmuskulatur
dieser Patienten [660 ].
7.1.4 Medikamentöse Kombinationstherapien
Eine retrospektive Studie verglich die alleinige Gabe von Lactulose mit der Kombination
von Lactulose und Rifaximin [661 ]. Die Krankenhausaufenthaltsdauer unterschied sich nicht, aber es kam im Verlauf
zu weniger stationären Wiederaufnahmen bei Einsatz der Kombination. Die Mortalität
war in beiden Gruppen statistisch nicht signifikant verschieden. 76 % der Patienten,
die Rifaximin zusätzlich zu Lactulose in einer randomisierten, kontrollierten Studie
[632 ] erhielten, zeigten eine vollständige Besserung der HE. Unter Lactulose allein wurde
dies nur bei 44 % der Patienten erreicht (P = 0,004). Die Kombination beider Substanzen
reduzierte die Mortalität (23,8 vs. 49,1 %; P < 0,05) und die Dauer des Krankenhausaufenthaltes.
Im Gegensatz dazu waren diese beiden Endpunkte in der retrospektiven Studie [661 ] nicht signifikant verschieden. Erklärungen für die abweichenden Ergebnisse beider
Studien können das unterschiedliche Studiendesign und die ungewöhnlich hohe Mortalität
der Patienten in der Studie von Sharma et al. [632 ] sein. Zwei weitere, prospektiv angelegte Studien zum Vergleich der Kombination von
Laktulose und Rifaximin mit Laktulose allein ergaben jeweils keinen Unterschied im
Hinblick auf den Prozentsatz der Patienten ohne HE [662 ]
[663 ]. Da von den vier aufgeführten Studien [632 ]
[661 ]
[662 ]
[663 ] nur eine einen Vorteil für die Kombinationstherapie von Laktulose mit Rifaximin
ergab, kann diese entsprechend der Empfehlung der Leitlinienkommission nur in Einzelfällen
bei nicht ausreichendem Ansprechen einer Monotherapie mit Lactulose erfolgen. In der
Akuttherapie der HE ist zudem Rifaximin weder allein noch in Kombination mit Lactulose
zugelassen.
Ein ähnliches Ergebnis wie für die Kombination von Lactulose mit Rifaximin [632 ] konnte durch die Kombination von Albumin (1,5 g/kg Körpergewicht/Tag) mit Lactulose
(3-mal 30 – 60 ml/Tag) erzielt werden [664 ]. 75 % der Patienten in der Kombinationsgruppe und 53 % unter Lactulose allein zeigten
eine vollständige Besserung der akuten HE.
LOLA als zusätzliches Medikament zu Ceftriaxon und Lactulose gegeben [645 ], zeigte nur in den ersten vier Tagen nach Therapiebeginn eine bessere Wirkung auf
den HE Grad. Am fünften Tag zeigte sich gegenüber der Placebogruppe kein Unterschied
mehr. Die Dauer des Krankenhausaufenthaltes konnte durch die zusätzliche Gabe von
LOLA um etwas mehr als einen halben Tag verkürzt werden.
Eine weitere Studie verglich die kombinierte Gabe von LOLA, Lactulose und Metronidazol
mit Lactulose und Metronidazol bei Patienten mit HE und Leberzirrhose [665 ]. Bei 79,1 % (34/43) besserte sich die akute HE-Episode unter adjuvanter LOLA-Gabe
im Vergleich zu 55,6 % (25/45) unter Standardtherapie. In dieser Studie wurden allerdings
überwiegend Patienten mit reversibler Ursache für eine HE eingeschlossen.
Bei einer akuten HE Episode wird in der Mehrzahl der Fälle ein therapierbarer Auslöser
der HE vorliegen (s. Abschnitt 7.1). In den wenigen Fällen, wo keine Ursache für die
HE gefunden werden kann, ist eine Monotherapie in mindestens der Hälfte der Fälle
erfolgreich [662 ]
[663 ]
[664 ]
[665 ]. Nur in dem geringen Prozentsatz von Patienten mit Therapieversagen kann auf eine
Kombinationstherapie gewechselt werden. Mortalität und weitere Komplikationen der
Leberzirrhose werden auch durch Lactulose allein günstig beeinflusst [617 ]. In der amerikanisch/europäischen Leitlinie wird entsprechend eine Monotherapie
mit Lactulose als Therapie der ersten Wahl empfohlen [603 ]. BCAA, i. v. LOLA und Rifaximin sind mögliche Kombinationspartner bei akuter HE
bei Therapieversagen von Lactulose allein.
7.2 Rezidivprophylaxe nach einer HE-Episode
Bei Patienten mit Zirrhose und durchgemachter HE soll eine Rezidivprophylaxe erfolgen.
Starke Empfehlung, Konsens
Lactulose sollte als Medikament zur Sekundärprophylaxe eingesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Rifaximin sollte additiv zur Lactulose in der Sekundärprophylaxe der HE > Grad 1 nach
West-Haven-Kriterien ohne Auslöser eingesetzt werden, wenn unter alleiniger Gabe von
Lactulose ein Rezidiv aufgetreten ist. Eine Monotherapie mit Rifaximin sollte nur
erfolgen, wenn eine Therapie mit Lactulose nicht möglich ist.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Therapiestudien zur Sekundärprävention einer HE zeigten eine Rezidivrate von 47 – 57 %
für eine zweite HE-Episode [636 ]
[666 ]
[667 ]. Maßnahmen zur Sekundärprophylaxe einer HE dienen der Verhinderung einer wiederholten
HE-Episode, die mit erneuter Hospitalisation, Morbidität, Mortalität und Gesundheitskosten
einhergeht [636 ]
[666 ]
[667 ]
[668 ]. Der Beginn der Sekundärprophylaxe wurde nach einer ersten HE-Episode empfohlen
[436 ]
[669 ]. Wenn die HE durch die Therapie der auslösenden Ursache ([Tab. 3 ]) erfolgreich beseitigt wurde, kann entsprechend der EASL/AASLD Leitlinie auf eine
Sekundärprophylaxe verzichtet werden [436 ]. Die Sekundärprävention wird ansonsten dauerhaft fortgesetzt. Allerdings könnte
ein Auslassversuch bei Besserung der Leberfunktion und/oder Zunahme der Muskelmasse
gemacht werden [436 ].
In randomisierten kontrollierten Studien zur Sekundärprävention wurden verzweigtkettige
Aminosäuren [670 ], Probiotika [667 ]
[671 ], ein Stuhltransfer [608 ] (siehe oben), nicht absorbierbare Disaccharide [616 ]
[666 ]
[667 ], Ammoniak bindende Substanzen [647 ]
[652 ] und Rifaximin [631 ]
[636 ] getestet, wobei sich Vorteile für einige dieser Substanzen gegenüber Placebo ergaben.
Meistens stellten jedoch HE-Auslöser kein Ausschlusskriterium dar, was die Qualität
der Studien einschränkt. Zudem enthielt in der größten Studie sowohl der Verum- als
auch der Placebo-Arm Lactulose, sodass nur eine Beurteilung der Kombination der Testsubstanz
mit Lactulose gegen Lactulose allein möglich war [636 ].
Eine Metaanalyse, die die Wirkung nicht absorbierbarer Disaccharide in der Sekundärprophylaxe
untersuchte, fand eine statistisch signifikante Risikoabsenkung von 53 % für das erneute
Auftreten einer HE-Episode [608 ]. Die kostengünstige Lactulose sollte daher das Medikament der ersten Wahl in der
Sekundärprävention sein [436 ].
Rifaximin erwies sich in der Sekundärprophylaxe in zwei von drei in eine Metaanalyse
eingeschlossenen Studien im Vergleich zu einer Kontrolltherapie ohne Vorteil [631 ]. Eine dieser beiden negativen Studien [672 ]
[673 ] bestand ausschließlich aus Patienten nach TIPS-Implantation mit HE [673 ]. Der Einschluss der einzig positiven Studie [636 ], die die Kombination von Rifaximin mit Lactulose gegenüber Lactulose allein untersucht
hatte, führte in der Metaanalyse zu einem statistisch signifikanten Vorteil für Rifaximin
gegenüber einer Standardtherapie [631 ]. Diese Studie von Bass et al. [636 ] weist jedoch erhebliche Mängel auf [634 ]
[674 ]. So wurde die Randomisierung in den 70 beteiligten Zentren nicht spezifiziert. Ein
Drittel der Patienten war bei Studieneinschluss nicht in vollständiger Remission,
sondern wies den HE-Grad 1 auf [634 ]. Primäres Zielkriterium war die Zeit zwischen Therapiebeginn bis zum „Durchbruch“
einer HE-Episode. Eine Durchbruchepisode lag vor, wenn der zu Beginn erhobene Conn-Score
von 0 oder 1 auf mindestens 2 oder der initiale Conn-Score von 0 auf 1 und gleichzeitig
der Asterixis-Score um einen Schweregrad stieg. Gerade bei niedrigen Schweregraden
des Conn-Scores ist die klinische Einschätzung sehr subjektiv und wenig reproduzierbar
[674 ]. Dies gilt auch für die quantitative Beurteilung einer Asterixis mit wenigen („few“ = Grad
1) und gelegentlichen („occasional“ = Grad 2) grobschlägigen Zitterbewegungen [636 ]. Bei etwa 30 – 40 % der Fälle erfolgte die Einschätzung des Conn-Scores indirekt
durch den jeweiligen Studienleiter vor Ort allein aufgrund von schriftlichen Aufzeichnungen
oder Aussagen von Dritten und bei weiteren 20 % auch indirekt auf Aussagen des Patienten
selbst [674 ]. Unklar ist, warum die vorausberechnete Zahl einzuschließender Patienten um fast
100 Patienten überschritten wurde [636 ]. Bei der Einschätzung der Studienergebnisse muss weiterhin berücksichtigt werden,
dass nicht nur das Studienprotokoll unter Mitwirkung des Herstellers von Rifaximin
(Fa. Salix) entworfen wurde, sondern auch Monitoring und Datenanalyse durch Mitarbeiter
dieser Firma erfolgten [636 ]. Nur 5 der 17 Autoren der Studie erhielten keine finanziellen Zuwendungen oder waren
keine Mitarbeiter der Fa. Salix [636 ]. In der Metaanalyse [631 ] wurden zudem bisher nicht veröffentliche Patientendaten verwandt, die den Autoren
von der Fa. Salix zur Verfügung gestellt wurden.
In der Sekundärprophylaxe sollte entsprechend dieser Studienlage Rifaximin allein
(2-mal 550 mg/Tag) nur dann eingesetzt werden, wenn die alleinige Gabe eines nicht-absorbierbaren
Disaccharids bei einer HE ohne Auslöser nicht ausreichend wirksam ist oder Lactulose
nicht vertragen wird [436 ]. Die tägliche Einmalgabe von Rifaximin in der Rezidivprophylaxe war in einer Studie
gleich wirksam wie die Gabe von zwei Dosen pro Tag [675 ]. In einer retrospektiven Auswertung von Langzeitdaten von Patienten unter Rifaximin
oder Rifaximin und Lactulose zur Sekundärprävention fand sich kein statistisch signifikanter
Unterschied für das erneute Auftreten einer HE-Episode in beiden Gruppen [676 ] (s. auch Kapitel 7.1.4).
L-Ornithin-L-Aspartat zeigte in einer Metaanalyse keine Wirkung in der Rezidivprophylaxe
[647 ]. In einer kürzlich publizierten Studie zur Sekundärprophylaxe der HE zeigte dagegen
die orale Gabe von täglich 6 g LOLA im Vergleich zur Gabe von Placebo eine Verhinderung
von HE-Rezidiven (9/73 [12,3 %] vs. 20/72 [27,7 %]) [677 ]. Für alle beobachteten Rezidive fand sich jedoch ein Auslöser. LOLA hatte in dieser
Studie zudem keinen Einfluss auf die Mortalität oder die Zahl der wegen einer HE hospitalisierten
Patienten. Ein Vergleich mit Laktulose erfolgte nicht. Die Studie ist monozentrisch
und nicht konsequent prospektiv angelegt, sodass aufgrund dieser Daten keine Empfehlung
zur oralen Rezidivprophylaxe mit LOLA gegeben werden kann [678 ].
Zur Sekundärprävention erwies sich die Gabe von Zink oder die diätetische Verabreichung
von verzweigtkettigen Aminosäuren ebenfalls als nicht wirksam [600 ]
[670 ]. Zum Einsatz weiterer Ammoniak bindender Substanzen oder Probiotika in der Sekundärprävention
kann aufgrund der derzeitigen Studienlage keine gesicherte Aussage gemacht werden.
Bei therapierefraktärem Verlauf kann ein dominanter portosystemischer Shunt gesucht
(siehe unten) und ggfs. operativ oder interventionell verschlossen werden [679 ]. Darüber hinaus sollte die Indikation zur Lebertransplantation geprüft werden.
Bei Patienten mit durchgemachter oHE-Episode soll auf eine Ernährung mit ausreichend
Kalorien- und Eiweißgehalt sowie einen abendlichen Imbiss geachtet werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die Allgemeinmaßnahmen im Rahmen der Rezidivprophylaxe entsprechen denen, die unter
Allgemeinmaßnahmen bei akuter HE aufgeführt sind. Dies betrifft insbesondere die Ernährung
[100 ], Verteilung der Mahlzeiten [591 ] und ggfs. die Bevorzugung von pflanzlichen Eiweißen [680 ].
Bei Besserung der Leberfunktion oder des Ernährungszustandes nach durchgemachter HE-Episode
kann die Sekundärprävention beendet werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Gute Daten zur Therapiedauer bei Patienten mit HE existieren nicht. In einer Studie
zur Behandlung der mHE mit Rifaximin oder Lactulose wurde über drei Monate behandelt
[681 ]. Sechs Monate nach Beendigung der Therapie kam es bei 47,6 % in der Rifaximin- und
bei 42,1 % in der Lactulose-Gruppe zu einem Rezidiv der mHE. Der Prozentsatz der Patienten,
die eine HE-Episode erlitten, war in beiden Therapiegruppen mit 7,1 und 7,9 % gleich.
Immerhin war nach Absetzen der Medikamente bei etwa der Hälfte der Patienten die mHE
nicht mehr nachweisbar. Bei der Vermeidung eines Übergangs in eine manifeste HE erwiesen
sich beide Medikamente im Verlauf als gleichwertig.
Eine Rezidivprophylaxe mit Lactulose senkte das Auftreten einer HE von 46,8 % in der
Kontrollgruppe auf 19,2 % [666 ]. Nur 20 – 33 % dieser Rezidive wiesen keinen Auslöser auf, sodass die Mehrzahl der
wiederholten HE Episoden durch auslösende Komplikationen verursacht wurden. Die Fortführung
der Rezidivprophylaxe mit Lactulose allein oder in Kombination mit Rifaximin versagte
bei 45,9 bzw. 22,1 % der Patienten [636 ], wobei Lactulose als Monotherapie in dieser Studie wesentlich schlechter abschnitt
als in der zuerst erwähnten Studie [666 ].
Unklar ist, welche Patienten unter einer Rezidivprophylaxe ein Therapieversagen zeigen,
ob es hierfür prognostische Parameter gibt und ob auch eine HE mit Auslöser in der
Sekundärprävention vermieden werden kann.
In der AASLD/EASL-Leitlinie [603 ] wird empfohlen, bei einer erfolgreich behandelten Ursache der HE Episode auf eine
Sekundärprävention zu verzichten. Zur Einschätzung des Rezidivrisikos scheint die
Beurteilung der Leberfunktion und des Ernährungszustandes (Vorliegen einer Sarkopenie)
im weiteren Verlauf wichtig zu sein (siehe Kapitel 7.1). Gelingt es, diese Parameter
zu verbessern, kann entsprechend dieser Leitlinie eine Rezidivprophylaxe beendet werden.
Bei Patienten mit und ohne Leberzirrhose und therapierefraktärer HE soll nach dominanten
portosystemischen Shunts mittels Sonografie, Angio-CT oder MRT gesucht werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Vorliegen einer Leberzirrhose (MELD-Score < 11) mit therapierefraktärer HE und
Nachweis eines großen dominanten portosystemischen Shunts kann die Indikation zu einem
interventionellen oder operativen Verschluss gestellt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Erworbene oder angeborene Shunts bei strukturell nicht veränderter Leber sind sehr
selten. Dies gilt entsprechend auch für das damit verbundene Auftreten einer HE Typ
B [682 ]. Bei portosystemischen Shunts nach einer Pfortaderthrombose fand sich jedoch bei
bis zu einem Drittel der Patienten eine mHE [683 ]
[684 ]. Patienten mit hereditären hämorrhagischen Teleangiektasien (Morbus Rendu-Osler-Weber)
wiesen in 32 – 78 % der Fälle vaskuläre Veränderungen in der Leber auf [685 ]. Zwar können portosystemische Shunts bei diesen Patienten zu einer HE bei Abwesenheit
einer Leberschädigung führen, von einer Shuntembolisation wird jedoch in diesen Fällen
abgeraten, da dies nur eine vorübergehende Maßnahme bei Patienten mit M. Osler darstellt
und mit hoher Mortalität und Morbidität assoziiert ist [685 ]. Stattdessen sollte eine Lebertransplantation in Erwägung gezogen werden [686 ].
20 % der Kinder bei extraheptischem Pfortaderverschluss wiesen eine mHE auf, die bei
75 % mit Lactulose erfolgreich behandelt werden konnte [687 ]. Bei Kindern mit HE und angeborenen portosystemischen Shunts bei Pfortaderagenesie
oder Hypoplasie kann nach genauer bildgebender Diagnostik und je nach Shunttyp neben
einem interventionellen Shuntverschluss [688 ]
[689 ] auch ein operativer Shuntverschluss eine Therapieoption darstellen [688 ].
Bei 46 – 70 % der Patienten mit Leberzirrhose und therapierefraktärer HE können größere
dominante portosystemische Shunts die Ursache für eine therapierefraktäre HE sein
[690 ]
[691 ]
[692 ]. Ein spontaner splenorenaler Shunt fand sich bei 11 (10,5 %) von 105 Patienten mit
Leberzirrhose [693 ]. 18,2 % dieser Patienten wiesen eine HE auf.
Spontane portosystemische Shunts können durch Ultraschall (Farbdoppler, Kontrastmittelsonografie),
Angio-CT und/oder MRT nachgewiesen werden [692 ]
[693 ]
[694 ]
[695 ]. Sie sind meist auf splenorenale Shunts, rekanalisierte (Para) Umbilicalvenen, portocavale,
mesorenale oder mesocavale Shunts zurückzuführen. Eine europäische Kohortenstudie
wies auf eine verbesserte Selbstständigkeit der Patienten, Abnahme der Krankenhausaufenthalte
und Abnahme des Schweregrades der HE-Episoden bei drei Vierteln der Patienten hin,
bei denen wegen therapierefraktärer HE ein großer portosystemischer Shunt verschlossen
wurde [696 ]. Bei 59,4 % verschwand die HE vollständig. Ein MELD-Score von 11 oder höher vor
der Intervention war der wichtigste prognostische Parameter für das Wiederauftreten
einer HE nach dem Eingriff. Die Embolisation des Shunts erfolgte mit Coils, Amplatzer
Plugs oder einer Kombination dieser Verfahren. In Einzelfällen erwies sich auch ein
chirurgischer Eingriff als hilfreich [697 ]. Nach interventionellen Therapieverfahren [693 ] zeigten sich keine wesentlichen Auswirkungen auf die portale Hypertension. Die Zahl
der Patienten mit gastroösophagealen Varizen oder Aszites blieb vor und nach dem Eingriff
gleich.
7.3 Therapie der HE nach TIPS
Die medikamentöse Therapie einer akuten oHE-Episode nach TIPS-Anlage entspricht der
bei oHE und Leberzirrhose.
Starker Konsens
Bei fehlendem Ansprechen der HE nach TIPS sind Stentreduktionsverfahren und/oder eine
Lebertransplantation indiziert.
Starker Konsens
Vor einer TIPS-Implantation soll eine gründliche Selektion der Patienten erfolgen,
da dies die wirksamste Maßnahme zur Prophylaxe einer HE nach TIPS darstellt.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Die medikamentöse Primärprävention einer HE nach TIPS-Implantation sollte nicht durchgeführt
werden.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die Prävalenz der HE nach TIPS wird zwischen 15 und 48 % angegeben [698 ]
[699 ]. In einer Metaanalyse von drei Studien senkten gecoverte Stents das Risiko für das
Auftreten einer HE signifikant im Vergleich zu nicht gecoverten Stents [212 ]. Die Verwendung eines gecoverten TIPS-Stents mit kleinerem Durchmesser (8 vs. 10 mm
Durchmesser) hatte jedoch überraschenderweise in einer Studie keinen Einfluss auf
das Vorkommen einer klinisch manifesten HE [700 ]. Weitere Studien konnten dagegen einen Vorteil für die Verwendung eines dünnkalibrigen
Stents mit 8 mm Durchmesser auf die Inzidenz der oHE und Rezidivblutungen aus Varizen
nachweisen [214 ]
[215 ].
Das Auftreten einer HE nach TIPS-Implantation korrelierte mit Stentdurchmesser, Shuntfluss
und portosystemischem Druckgradienten. Ein niedriger Druckgradient < 12 mm HG nach
Anlage des TIPS begünstigte eine HE [701 ] und ein höherer Wert eine Varizenblutung. Dieser Grenzwert sollte z. B. über die
Verwendung dünnkalibriger Stents (6 – 8 mm) eingehalten werden [698 ]. Bei modernen gecoverten Stents führt das Unterschreiten einer unteren Grenze des
portosystemischen Druckgradienten < 5 mm zu einem deutlich erhöhten Risiko für eine
HE oder ein Leberversagen [702 ]. Vorhersageparameter für eine HE sind: Alter über 65 Jahre [703 ]
[704 ], frühere HE [673 ]
[705 ], Child-Pugh-Score > 10, MELD-Score > 14 [706 ], niedriges Serumnatrium [576 ] und eine Hyperbilirubinämie [698 ]. Neben dem MELD-Score stellte auch das Vorliegen einer Sarkopenie einen unabhängigen
Risikofaktor für das Auftreten einer HE nach TIPS-Anlage dar [213 ]. Die gründliche Selektion von Patienten für eine TIPS-Implantation ist entscheidend,
um eine spätere HE-Episode zu vermeiden.
Eine medikamentöse Primärprophylaxe der HE nach TIPS-Implantation erwies sich in einer
Studie mit Rifaximin oder Lactitol im Vergleich zu keiner Therapie als unwirksam,
sodass hierauf verzichtet werden sollte [673 ].
Die Behandlung einer HE nach TIPS Implantation erfolgt wie bei Patienten mit Zirrhose
ohne TIPS [698 ]. Hierbei muss zunächst eine auslösende Ursache gesucht und therapiert werden. In
einer Studie an Patienten mit Post-TIPS-HE ließen sich 78 % der Patienten erfolgreich
mit Lactulose behandeln [699 ].
3 – 7 % der Patienten nach TIPS-Implantation sprechen auf eine medikamentöse Therapie
der HE jedoch nicht an und sind entsprechend therapierefraktär [707 ]
[708 ]. Interventionelle Verfahren wie die TIPS-Okklusion oder Stentreduktion können in
solchen Einzelfällen bei einer akuten HE-Episode hilfreich sein [709 ]
[710 ]. Von 189 Patienten bekamen 12 nach TIPS-Implantation eine HE, die auf eine medikamentöse
Therapie nicht ansprach [706 ]. Die Platzierung eines Ballon-dilatierbaren, uhrglasförmigen Stents in den liegenden
TIPS führte innerhalb von im Mittel 22 Stunden zum Verschwinden der HE. In einem Fall
kam es zum Rezidiv des Aszites, weshalb der Reduktionsstent dilatiert werden musste.
Vor Einsatz interventioneller Verfahren sollte eine klare kausale Verbindung zwischen
TIPS-Implantation und Auftreten der HE hergestellt werden: Die HE sollte zeitlich
nah an dem Eingriff aufgetreten sein, der erzielte portosystemische Gradient ist niedrig
und/oder die Leberfunktion verschlechtert sich nach dem Eingriff [710 ]. Der Vorteil einer Besserung der HE muss gegen das Risiko einer erneuten Varizenblutung
oder Aszitesbildung abgewogen werden. Ansonsten muss auch die Lebertransplantation
bei diesen Patienten in Betracht gezogen werden.
7.4 Therapie bei verdeckter hepatischer Enzephalopathie (cHE, mHE)
Patienten mit HE ≤ 1 (West-Haven-Klassifikation) sollen die gleichen diätetischen
Maßnahmen wie Patienten mit HE > 1 empfohlen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Patienten mit mHE sollten nicht allein auf Basis pathologischer psychometrischer Tests
therapiert werden.
Empfehlung, Konsens
Die Therapie sollte bei Patienten mit gesicherter mHE bei Angabe einer reduzierten
Lebensqualität, bei objektiver Einschränkung bei Verrichtungen des täglichen Alltags
oder bei Vorliegen beruflicher Risiken durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Wird eine Therapie der mHE im Einzelfall als notwendig erachtet, soll als Therapie
der ersten Wahl Lactulose verwendet werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Probiotika
25 Patienten mit Leberzirrhose und durch psychometrische Teste gesicherter mHE erhielten
über 60 Tage probiotischen Joghurt (n = 17) oder keine Therapie (n = 8) [711 ]. Unter Joghurt-Konsum besserte sich bei 71 % die mHE (drei psychometrische Tests)
gegenüber 0 % bei den Kontrollen. 2 der Patienten in der Kontrollgruppe und keiner
in der Verumgruppe entwickelten eine HE-Episode. Es handelte sich um einen käuflichen
Joghurt mit S. thermophilus, L. bulgaricus, L. acidophilus, Bifidobakterien und L.
casei. Probiotika zeigten sich in einer weiteren Studie gleich wirksam wie LOLA oder
Lactulose [712 ]. Saji und Mitarbeiter [713 ] konnten dagegen keine Wirkung auf die mHE bei Leberzirrhose beobachten.
Eine Metaanalyse von 9 Studien, die Probiotika (lebende Bakterien), Präbiotika (Lactulose)
oder Synbiotika (beide Therapieformen) eingesetzt hatten, fand positive Effekte für
den Einsatz dieser Therapien bei mHE [714 ]. Besserung der mHE und weniger Übergänge in eine klinisch manifeste HE unter Probiotika
waren auch das Ergebnis einer weiteren Metaanalyse, die jedoch keinen Unterschied
zu Lactulose, Rifaximin oder LOLA nachweisen konnte [627 ].
Lactulose
9 Studien mit 434 Patienten gingen in eine Metaanalyse ein, die bei Patienten mit
mHE die Wirkung von Lactulose untersucht hatten [618 ]. Lactulose verbesserte die psychometrischen Testergebnisse und die Progression zu
einer klinisch manifesten HE. Dies bestätigte sich in einer weiteren aktuelleren Metaanalyse
[616 ].
LOLA
64 Patienten mit mHE wurden in eine kontrollierte, randomisierte Studie eingeschlossen,
bei der sich keine Wirksamkeit von einer oralen Gabe von LOLA bei mHE zeigte [648 ]. In einer weiteren Studie fand sich in dieser Situation kein statistisch signifikanter
Unterschied in der Wirkung von Rifaximin, Probiotika oder LOLA [715 ]. Alle drei Therapieregime erwiesen sich besser als Placebo. Beim Vergleich von oral
verabreichtem LOLA mit Placebo, Lactulose oder Probiotika [712 ] fand sich eine Besserung der mHE gegenüber der Behandlung mit Placebo. Die aktiven
Therapieregime unterschieden sich jedoch auch in dieser Untersuchung nicht im Hinblick
auf eine Besserung der mHE. Die Entwicklung einer manifesten HE aus einer mHE konnten
alle drei aktiven Therapieregime gegenüber Placebo nicht vermeiden [712 ].
LOLA zeigte in zwei Metaanalysen keine Wirkung bei mHE [646 ]
[647 ]. Dieses Ergebnis bestätigte sich in der zweiten Metaanalyse, wenn nur Studien mit
hoher Qualität berücksichtigt wurden [646 ].
Rifaximin
Rifaximin erwies sich in einer randomisierten Studie an Patienten mit mHE besser als
Placebo [716 ]. Patienten mit mHE boten am Fahrsimulator unter Einnahme von Rifaximin weniger Fahrfehler
als die Gruppe, die mit Placebo behandelt wurde [717 ]. 91 % verbesserten ihre kognitiven Leistungen unter Rifaximin gegenüber 61 % unter
Placebo. Rifaximin erwies sich bei der Behandlung der mHE als gleich wirksam wie Lactulose
[681 ]
[716 ]. Wurde die Therapie der mHE nach drei Monaten beendet, erlitten sowohl die mit Lactulose
als auch die mit Rifaximin behandelten Patienten in knapp 50 % der Fälle ein Rezidiv
der mHE [681 ].
Therapie bei mHE
Für Patienten mit mHE wurden eine Vielzahl von Nachteilen mit Auswirkungen auf Prognose,
Mortalität, Lebensqualität, Übergang in eine manifeste HE, Fallneigung und Fahrvermögen
[718 ]
[719 ] berichtet. Es gibt zahlreiche Tests zum Nachweis einer mHE, die allerdings wenig
standardisiert sind und nicht immer zur gleichen Aussage führen. Auch kann die Frage
nach der Fahrtüchtigkeit allein mit dem Vorliegen eines pathologischen psychometrischen
Testes nicht beantwortet werden [457 ]
[720 ]. Zu kurz angelegte Studien, stark variierende Endpunkte und der Einsatz verschiedener
Substanzen in den bisherigen Studien führten zu keiner Therapieempfehlung für die
mHE in der gemeinsamen Leitlinie von EASL und AASLD [603 ].
Die Untersuchung auf eine mHE mithilfe psychometrischer Tests oder der CFF kann erfolgen,
wenn Patienten mit Leberzirrhose über eine beeinträchtigte Lebensqualität berichten
oder wenn von Verwandten Verhaltensauffälligkeiten bemerkt wurden [603 ]. Dies gilt insbesondere für Patienten mit früherer HE-Episode, Child-C-Zirrhose
(MELD > 10) oder wenn eine mHE ein besonderes berufliches Risiko darstellt (z. B.
Berufskraftfahrer). Dies kann zu einer gezielteren Beratung der Patienten und ihrer
Angehörigen bzgl. Prognose und Therapie führen. Eine regelhafte Testung auf eine mHE
wurde in der zitierten Leitlinie jedoch nicht empfohlen [603 ]. Wenn eine Therapie als sinnvoll bei einem Patienten mit mHE und entsprechendem
Beschwerdebild oder Risikoprofil erachtet wird, sollte sie mit Lactulose eingeleitet
werden, da sich in den bisher publizierten Studien keine andere Substanz als besser
herausstellte.
Therapiedauer bei mHE
Es gibt nur eine Studie, die die Therapiedauer bei Patienten mit mHE untersuchte.
Sechs Monate nach Ende einer drei Monate dauernden Therapie kam es unabhängig vom
eingesetzten Medikament bei knapp 50 % der Behandelten zu einem Rezidiv der mHE. In
Analogie zur Behandlung der klinisch manifesten HE ist eine Therapiepause wahrscheinlich
nur dann sinnvoll, wenn sich Ernährungszustand und/oder die Leberfunktion gebessert
haben [681 ].
7.5 Vorgehen bei Patienten mit Leberzirrhose ohne HE
Eine Primärprophylaxe der HE soll bei Patienten mit Leberzirrhose und oberer gastrointestinaler
Blutung durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Bei Patienten mit Leberzirrhose und akuter Ösophagusvarizenblutung sollte Lactulose
in der Primärprophylaxe eingesetzt werden.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Unter der Primärprophylaxe werden therapeutische Maßnahmen zur Vermeidung des erstmaligen
Auftretens einer HE bei Risikopatienten verstanden (s. [Abb. 3 ]). Die einzige Indikation zu diesem Vorgehen ergibt sich bei Patienten mit Leberzirrhose
und nachgewiesener oberer gastrointestinaler Blutung, die eine entsprechend hohe Wahrscheinlichkeit
für das Auftreten einer HE aufweisen. Das Auftreten einer HE nach oberer gastrointestinaler
Blutung stellt zudem einen unabhängigen negativen Prognoseindikator dar (s. Gastrointestinale
Blutungen).
Abb. 3 Therapiealgorithmus bei akuter HE-Episode. Hinter den Empfehlungen des Algorithmus
sind die Ziffern der konsentierten Empfehlungen angegeben. 1 Rifaximin ist zur Therapie der oHE nicht zugelassen; für die Kombination von Lactulose
mit Rifaximin bei dieser Indikation gibt es nur wenig Evidenz (siehe Kapitel 7.1.4).
Abkürzungen: BCAA: verzweigtkettige Aminosäuren, oHE: klinisch erkennbare hepatische
Enzephalopathie. Modifiziert nach Holstege (2017), Hepatische Enzephalopathie. Gastroenterologie
up2date 13: 1 – 18.
Lactulose erwies sich im Vergleich zu Placebo in dieser Situation als statistisch
signifikant wirksam: 3,2 bzw. 16,9 % entwickelten eine HE [550 ]. Davon waren insbesondere Patienten mit schlechter Leberfunktion (Child-Pugh-Klassifikation)
betroffen. In einer zweiten Studie konnte das Auftreten einer HE nach gastrointestinaler
Blutung von 40 % unter Placebo auf 14 % unter Lactulose abgesenkt werden [551 ]. Rifaximin erwies sich beim Vergleich mit Lactulose in der Primärprävention als
nicht besser [721 ]. Rifaximin ist zur Primärprophylaxe zudem nicht zugelassen.
Eine intestinale Lavage unter Verwendung einer Mannitlösung war ebenfalls in der Lage,
das Risiko für das Auftreten einer HE nach oberer gastrointestinaler Blutung zu verringern
[552 ] und erwies sich als gleich wirksam wie die Kombination von Paromomycin und Lactulose
[553 ].
Bei Verdacht auf eine gastrointestinale Blutung bei Patienten mit Leberzirrhose ist
diese endoskopisch weiter abzuklären und zu therapieren. Frisches oder altes Blut
im Magen wird bei der endoskopischen Abklärung abgesaugt. Mittels oraler (über eine
Magensonde, Intensivstation: stündlich 45 ml Lactulose oder auf Normalstation alle
zwei Stunden 30 ml Lactulose bis die Darmtätigkeit in Gang kommt oder bei klinischer
Besserung) und rektaler Gabe von Lactulose (300 ml Lactulose mit 700 ml Wasser alle
zwei Stunden) kann für eine rasche enterale Passage des Blutes und Darmreinigung gesorgt
werden [578 ].
Eine Metaanalyse der Studien mit nicht absorbierbaren Disacchariden bestätigte ihre
Wirksamkeit in der Primärprophylaxe mit einer NNT (number needed to treat) von 7 [616 ]. Insgesamt zeigten vier Studien [550 ]
[551 ]
[552 ]
[721 ], dass durch abführende Maßnahmen nach einer oberen gastrointestinalen Blutung bei
Patienten mit Leberzirrhose eine HE verhindert werden kann. Da jeder fünfte Patient
nach einer Varizenblutung eine HE-Episode erleiden kann [539 ] und dies eine Prognoseverschlechterung bedeutet [549 ], entschied sich die Leitlinienkommission aufgrund dieser Daten zu einer stärkeren
Empfehlung für den Einsatz von Lactulose, als sie in der S2K-Leitlinie zur gastrointestinalen
Blutung [251 ] in dieser Situation gegeben wurde. Rifaximin ist im Gegensatz zu Lactulose für diese
Indikation nicht zugelassen, sodass zu diesem Präparat bei Gleichwertigkeit mit Lactulose
keine Empfehlung gegeben wurde.
7.6 Nachsorge von Patienten mit Leberzirrhose und HE
Bei Patienten unter Therapie nach durchgemachter HE-Episode, rekurrierender oder chronischer
HE soll eine individuell angepasste Verlaufsbeurteilung erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Eine Überwachungsuntersuchung dieser Patienten kann der Erfassung kognitiver und neurologischer
Störungen, des Ernährungsstatus, der Lebensqualität und der Überprüfung und Anpassung
der HE-Therapie dienen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Patienten mit persistierender HE sind regelmäßig auf kognitive oder neurologische
Störungen zu untersuchen, sodass die Therapie gegebenenfalls angepasst werden kann
(s. [Abb. 4 ]). Bei stabilen Patienten mit durchgemachter HE werden halbjährliche Nachsorgeintervalle,
die auch zum HCC-Screening empfohlen werden, als ausreichend angesehen. Auf Nebenwirkungen
und Wirkungen der HE-Therapie ist zu achten. Die Indikation zu einer Lebertransplantation
ist im Verlauf immer wieder zu prüfen. Dies gilt auch für die Suche nach einem dominanten
portosystemischen Shunt als Ursache für eine therapierefraktäre HE. Auslöser für eine
HE ([Tab. 3 ]) müssen erkannt und rechtzeitig spezifisch therapiert werden (z. B. Ligatur von
großen Ösophagusvarizen oder Beseitigung von Elektrolytstörungen). Auch der Ernährungsstatus
sollte verbessert werden und bei Gewichtsabnahme oder progressiver Sarkopenie Empfehlungen
zur Ernährung gegeben werden. Nach Möglichkeit sollte eine Fremdanamnese in die Beurteilung
der kognitiven Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität des Patienten mit einbezogen
werden [603 ].
Abb. 4 Algorithmus zur Sekundärprophylaxe der hepatischen Enzephalopathie. Die empfohlenen
Maßnahmen enthalten in Klammern die Verweise auf die konsentierten Empfehlungen. Abkürzungens.
Abb. 1. Holstege (2017), Hepatische Enzephalopathie. Gastroenterologie up2date 13:
1 – 18.
Die Überwachung von Patienten mit HE und Leberzirrhose sollte in enger Abstimmung
zwischen einem Facharzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt für Innere Medizin und
einem Facharzt für Gastroenterologie erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Abkürzungsverzeichnis
AASLD:
American Association for the Study of Liver Diseases (engl.)
ACLF:
Akut-auf-chronischen-Leberversagen
AKI:
akute Nierenschädigung
ALV:
akutes Leberversagen
AP:
Alkalische Phosphatase
BCS:
Budd-Chiari-Syndrom
BIA:
bioelektrische Impedanzanalyse
BMI:
Body-Mass-Index (engl.)
CEA:
Carcino-Embryonales Antigen
cHE:
covert Hepatische Enzephalopathie
CFF:
critical flimmer frequency (engl.)
CI:
Confidence Interval (engl.)
COPD:
chronic obstructive pulmonary disease (engl.)
CT:
Computertomografie
DIC:
Disseminierte Intravasale Koagulopathie (Coagulation, engl.)
DNA:
Desoxyribonukleinsäure (acid, engl.)
DOAK:
Direkte orale Antikoagulantien
e-PTFE:
expandiertes Polytetrafluorethen
EASL:
European Association for the Study of the Liver
EFSUMB:
European Federation of Societies for Ultrasound in Medicine and Biology (engl.)
ESBL:
Extended-Spectrum-β-Lactamase (engl.)
FFP:
Fresh Frozen Plasma (engl.)
GI-Blutung:
Gastrointestinale Blutung
GFR:
Glomeruläre Filtrationsrate
HCC:
Hepatocellular carcinoma (engl.)
HE:
Hepatische Enzephalopathie
HRS:
Hepatorenales Syndrom
INR:
International Normalized Ratio (engl.)
ISHEN:
International Society of Hepatic Encephalopathy and Nitrogen Metabolism (engl.)
KG:
Körpergewicht
LDH:
Lactatdehydrogenase
LOLA:
L-Ornithin-L-Aspartat
MARS:
Molecular Adsorbents Recirculation System (engl.)
MELD-Score:
Model of End Stage Liver Disease-Score (engl.)
MGG:
May-Grünwald-Giemsa
mHE:
minimale Hepatische Enzephalopathie
MRSA:
Methicillin-resistenter Staphylococcus
MRT:
Magnetresonanztomografie
NCT:
Nationales Zentrum für Tumorerkrankungen
NNT:
Number Needed to Treat (engl.)
NOD2:
Nucleotide-binding Oligomerization Domain containing 2 (engl.)
OR:
Odds Ratio (engl.)
oHE:
overt Hepatische Enzephalopathie
Pap:
Papanicolaou-Klassifikation
PAS:
Periodic Acid-Schiff Stain (engl.)
PHES:
Psychometric Hepatic Encephalopathy Score (engl.)
PMN-Zellen:
Polymorphonukleäre-Zellen
PNH:
Paroxysmale Nächtliche Hämoglobinurie
PT:
Prothrombinzeit (time, engl.)
PTT:
Partielle Thromboplastinzeit (time, engl.)
SAAG:
Serum-Aszites-Albumin-Gradient
SBP:
Spontan Bakterielle Peritonitis
SBEM:
Spontan Bakterielles Empyem
SIR:
Society of Interventional Radiology
TIPS:
transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt
VATS:
Videoassistierte Thorakoskopie
ZVD:
zentraler Venendruck
ZST:
Zahlensymboltest
ZVT:
Zahlenverbindungstest
Aktualisierte S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs-
und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) „Komplikationen der Leberzirrhose“
AWMF-Nr.: 021-017
Alexander L. Gerbes, Joachim Labenz, Beate Appenrodt et al. Z Gastroenterol 2019;
57(05): 611 – 680; DOI:10.1055/a-0873-4658
Im oben genannten Artikel wurde der Name eines Koautors falsch angegeben. Der korrekte
Name lautet: Manuel Dafotakis.