Die vom Recherche Netzwerk (SZ, WDR, NDR) ermittelten und veröffentlichten Darstellungen
(Sendung Panorama vom 1.8.19) sind unvollständig und in ihrer Aussage unzutreffend.
Die Verträge über Kontrastmittelbezug sind immer, egal wie gestaltet, Verträge zwischen
Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und Krankenkassen (meist vertreten durch die
AOK, aber auch Barmer und sonstige Krankenkassen). Radiologen sind als zugelassene
oder angestellte Ärzte zwangsläufig Mitglieder der jeweiligen KV und damit an deren
Vertragsgestaltung mit den Krankenkassen gebunden.
Bei Kontrastmitteln handelt es sich um verordnungspflichtige Arzneimittel, die aber
von der Apothekenpflicht befreit sind. In der Vergangenheit wurden die Kontrastmittel
auf dem Wege des „Sprechstundenbedarfs“ direkt vom Radiologen auf Vorrat beim Hersteller
oder Händler auf vorgeschriebenen Wegen bestellt. Damit wurden die Apotheken als potentielle
Lieferanten zur Kostensenkung umgangen. Die Preise wurden der „Lauer-Taxe“[1] entnommen und von den Krankenkassen auch so bezahlt, Mengenrabatte waren nicht vorgesehen
oder möglich. Der Radiologe füllte hierfür lediglich ein entsprechendes Rezept aus,
gab dieses an die Kontrastmittelhersteller oder Händler weiter, die den Radiologen
direkt belieferten. Es gab keinerlei Rabatte. Entsprechend kostete ein Liter Kernspin-Kontrastmittel
etwa 7000 €. Zur gleichen Zeit kostete das identische Kontrastmittel im Krankenhauseinkauf
im Paket mit anderen Medikamenten und zusätzlich im Wettbewerb (Verhandlungsweg zwischen
Krankenhaus und Pharma-Industrie), deutlich weniger.
Die Krankenkassen haben deshalb versucht, die Preise im ambulanten Sektor durch Ausschreibungen
zu reduzieren. Dies war zunächst aber wenig effektiv. Die Angebote der Ausschreibungsgewinner
lagen meist nur geringfügig unter dem ursprünglichen Preis. Eine Transparenz kam zudem
nicht zu Stande, da die erzielten Preise nach europäischem Ausschreibungsrecht nicht
veröffentlicht werden dürfen. In der Folge versuchten die Krankenkassen dann ältere,
inzwischen sogar teilweise obsolete (oder in der Anwendung stark eingeschränkte) Kontrastmittel
in die Ausschreibungslose hineinzustellen oder wirkstoffübergreifende Ausschreibungslose
zu bilden, um so bessere Preise zu erzielen.
Dagegen haben sich die Radiologen, zum Erhalt der Therapiefreiheit im Sinne der ihnen
anvertrauten Patienten, gewehrt und verlangt, dass nur gleiche Substanzen, also gleiche
Wirkstoffe, in einem Ausschreibungslos zusammengelegt werden dürften. Schließlich
müsste sonst der Radiologe auch schlechtere Kontrastmittel anwenden, die er selbst
gar nicht verordnen wollte und hierfür letztlich auch haften! Die Krankenkassen haben
den Weg der wirkstoffübergreifenden Ausschreibung dennoch in mehreren Bundesländern
(z. B. RLP, Saarland, Schleswig-Holstein), auch mit Unterstüt-zung der jeweiligen
Gesundheitsministerien, nicht verlassen und ihrerseits jegliche Haftung abgelehnt.
Abweichend wurde in Bayern schon vor 20 Jahren ein anderer Weg beschritten. Der Radiologe
sollte die Kontrastmittel direkt beziehen und bezahlen, um so den Wettbewerb zwischen
Herstellern und/oder Händlern zu generieren. Zum Ausgleich erhielt der Radiologe eine
Abrechnungsziffer (Pauschale) für den Einkauf, die Bevorratung, die Sicherstellung
der medizinischen Anwendung und die korrekte Indikationsstellung im Einzelfall, ausgehandelt
zwischen den Krankenkassen und der jeweiligen KV. Das Preisrisiko ging damit auf die
Ärzte über. Ein Weg übrigens, der auch in vielen anderen Fachgruppen, mit anderen
Medizinprodukten praktiziert wird (z. B. bei der Dialyse, Einkauf von Linsen durch
Augenärzte etc.). Mit dem Pauschalen-Modell entstand für die Hersteller und Händler
von Kontrastmitteln zum ersten Mal eine Wettbewerbssituation und die Preise kamen
in Bewegung. Schon die ersten Pauschalen lagen für die Krankenkassen deutlich unter
den Preisen der Lauer-Taxe und bedeuteten erhebliche Einsparungen für die Krankenkassen.
Diese konnten dann im weiteren Verlauf, mithilfe der Radiologen, noch weiter gesenkt
werden. In Bayern wurden die Pauschalen zu einem „Teil der Vergütung“. Dieses Modell
„Pauschale für Kontrastmittel“ wurde dann langsam verfeinert und auch von anderen
Bundesländern (KVen) eingeführt. Zuletzt hat dann auch die AOK Rheinland in der KV
Nordrhein diesen Weg beschritten und die bis dahin von den Radiologen bekämpfte wirkstoffübergreifende
Ausschreibung verlassen, um hiermit eigene Haftungsrisiken auszuschalten.
Ergänzt wurde die Pauschalen-Regelung meist durch eine strikte Mengenbegrenzung, die
eine Steigerung des Kontrastmittelverbrauches auch wirksam verhinderte. Heute können
Bundesländer (KVen) wie Hamburg, Niedersachsen und auch Bremen, nachweisen, dass keinerlei
Mehrverbrauch von Kontrastmitteln durch die Pauschalen entstanden ist. Jeder anderslautende
Vorwurf, der Radiologen eigennützige Manipulationen unterstellt, ist unseriös und
anhand von Abrechnungsdaten zu widerlegen. Der Anteil der Kontrastmittelpauschalen
je Untersuchung ist z. B. in Hamburg seit Beginn der Regelung völlig konstant. Der
Preis wurde mit Einführung der Pauschalen gegenüber der Lauer-Taxe (ursprünglicher
Preis bei 7000 €/l) um 40 % auf aktuell etwa 3900 €/pro Liter abgesenkt. Dadurch aber
waren die Radiologen in der Verantwortung bei Herstellern oder Händlern Marktpreise
zu erzielen. Egal welcher Preis geboten wurde, der Radiologe erhielt für die Untersuchung
mit Kontrastmittel immer nur diese Pauschale. Je nach Praxisgröße, Einkaufsmenge und
Patientenauswahl (die Untersuchungen benötigen verschiedene Kontrastmittel und Dosierungen),
sind Gewinne oder Verluste für die Radiologen möglich. Für die Krankenkassen und KVen
bedeutet dieses Modell aber eine feste kalkulierbare Größe. Zudem wurden in den Pauschalen-Verträgen
feste Laufzeiten zwischen Kassen und KV vereinbart, sie sehen selbstverständlich auch
Anpassungsregelungen vor.
Entgegen der Darstellung in Panorama und Tagesschau ist somit nicht „Geld der Versicherten
in Millionenhöhe verschwendet“ worden, sondern durch die Pauschalen-Modelle konnten
viele Millionen Kassengelder eingespart werden. Das Pauschalen-Modell ist unzweifelhaft
rechtskonform und sichert Patienten und Ärzten die Therapiefreiheit! Pauschalen sind
in der Gebührenordnung für Ärzte (EBM) eine übliche Vergütungskomponente. Radiologen
haben mit dem Pauschalen-Modell weder unzulässige Gewinne erzielt, noch die von Panorama
genannten Preisspannen zur Gewinnsteigerung realisiert, da eine Pauschale eben pauschal
mehrere Kostenfaktoren abzudecken hat. Radiologen haben sich das Kontrastmittel-Pauschalen-Modell
nicht gewünscht.
Soweit die ganze Geschichte des „Skandals“, erzählt von den Betroffenen. Sicher kaum
reißerisch genug, um Auflage zu schaffen, aber eben ein Bericht über alltägliche medizinische
Versorgung in Deutschland.
Dr. Detlef Wujciak
Dr. Andreas Bollkämper