Abb. 1 (Foto: Kenishirotie – stock.adobe.com)
Hintergrund
Psychische Störungen in der Peripartalzeit treten als Erstmanifestation oder als Rezidiv
bzw. Verschlechterung einer vorbestehenden Symptomatik auf. Bleiben sie unbehandelt,
ergeben sich aus der mütterlichen Erkrankung Risiken für die fetale und kindliche
Entwicklung sowie Geburtskomplikationen. In einer individuellen sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung
sind diese einer möglichen kindlichen Gefährdung durch teratogene oder fetotoxische
Eigenschaften einer medikamentösen Therapie oder einer unbeabsichtigten Verabreichung
über die Muttermilch gegenüberzustellen. Mittlerweile hat sich die Datenlage zur Beurteilung
einer psychopharmakologischen Behandlung während Schwangerschaft und Stillzeit deutlich
gebessert. Da eine Schwangerschaft oft erst spät in der 7.-9. SSW entdeckt wird, wenn
die vulnerable Phase der Organogenese weitgehend abgeschlossen ist, sollte ein vorschnelles
Absetzen oder Umstellen der Psychopharmaka bei Kenntnis einer Schwangerschaft vermieden
werden. Die Rückfallrate kann hierdurch um das Zwei- bis Dreifache erhöht sein. Viele
Psychopharmaka gelten inzwischen als relativ sicher in Schwangerschaft und Stillzeit,
wobei Valproat und Paroxetin eine Ausnahme darstellen. Die Sicherheit lässt sich durch
die Berücksichtigung bestimmter Regeln erhöhen.
Prävalenz psychischer Erkrankungen in der Peripartalzeit
Psychische Störungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen in der Peripartalzeit
[19]. Sie können erstmals während der Schwangerschaft, dem Wochenbett oder der Stillzeit
auftreten oder ein Rezidiv einer vorbestehenden psychischen Erkrankung sein [17].
50–85 % aller Mütter erleben in den ersten 14 Tagen nach der Geburt ein Stimmungstief,
den sog. Babyblues [19]. Meist tritt dieser zwischen dem 3.-5. Tag für wenige Stunden bis maximal 3 Tage
auf und benötigt keine spezifische Behandlung. Er erhöht jedoch das Risiko für postpartale
Depressionen bzw. kann in sie übergehen [15].
Bei 10–20 % der Mütter besteht eine manifeste Depression oder eine Angststörung, wobei die antenatale Depression noch häufiger sein soll [15].
Die Zwangsstörung ist die zweithäufigste psychische Störung schwangerer Frauen. Für die perinatale
Zwangsstörung wird eine Prävalenz von 2–40 % beschrieben [15].
Postpartale Psychosen sind die schwerste Erkrankungsform. Sie treten bei 0,1–0,2 % der Frauen auf. Dem
klinischen Bild nach ähneln sie oft einer schizoaffektiven Störung, aber auch hirnorganisch
bedingte Auffälligkeiten als Geburtsfolgen sind zu sehen. Suizidales Verhalten oder
Vorstellungen zur Kindsschädigung oder -tötung sind in der Therapieplanung unbedingt
zu beachten, v. a. wenn im psychotischen Erleben eine entsprechende Thematik berührt
wird [15] [16].
Krankheitsverlauf und Behandlungsbedarf
Mütter mit einer psychischen Störung sind krankheitsbedingt nicht in der Lage, eine
positive emotionale Beziehung zum Säugling aufzubauen. Hieraus resultieren Schuldgefühle
dem Säugling gegenüber. Nicht selten bestehen tatsächliche Unzulänglichkeiten in der
Kindesversorgung, z. B. durch Unkenntnis, ein depressives Antriebsmangelsyndrom oder
psychotische Störungen der Realitätsbezüge mit Fehleinschätzung hinsichtlich der altersgemäßen
Bedürfnisse eines Säuglings [15]. Eine ungünstig verlaufende frühkindliche Entwicklung ist ein Risikofaktor für eine
spätere Psychose oder eine andere schwere psychische Erkrankung. Daher ist eine rechtzeitige
und qualifizierte Behandlung psychischer Störungen in der Schwangerschaft oder im
Wochenbett präventiv für die psychische Gesundheit des Kindes oder des zukünftigen
Erwachsenen [15].
Präventive und therapeutische Patientenführung
Präventive und therapeutische Patientenführung
Die Behandler blenden das Thema einer Elternschaft psychisch Erkrankter aus. Oft wird
ihnen von einer Schwangerschaft abgeraten und die Risiken für die Kinder werden problematisiert.
Dabei können eine Reduktion psychosozialer Belastungen, eine altersabhängige differenzierte
Prävention und eine frühzeitige Unterstützung den Weg in eine gelungene Elternschaft
sichern [16].
Patientinnen mit einer bekannten psychischen Erkrankung im gebärfähigen Alter sollten
auf die Möglichkeit einer Kontrazeption hingewiesen werden, sofern die Notwendigkeit
einer pharmakologischen Behandlung gegeben ist. Vor Einleitung einer solchen ist mittels
Schwangerschaftstest eine Schwangerschaft auszuschließen. Während der Behandlung ist
auf eine wirksame Kontrazeption zu achten. Generell sollten bei Frauen im gebärfähigen
Alter nur Psychopharmaka verordnet werden, deren Verträglichkeit in Schwangerschaft
und Stillzeit bekannt ist.
Bei einer geplanten Schwangerschaft kann eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung unter
Einbeziehung des sozialen Umfeldes und Zuhilfenahme spezieller Internetportale (z. B.
Institut für Reproduktionstoxikologie: www.reprotox.de; Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie: www.embryotox.de; Marcé-Gesellschaft: www.marce-gesellschaft.de) vorgenommen werden [Tab. 1]. In Abhängigkeit von der psychiatrischen Vorgeschichte, dem Krankheitsverlauf, der
Symptomatik, der Familienanamnese und der sozialen Einbindung wird eine Entscheidung
für oder gegen eine medikamentöse Behandlung erfolgen. Bei der Risiko-Nutzen-Abwägung
ist zu bedenken, dass eine unbehandelte psychiatrische Erkrankung ein Risiko für den
Embryo, Feten bzw. das Neugeborene darstellt, z. B. durch Mangelernährung, Schlafstörungen,
Folgen einer produktiv psychotischen Symptomatik (z. B. emotionale und / oder körperliche
Vernachlässigung, intrusives Verhalten, körperliche und / oder emotionale Misshandlungen,
auch Kindstötungen u.v.m.), Nikotin-, Drogenkonsum, Suizidalität usw. [17]
Tab. 1
Risiko-Nutzen-Abwägung einer Pharmakotherapie in Schwangerschaft und Stillzeit
Kriterium
|
Ohne Behandlung
|
Mit Pharmakotherapie
|
Erkrankung der Mutter
|
erhöhtes Rückfallrisiko bei Absetzen einer rezidivprophylaktischen Medikation, Suizidalität
|
in Abhängigkeit vom verwendeten Medikament Hyperprolaktinämie und eingeschränkte Fertilität
(v. a. klassische Antipsychotika), Gewichtszunahme, Gestationsdiabetes (Clozapin,
Olanzapin)
|
Teratogenes Risiko für das Kind
|
unverändert oder erhöht bei krankheitsbedingtem Risikoverhalten, Neuroblastom (z. B.
Alkohol, Nikotin, Drogen)
|
erhöht in Abhängigkeit vom verwendeten Medikament, z. B. multiple Fehlbildungen, Fehlbildungen
des Urogenitaltraktes und Neuralrohrdefekte (Valproat), Herzfehler (Valproat, Paroxetin,
Lithium),
|
Fetale und frühkindliche Entwicklung
|
beeinträchtigt, intrauterine Wachstumsverzögerung, unsicherer Bindungsstil[*], sog. Frühstörungen[*], bleibende kognitive und sozial emotionale Beeinträchtigungen ohne spätere Kompensation
möglich[*], frühkindliche Depression mit hirnorganischen Veränderungen,
abhängig vom Schweregrad der Erkrankung und Unterstützung durch andere Bezugspersonen,
zumeist geringe oder moderate Effekte
|
Floppy-infant-Syndrom (Benzodiazepine, Clozapin, Lithium), schlechtere kognitive Entwicklung,
z. B. geringerer Intelligenzquotient (Valproat)
|
Geburtskomplikationen
|
erhöht, in Abhängigkeit von der psychischen Erkrankung z. B. geringeres Geburtsgewicht,
vermehrt Früh- und Totgeburten, plötzlicher Kindstod
|
in Abhängigkeit vom Medikament erhöhte Frühgeburtlichkeit, geringeres Geburtsgewicht
(SSRI, Lithium, Benzodiazepine, Antipsychotika, Antikonvulsiva), Absetzerscheinungen / Anpassungssyndrom,
extrapyramidalmotorische Störungen (EPMS) (v. a. klassische Antipsychotika), Entzugserscheinungen
(z. B. epileptische Anfälle) (Benzodiazepine, Opiate),
pulmonale Hypertension (SSRI, SNRI), Blutungen in der Spätschwangerschaft, vorzeitige
Wehen (Antikonvulsiva, Benzodiazepine)
|
Spätere Entwicklung
|
anhaltende depressive Symptomatik, schlechtere Schulleistungen im Alter von 16 Jahren,
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS), Störungen des Sozialverhaltens
diagnoseabhängig erhöhtes Risiko für spätere psychische Störungen
|
ADHS (SSRI)
Autismusspektrumerkrankung (SSRI, Lamotrigin)
|
* durch Mutter-Kind-Interaktionstherapie günstig zu beeinflussen.
Quellen: nach Andrade 2017 [1]; Bergemann und Paulus 2016 [3] [4]; Brown et al. 2017 [5]; Chisolm und Payne 2016 [6]; Coughlin et al. 2015 [7]; El Marroun et al. 2012 [9]; Hviid et al. 2013 [12]; Hernández-Díaz et al. 2017 [11]; Jarde et al. 2016 [13]; Jiang et al. 2018 [14]; Jordan und von Einsiedel 2012 [17]; Jordan 2018 [16]; Lassi et al. 2014 [20]; Malm et al. 2015 [21]; Masarwa et al. 2018 [22]; Morales et al. 2018 [24]; Müller-Schulte et al. 2018 [25]; Sujan et al. 2017 [29]; Veroniki et al. 2017 [31]; Zhao et al. 2018 [33]
Schwangerschaften stellen keinen Schutz gegen psychische Erkrankungen dar. Eine fehlende
Behandlung psychischer Störungen gefährdet Mutter und Kind.
Partner und Familie einbeziehen
Die frühzeitige Einbeziehung des zukünftigen Vaters bzw. des Partners oder wichtiger
Bezugspersonen entlastet die Schwangere / Mutter und hilft, ein stabilisierendes Netzwerk
aufzubauen. Dabei sind Alternativen zur medikamentösen Behandlung wie begleitende
Psychotherapie, vorübergehende (teil-)stationäre Aufnahme, chronobiologisch orientierte
Verfahren oder Elektrokonvulsionstherapie zu erwägen [17] [15] [18]. Insbesondere kann durch eine frühzeitige stationäre Behandlung eine notwendige
Medikation verhindert oder zumindest in der Dosis verringert werden (s. [Tab. 2]) [15] [17].
Tab. 2
Nichtmedikamentöse und medikamentöse Behandlungsempfehlungen bei Diagnose einer psychischen
Erkrankung
Krankheitphase
|
Behandlungsempfehlung
|
Gebärfähiges Alter
|
Gemeinsame frühzeitige Planung einer Elternschaft, einschließlich einer Aufklärung
über Risiken einer Schwangerschaft
|
Beratung zur Reduktion psychosozialer Belastungen und zum Aufbau eines stabilisierenden
sozialen Netzwerks
|
Möglichkeit einer Kontrazeption besprechen (cave: durch Interaktionen mit dem Psychopharmakon,
z. B. über die Cytochrom-P450-Isoenzyme, besteht das Risiko eines Wirkverlusts!),
Schwangerschaftstest vor Einleitung einer Pharmakotherapie, bei Neuverordnungen Verträglichkeit
des Medikaments in Schwangerschaft und Stillzeit beachten
|
Einnahme von 400–800 µg Folsäure pro Tag 12 Wochen vor der geplanten Konzeption bis
zur 12. SSW, bei Risikoschwangerschaften und einigen Antikonvulsiva auch höher, ≥ 800 µg / Tag
oder 4–5 mg / Tag
|
Schwangerschaft
|
Engmaschige multiprofessionelle Anbindung über die gesamte Schwangerschaft, z. B.
Psychiater, Gynäkologe, Hausarzt, Sozialpädagoge, (Familien)Hebamme
|
Strenge Indikationsstellung einer Pharmakotherapie, individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung
hinsichtlich Risiken einer Nichtbehandlung gegenüber einer medikamentbedingten Teratogenität,
Perinataltoxizität und Verhaltenstoxizität, weiterhin Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil
berücksichtigen
|
Therapeutische Alternativen erwägen, z. B. Psychotherapie, chronobiologisch orientierte
Therapien (Schlafhygiene, Stimuluskontrolltherapie, Soziale Rhythmustherapie, Lichttherapie),
Elektrokonvulsionstherapie, Reizabschirmung, präventive stationäre Aufnahme in Mutter-Kind-Einheit,
auch zur Dosisreduktion
|
Falls möglich keine Psychopharmaka im 1. Trimenon,
Einstufung und Behandlung als Risikoschwangerschaft, wenn Psychopharmaka im 1. Trimenon
zur Anwendung kamen, z. B. hochauflösende Ultraschalluntersuchung
|
Monotherapie statt Polypharmazie, geringste wirksame Dosierung, Verteilung der Einnahmezeitpunkte
über den Tag, z. B. 3–5 mal, therapeutisches Drug-Monitoring
|
Bei unerkannter Schwangerschaft ist die Fortführung der bisherigen gut eingestellten
Medikation oft sinnvoller, als auf ein Alternativpräparat mit günstigerem Nebenwirkungsprofil
zu wechseln,
das Rückfallrisiko für depressive oder bipolar affektive Störungen ist bei Absetzen
einer Phasenprophylaxe deutlich erhöht
|
Multiprofessionelle Planung von Geburt und postpartaler Rezidivprophylaxe 6–8 Wochen
vor dem berechneten Geburtstermin, z. B. Psychiater, Gynäkologe, Pädiater, Hausarzt,
Geburtshelfer / Hebamme, Vater / Angehörige
|
Dosisreduktion und ggf. auch kurzfristiges Aussetzen der Medikation in Abhängigkeit
von der Halbwertszeit je nach Störungsbild und Stabilität 14 Tage oder kurz vor dem
errechneten Geburtstermin (zur Reduktion z. B. von Geburtskomplikationen, Floppy-infant-Syndrom
oder Absetzerscheinungen / Anpassungssyndromen)
|
Geburt in einer Klinik mit neonatologischer Kompetenz und Überwachungsmöglichkeit
planen
|
Wiederaufnahme der prophylaktischen Pharmakotherapie zur Rezidivprophylaxe direkt
nach der Geburt dabei Rückanpassung der schwangerschaftsveränderten Arzneimittelkinetik
berücksichtigen, therapeutisches Drug-Monitoring, ggf. Anheben in den vorbekannten
Wirkbereich
|
Stillzeit
|
Überprüfung, ob eine vorausschauende Planung der Pharmakotherapie für Schwangerschaft
und Stillzeit vorgenommen wurde
|
Ggf. Wechsel der Medikation erwägen, auch Möglichkeit des Abstillens berücksichtigen
|
Einnahme der Medikation direkt nach dem Stillen oder dessen Terminierung in Abhängigkeit
vom Einnahmezeitpunkt
|
Frühgeborene sollten unter einer Pharmakotherapie nicht oder nur äußerst begrenzt
gestillt werden
|
Quellen: in Anlehnung an Bergemann und Paulus 2016 3 4; Chisolm und Payne 2016 6;
Jordan und von Einsiedel 2012 17
Über Risiken aufklären
Die Indikationsstellung durch den behandelnden Arzt ist individuell am klinischen
Bild der Patientin, an ihrer psychiatrischen Vorgeschichte und an bekannten Risiken
orientiert. Falls eine Behandlung mit Psychopharmaka indiziert ist, sind Schwangere
und Partner über die möglichen teratogenen und toxischen Effekte für den Feten bzw.
das Neugeborene aufzuklären. Dabei sollte die Therapie mit Gynäkologe und Pädiater
abgesprochen sein. Viele Psychopharmaka haben keine Zulassung für eine Behandlung
in Schwangerschaft und Stillzeit. Falls ihr Einsatz unverzichtbar erscheint, sind
sie im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit zu verordnen (Off-Label-Problematik).
Eine Polypharmazie ist – wenn möglich – immer zu vermeiden [17].
Eine ungeplante Schwangerschaft wird meist erst zwischen 7.-9. SSW festgestellt, sodass
bei einer medikamentösen Behandlung der Mutter bis dahin bereits eine Exposition des
Kindes bestand. Das sofortige Absetzen der Medikation verringert das stattgehabte
Risiko nicht, kann aber zu psychischer Instabilität seitens der Mutter führen [19]. Da die während der Organentwicklung (15.–60. Tag) erhöhte Sensibilität für Fehlbildungen
zur 9. SSW wieder abnimmt, ist von einer abrupten Beendigung der Medikation abzuraten,
je näher sie zu diesem Zeitpunkt erfolgt [17].
Physiologische Grundlagen
Physiologische Grundlagen
Alle Psychopharmaka können die Plazenta passieren und in den kindlichen Blutkreislauf
gelangen. Sie stellen eine mögliche Gefährdung für die Entwicklung des Kindes dar.
Die Beurteilung ihres Einsatzes in Schwangerschaft und Stillzeit sollte somit nach
folgenden Kriterien erfolgen:
-
Teratogenität, Fehlbildungsrisiko
-
Perinatalsyndrome (Perinataltoxizität), Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen
-
Postnatale Entwicklungs- und Verhaltensstörungen (Verhaltenstoxizität), Langzeitfolgen
Weder die „Rote Liste“ noch die Fachinformationen informieren zuverlässig über die
bekannten Risiken.
Die Embryonalperiode bezeichnet den Zeitraum zwischen der 4.–8. Entwicklungswoche.
An ihrem Ende sind die wichtigsten Organsysteme bereits angelegt (Organogenese). Die
Fetalperiode reicht vom Beginn des 3. Monats bis zur Geburt. Sie ist durch das Größenwachstum
des Fetus und die Ausreifung der Organsysteme gekennzeichnet.
Für die ersten zwei Wochen nach der Konzeption (Vorkeimblattstadium) gilt das „Alles-oder-Nichts-Gesetz“,
d. h. eine Medikamenteneinnahme führt entweder zum Absterben des Keimes (Abort) oder
zur Regulation des Defektes. Sie hat somit keinen Einfluss auf das kindliche Fehlbildungsrisiko.
Im Zeitraum der Ausbildung der dreiblättrigen Keimscheibe und der Organogenese (15.–60.
Tag) besteht eine erhöhte Sensibilität für Fehlbildungen. Die Art der Schädigung ist
davon abhängig, welche Organanlagen sich zum Zeitpunkt der teratogenen Wirkung im
Blastemstadium befinden. Eine Medikation im 1. Trimenon führt zu einer ca. 2–3-fachen
Erhöhung des Spontanrisikos für Fehlbildungen (regulär 3–4 % bei passiver Erfassung).
In der Fetalperiode nimmt die Empfindlichkeit gegen teratogene Einflüsse schnell ab.
Generell gilt auch für Schwangerschaft und Stillzeit eine Dosis-Wirkungs-Beziehung
mit Schwellenwert, d. h. oberhalb einer spezifischen Dosis eines Medikamentes steigen
die Nebenwirkungen mit der weiteren Dosierung, unter dem Schwellenwert ist mit keinen
Nebenwirkungen zu rechnen. Bei der Dosierung von Psychopharmaka in der Schwangerschaft
sind Veränderungen in der Arzneimittelkinetik (z. B. Verteilungsvolumen, Metabolismus,
Exkretion) bei der Mutter zu berücksichtigen. Der Anstieg der Aktivität der Cytochrom-P450-Isoenzyme,
z. B. CYP3A4, CPY2D6, CYP2D9, oder der renalen Clearance während der Schwangerschaft
kann so bei gleichbleibender Dosis zu einer Unterdosierung mit einem erhöhten Rückfallrisiko
führen.
Nahezu alle Psychopharmaka sind plazentagängig und können in die Muttermilch übergehen.
Die Konzentration auf der fetalen Seite der Plazenta liegt bei 20–80 % der mütterlichen.
Die Verstoffwechselung des Medikaments (Metabolismus bzw. Biotransformation) ist beim
Feten bzw. Neugeborenen in Abhängigkeit von der jeweiligen Leberreife zu sehen und
kann zu erhöhten, auch toxischen Plasmaspiegeln der Ausgangssubstanz oder ihrer Metaboliten
führen. Die renale Ausscheidung ist ebenfalls beträchtlich vermindert. So betragen
die glomeruläre Filtrationsrate und die tubuläre Sekretion nur 30–40 % bzw. 20–30 %
der Werte bei Erwachsenen. Erst im 2.–5. Lebensmonat ist eine Nierenfunktion erreicht,
die annähernd der von Erwachsenen gleicht. Da auch die kindliche Blut-Hirn-Schranke
noch nicht voll entwickelt ist und Körperfettspeicher beim Neugeborenen begrenzt sind,
können fettlösliche Substanzen in der Cerebrospinalflüssigkeit 10–30-fach konzentrierter
als im Serum sein.
Die Konzentration von Medikamenten in der Muttermilch wird durch den pH-Wert, den
Protein- und Fettgehalt der Milch bestimmt und unterliegt beträchtlichen Schwankungen.
So geht der höhere Fettgehalt der Milch während der zweiten Hälfte des Fütterns mit
höheren Konzentrationen des mütterlichen Medikaments einher. Die Einnahme einer Medikation
direkt nach dem Stillen bzw. dessen Terminierung in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der
Einnahme und der maximalen Konzentration in der Milch (Zeit bis zum maximalen Plasmaspiegel
bei der Mutter (oft Tmax) plus rund 3 Stunden) verringert die Medikamentenmenge in
der Muttermilch beim nächsten Stillen [17]. Eine Substanz gilt dann als sicher, wenn der Säugling < 10 % der gewichtadaptierten
mütterlichen Dosis erhält.
Die Sicherheit beim Stillen hängt von pharmakologischen Eigenschaften, der Menge,
der Häufigkeit und dem Zeitpunkt des Stillens sowie dem Alter des Säuglings ab.
Die Beeinflussung der Pharmakokinetik durch Enzyminhibition oder -induktion durch
andere Medikamente oder besondere Substanzen (z. B. Rauchen, Koffein, Grapefruitsaft)
sollte bei einer Psychopharmakotherapie in Schwangerschaft und Stillzeit unbedingt
berücksichtigt werden. Es empfiehlt sich, die Verordnung von Psychopharmaka während
der Schwangerschaft mit therapeutischem Drug-Monitoring (Medikamentenspiegelbestimmung)
zu begleiten [17].
Veränderungen des Stoffwechsels in der Schwangerschaft können zu gefährlichen Über-
und Unterdosierungen führen. Mit einem therapeutischen Drug-Monitoring lässt sich
die Sicherheit erhöhen.
Pharmakologische Therapie
Pharmakologische Therapie
Bei psychischen Erkrankungen gibt es u. a. Störungen im Serotonin-Noradrenalin-Haushalt
und / oder Dopamin-Haushalt. Die medikamentöse Behandlung psychischer Störungen erfolgt
mit einer Vielzahl unterschiedlicher Pharmaka. Selbst wenn diese einer übergeordneten
Substanzgruppe zugeordnet werden, unterscheiden sich die einzelnen Substanzen beträchtlich
hinsichtlich ihrer chemischen Struktureigenschaft und des pharmakologischen Wirkprofils.
Es handelt sich somit um heterogene Gruppen oder Subgruppen, für die letztlich nur
begrenzt spezifische Aussagen getroffen werden können.
Antidepressiva verbessern die Stimmung und steigern den Antrieb, indem sie die Konzentration von
Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt erhöhen [Abb. 2]. Zu den neueren Medikamenten, die selektiv wirken, zählen:
-
selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer = SSRI
-
selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer = SSNRI
-
selektive Noradrenalinwiederaufnahme-Hemmer = SNRI
Ältere Medikamente sind die Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) und die tri-(TZA)
und tetrazyklischen Antidepressiva. Antidepressiva werden v. a. bei Depressionen eingesetzt.
Weitere Einsatzgebiete sind bipolare Störungen, Angst- und Zwangsstörungen. Bei der
Therapie ist zu beachten, dass das Suizidrisiko zu Beginn der Therapie erhöht ist.
Der Grund dafür liegt in der sofort einsetzenden Antriebsteigerung und der erst verzögert
einsetzenden Stimmungsaufhellung. [30]
Antipsychotika (Neuroleptika) werden in 2 Gruppen unterteilt: typische und atypische Antipsychotika. Sie wirken
antipsychotisch, indem sie die Dopaminrezeptoren im Gehirn blockieren, atypische Antipsychotika
blockieren zusätzlich noch Serotoninrezeptoren. Indikationen sind in erster Linie
akute schwere Psychosen (wie die Schizophrenie) und manische Störungen, aber auch
Alkoholdelir und Angstzustände. Antipsychotika haben viele Nebenwirkungen, weswegen
während der Behandlung regelmäßige Kontrolluntersuchungen notwendig sind. Eine wesentliche
Nebenwirkung, v.a. bei typischen Antipsychotika, sind extrapyramidal-motorische Bewegungsstörungen.
Typisch sind Dyskinesien, in erster Linie handelt es sich dabei um unkontrollierte
Muskelbewegungen im Gesicht und an der Zunge. Viele atypische Antipsychotika führen
zu einer unerwünschten Gewichtszunahme. [30]
Benzodiazepine verstärken die hemmende Wirkung des Neurotransmitters GABA und wirken dadurch angstlösend,
beruhigend, krampflösend und schlaffördernd. Sie werden daher v.a. bei Angstzuständen,
Schlafstörungen, Depressionen und Delir eingesetzt. Zu beachten ist, dass Benzodiazepine
schnell abhängig machen. [30]
Stimmungsstabilisierer sind Lithium und einige Antiepileptika (z. B. Carbamazepin, Valproat). Sie werden
bei bipolaren Störungen zur Phasenprophylaxe und bei der akuten Manie eingesetzt.
Bei der Gabe von Lithium muss man beachten, dass der therapeutische Bereich sehr eng
ist und es schnell zu einer Vergiftung (Lithiumintoxikation) kommen kann (z. B. durch
Überdosierung, bei Niereninsuffizienz, Erbrechen oder durch Medikamente). [30]
Abb. 2 Wirkmechanismus von Antidepressiva (Quelle: Thieme Verlag, Hrsg. I care – Krankheitslehre.
1. Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2015: 1259)
Antidepressiva
Die Datenlage zur Anwendung von Antidepressiva in der Schwangerschaft hat sich zugunsten
der selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) geändert, die inzwischen am häufigsten
verordnet werden. Aus der Gruppe der SSRI gelten Sertralin und Citalopram bezüglich
einer möglichen Teratogenität als bevorzugte Wahl, bei Paroxetin wird ein leichter
Anstieg der allgemeinen Fehlbildungsrate und insbesondere der Herzfehler angenommen
[3] [6]. Bei unbeabsichtigter Exposition im 1. Trimenon kann ggf. eine fötale Echokardiographie
veranlasst werden. Unter den trizyklischen Antidepressiva (TZA) gehören in der Reihung
Amitriptylin, Amitriptylinoxid, Nortriptylin > Clomipramin, Desipramin, Doxepin, Imipramin,
Trimipramin zu den bevorzugt eingesetzten Präparaten [3], wobei das teratogene Potenzial etwas höher erscheint als bei SSRI. Das ungünstigere
Nebenwirkungsprofil, v. a. anticholinerge Nebenwirkungen, einschließlich einer geringeren
therapeutischen Breite bei Überdosierung in suizidaler Absicht, limitiert jedoch ihren
Einsatz [17]. Auch Bupropion hat vermutlich kein oder nur ein geringfügig erhöhtes Risiko [6]. Von den übrigen Antidepressiva scheinen gegenwärtig Mirtazapin und Venlafaxin am
besten geeignet [3] [17].
Nebenwirkungen wie Frühgeburtlichkeit, vermehrt Spontanaborte, persistierende pulmonale
Hypertension, neurokognitive Entwicklungsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen
(ADHS) oder Autismusspektrumerkrankungen, welche oft einer Behandlung mit Antidepressiva
zugeschrieben werden, lassen sich auch bei unbehandelten Patienten in vergleichbarer
Ausprägung nachweisen (s. [Tab. 1]). Möglicherweise sind Anpassungssyndrome bei TZA häufiger als bei SSRI [3].
Antipsychotika
Aufgrund der besseren Datenlage wurde früher Haloperidol, ein Antipsychotikum der
1. Generation, der Vorzug gegeben. Mittlerweile ist die Datenlage auch für Antipsychotika
der 2. Generation (sog. atypische Antipsychotika oder Atypika) deutlich besser geworden.
Hinsichtlich einer Teratogenität scheinen als Subgruppe Atypika den klassischen Antipsychotika
vergleichbar zu sein, auch wenn es im Einzelnen Unterschiede gibt: z. B. passiert
Olanzapin nur geringfügig die Plazenta, sodass die Fehlbildungsrate von 3,5 % vergleichbar
dem Spontanrisiko ist. Die Atypika haben geringere extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen.
Sie erhöhen weniger den Prolaktinspiegel, was sich günstiger auf die Fertilität auswirkt.
Aus der Gruppe der Antipsychotika der 1. Generation (sog. klassische Antipsychotika)
sind Haloperidol > Fluphenazin, Perphenazin, Promethazin zu empfehlen. Unter den Antipsychotika
der 2. Generation werden in der Reihung Olanzapin, Quetiapin > Risperidon, Clozapin
empfohlen. Eine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch bei akzidenteller Exposition
in der Frühschwangerschaft besteht bei keinem Antipsychotikum [4] [10] [8].
Falls unter einem Antipsychotikum gestillt werden soll, werden Quetiapin und Olanzapin
favorisiert, ggf. unter stärkerer Beobachtung auch Risperidon. Clozapin und Amisulprid
sind hingegen kontraindiziert [27].
Anxiolytika, Hypnotika
Bei Benzodiazepinen, aber auch den neueren Z-Substanzen Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon
scheint kein ausgeprägtes teratogenes Risiko zu bestehen [4]. In älteren Untersuchungen wurden noch Gesichtsspalten beschrieben, möglicherweise
in Zusammenhang mit anderen konfundierenden Einflussfaktoren wie Rauchen. Im 3. Trimenon
sollten sie wegen typischer Anpassungsstörungen bei dem Neugeborenen (z. B. Floppy-infant-Syndrom
oder auch Entzugsbeschwerden mit epileptischen Anfällen) nicht dauerhaft zur Anwendung
kommen. Die Erfahrung mit anderen Substanzen wie Buspiron, Opipramol oder Pregabalin
ist begrenzt, sodass auf sie verzichtet werden sollte. Der Übergang von Benzodiazepinen
oder Z-Substanzen in die Muttermilch ist mit weniger 5 % so gering, dass eine Wirkung
mütterlicher Einzeldosen nicht anzunehmen ist [17]. Die Möglichkeit der Kumulation, gerade bei langwirksamen Substanzen mit aktiven
Metaboliten, z. B. Diazepam, sollte aber nicht außer Acht gelassen werden.
Phasenprophylaktika, Stimmungsstabilisierer
Phasenprophylaktika, Stimmungsstabilisierer
Eine deutlich erhöhte Fehlbildungsrate unter Lithium, insbesondere für kardiovaskuläre
Fehlbildungen ließ sich – mit Ausnahme der Ebstein-Anomalie mit einem Risiko von 1 %
– in jüngeren prospektiven Untersuchungen nicht verifizieren [3] [6] [26] [28]. Ggf. sollte eine fötale Echokardiographie erwogen werden.
Durch die Schwangerschaft kann sich die Plasmakonzentration einiger Phasenprophylaktika,
z. B. Lithium, Lamotrigin, Carbamazepin, deutlich verändern. Insbesondere die renale
Lithiumausscheidung ist um 50–100 % gesteigert [17]. Auch der Lamotriginspiegel kann um 50–60 % oder noch stärker fallen [23]. Hierdurch wird eine engmaschige Überwachung mit Blutspiegelkontrollen und Dosisanpassung
erforderlich, auch nach der Entbindung, bis eine Normalisierung wieder eingetreten
ist. Kurz vor dem Geburtstermin sollte die Lithiumdosis reduziert werden, um perinatale
Komplikationen zu vermeiden. Nach der Geburt kann die vorgesehene Dosis unter Spiegelkontrolle
zur Rückfall- bzw. Phasenprophylaxe wieder eingestellt werden. Im 1. Trimenon sollte
keine Neuverordnung vorgenommen werden, die Fortführung einer gut eingestellten Phasenprophylaxe
scheint aber bei einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung vertretbar [6]. Mit gezielten pharmakologischen Interventionen, z. B. einer unmittelbar nach der
Geburt begonnenen Phasenprophylaxe mit Lithium, lässt sich ebenfalls das Rückfallrisiko
isolierter Postpartumpsychosen und bipolarer Störungen verringern [32].
Hinsichtlich schwerer Fehlbildungen und anderer Schwangerschaftskomplikationen gilt
Lamotrigin als die sicherste Substanz aus der Gruppe [1] [6]. Da das teratogene Risiko wie bei den meisten Antikonvulsiva dosisabhängig ist,
sollte die mütterliche Dosis 200 mg / Tag nicht überschreiten [17]. Allergische Hautreaktionen und Nierenfunktionsstörungen können als perinatale Komplikationen
auftreten.
Das teratogene Risiko unter Carbamazepin erscheint geringer, als bisher angenommen
[17]. Wie bei Valproat bestehen jedoch Folsäure-antagonistische Eigenschaften, die dosisabhängig
v. a. Neuralrohrdefekte, Herzfehlbildungen, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und Urethrafehlbildungen
bedingen können. Da üblicherweise höhere Dosierungen im Bereich von 800–900 mg täglich
erforderlich sind, sollte vor einer geplanten Schwangerschaft die Umstellung auf ein
anderes Phasenprophylaktikum erfolgen. Falls eine Schwangerschaft unter einer Carbamazepin-Behandlung
offensichtlich wird, ist wegen protektiver Effekte für den kindlichen Intelligenzquotienten,
Herzfehler, urogenitalen Fehlbildungen und Neuralrohrdefekten eine hochdosierte Folsäuregabe
durchzuführen.
Die mit Abstand höchste Fehlbildungsrate findet sich für Valproat (in bis zu 30–40 %
der Fälle), weswegen seitens der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im November 2018 eine neue Anwendungsbeschränkung
herausgegeben wurde: Bei bipolaren Störungen ist Valproat während der Schwangerschaft
kontraindiziert, ebenfalls bei Frauen im gebärfähigen Alter, es sei denn, die Bedingungen
eines besonderen Schwangerschaftsverhütungsprogramms werden eingehalten (www.bfarm.de/valproat). Falls unter Valproat eine Schwangerschaft eintritt, sollten eine hochdosierte Folsäuregabe
mit 5 mg / Tag, eine geeignete Pränataldiagostik und die umgehende Umstellung auf
eine andere Substanz, z. B. ein Atypikum, vorgenommen werden [3].
Die Datenlage zum Stillen ist unzureichend. Lithium gilt als sicher, es sollten jedoch
Kontrollen des Blutspiegels, der Nieren- und Schilddrüsenfunktion beim Säugling erfolgen
[27]. Carbamazepin und Valproat treten vermutlich nicht in klinisch wirksamen Dosen in
die Muttermilch über, wohingegen Gabapentin und Levitiracetam eine hohe Konzentration
in der Muttermilch aufwiesen. Auch Lamotrigin wurde in klinisch relevanter Menge in
der Muttermilch gefunden. Der Wirkstoffspiegel beim Säugling kann trotzdem gering
sein, da er von dessen Absorption und Elimination abhängt [23]. Unter Lamotrigin sollte nicht gestillt werden [17]. Es wird durch Glucuronidierung abgebaut, weswegen der Säugling eine hohe Plasmakonzentration
von 30–40 % der mütterlichen aufweisen kann [23].
Schlussfolgerung für die Praxis
Schlussfolgerung für die Praxis
Peripartale psychische Störungen der Mutter (und des Vaters) nehmen Einfluss auf die
fetale und kindliche Entwicklung. Innovative Versorgungskonzepte einer stationären
Mutter-Kind-Behandlung sind präventiv für die psychische Gesundheit des Kindes oder
des zukünftigen Erwachsenen [16] [15]. Sie helfen den Teufelskreis, dass Kinder depressiver Mütter depressiv werden, zu
durchbrechen [16]. Eine Schwangerschaft per se stellt keinen Schutz gegen psychische Störungen dar.
Bei psychischen Vorerkrankungen sollte deswegen ein peripartales Management erfolgen
[17].
Das Risiko für einen Rückfall kann deutlich erhöht sein, wenn bei ungeplanter Schwangerschaft
die bestehende Medikation plötzlich abgesetzt wird. Eine Vielzahl von Psychopharmaka
lässt sich auch in der Schwangerschaft und Stillzeit mit relativ geringem Risiko einsetzen.
Die Verordnung bleibt trotzdem eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung hinsichtlich
der Risiken einer medikamentösen Nichtbehandlung gegenüber denen einer medikamentenbedingten
Teratogenität, Perinataltoxizität und Verhaltenstoxizität. Valproat sollte keine Anwendung
mehr finden.
Die pharmakologische Behandlung in der Schwangerschaft sollte immer in einem Gesamtbehandlungsplan
eingebunden sein. Eine engmaschige multiprofessionelle Zusammenarbeit (Psychiater,
Psychotherapeut, Gynäkologe, Hausarzt, Sozialpädagoge, Hebamme) kann den Weg in eine
gelungene Elternschaft sichern.