veterinär spiegel 2019; 29(03): 92-99
DOI: 10.1055/a-0922-8588
Kleintiere & Heimtiere
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Atypischer Hypoadrenokortizismus (Morbus Addison) beim Hund

Ein Fall für internistische Detektivarbeit!
Romy M. Heilmann
,
Roberto B. Heilmann
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Romy M. Heilmann
Klinik für Kleintiere
Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig
An den Tierkliniken 23
04103 Leipzig

 

Roberto B. Heilmann
Tierarztpraxis Heilmann
Nimschützer Str. 7
02625 Bautzen

Publication History

Publication Date:
16 September 2019 (online)

 

Wenn die Nebenniere nicht richtig funktioniert, dann zeigt sich das meist mit lehrbuchmäßigen Symptomen. Doch manchmal sind die Krankheitsanzeichen nicht ganz so wegweisend, und die Diagnose wird schwierig. Wir wollen sensibilisieren und zeigen, worauf Sie bei einem atypischen Fall von Hypoadrenokortizismus achten müssen.


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(Quelle: © Iris – stock.adobe.com [rerif])

Morbus Addison

Hypoadrenokortizismus (Morbus Addison) beschreibt eine Nebennierenrindeninsuffizienz, die durch eine ungenügende Produktion von Kortikosteroiden und meist auch Mineralokortikoiden gekennzeichnet ist [1]. Im Gegensatz zur typischen Form des Hypoadrenokortizismus, welche infolge der Kortikosteroid- und Mineralokortikoiddefizienz zu einem klinisch und labordiagnostisch relativ charakteristischen Erscheinungsbild führt, stellt die atypische Form des Hypoadrenokortizismus beim Hund aufgrund ihrer Seltenheit und unspezifischen klinischen Symptomatik eine diagnostische Herausforderung dar.

Physiologie der Nebennierenrinde

Die Bereitstellung von Glukokortikoiden (v. a. Cortisol) und Mineralokortikoiden (Aldosteron) erfolgt durch die Nebennierenrinde. Die Regulation der Cortisolproduktion erfolgt über die Hypophysenvorderlappen-Nebennierenrinden-Achse, wobei eine hohe Cortisolkonzentration im Blut via negativen Feedback-Mechanismus die Adrenocorticotropin (ACTH)-Freisetzung in der Hypophyse sowie die Corticoliberin (CRH)-Freisetzung im Hypothalamus hemmt. Da Glukokortikoide eine zentrale Rolle für lebenswichtige Funktionen (Stressantwort, Glukosehomöostase) spielen, kann ein Kortisolmangel durch systemische Hypotension, Hypoglykämie, Schwäche und vermehrte Stressempfindlichkeit auffallen [1], [2]. Aldosteron fördert die Rückabsorption von Wasser und Natrium sowie die Ausscheidung von Kalium. Dessen Synthese wird durch Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems (infolge Hyponatriämie, Hypovolämie und systemischer Hypotension) und die Kaliumkonzentration im Plasma bestimmt [1], [2].


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Nebennierenrindeninsuffizienz

Die Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison) kennzeichnet sich durch eine zumeist primäre (idiopathische) und nicht adäquate Mineralokortikoid- und/oder Glukokortikoidproduktion. Bei der typischen Form besteht ein Mangel an sowohl Gluko- als auch Mineralokortikoiden, einhergehend mit charakteristischen Elektrolytverschiebungen (Hyperkaliämie, Hyponatriämie) [3].

Seltenere Fälle der atypischen Form zeigen sich entweder mit nur einer Glukokortikoid-Defizienz oder einer Glukokortikoid- und Mineralokortikoid-Defizienz ohne Elektrolytverschiebungen – vermutlich infolge Aldosteron-unabhängiger Kompensationsmechanismen ([Abb. 1]).

Es ist davon auszugehen, dass sich atypische Formen zu einem typischen Hypoadrenokortizismus entwickeln können. Sehr selten führt eine Hypophysenunterfunktion mit ACTH-Defizienz (sekundärer Hypoadrenokortizismus durch Großhirnläsionen wie Neoplasien, Entzündungen oder Trauma) zu einer verminderten Kortisolproduktion in der Nebennierenrinde.

Es können Hunde jeder Rasse und jeden Alters betroffen sein, doch es sind folgende Rasseprädisposition für die Entwicklung eines Hypoadrenokortizismus beschrieben: Großpudel, Portugiesischer Wasserhund, Nova Scotia Duck Tolling Retriever und Bearded Collie (genetische Ursache) sowie West Highland White Terrier, Cairn Terrier, Deutsche Dogge, Rottweiler, Airedale Terrier, Leonberger, Bernhardiner und Wheaton Terrier (erhöhtes Risiko) [4].

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Abb. 1 Klassifizierung des Hypoadrenokortizismus beim Hund. Nicht aufgezeigt ist die iatrogene Form durch zu schnelles Absetzen exogener Glukokortikoide nach Langzeitgabe bzw. Gabe in hoher Dosis.(© R. Heilmann)

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Klinische Symptome

Hunde mit einem Hypoadrenokortizismus, besonders in atypischer Form, zeigen in der Regel unspezifische klinische Symptome wie Schwäche, Leistungsintoleranz, Inappetenz, Gewichtsverlust bzw. mäßige Körperkondition (niedriger Body Condition Score), Vomitus und Diarrhoe (mitunter hämorrhagisch) [1], [2]. Dauer und Schweregrad der klinischen Symptome variieren stark, und sind bei der atypischen Form der Erkrankung aber eher mild ausgeprägt [2], [5]. Eine merkliche Dehydratation, hypovolämischer Schock, Bradykardie bzw. -arrhythmie oder Anfälle sind hingegen Befunde, die bei typischer Form des Hypoadrenokortizismus auffallen.


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Diagnostik

Eine minimale Datenbasis (MDB), bestehend aus hämatologischer, blutchemischer und Harnuntersuchung, gibt meist keine spezifischen Befunde zu erkennen. Allenfalls lässt diese den Verdacht eines Hypoadrenokortizismus zu und dient gleichfalls dem Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen.

Eine aregenerative normozytäre (seltener mikrozytäre), normochrome Anämie stellt einen unspezifischen Befund dar. Dazu fehlen im Blutbild in der Regel Hinweise auf ein zu erwartendes Stressleukogramm (▶ [ Kasten S. 94 ]). Insbesondere eine Eosinophilenzahl von ≥ 570/µl, eine Lymphozytenzahl von ≥ 750/µl sowie ein Neutrophile/Lymphozyten-Quotient (NLQ) von ≤ 2,3 passen zur Verdachtsdiagnose eines Hypoadrenokortizismus [3], [6].

Stressleukogramm: charakteristische Veränderungen
  • Neutrophilie

  • Monozytose

  • Eosinopenie

  • Lymphopenie

Hypoglykämie, Hypalbuminämie, Hypocholesterinämie und erhöhte Leberenzymaktivitäten im Serum können zu finden sein, ebenso eine prärenale Azotämie. Hyperkaliämie und Hyponatriämie – bzw. ein erniedrigter Natrium/Kalium-Quotient – sind charakteristische blutchemische Veränderungen bei der typischen Form des Hypoadrenokortizismus. Resultierend aus dem Aldosteronmangel, fehlen diese in der Regel bei der atypischen Form [5], [7]. Auch eine Hypochloridämie, Hyperphosphatämie und Hyperkalzämie finden sich eher bei der typischen Form [1], [2]. Da der Übergang von atypischer Form in typische Form möglich ist, sollten die Elektrolyte bei Patienten mit atypischem Hypoadrenokortizismus regelmäßig kontrolliert werden.

Ein spezifisches Harngewicht < 1,030 ist ein weiterer Befund bei der typischen Form und steht im Zusammenhang mit der Hyponatriämie.

Interessanterweise können Hunde mit einem Hypoadrenokortizismus auch eine erhöhte Serum-TSH-Konzentration (und erniedrigte Thyroxinwerte) zeigen, die sich im Zuge der Behandlung des Hypoadrenokortizismus normalisieren [8]. Da Hunde allerdings zeitgleich von einem Hypoadrenokortizismus und einer Hypothyreose betroffen sein können, sollte die Serum-TSH-Konzentration kontrolliert werden.

Endokrinologische Diagnostik

Die Messung des Basalkortisol-Spiegels im Serum eignet sich als Screening-Test. Liegt die Basalkortisolkonzentration bei über 2 µg/dl (55 nmol/l), so ist ein Hypoadrenokortizismus mit 99 – 100%iger Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen [9]. Bei einem Basalkortisol-Wert von < 2 µg/dl (< 55 nmol/l) lässt sich die Diagnose durch einen ACTH-Stimulationstest sichern, wenn die Kortisolkonzentration sowohl vor als auch nach der ACTH-Gabe bei < 2 µg/dl (< 55 nmol/l) liegt (▶ [ Kasten rechts ]). In den meisten Fällen misst die Kortisolkonzentration bei einem Hypoadrenokortizismus vor und auch nach ACTH-Gabe unter 1 µg/dl (< 27 nmol/l). Unbedingt auszuschließen ist bei einem solchen Ergebnis die Gabe nebennierenrindensuppressiver Medikamente (z. B. Ketokonazol) bzw. von Glukokortikoiden (einschließlich topisch applizierten, z. B. ophthalmologische Präparate).

Die Messung der endogenen ACTH-Konzentration kann ebenfalls zur Abklärung eines Hypoadrenokortizismus herangezogen werden, insbesondere bei Knappheit an synthetischem ACTH, wobei unbedingt die präanalytischen Anforderungen zu beachten sind. Eine endogene ACTH-Konzentration über dem Referenzintervall (> 50 pmol/l) spricht für einen primären Hypoadrenokortizismus, bei seltenen Fällen der sekundären bzw. tertiären Form ist sie dagegen erniedrigt [3].

Die Plasma-Aldosteronkonzentration, bestimmt vor und nach der Gabe von synthetischem ACTH, kann bei Hunden mit atypischem Hypoadrenokortizismus zur Unterscheidung einer ausschließlichen Glukokortikoid-Defizienz und einer kombinierten Glukokortikoid- und Mineralokortikoid-Defizienz ohne Elektrolytveränderungen herangezogen werden. Letztere Fälle bedingen regelmäßige Elektrolytkontrollen bzw. kann die Gabe eines Mineralokortikoids in Erwägung gezogen werden. Ein Aldosteronmangel lässt sich noch verlässlicher durch ein vermindertes Plasma-Aldosteron : Renin-Verhältnis aufspüren [10]. Allerdings ist die Messung der Renin-Aktivität im Plasma derzeit nicht routinemäßig verfügbar.


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Bildgebende Diagnostik

Die Röntgenuntersuchung von Thorax und Abdomen ist bei Hunden mit einem Hypoadrenokortizismus in der Regel unergiebig, spielt aber eine wichtige Rolle bei der Abklärung anderer Differenzialdiagnosen. Megaösophagus ist ein eher seltener Befund bei Hunden mit Hypoadrenokortizismus [1].

Auch die Sonografie des Abdomens dient der Abklärung weiterer Differenzialdiagnosen (z. B. gastrointestinale Erkrankungen). Die Sonomorphologie der Nebennieren kann mitunter für einen Hypoadrenokortizismus hinweisend sein (z. B. schmale Nebennieren), häufig sind die Nebennieren in der Sonografie aber unauffällig. Des Weiteren eignet sich die sonografische Untersuchung auch für die Abklärung seltener Ursachen des primären Hypoadrenokortizismus (z. B. Neoplasien, Amyloidose, Infarkte oder Blutungen) [11].

Durchführung eines ACTH-Stimulationstests
  • Entnahme einer Blutprobe zur Bestimmung der Kortisolkonzentration im Serum (vor ACTH-Injektion)

  • Injektion von synthetischem ACTH (Tetracosactid, Synacthen®) in einer Dosierung von 5 µg/kg KG oder 250 µg/Hund i. v. oder i. m.

  • Entnahme einer 2. Blutprobe im Abstand von 1 h (nach ACTH-Injektion) zur Bestimmung der stimulierten Kortisolkonzentration im Serum.

Tab. 1 2 Fälle: Hund mit typischem (JULI) und atypischem (WOTAN) Hypoadrenokortizismus.

Patienten

Mischlingshündin JULI. 6 Jahre alt

Boxer-Rüde WOTAN. 9½ Jahre alt

Vorstellungsgrund

  • akute hochgradige Apathie, Schwäche, Anorexie und Vomitus

  • seit 3 Tagen zunehmende Inappetenz, Gewichtsverlust (ca. 5%)

  • chronischer Vomitus, z. T. Hämatemese, Inappetenz, Diarrhoe

  • Gewichtsverlust (14% über 3 Monate)

  • intermittierende Apathie

Anamnese

  • seit 3 Tagen zunehmende Inappetenz

  • Gewichtsverlust (ca. 5%)

  • bereits seit längerem intermittierendes Zittern

  • regelmäßig geimpft & entwurmt

  • keine Auslandsanamnese

  • ca. 7 Monate vor Vorstellung bereits Gewichtsabnahme (6%), akute Schwächeepisode nach Spaziergang (EKG unauffällig), kurzzeitige Gabe von Prednisolon (Dosierung: 0,3 mg/kg SID) mit klinischer Besserung und Körpergewichtszunahme verbunden

  • 4 Monate und 5 Monate später jeweils 2 synkopale Anfälle

  • vorberichtlich Spondylosen im Bereich der Lumbalwirbelsäule

  • regelmäßig geimpft & entwurmt

  • keine Auslandsanamnese

Klinische Untersuchung

  • Körpergewicht: 8,7 kg, BCS: 4.5/9, innere Körpertemperatur (rektal): 37,5 °C

  • deutlich gestörtes Allgemeinbefinden, dehydriert

  • Schleimhäute blass, kapilläre Rückfüllungszeit > 2 s

  • Herzfrequenz = Pulsfrequenz = 60/min

  • Atemfrequenz = 24/min

  • Herzauskultation unauffällig, Auskultation Lunge o. b. B.

  • Abdomen palpatorisch weich, nicht dolent

  • periphere Lymphknoten palpatorisch unauffällig, rektale Untersuchung o. b. B.

  • Körpergewicht: 32,8 kg, BCS: 2.5/9, innere Körpertemperatur (rektal): 38,3 °C

  • ruhig und aufmerksam, ungestörtes Allgemeinbefinden

  • Schleimhäute blassrosa, kapilläre Rückfüllungszeit < 2 s

  • Herzfrequenz = Pulsfrequenz = 110/min

  • Atemfrequenz = 24/min

  • Herzauskultation unauffällig, Auskultation Lunge o. b. B.

  • Abdomen palpatorisch weich, nicht dolent, keine Umfangsvermehrung

  • periphere Lymphknoten palpatorisch unauffällig, rektale Untersuchung o. b. B.

Routinediagnostik

Hämatologie:

  • mikrozytäre normochrome aregenerative Anämie (Hkt 33,8%)

  • keine eindeutigen Hinweise auf ein Stressleukogramm

  • Eosinophilenzahl von 1250/µl

  • Lymphozytenzahl von 5750/µl

  • Neutrophile/Lymphozyten-Quotient (NLQ) von 1,31

Blutchemie:

  • Hypalbuminämie (25 g/l; Referenzintervall [RI]: 26 – 40 g/l)

  • Hypocholesterinämie (92 mg/dl; RI: 110 – 320 mg/dl)

  • Hypoglykämie (69 mg/dl; RI: 74 – 143 mg/dl)

  • erhöhte Alanin-Aminotransferase-Aktivität (81 U/l; RI: < 78 U/l)

  • Azotämie:

    • Kreatinin-Erhöhung (254 µmol/l; RI: 35 – 124 µmol/l)

    • BUN-Erhöhung (33,1 mmol/l; RI: 3,3 – 10,4 mmol/l)

    • Hyperphosphatämie (7,7 mg/dl; RI: 2,5 – 6,8 mg/dl)

  • Hyponatriämie (123 mmol/l; RI: 141 – 152 mmol/l)

  • Hyperkaliämie (8,8 mmol/l; RI: 3,8 – 5,0 mmol/l)

  • Natrium/Kalium-Quotient erniedrigt (14; RI > 27)

Hämatologie:

  • keine eindeutigen Hinweise auf ein Stressleukogramm

  • Eosinophilenzahl von 91/µl

  • Lymphozytenzahl von 1610/µl

  • Neutrophile/Lymphozyten-Quotient (NLQ) von 3,66

Blutchemie:

  • Hypalbuminämie (20 g/l; Referenzintervall [RI]: 28 – 43 g/l)

  • niedrig-normales Cholesterin (167 mg/dl; RI: 139 – 398 mg/dl)

  • niedrig-normale Blutglukose (68 mg/dl; RI: 57 – 126 mg/dl)

  • erhöhte Alanin-Aminotransferase-Aktivität (417 U/l; RI: < 122 U/l)

  • isolierte BUN-Erhöhung (30 mg/dl; RI: 9 – 29 mg/dl)

  • Normonatriämie (150 mmol/l; RI: 142 – 153 mmol/l)

  • Normokaliämie (4,1 mmol/l; RI: 3,9 – 5,8 mmol/l)

  • Natrium/Kalium-Quotient in der Norm (37; RI > 27)

Harnuntersuchung:

  • mäßig-konzentrierter Harn (spezifisches Harngewicht: 1,023)

Spezielle Diagnostik

Sonografische Untersuchung Abdomen:

  • Nebennieren beidseits deutlich verkleinert (< 0,3 cm)

positiver Befund im ACTH-Stimulationstest:

  • Basalkortisol < 0,1 μg/dl (RI: > 2 μg/dl)

  • stimulierter Kortisolwert < 0,1 μg/dl (RI: > 6 µg/dl)

Gastrointestinales Such-Profil:

  • niedriges Serum-Basalkortisol (0,2 μg/dl; RI: > 2 μg/dl)

  • Hypercobalaminämie (1837 ng/l; RI: 235 – 812 ng/l)

  • spezifische Pankreaslipase normal (142 μg/l; RI: < 200 μg/l)

Schilddrüsen-Profil:

  • erniedrigtes Gesamt-T4 (0,8 μg/dL; RI: 1,0 – 4,0 μg/dl)

  • erniedrigtes freies T4 (< 0,3 ng/dl; RI: 0,6 – 3,7 ng/dl)

Sonografische Untersuchung Abdomen:

  • Nebennieren unzureichend beurteilbar

  • Hinweise auf chronische Pankreatitis

  • Hinweise auf benigne Prostatahyperplasie

positiver Befund im ACTH-Stimulationstest:

  • Basalkortisol 0,2 μg/dl (RI: > µg/dl)

  • stimulierter Kortisolwert 0,2 μg/dl (RI: > 6 µg/dl)

  • Basalaldosteron < 20 pmol/l (RI: 0 – 393 pmol/l)

  • stimulierter Aldosteronwert < 20 pmol/l (RI: 82 – 859 pmol/l)

Diagnose

Hypoadrenokortizismus, typisch (Glukokortikoid- und Mineralokortikoiddefizienz, mit Elektrolytverschiebungen), Vorstellung in Addison-Krise

Hypoadrenokortizismus, atypisch (Glukokortikoid- und Mineralokortikoiddefizienz, ohne Elektrolytverschiebungen)

Therapie

Notfalltherapie

  • Infusionstherapie (Vollelektrolytlösung mit Glukose)

  • Antiemese, Gastroprotektion

  • Dexamethason einmalig in hoher Dosierung (0,1 mg/kg), danach Prednisolon 0,5 mg/kg p. o. für 5d

  • DOCP (Zycortal®) 2,2 mg/kg s. c.

Erhaltungstherapie:

  • Prednisolon 0,15 mg/kg p. o. SID

  • DOCP (Zycortal®) s. c. alle 28d

  • Prednisolon 7,5 mg p. o. SID (0,23 mg/kg) für 7d, danach:

  • Prednisolon 5,0 mg p. o. SID (0,15 mg/kg) für 5 Monate

  • dann Dosisreduktion auf 3,7 mg p. o. SID (0,09 mg/kg)

Verlauf

  • deutliche und schnelle Besserung der klinischen Symptome infolge der Notfalltherapie, danach langsame Umstellung auf Dauertherapieplan

  • regelmäßige Kontrolle des Allgemeinbefindens, Körpergewichts sowie der Elektrolyte im Blut

  • deutliche und schnelle Besserung der klinischen Symptome nach Beginn der Prednisolon-Gabe

  • keine Anfälle oder Schwächeepisoden mehr

  • kein Vomitus, keine Diarrhoe, Gewichtszunahme (von 32,5 kg, BCS 2.5/9 auf 45,5 kg, BCS 6/9; entspricht 29%) ([Abb. 2])

  • regelmäßige Kontrolle des Allgemeinbefindens, Körpergewichts sowie der Elektrolyte im Blut

Bemerkungen

Das Vorliegen einer Schocksymptomatik mit Bradykardie (infolge Hyperkaliämie) ist charakteristisch für eine Addison-Krise.

Die vorhandenen Elektrolytverschiebungen sprachen in diesem Fall für die typische Form des Hypoadrenokortizismus und machten sowohl die Bestimmung des Aldosterons als auch der endogenen ACTH-Konzentration überflüssig.

Die Therapie der Addison-Krise gestaltet sich zeitgleich mit der diagnostischen Abklärung. Noch während das Ergebnis des ACTH-Stimulationstests ausstand, begann die Therapie für die Verdachtsdiagnose Morbus Addison (typische Form).

Die Bestimmung der endogenen ACTH-Konzentration hätte ebenfalls für die Unterscheidung eines atypischen primären und eines sekundären Hypoadrenokortizismus herangezogen werden können, da insbes. bei der atypischen primären Form regelmäßige Elektrolytkontrollen erfolgen sollten, um zu entscheiden, ob neben der Glukokortikoid- auch eine Mineralokortikoidsubstitution indiziert ist.

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Abb. 2 9½-jähriger Boxer-Rüde mit atypischem Hypoadrenokortizismus. Bild des Patienten (a) zum Zeitpunkt der Diagnose (BCS 2.5/9) und (b) 5 Monate später nach Beginn der Prednisolontherapie mit einer deutlichen Gewichtssteigerung um 29% (BCS 6/9).

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Therapie

Im Gegensatz zur typischen Form des Hypoadrenokortizismus, bei welchem Patienten in der Notfallsituation einer akuten Addison-Krise vorgestellt werden können, sind Hunde mit einem atypischen Hypoadrenokortizismus in der Regel klinisch stabil.

Bestehen Hinweise auf eine Dehydratation, sollte jedoch eine dem Patientenzustand angemessene Flüssigkeitstherapie (z. B. mit einer kristalloiden Vollelektrolytlösung wie Ringer-Acetat- oder Ringer-Laktatlösung) erfolgen. Zum Ausgleich einer etwaigen Hypoglykämie wird dem Patienten zusätzlich intravenös Glukose (z. B. Dauertropfinfusion einer mit 2,5% oder 5% Glukose angereicherten Vollelektrolytlösung) verabreicht und die Blutglukosekonzentration kontrolliert. Je nach Gesamtzustand des Patienten ist gegebenenfalls eine antiemetische und gastroprotektive Therapie in Erwägung zu ziehen.

Glukokortikoidsubstitution

Nach der Durchführung des ACTH-Stimulationstests bzw. Vorliegen der entsprechenden Resultate sollte die Glukokortikoidsubstitution begonnen werden, wobei diese lebenslang notwendig ist! Dabei ist Prednisolon das Präparat der Wahl beim Hund, während schneller wirksame Glukokortikoide (z. B. Dexamethason, Hydrocortison) eher in der Therapie einer Addison-Krise eingesetzt werden. Begonnen wird die Therapie mit Prednisolon über einige Tage in etwas höherer Dosierung (0,3 – 0,5 mg/kg p. o. SID–BID), gefolgt von einer graduellen Reduktion hin zur physiologischen Prednisolondosis (0,05 – 0,2 mg/kg p. o. SID) [1], [2]. Diese niedrigst-wirksame Prednisolondosis wird für die Langzeittherapie fortgeführt (Erhaltungstherapie) und bei zu erwartenden Stresssituationen (z. B. elektiver Eingriff) kurzzeitig erhöht (um 100 – 300%) [1], [2].


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Mineralokortikoidsubstitution

Während die Diagnose eines typischen Hypoadrenokortizismus mit Elektrolytverschiebungen (Hyponatriämie, Hyperkaliämie) in jedem Fall eine Mineralokortikoidsubstitution mit regelmäßiger Kontrolle der Elektrolyte erfordert, ist die Mineralokortikoid-Gabe beim atypischen Hypoadrenokortizismus abhängig vom endogenen Mineralokortikoidstatus zu entscheiden.

Hunde mit einem atypischen Hypoadrenokortizismus ohne Elektrolytverschiebungen und mit normalem Plasma-Aldosteronspiegel sollten zunächst nur eine Glukokortikoidsubstitution erhalten, die Elektrolyte aber regelmäßig kontrolliert werden. Bei Hunden mit einem atypischen Hypoadrenokortizismus ohne Elektrolytveränderungen jedoch einer nachgewiesenen Mineralokortikoid-Defizienz (niedriger Plasma-Aldosteronspiegel) sollte entweder eine Mineralokortikoidsubstitution (Desoxycortonpivalat, DOCP: Zycortal®, Anfangsdosis 1,5 – 2,2 mg/kg s. c. alle 25 – 28 Tage [12]; Percorten®-V, Anfangsdosis 2,2 mg/kg i. m. alle 25 – 28 Tage) erwogen oder die Elektrolyte engmaschig kontrolliert werden (anfangs alle 2 – 4 Wochen, später ggf. mit etwas längerem Abstand) [1], [2].


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Therapiekontrolle und Prognose

Glukokortikoid-Nebenwirkungen (Polyphagie, Polydipsie/Polyurie, Körpergewichtszunahme, Hecheln, Haut- und Fellveränderungen) können mitunter bereits bei sehr niedriger Dosierung auftreten und eine Dosisreduktion (um ca. 10 – 15%) erfordern. Im Gegensatz dazu sollten Hinweise auf eine ungenügende Glukokortikoidsubstitution (Apathie, Schwäche, Hypo- oder Anorexie, Vomitus, Diarrhoe) Anlass zu einer Dosiserhöhung (um ca. 50%) sein.

Erfolgt eine Mineralokortikoidsubstitution, sind in der Therapiekontrolle (anfangs alle 2 – 4 Wochen, später alle 1 – 3 bzw. bei guter Einstellung alle 3 – 6 Monate) weiterhin die Elektrolytkonzentrationen (Natrium, Kalium) und der systemische Blutdruck relevant. Findet sich 10 – 14 Tage nach der DOCP-Gabe eine Hypokaliämie bzw. eine Hypernatriämie, sollte die nächste DOCP-Dosis um 10 – 20% reduziert werden. Bestehen diese Elektrolytverschiebungen noch zum Zeitpunkt der nächsten DOCP-Injektion, ist diese zunächst auszusetzen und die Elektrolyte 5 – 7 Tage später zu kontrollieren, um neben einer Dosisreduktion (um 10 – 20%) auch über ein längeres Dosierungsintervall zu entscheiden. Die Entwicklung einer systemischen Hypertension (d. h. systolischer Blutdruck > 140 mmHg) bedingt ebenso – je nach Ausmaß – eine DOCP-Dosisreduktion oder Beendigung der Mineralokortikoidsubstitution. Polyurie/Polydipsie, meist als Prednisolon-Nebenwirkung interpretiert, können auch klinische Symptome einer DOCP-Überdosierung darstellen.

Bei adäquater Therapie (d. h. Glukokortikoid- und ggf. Mineralokortikoidsubstitution) und regelmäßiger Kontrolle ist der primäre Hypoadrenokortizismus in der Regel mit einer sehr guten Langzeitprognose verbunden, indem betroffene Hunde bei guter Lebensqualität eine normale Lebenserwartung haben [1], [2].


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Fazit

Hunde mit einem typischen Hypoadrenokortizismus sind klinisch und labordiagnostisch in der Regel offensichtlich, während die diagnostische Abklärung von Patienten mit atypischem Hypoadrenokortizismus „internistische Detektivarbeit“ verlangt und Tierärzte sich dafür erst sensibilisieren müssen. Doch die gute Nachricht ist: Beide Formen des Hypoadrenokortizismus sind bei guter Besitzercompliance mit einer sehr guten Langzeitprognose verbunden!


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  • Literatur

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Prof. Dr. Romy M. Heilmann
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An den Tierkliniken 23
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Abb. 1 Klassifizierung des Hypoadrenokortizismus beim Hund. Nicht aufgezeigt ist die iatrogene Form durch zu schnelles Absetzen exogener Glukokortikoide nach Langzeitgabe bzw. Gabe in hoher Dosis.(© R. Heilmann)
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Abb. 2 9½-jähriger Boxer-Rüde mit atypischem Hypoadrenokortizismus. Bild des Patienten (a) zum Zeitpunkt der Diagnose (BCS 2.5/9) und (b) 5 Monate später nach Beginn der Prednisolontherapie mit einer deutlichen Gewichtssteigerung um 29% (BCS 6/9).