pferde spiegel 2019; 22(03): 144-145
DOI: 10.1055/a-0926-4445
Unternehmer Tierarzt
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eine wichtige Frage: Wo bin ich in 5, 10 und 20 Jahren?

Kai Kreling
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Korrespondenzadresse

Dr. Kai Kreling
Tierklinik Binger Wald
Zum Bergwerk 1
55425 Waldalgesheim

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. September 2019 (online)

 

Die aktuellen Probleme in der Pferdepraxis werden rasant größer. Neue Arbeits- und Praxismodelle sind notwendig, um unseren Beruf für die nächsten Generationen wieder attraktiver zu machen.


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Arbeitskräftemangel, Notdienstbesetzung und gleichzeitige Auslastung und Effektivität sind wichtige Fragestellungen, die es in Zukunft zu beantworten gilt. Viele Klinikbetreiber geben ihre Klinikzulassung zurück und lösen damit vermeintlich das Notdienstproblem. Im Grunde aber nur eine unbefriedigende und eher symptomatische Lösung. Eine „Kausaltherapie“ für unsere Pferdemedizinbetriebe muss das vollständige Überdenken unserer Strukturen sein.

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(© Coloures-Pic – stock.adobe.com)

Tierärztliche Belange vor Verwaltung und Organisation

Im Zuge von sehr wenigen verfügbaren Tierärzten auf dem Markt darf die Verwaltung nicht durch Tierärzte ausgeführt werden. Nicht allein der Mangel an Tierärzten, sondern auch die fehlende Qualifikation für derartige Tätigkeiten schließt dieses herkömmliche System, der Tierarzt macht alles, nachvollziehbar aus. In Zeiten einer anspruchsvollen Tiermedizin und steigender Anforderungen an den Dienstleister „Pferdepraktiker“ muss sich eine Professionalisierung einstellen. Wichtigste Maßnahme bei dieser Strukturverbesserung ist die Rekrutierung, gezielte Auslastung, Fort- und Weiterbildung und damit auch entsprechende Entlohnung von Tierärzten. Die Attraktivität des Arbeitsplatzes „Pferdetierarzt“ hängt unmittelbar an diesen Faktoren.

Merke

„In vernünftiger Zeit gutes Geld zu verdienen“ ist die Zusammenfassung dieser Maßnahme.

Dies funktioniert nur, wenn in der verfügbaren Arbeitszeit auch hocheffizient gearbeitet wird. Hohe Qualifikation und gutes Zeitmanagement müssen dies sicherstellen. Arbeiten, die von Nicht-Tierärzten geleistet werden können, dürfen konsequent dann auch von Tierärzten nicht bearbeitet werden. Dazu gehören z. B. Zeitplanung, Einkauf, Fakturierung, Marketing, KFZ-Verwaltung und TFA-Verantwortung. Wird dies konsequent gelebt, wird unsere Sparte der Tiermedizin auch wieder attraktiver für junge Tierärzte. Jeder leistet das, was er über viele Jahre gelernt hat und auch professionell bedienen kann.


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Wie löst das beispielsweise das Notdienstproblem?

Nehmen wir einmal an, dass die Professionalisierung der Pferdemedizin sich aus eigener Initiative und durch den Druck der Situation in den nächsten Jahren verbessert, dann wird es auch wieder tierärztliche Mitarbeiter geben. Schon heute gibt es viele junge Absolventen, die gerne in der Pferdemedizin arbeiten möchten. Sie werden durch Arbeitsbedingungen, schlechtes Image der Pferdepraktiker hinsichtlich Arbeitszeiten und niedriger Verdienstmöglichkeiten abgeschreckt. Hier muss umgedacht werden.

Ziel muss es sein, dass der „Pferdetierarzt“ hochqualifiziert und effektiv arbeitet, seine Arbeit im Umfeld einer organisierten Struktur – hinsichtlich Arbeitszeiten geplant, gezielt erbringt – und dafür auch noch gut bezahlt wird. Dies wird nur in größeren Einheiten oder Verbünden möglich sein. Nur hier sind Arbeitszeitmodelle, Spezialisierung und Fort- und Weiterbildung überhaupt zu leisten. Der Einzelpraktiker oder Kleinbetrieb mit 1 – 2 Tierärzten wird dies in Zukunft nicht bieten können. In größeren Einheiten ist eine Konzentration auf kleine „Spezialgebiete“ überhaupt erst möglich. Die Entwicklung der angelsächsischen Länder zeigt diesen Trend schon seit vielen Jahren. Hier ist die Effektivität hoch, die Spezialisierung schon praktiziert und sind die Verdienst- und Freizeitmöglichkeiten deutlich über dem Niveau in Deutschland.


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Wie ist der Weg dahin?

Es ist unrealistisch, dass sich alle Einzelpraktiker zu Tierärztezentren zusammenschließen. Aber es gibt dazu auch Alternativmodelle. Interessensverbünde auf der Ebene einer gemeinsamen Notdienstorganisation sind der Anfang. Gemeinschaftliche Nutzung von teuren, im Einzelbetrieb nicht ausgelasteten Investitionsgütern ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur leistungsfähigen Pferdepraxis. Timesharing von tierärztlichen Mitarbeitern/Spezialisten funktioniert da, wo klare Absprachen bestehen und Zeitplanung existiert: Wann haben wir Kapazitäten, wann können wir welchen Termin vergeben, welche Geräte werden dazu benötigt und sind verfügbar? Solche Beispielfragen ziehen sich durch alle Bereiche, in denen man Synergieeffekte nutzen möchte.

Gemeinschaftliches Arbeiten und Nutzen von Ressourcen – Arbeitskräften oder Investitionsgütern – funktioniert nur so. Wenn man diesen Gedanken weiterspinnt, könnte in der Verwaltung ein gemeinsamer Organisator oder Betriebswirt für die Verwaltungstätigkeiten als Praxismanager auch für mehrere Praxen tätig sein. Ein Modell, das für den Einzelpraktiker eine finanzierbare und leistungsfähige Alternative zu einem Zusammenschluss wäre.


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Nicht nur eine Frage der sachlichen Argumente!

Mit dem Nachbarkollegen, in welcher Form auch immer, zusammenzuarbeiten, erfordert auch eine wichtige menschliche Komponente. Konkurrenzdenken hemmt seit Generationen gemeinsame Aktivitäten. In diesen Zeiten sollten wir auf sachlicher Ebene die Notwendigkeiten, die sich aus der aktuellen Marktsituation ergeben, analysieren und im eigenen Interesse mögliche Zusammenarbeiten entwickeln. Diejenigen, die das strukturiert angehen und umsetzen, haben in Zukunft eine Antwort auf die Anforderungen, die sich uns Pferdetierärzte in steigendem Maße stellen. Der zukünftige Bedarf ist nur zu einem kleinen Teil medizinisch – zu einem großen Teil sind es betriebswirtschaftliche und organisatorische Fragestellungen, die über den Erfolg einer Pferdepraxis entscheiden werden.

Wir Tierärzte müssen in unserer Praxisführung innovativer und zielorientierter werden. Die Frage „wo stehe ich in 5/10/20 Jahren?“, sollte sich jeder stellen und auch beantworten. Und das möglichst frühzeitig. Die Frage der Zukunftsplanung zu beantworten ist nicht leicht – die Umsetzung der Ziele noch schwieriger. Gerade hier sollten wir über die Einbindung von Praxismanagern oder Betriebswirten zur Strukturoptimierung nachdenken. Das kostet Geld – rechnet sich aber über die Zeit, wenn es gut organisiert und stringent durchgezogen wird. Das Einsteigen in diese Problematik wird mit fortschreitender Zeit immer schwieriger!

Pferdemedizin macht Spaß – aber nur, wenn sie auch langfristig gut funktioniert!


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Dr. Kai Kreling
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