Schlüsselwörter
präklinische Versorgung - Schädel-Hirn-Trauma - Management SHT - Leitlinien SHT
Abkürzungen
ABCDE:
Airway – Breathing – Circulation – Disability – Exposure/Examination
ATLS®
:
Advanced Trauma Life Support
AWMF:
Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellschaften
BBB:
Blood-Brain Barrier (Blut-Hirn-Schranke)
BDMV:
Brain-Derived cellular Microvesicle
cCT:
kranielle Computertomografie (Schädel-CT)
etCO2
:
endtidales Kohlendioxid
FFP:
Fresh frozen Plasma
GCS:
Glasgow Coma Scale
Hb:
Hämoglobin
HWK:
Halswirbelkörper
HWS:
Halswirbelsäule
ICB:
intrakranielle Blutung
ICP:
Intracranial Pressure (intrakranieller Druck)
IPPV:
Intermittent positive Pressure Ventilation (Beatmung mit intermittierend positivem
Druck)
MAD:
arterieller Mitteldruck
NOAK:
nicht Vitamin-K-antagonistisches orales Antikoagulans
PHTLS®
:
Prehospital Trauma Life Support
RCT:
Randomized controlled Trial
RR:
Blutdruck
RSI:
Rapid-Sequence Induction
SAB:
Subarachnoidalblutung
SHT:
Schädel-Hirn-Trauma
SpO2
:
pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung
TF:
Tissue Factor
tPA:
Tissue-Type Plasminogen Activator (gewebespezifischer Plasminogenaktivator)
TZ:
Traumazentrum
uPA:
urokinasespezifischer Plasminogenaktivator
ÜTZ:
Überregionales Traumazentrum
Fallbeispiel 1
Ein 68-jähriger Patient wird von einer Straßenbahn erfasst. Zu sehen ist eine subtotale
Skalpierungsverletzung ([Abb. 1]). Diese Verletzungen können potenziell mit einer Hb-relevanten Blutung einhergehen.
Abb. 1 Skalpierungsverletzung eines Patienten nach Überrolltrauma durch eine Straßenbahn.
Einleitung
Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist die Folge einer Gewalt- bzw. Krafteinwirkung auf
den Schädelknochen und das darunterliegende Gewebe. Dabei kann es zu Verletzungen
des Schädelknochens, der Hirnhäute, der Gefäße wie auch des Gehirngewebes selbst kommen
[1]. Es werden primäre und sekundäre Verletzungsfolgen unterschieden [2]. Bei der Versorgung eines Patienten mit SHT kommt dem präklinischen Management eine
äußerst große Bedeutung zu. Die Implementierung von präklinischen Versorgungs-Leitlinien
konnte die Überlebensrate bei schwerem SHT nahezu verdoppeln [3].
Die aktuellen Therapiekonzepte sollen hier vorgestellt werden. Die klinischen Behandlungsstrategien
variieren trotz bestehenden Leitlinien in verschiedenen europäischen Ländern maßgeblich
voneinander [4].
Merke
Dieser Artikel soll eine Übersicht über aktuelle nationale und internationale Handlungsempfehlungen
zum präklinischen Management des SHT-Patienten geben.
Epidemiologie
Das Schädel-Hirn-Trauma ist die häufigste Todesursache bei Kindern, Jugendlichen [5] und Erwachsenen jünger als 45 Jahre. Die Inzidenz des SHT liegt in Deutschland bei
332/100 000 und ist über die letzten Jahre hinweg stabil (Statistisches Bundesamt,
n. d.). Das Verhältnis von Frauen zu Männern beträgt 1 : 2. Die innerklinische Mortalitätsrate
beträgt 23,5%. Der Altersgipfel liegt dabei jenseits des 60. Lebensjahres [7].
Etwa die Hälfte aller Schädel-Hirn-Traumata zeigen relevante Begleitverletzungen,
wobei festzuhalten bleibt, dass die Mortalitätsrate bei einem isolierten SHT größer
zu sein scheint. Das könnte u. a. daran liegen, dass hier das Durchschnittsalter wesentlich
höher ist als bei den Mehrfachverletzten [8].
Begleitverletzungen
Cave
Zwischen 12 – 22% der SHT-Patienten haben eine begleitende Wirbelsäulenverletzung!
Eine begleitende Wirbelsäulenverletzung liegt in 12 – 22% der Fälle vor [7], [8]. Weitere von Begleitverletzungen betroffene Regionen können die oberen Extremitäten
(23,2%), die Gesichtsregion (18,3%), die unteren Extremitäten (13,5%), das Becken
(10,5%) oder das Abdomen (8,8%) sein [7]. Bei einem polytraumatisierten Patienten muss in bis zu 58% der Fälle mit einer
Schädel-Hirn-Beteiligung gerechnet werden [9].
Stürze und Verkehrsunfälle sind die beiden häufigsten Verletzungsmechanismen [10], wobei eine US-amerikanische Studie den positiven Effekt der Helmpflicht in Form
einer signifikanten Reduktion der schwerem Schädel-Hirn-Traumata durch Motorradunfälle
zeigen konnte [11].
Klassifikationen und Definitionen
Klassifikationen und Definitionen
Glasgow Coma Scale
Es gab in den letzten Jahren immer wieder Versuche, das SHT neu zu klassifizieren,
dabei fanden verschiedenste Begrifflichkeiten und Scores Anwendung. Jedoch hat sich
die etablierte Beurteilung und schließlich auch Einteilung mittels Glasgow Coma Scale
(GCS), ein Maß für den Bewusstseinsstatus, immer wieder durchgesetzt [10], [12], [13]. Beurteilt werden dabei die Augenöffnung, die verbale Antwort sowie die (beste)
motorische Reaktion des Patienten (s. [Tab. 1]).
Tab. 1 Glasgow Coma Scale (GCS).
|
Verhalten
|
Antwort
|
Punkte
|
|
Augen öffnen
|
spontan
|
4
|
|
auf Aufforderung
|
3
|
|
auf Schmerzreiz
|
2
|
|
keine Reaktion
|
1
|
|
verbale Kommunikation
|
konversationsfähig, orientiert
|
5
|
|
konversationsfähig, desorientiert
|
4
|
|
unzusammenhängende Worte
|
3
|
|
unverständliche Laute
|
2
|
|
keine verbale Reaktion
|
1
|
|
motorische Reaktion
|
befolgt Aufforderungen
|
6
|
|
gezielte Schmerzabwehr
|
5
|
|
ungezielte Schmerzabwehr
|
4
|
|
auf Schmerzreiz Beugesynergismen (abnormale Beugung)
|
3
|
|
auf Schmerzreiz Strecksynergismen
|
2
|
|
keine Reaktion auf Schmerzreiz
|
1
|
|
Summe
|
3 – 15
|
|
(Auswertung: s. [Tab. 2])
|
|
Der Schweregrad des SHT ergibt sich dabei aus der GCS:
-
leichtes SHT: GCS 13 – 15,
-
mittelschweres SHT 9 – 12,
-
schweres SHT: < 9 (s. [Tab. 2]).
Tab. 2 Schweregradeinteilung/Klassifikation des Schädel-Hirn-Traumas (SHT) anhand der Glasgow
Coma Scale (GCS).
|
SHT
|
GCS
|
|
leicht (I°)
|
13 – 15
|
|
mittel (II°)
|
9 – 12
|
|
schwer (III°)
|
3 – 08
|
Die Aussagekraft der GCS hinsichtlich des Verlaufs ist jedoch eingeschränkt, da der Wert auch von
anderen Faktoren (z. B. Intoxikation) beeinflusst werden kann [14].
Merke
Der GCS-Wert sollte sequenziell erhoben werden, da der Verlauf einen relevanten prognostischen
Faktor darstellt [15], [16].
Kritisch bleibt diesbezüglich jedoch anzumerken, dass die Beurteilung der Pupillenweite
und der Pupillenreaktion keinen Eingang in die GCS gefunden haben. Daneben ist nicht
klar, in welchen Zeitabständen eine Reevaluierung des GCS-Status erfolgen sollte.
Offenes versus geschlossenes Schädel-Hirn-Trauma
Bei der Beurteilung des SHT wird u. a. zwischen offenem und geschlossenem SHT unterschieden.
Ein offenes SHT ist durch die Eröffnung der Dura mater charakterisiert. Eine Verletzung
der Kopfhaut ist hier nicht maßgebend [2]. Es sollte auf etwaigen Liquoraustritt, ggf. aus Nase und Mund, geachtet werden.
Cave
Eine Verletzung der Kopfhaut ist kein Kriterium für ein offenes SHT!
Primäre versus sekundäre Schädigungen
Merke
Primäre Hirnschädigungen sind therapeutisch nicht zu beeinflussen!
Die primäre Hirnschädigung beschreibt die unmittelbare Verletzungsfolge der externen
Gewalteinwirkung auf den Schädel und das darunterliegende Gewebe. Dieser Schadenstyp
ist durch keine therapeutische Maßnahme zu beeinflussen [2], da er bereits stattgefunden hat, wenn man am Einsatzort eingetroffen ist.
Typische primäre Hirnschädigungen sind [12]:
-
Verletzungen des knöchernen Schädels,
-
Verletzungen der Hirnhäute und intrakraniellen Gefäße mit daraus resultierenden Blutungen
in den Sub- und Epiduralraum, Subarachnoidalraum und intrakranielle Blutungen,
-
Kontusionsverletzung des Gehirns und axonale Scherverletzungen.
Der sekundäre Hirnschaden entsteht Minuten bis Tage nach dem initialen Trauma. Hier spielen die
Hirndurchblutung und der intrakranielle Perfusionsdruck eine entscheidende Rolle:
zerebraler Perfusionsdruck = mittlerer arterieller Druck (MAD) – intrakranieller Druck
(ICP)
Die Folgeschäden entstehen u. a. auf molekularer Ebene und beinhalten eine Vielzahl
von biochemischen Reaktionskaskaden, die in Zelldegradation und Apoptose enden können.
Es resultiert eine Beeinträchtigung der Blut-Hirn-Schranke (Brain-Blood Barrier, BBB)
was wiederum zu einem zunehmenden intrazerebralen Ödem und einer Drucksteigerung führen
kann [17].
Merke
Diese Folgeschäden zu minimieren ist das primäre Therapieziel bei der Behandlung des
Schädel-Hirn-Traumas.
Fallbeispiel 2
Häuslicher Sturz eines 75-jährigen, multipel vorerkrankten Patienten unter Alkoholeinfluss.
Nach Atemwegs- und Kreislaufsicherung erfolgt die Vorstellung über den Schockraum
eines ÜTZ. Hier werden eine traumatische ICB rechts parietookzipital sowie eine begleitende
SAB frontotemporoparietal festgestellt. Daneben zeigt sich eine SAB frontal im Sinne
eines Contrecoup-Herdes links ([Abb. 2]). Knöchern wird eine von den Hinterhauptkondylen (rechts) bis nach frontal ziehende
Kalottenfraktur diagnostiziert. Bei den Verletzungsfolgen handelt es sich um primäre
Schädigungen.
Abb. 2 Initiale cCT-Schnittbildgebung im Schockraum (transversale Schnittbildgebung). Der
rote Kreis zeigt die Fraktur, der rote Stern die ICB und das rote Viereck den Contrecoup-Herd.
SHT-bedingte Koagulopathie
SHT-bedingte Koagulopathie
Gerinnungsstörungen, wie sie bei extrakraniellen Verletzungen auftreten können, entstehen
u. a. durch Blutverlust, Hypothermie, Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und metabolische
Azidose [18]. Jedoch konnte bereits mehrfach gezeigt werden, dass eine Koagulopathie auch bei
isolierten Schädel-Hirn-Traumata ohne Massenblutung auftreten kann [19], [20], [21].
Cave
Oft beginnt die Gerinnungsstörung frühzeitig und bereits im präklinischen Umfeld [22].
Dabei geht man davon aus, dass dieser SHT-bedingten Koagulopathie ein komplexer Pathomechanismus
zugrunde liegt [19]. Dieser ist aktuell noch größtenteils unverstanden. Ein Schlüsselfaktor bei der
Entstehung könnte eine Störung der Blut-Hirn-Schranke (BBB, engl. „blood-brain barrier“)
sein. Dabei entsteht diese Störung durch eine direkte mechanische Verletzung und Steigerungen
der Permeabilität, was die Diffusion von Mikro- (< 1 µm) und Makromolekülen möglich
werden lässt [22].
Chang merkte 2016 an, dass es den Anschein mache, als steige die Komplexität des Pathomechanismus
mit dem wachsenden Verständnis um die Entstehung der Gerinnungsstörung [18]. Multiple Makromoleküle wie der Tissue Factor (TF), Tissue Plasminogen Activator
(tPA), Urokinase Plasminogen Activator (uPA) und Protein C scheinen an der Entstehung
beteiligt zu sein [20], [23], [24]. Auch Mikropartikel wie Phospholipide (sog. „brain-derived cellular microvesicles“;
BDMV) [22] scheinen eine gewisse Rolle in der Pathogenese zu spielen [19]. Der genaue Entstehungsmechanismus ist Gegenstand kontroverser Diskussionen, jedoch
wurde gezeigt, dass auch eine Thrombozytenfehlfunktion zu der Gerinnungsstörung beiträgt.
Eine evidenzbasierte, leitliniengestützte Therapie der SHT-bedingten Koagulopathie
besteht aktuell nicht. Verschiedene Therapieansätze wie Omega-3-Fettsäuren [25], die Substitution von Fibrinogen [21], die Gabe von FFP („fresh frozen plasma“) sowie die Nutzung von rekombinantem Faktor
VII a [26] werden aktuell untersucht und international publiziert. Die Rolle von Tranexamsäure
bei der Behandlung des SHTs wird unten erläutert.
Der „klassische“ Schädel-Hirn-Trauma-Patient zeigte in den letzten Jahren folgende
Tendenzen:
-
immer höheres Alter (> 50 Jahre),
-
mehr relevante Vor- und Begleiterkrankungen,
-
zunehmende Behandlung mit Antikoagulanzien [27], was zu einem signifikanten Mortalitätsanstieg führt [28].
Direkte Vergleiche von Vitamin-K-Antagonisten und sog. NOAK (nicht Vitamin-K-antagonistische
orale Antikoagulanzien) liefern interessante Ergebnisse. Es scheint so, als sei die
Mortalitätsrate unter Vitamin-K-Antagonisten bei Patienten > 60 Jahren höher als unter
NOAKs, obwohl hier die Möglichkeit zur Antagonisierung besteht. [29] Eine weitere Studie konnte in einer Matched-Pair-Analyse zeigen, dass NOAK im Vergleich
mit Vitamin-K-Antagonisten eine signifikant höhere Mortalitätsrate und Blutungsprogression
bei leichten bis mittleren SHT zeigen. Dies gilt jedoch nicht für schwere Schädel-Hirn-Traumata
[30].
Präklinisches Assessment
Das präklinische „Assessment“ des Schädel-Hirn-Trauma-Patienten beschreibt die ersten
Untersuchungsschritte und Befundbeurteilung am Einsatzort. Anhand der hier erhobenen
Befunde können dann weitere fundierte Therapieentscheidungen getroffen werden. Da
gezeigt werden konnte, dass besonders schwere SHT von den eingeführten Leitlinien
profitieren, sollte sich die primäre Beurteilung an diesen orientieren [3].
Symptome
Die Symptome eines SHT können von Benommenheit, Übelkeit und Schwindel bis hin zum
Sehen von Doppelbildern, Verlust des Geruchssinns und Schwerhörigkeit reichen [9]. Anzeichen für eine schwere Funktionsstörung sind Erbrechen, Lähmung, Krämpfe und
vegetative Symptome [1].
Cave
Anzeichen für eine lebensbedrohliche Störung sind die Veränderung der Pupillenmotorik,
Hemiparese, Streck- oder Beugesynergismen sowie eine relevante kardiopulmonale Instabilität
[31].
Fallbeispiel 3
Anamnese
Ein 47-jähriger Patient wird während seiner Tätigkeit auf einer Baustelle von einem
ca. 2 m langem Kantholz am Kopf getroffen, unklare Fallhöhe.
Ersteinschätzung
Beim Eintreffen der Rettungsmittel zeigt sich ein bewusstseinsgetrübter Patient, initialer
GCS13 bei isokorer Pupillenreaktion. Der Patient zeigt kein A-Problem. Es sind beidseits
vesikuläre Atemgeräusche sicher zu auskultieren, dies bei einer Sauerstoffsättigung
von 93% unter Raumluft, es besteht kein B-Problem. Des Weiteren besteht kein C-Problem:
RR 134/95 mmHg bei einer Herzfrequenz von 85/min.
Die Rettungsdienstmitarbeiter immobilisieren den Patienten mit Stiffneck und Vakuummatratze
und verbringen ihn in den Rettungswagen. Umgehend wird ein Notarzt nachgefordert.
Aufgrund der abgelegenen Einsatzstelle wird die Luftrettung parallel alarmiert.
Blutdruck und Sauerstoffsättigung (A, B und C)
Die Sauerstoffsättigung und der Blutdruck sollten zügig erhoben, beurteilt und im
Verlauf kontinuierlich kontrolliert werden. Dies deckt sich mit den Vorgaben der präklinischen
Traumaversorgung nach PHTLS®/ATLS®. Diese Parameter beeinflussen das Patienten-Outcome maßgeblich. Eine italienische
Studie konnte schon 1996 zeigen, dass die Sauerstoffsättigung das Behandlungsergebnis
wie auch die Mortalitätsrate signifikant beeinflusst (p < 0,005) [32] ([Tab. 3]).
Cave
Eine Sättigung < 90% resultiert in einer signifikanten Steigerung der Mortalität!
Das Ziel ist eine ständige Sauerstoffsättigung (SpO2%) von > 90.
Tab. 3 Zusammenhang von Sauerstoffsättigung auf das Behandlungsergebnis und die Mortalitätsrate
(Datenquelle: [32]).
|
Sauerstoffsättigung
|
Mortalität
|
schwere Folgeschäden
|
|
> 90%
|
14% (3/21)
|
5% (1/21)
|
|
60 – 90%
|
27% (6/22)
|
27% (6/22)
|
|
< 60%
|
50% (3/6)
|
50% (3/6)
|
Ähnliches wurde auch für den Blutdruck beschrieben. In einer retrospektiven Analyse
von mehr als 7000 Patienten zeigten Zafar et al., dass ein Blutdruck < 120 mmHg und
> 140 mmHg das Sterberisiko um den Faktor 2,7 erhöht [33]. Dabei gilt auch: je niedriger der Blutdruck bei Einlieferung, desto höher das Sterberisiko
(verdoppelte Sterberate bei < 100 mmHg sowie verdreifachte Sterberate < 90 mmHg und
6-fach erhöhte Sterberate bei < 70 mmHg) [34].
Merke
Der systolische Blutdruck sollte laut deutscher S2e-Leitlinie den Wert von 90 mmHg
zu keinem Zeitpunkt unterschreiten [31].
Als Faustregel kann dabei gelten, dass eine Herzfrequenz größer als der systolische
Blutdruck das Behandlungsergebnis signifikant negativ beeinflusst [35].
Cave
Die Mortalitätsrate steigt nochmals dramatisch an, leidet der Patient sowohl unter
einer Hypotonie als auch einer Hypoxie. Diese fatale Kombination gilt es konsequent
zu vermeiden [36].
Im Rahmen eines SHT kann es zu einer endogenen Katecholaminausschüttung kommen, die
wiederum zu einer Hypertonie führt.
Take Home Message
Eine Empfehlung zur präklinischen Blutdrucksenkung kann aktuell nicht ausgesprochen
werden, auch wenn davon ausgegangen wird, dass ein schädlicher Effekt durch die Hypertonie
besteht [37].
Glasgow Coma Scale (GCS) (D)
Die Glasgow Coma Scale (s. o.) eignet sich zur Einschätzung der Schwere des SHT und
sollte während der präklinischen Versorgung wiederholt kontrolliert werden, da die
Verlaufsbeurteilung entscheidend ist. Dabei sollte der GCS-Wert nach Beurteilung von
Sauerstoffsättigung und Blutdruck sowie etwaiger Etablierung und/oder Sicherstellung
des Atemwegs erhoben werden [34] (s. a. ABC-Schema nach PHTLS®/ATLS®. Diese Untersuchung gilt es im Verlauf kurzfristig zu wiederholen.
Beurteilung der Pupillenreaktion (D)
Bei der Beurteilung der Pupillenreaktion sollte auf eine offensichtliche Verletzung
des Augapfels und der Orbita geachtet werden. Des Weiteren gilt es, die Lichtreaktion,
die Symmetrie sowie die Pupillenweite im Seitenvergleich zu evaluieren [34]. Eine Asymmetrie ist definiert als Pupillendifferenz > 1 mm. Ein pathologischer
Befund kann Hinweis auf eine direkte Augenschädigung, eine intrakranielle Drucksteigerung,
eine Hirnstammverletzung oder eine Läsion des III. Hirnnervs, des N. oculomotorius,
sein [9].
Körperliche Untersuchung (E)
Wie oben bereits erwähnt, liegt in mehr als der Hälfte der Fälle eine Begleitverletzung
vor [7], sodass eine gründliche körperliche Untersuchung (Body-Check) obligat ist. Dabei
sollte besonders auf hämodynamisch relevante Blutungsräume geachtet werden (Thorax,
Abdomen, Becken und Oberschenkel). In bis zu 22% der Fälle ist mit einer Wirbelsäulenverletzung
[7] und ca. in 9% mit einer begleitenden HWS-Verletzung zu rechnen [38], daher sollte eine konsequente „Inline“-Stabilisierung erfolgen.
Therapie präklinisch
Im Rahmen der präklinischen Versorgung des Schädel-Hirn-Traumas kann auf das Standardverfahren
(ABCDE-Schema) nach PHTLS® sowie die S2e-Leitlinie „Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter“ zurückgegriffen
werden [31]. Die Qualität der präklinischen Versorgung trägt maßgeblich zum Behandlungsergebnis
bei [39].
Fallbeispiel 3
Initiale Maßnahmen
Versorgung mit Sauerstoff über eine Maske (12 l) sowie Anlage eines i. v. Zugangs.
Im Rahmen des Body-Checks imponieren eine 14 cm lange, klaffende und mäßig blutende
Riss-Quetsch-Wunde okzipital sowie Schmerzen über der Hals- und mittleren Brustwirbelsäule.
Der Patient bewegt auf Aufforderung alle Extremitäten ohne den Hinweis auf ein sensomotorisches
Defizit, es werden Kopfschmerzen und Schwindel beklagt (D).
Verlauf
Der Schwindel ist progredient, und es setzt stärkste Übelkeit ein, der Patient erbricht
einmalig und bietet danach eine rasche Vigilanzminderung. In den sequenziell erhobenen
GCS-Werten zeigt sich ein Abfall der Werte auf 9, sodass die Indikation zur Atemwegssicherung
besteht.
Weiterführende Maßnahmen
Die Narkoseeinleitung erfolgt mit Fentanyl, Propofol und Rocuronium im Sinne einer
Rapid-Sequence Induction (RSI). Die Intubation gelingt bei einem Cormack Lehane Grad
I problemlos mit einem 8-mm-Tubus, die auskultatorische Lagekontrolle bestätigt die
Sicherung des Atemwegs. Die angeschlossene Kapnometrie zeigt 42 mmHg(etCO2) an.
Bei einem Blutdruck von 97/75 mmHg erfolgt die Gabe von 1 ml Akrinor (Theodrenalin-Cafedrin).
Die Kontrollmessung zeigt keinen adäquaten Blutdruckanstieg, sodass nochmals 1 ml
Akrinor verabreicht und Arterenol 5 mg/50 ml im Perfusor bereitgestellt werden. Unter
einer Laufrate von 4 ml/h gelingt die Aufrechterhaltung eines suffizienten Kreislaufs,
die Narkose wird mit Propofol fortgesetzt.
Die Beatmung wird maschinell im IPPV-Modus durchgeführt. Die Kapnometrie zeigt dabei
Werte von 36 mmHg bei einem SpO2 von 99% und ist unter normofrequenter Ventilation (Atemfrequenz 12) stabil.
Atemweg
Merke
Patienten mit einem GCS-Wert < 9 gilt es zu intubieren. Hierbei ist der Goldstandard
die endotracheale Intubation.
Die Bedeutung der adäquaten Atemwegssicherung durch entsprechendes Fachpersonal wurde
mehrfach festgestellt [40], [41], [42]. Der Einfluss der Sauerstoffsättigung auf die Mortalitätsrate wurde oben bereits
erläutert. Aufgrund der guten Ergebnisse bei der Anwendung der Videolaryngoskopie
zur Sicherung des Atemwegs sollte diese in Betracht gezogen werden [38].
Take Home Message
Bei V. a. auf eine begleitende Wirbelsäulenverletzung sollte die Intubation in „Inline“-Stabilisierung
durchgeführt werden. Die Abnahme der Immobilisierungshilfe ist hier oft notwendig.
Es empfiehlt sich eine Zwei-Helfer-Methode, bei der einer der Helfer den Kopf in der
Körperachse stabilisiert.
Kreislauf
Von großer Bedeutung ist, dass auch Patienten mit einem isolierten SHT ohne weitere
offensichtliche Verletzungsfolgen und ohne Verdacht auf eine kreislaufrelevante Blutung
im Rahmen der Notfallnarkose Zeichen einer Kreislaufinstabilität zeigen können. Dabei
handelt es sich nicht um eine Rarität. Fast die Hälfte der Patienten mit schwerem SHT sind hiervon betroffen
[43]. Das lässt sich auch anhand des gehäuften Vasopressoreneinsatzes bei Patienten mit
SHT zeigen [44].
Take Home Message
Insofern gilt es, die Kreislaufparameter im Rahmen der präklinischen Atemwegssicherung
und Narkoseeinleitung bei Patienten mit schwerem SHT engmaschig zu kontrollieren,
um umgehend etwaige Gegenmaßnahmen treffen zu können.
Narkose
Unter den o. g. Bedingungen ist auch die Wahl der Notfallnarkose bedeutend. Oddo et
al. haben 2016 in Critical Care in einem Review sehr ausführlich und übersichtlich
die verschiedenen Therapieoptionen dargelegt. Dabei empfehlen die Kollegen die Standardnarkose
mit Propofol und Fentanyl bzw. Sufentanil [45]. Zu beachten ist jedoch ein etwaiger Abfall des mittleren arteriellen Drucks (MAD).
Dieser kann bei Propofol größer ausfallen als bei Midazolam (das als Alternative gilt)
[46]. Andere Studien konnten die Überlegenheit von Propofol hinsichtlich der Hirndrucksenkung
und des Behandlungsergebnisses nicht reproduzieren [47]. Initial musste davon ausgegangen werden, dass die andere Alternative, Ketamin in
Form von Ketanest(-S), zu einem Hirndruckanstieg führt. Dies konnte nicht bestätigt
werden, sodass eine etwaige Anwendung überdacht werden kann [48].
Einen ggf. hirndrucksteigenden Effekt können hohen Dosen von Opioiden haben [46].
Die Narkoseeinleitung kann auch mit Barbituraten wie z. B. Thiopental erfolgen. Dies
sollte aber dem Status epilepticus vorbehalten bleiben [49], da die relevanten Nebenwirkungen (hauptsächlich kardiovaskulärer und immunregulatorischer
Natur) überwiegen [45], [50].
Merke
Generell gilt es, Agitiertheit und schmerzhafte Stimuli im Rahmen der Akutversorgung
aufgrund des etwaigen ICP-Anstiegs zu vermeiden [50].
Die Nutzung von Muskelrelaxanzien wird in Studien empfohlen, da auf diese Wese die
Erfolgsrate der Atemwegssicherung steigt. Eine positive Beeinflussung des Behandlungsergebnisses
konnte jedoch nicht nachgewiesen werden [51].
Eine weitere Möglichkeit zur Narkoseinduktion ist Etomidat. Ein Unterschied zu anderen
Narkosemitteln konnte bei der einmaligen Anwendung zur Narkoseeinleitung, was Mortalitäts-
oder Sepsisrate angeht, nicht nachgewiesen werden [52]. Wafasaide et al. haben jedoch 2019 zeigen können, dass Etomidat im präklinischen
Setting (Luftrettung) nahezu nicht mehr (nur in ca. 6% der Fälle) verwendet wird [53]. Hier scheint es so, als hätte Propofol Etomidat den Rang abgelaufen [53].
Eindeutige Medikationsempfehlungen wurden aufgrund der teilweise kontroversen Studienlage
(s. z. B. die Verwendung von Ketamin) nicht in die S2e-Leitlinie aufgenommen [31].
Beatmung
Bei der anschließenden Beatmung ist eine Normokapnie (etCO2 35 – 40 mmHg) anzustreben [54]. Eine präklinische Hyperventilation mit Hypokapnie sollte dem Fall einer zerebralen
Einklemmung vorbehalten bleiben [16], da sie ansonsten mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist [55].
Cave
Bei beatmeten Patienten ist eine Normokapnie anzustreben.
Zeichen einer solchen transtentoriellen Herniation können sein:
-
Bradykardie,
-
Pupillenerweiterung (Mydriasis),
-
Strecksynergismen,
-
Streckreaktion auf Schmerzreiz sowie
-
eine progrediente Bewusstseinstrübung [31].
Immobilisation/Lagerung des Patienten
Das Thema der Immobilisation des Patienten wird besonders mit Hinblick auf die Immobilisation
der HWS kontrovers diskutiert, sodass sich das Nationale Board PHTLS® Deutschland zu einer Stellungnahme gezwungen sah. [56] Das Problem einer HWS-Immobilisation z. B. mittels Stifneck ist ein möglicher Anstieg
des ICP. Dies wurde in zwei aktuellen Studien an gesunden Probanden [57] und an SHT-Patienten bestätigt [58]. Jedoch ist die Studienlage weiterhin nicht eindeutig. Mit dem Wissen um die hohe
Anzahl an begleitenden HWS-Pathologien bei SHT-Patienten bleibt die HWS-Immobilisation
weiterhin eine Abwägungssache und muss individuell entschieden werden.
Das nationale PHTLS®-Board bevorzugt, sofern möglich, die Ganzkörperimmobilisation auf einer Vakuummatratze
anstatt einer isolierten HWS-Ruhigstellung [56]. Hier können zur weiteren HWS-Stabilisierung dann „Head-Blocks“ oder alternative
Lagerungshilfen genutzt werden.
Tipp
Der Vorteil der Immobilisation in der Vakuummatratze ist auch in der Möglichkeit der
30°-Oberkörperhochlagerung zu sehen, wie sie bei schweren SHT empfohlen wird.
Die weitere Entwicklung muss hier beobachtet und ggf. Anpassungen in den Therapiealgorithmen
vorgenommen werden.
Flüssigkeitsmanagement
Auf den Stellenwert der Koagulopathie im Rahmen der Versorgung des SHT-Patienten wurde
bereits ausführlich eingegangen (s. o.). Insofern kommt auch dem präklinischen Flüssigkeitsmanagement
eine große Bedeutung zu. Hinsichtlich der Gabe von hypertonen Lösungen zur Vermeidung
eines zerebralen Ödems und Rekrutierung von Flüssigkeit in den Intravasalraum konnte
kein positiver Effekt nachgewiesen werden [59].
Merke
Oberste Priorität hat die Aufrechterhaltung bzw. die Wiederherstellung eines adäquaten
Kreislaufs.
Eine Studie aus dem Jahr 2000 mit 1300 Teilnehmern konnte sogar einen negativen Effekt
einer Volumentherapie darlegen [60].
Kristalloide versus Kolloide
Aktuell besteht kein wissenschaftlicher Nachweis eines positiven Effekts von hyperosmolarer
oder kolloidaler Infusionslösung im Vergleich mit isotonen kristalloiden Lösungen,
der eine evidenzbasierte Empfehlung zulässt [59], [61]. Das Hauptziel sollte die Aufrechterhaltung des Blutdrucks und der zerebralen Perfusion
sein. Dies sollte über eine Normovolämie mittels isotoner Vollektrolytlösung erreicht
werden [62]. Gelingt dies nicht, sollten Katecholamine zur Kreislaufstabilisierung genutzt werden.
Bei traumatisierten Patienten ohne SHT ist die gesteigerte präklinische Volumengabe
sogar ein unabhängiger Risikofaktor für eine erhöhte Mortalität [63].
Take Home Message
Die Gabe von Mannitol und hyperosmolarer Lösung ist prinzipiell in der Lage, den intrakraniellen
Druck in einem kurzen Zeitfenster von ca. einer Stunde zu senken. Nur bei einem Verdacht
auf eine transtentorielle Herniation kann auf eine Hirndruckmessung vor der Applikation
verzichtet werden [31]. Bei der Gabe von Mannitol sollte auf eine etwaige Hypotension geachtet werden,
da diese negativ beeinflusst werden kann [64].
Tranexamsäure
Die Verbrauchskoagulopathie stellt für den polytraumatisierten Patienten eine ernste
Bedrohung dar. Die Gabe von Gerinnungsfaktoren und das Transfusionsmanagement sind
aktuell noch dem klinischen Setting vorbehalten. Die CRASH2-Studie konnte zeigen,
dass die Gabe von Tranexamsäure innerhalb der ersten 60 Minuten nach Trauma den positivsten
Effekt auf das Patienten-Outcome hat [65]. Aktuell wurde die sog. PATCH-Traumastudie initiiert, die als internationale Multicenterstudie
konzipiert ist und den Nutzen der präklinischen Gabe von Tranexamsäure weiter untersuchen
soll [66].
Take Home Message
Eine etwaige Gabe von Tranexamsäure im Rahmen der Versorgung eines Patienten mit SHT
sollte erwogen werden [31]. Ein positiver Einfluss auf Blutungsprogression und Behandlungsergebnis konnte gezeigt
werden [67].
Katecholamine
An juvenilen Schweinen konnte der positive Effekt von Noradrenalin auf die Autoregulation
des Hirns und die Vermeidung einer Verringerung des zerebralen Blutflusses nachgewiesen
werden [68]. Da die Aufrechterhaltung eines adäquaten Blutdrucks nach Sicherung der Atemwege
oberste Priorität genießen sollte, gilt es frühzeitig eine etwaige Therapie zu initiieren.
Dabei bleibt festzuhalten, dass zwar im Tiermodell ein positiver Effekt von Noradrenalin
auf die Aufrechterhaltung der zerebralen Perfusion gezeigt werden konnte, jedoch klinische
Studien aktuell nicht vorliegen, die verschiedene Vasopressoren vergleichen [69].
Take Home Message
Im präklinischen Setting sollte die mögliche Applikation über ein Perfusorsystem zeitnah
in Erwägung gezogen werden, um repetitive Blutdruckspitzen zu vermeiden.
Hypothermie
Das Temperaturmanagement bleibt Gegenstand kontroverser Diskussionen. Im präklinischen
Setting hat die Hypothermie bei der Versorgung von SHT-Patienten außerhalb einer kontrollierten
Studienumgebung kaum noch einen Stellenwert, da die negativen Nebeneffekte zu überwiegen
scheinen [54], [70]. Jedoch konnten in einem stationären Setting auch hirnprotektive Effekte gezeigt
werden, sodass die milde Hypothermie (ca. 35 °C) sehr wohl Einzug in Behandlungsalgorithmen
gefunden hat. Zur abschließenden Beurteilung sind jedoch methodisch hochwertige RCT
vonnöten [71].
Wundmanagement
Durch die Krafteinwirkung auf den Schädel, die schlussendlich zum SHT führt, kann
es zu Verletzungen der Kopfschwarte bis hin zu Skalpierungsverletzungen kommen (s. a.
Fallbeispiel 1). Eine hämodynamisch relevante Blutung kann auch bei formal geschlossenem
SHT zu einer präklinisch schwierig zu kontrollierenden Situation werden.
Take Home Message
Wunden sollten, sofern möglich, steril verbunden und die Applikation von Hämostyptika
in Erwägung gezogen werden [1]. Gegebenenfalls kann die Anlage eines Druckverbandes sinnvoll sein. Soweit möglich,
sollte ausgetretene Hirnmasse umpolstert werden.
Fremdkörper
Bei penetrierenden Verletzungen sollte der Fremdkörper, sofern möglich, belassen werden
[31].
Zeitmanagement und Transport
Zeitmanagement und Transport
Nach Versorgung und Stabilisierung des Schädel-Hirn-Traumas vor Ort ist der zügige
und möglichst schonende Transport in die richtige Zielklinik entscheidend. Empfohlen
ist die Vorstellung in einem Überregionalen oder Regionalen Traumazentrum, sofern
keine lebensrettenden Sofortmaßnahmen in einem Haus der Grundversorgung durchzuführen
sind [72]. Die Patienten profitieren von einer umgehenden neurochirurgischen Versorgung in
einem Level-I-Traumazentrum [72].
Schädelhirntraumen aller Schweregrade sollten möglichst in einemn ÜTZ versorgt werden.
Merke
Die Prähospitalzeit sollte dabei 60 Minuten nicht überschreiten und der Patient binnen
90 Minuten nach Verletzung in einem geeigneten Traumazentrum vorgestellt werden [73], [74]. Sind die o. g. Zeiten durch lange Einsatzwege nicht zu gewährleisten, ist frühzeitig
an die Möglichkeit der Luftrettung zu denken [75].
Zur Luftrettung sollte eine möglichst frühzeitige Alarmierung erfolgen, da eine Verzögerung
den erwünschten Zeitspareffekt gefährdet [74]. Die Überlebensrate steigt durch einen luftgebundenen Transport in das richtige
Zielkrankenhaus, dies besonders bei SHT-Patienten [76].
Die o. g. präklinischen Versorgungsempfehlungen decken sich auch mit der S3-Leitlinie
zur Polytraumabehandlung (AWMF Register-Nr. 012/019) [77].
Fallbeispiel 3
Einsatztaktik und weitere Versorgung
Die frühzeitige Alarmierung der Luftrettung ermöglicht nun die zeitgerechte Vorstellung
des Patienten in einem Überregionalen Traumazentrum zur weiteren Versorgung. Die Primärdiagnostik
mittels CT erbringt ein Subduralhämatom rechts frontotemporal mit Kompression der
rechten Seitenventrikel und geringer Mittellinienverlagerung sowie eine traumatische
SAB temporal rechts. In der begleitenden Diagnostik werden unter anderem grob dislozierte
A2-Frakturen der Halswirbelkörper (HWK) 3 und 4 sowie frakturierte Wirbelbögen der
HWK 5 und 6 diagnostiziert. Ausschnitte der Bildgebung zeigen [Abb. 3] u. [Abb. 4].
Abb. 3 Initiale cCT-Diagnostik im Schockraum (transversale Schnittbildgebung).
Abb. 4 Postoperative cCT-Verlaufskontrolle (transversale Schnittbildgebung) nach Hemikraniektomie.
Nach Hemikraniektomie rechts imponiert eine regrediente Hirnschwellung rechtshemisphärisch.
Als Beleg dafür zeigt sich eine rückläufige Mittellinienverlagerung, der rechte Seitenventrikel
ist deutlich besser einsehbar, und die rechte Hemisphäre wölbt sich nach Dekompression
über das Kalottenniveau nach außen.
Behandlungsergebnisse
Unabhängige Faktoren für ein gutes Behandlungsergebnis sind
Polytraumatisierte Patienten mit SHT haben dabei ein wesentlich schlechteres Outcome
als solche ohne SHT [78]. Es konnte ebenfalls gezeigt werden, dass die Mortalitätsrate für stationär behandelte
SHT-Patienten für einen Zeitraum von 7 Jahren erhöht bleibt [79].
Zusammenfassung
Das Ziel der Akutversorgung ist primär die Vermeidung sekundärer Hirnschäden. Dabei
hat die Sicherstellung des Atemwegs, die Aufrechterhaltung eines adäquaten Kreislaufs
sowie der Transport in die richtige Zielklinik oberste Priorität. Durch Implementierung
von Leitlinien zur präklinischen Versorgung von SHT-Patienten konnte eine signifikante
Reduktion der Mortalität erzielt werden.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist Dr. med. Paul Hagebusch, Frankfurt am Main.
Kernaussagen
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Das SHT bleibt die häufigste Todesursache bei Erwachsenen unter 45 Jahren.
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Eine konsequente, leitlinienkonforme präklinische Therapie verbessert das Behandlungsergebnis.
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Die Atemwegssicherung und Kreislaufstabilisierung haben am Unfallort höchste Priorität.
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Hämodynamisch relevante Kopfplatzwunden sollten versorgt und die Blutung gestillt
werden.
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Der GCS eignet sich zu Beurteilung des Schweregrades des SHTs und sollte sequenziell
erhoben werden.
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Der Patient profitiert von einem zeitnahen, schnellen Transport in ein geeignetes
Traumazentrum.
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Die Prähospitalzeit von 60 Minuten sollte eingehalten werden.
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Der Luftrettung kommt bei der Versorgung von SHT-Patienten eine entscheidende Rolle
zu.