Schlüsselwörter
Okuläre Tumoren - Bindehautmelanom - Basaliom - konjunktivales Lymphom - Plattenepithelkarzinom
Key words
ocular tumors - basaliom - conjunctival melanoma - conjunctival squamous cell carcinoma
- conjunctival lymphoma
Einleitung
Oberflächliche okuläre Tumore umfassen sowohl benigne als auch maligne Prozesse, die
vor allem die Lider, Konjunktiva und die okulären Adnexe betreffen. Entscheidend für
eine adäquate Therapie sind eine ausführliche Anamnese, Spaltlampenuntersuchung und
eine Fotodokumentation des Befunds. Zusätzliche diagnostische Maßnahmen, wie in-
oder exzisionale Biopsie und Bindehaut-Mapping zur histopathologischen Begutachtung,
sind vor allem bei unklarer Dignität und Tumorausbreitung notwendig. Hierbei ist es
von großer Bedeutung, dass bei Verdacht auf ein malignes Tumorwachstum eine
vollständige Tumorentfernung mit einer möglichst gering traumatischen
Operationstechnik (Non-Touch-Technik) angewendet wird. Im Folgenden werden die
häufigsten malignen oberflächlichen okulären Tumoren und deren typischen klinischen
Charakteristika und aktuellen Therapien dargestellt.
Basalzellkarzinom
Epidemiologie
Das Basalzellkarzinom (BCC) ist der häufigste maligne Tumor der Haut der
periokulären Region und auch gleichzeitig der häufigste maligne Tumor des
Menschen. Die Inzidenz ist steigend auch unter jüngeren Patienten [1]. In Deutschland beträgt die Inzidenz ca. 170
Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner und Jahr [2]. Basalzellkarzinome entstehen nicht auf dem Boden einer
Präkanzerose. Prädilektionsstellen sind chronisch lichtexponierte Hautareale –
periokulär: Nasenrücken, medialer Lidwinkel, Unterlid seltener das Oberlid. Eine
geringe Hautpigmentierung, genetische Disposition und die kumulative
UVB-Belastung der Haut sind die ätiologisch entscheidenden Faktoren. BCC
entstehen auch bei folgenden Erbkrankheiten: nävoides Basalzellkarzinom-Syndrom
(Gorlin-Goltz-Syndrom), Xeroderma pigmentosum und Albinismus. Eine
immunsuppressive Therapie fördert ebenfalls die Entstehung von BCC [3]. Ein multifokales Auftreten von BCC ist
aufgrund der Ätiologie häufig (zeitgleich oder im Laufe von Jahren).
BCCmetastasieren extrem selten.
Pathogenese
Molekularbiologische Studien haben gezeigt, dass auch bei der Entstehung von BCC
Tumorsuppressorgene eine entscheidende Rolle spielen. Die pathologische
Aktivierung des Sonic-Hedgehog-Signalwegs (SHH-Signalweg) stellt in 90 % aller
Fälle den entscheidenden Schritt in der Pathogenese des Basalzellkarzinoms dar.
Unter physiologischen Umständen steht der Transmembranrezeptor Smoothened (SMO)
unter hemmender Kontrolle durch den ebenfalls membranständigen Rezeptor PTCH
(Protein patched homolog) und es kommt nicht zur Aktivierung von
Transkriptionsfaktoren (GLI). Die PTCH-Wirkung ist abhängig von der Bindung des
SHH-Liganden (SHH: Sonic hedgehog). Bei einer pathologischen Aktivierung des
Signalwegs werden die GLI-Zielgene transkribiert und die betroffene Zelle
proliferiert ([
Abb. 1a, b
]). Dieser
Signalweg wird deshalb für neuere zielgerichtete Therapien adressiert [4].
Abb. 1 Mechanismus des Sonic-Hedgehog-Signalwegs (SHH-Signalweg).
a inaktiviert, b aktiviert.
Histopathogenetisch stammen Basalzellkarzinome von den Zellen der
Basalzellschicht und/oder der äußeren Wurzelscheide der Haarfollikel ab [5], [6].
Diagnostik und Staging
Abhängig vom Wachstumsverhalten unterscheidet man folgende klinische Subtypen
([
Abb. 2
]):
-
Noduläres Basaliom: Diese Form findet man am häufigsten am Lid (ca. 75 %
der Fälle). Es handelt sich um einen langsam wachsenden knotigen Tumor
mit zentraler Einziehung nicht selten mit Ulzeration und Krustenbildung.
Eine stärkere Pigmentierung findet man in 10 % der Fälle.
-
Superfizielles BCC: Diese Form tritt am Lid eher selten auf. Das
superfizielle BCC ist die klassische Form des BCC der Rumpfhaut und
nicht immer gut abgrenzbar.
-
Morpheatyp – sklerodermiformer Typ: Diese BCC-Form ist weniger häufig
(5–10 %), aber gefährlich, nicht selten wächst diese Form im Hautniveau
und bleibt länger unbemerkt, da auch Ulzerationen seltener auftreten.
Die histologische Ausdehnung ist meist wesentlich größer als die
klinisch sichtbare.
Abb. 2 a Noduläres Basaliom: klinisch (rechts), Histologie im
Überblick (Mitte) und in der Vergrößerung mit sichtbarer
Palisadenstellung der äußeren Zelllagen. b Morpheatyp –
sklerodermiforme BCC-Form: klinisch (rechts), Histologie im Überblick
(Mitte) und in der Vergrößerung mit schmalen, kleinen basaloiden
Tumorzellverbänden, diffuser Infiltration der Dermis, mit dichtem
fibrösem Stroma, Palisadenstellung fehlt häufig. c Metatypische
BCC: klinisch (rechts), Histologie im Überblick (Mitte) und in der
Vergrößerung mit atypischen Plattenepithelzellverbänden.
Histologisch gibt es auch Übergangsvarianten zum Plattenepithelkarzinom,
sogenannte metatypische BCC mit schlechterer Prognose.
Die wichtigsten klinischen Zeichen der BCC sind: Teleangiektasien, Ulzeration,
Induration, Zerstörung der Lidrandarchitektur mit Zilienverlust und Madarosis,
unregelmäßige Begrenzung und dokumentiertes Wachstum [7].
Die histologische Untersuchung ist der einzige Weg zur definitiven Diagnose.
Abhängig von der Sicherheit der klinischen Diagnose erfolgt bei Unsicherheit
eine kleine gewebeschonende inzisionale Biopsie oder bei typischem Bild gleich
eine exzisionale Biopsie mit Randschnitten.
Der histologische Befund liefert: den histologischen Typ, die histologische
Tiefenausdehnung (maximaler Tumordurchmesser in mm) und die Information über die
Resektionsränder mit Angabe des minimalen Abstands des Tumors vom
Resektionsrand.
Möglicherweise kann in Zukunft die konfokale Mikroskopie zur Planung der
Tumorresektion herangezogen werden, mit der man die Tumorgrenzen genau erkennen
kann. Die Studienlage ist jedoch für die klinische Routineanwendung noch nicht
ausreichend [8].
Bei Verdacht auf das Vorliegen eines Basalzellkarzinoms der Haut sollte die
Erstuntersuchung auch die Inspektion der gesamten Haut umfassen. Bei großen
Tumoren im nasalen Lidwinkel ist eine Bildgebung erforderlich, um das
Tiefenwachstum zu beurteilen.
Therapie und Prognose
Die operative Therapie mit histologischer Kontrolle der vollständigen Resektion
im Gesunden ist die Therapie der ersten Wahl. Entweder erfolgt die OP mit
Randschnittkontrolle oder mit Markierung der Tumorränder, um die Tumorfreiheit
der Resektionsränder genau zuordnen zu können.
Der von der S2-Basalzellkarzinom-Leitlinien-Kommission empfohlene Mindestabstand
(3–5 mm-abhängig vom Typ) an tumorfreien Resektionsrändern wird am Auge in der
Regel unterschritten (2–3 mm) [9].
Dementsprechend verzeichnet die periokuläre Region etwas höhere Rezidivraten (5
bis zu 30 %) [5]. Bei den metatypischen BCC
sollte der Mindestabstand strikt eingehalten werden, denn sie wachsen aggressiv
zerstörerisch (destruktiv) und können in der unmittelbaren Umgebung (lokal)
metastasieren.
Bei aggressiv in die Tiefe wachsenden BCC mit orbitaler Invasion kann sehr selten
auch eine Exenteratio nötig werden.
Wenn eine Operation nicht gewünscht ist, eine inkomplette Resektion erfolgte oder
ein lokales Rezidiv vorhanden ist, ist eine Strahlentherapie des BCC in 84–96 %
der Fälle kurativ [10].
Bei therapierefraktären Basalzellkarzinomen oder solchen, bei denen eine
Strahlentherapie nicht indiziert ist, kann eine Therapie mit einem
Hedgehog-Inhibitor (Sonidegib [Odomzo Capsules, Novartis] oder Vismodegib)
angeboten werden [4]. Dies gilt auch für
Patienten mit Basalzellkarzinom im Rahmen von erblichen Erkrankungen (z. B.:
Gorlin-Goltz-Syndrom) [11], [12].
Es gibt keine Alternative zur histologisch kontrollierten Exzision: Kürettage,
Kryotherapie, Lasertherapie und fotodynamische Therapie sind mit einer größeren
Rezidivrate verbunden.
Patienten mit BCC müssen in den ersten 3 Jahren halbjährlich, danach lebenslang 1
× jährlich kontrolliert werden. Je nach individuellem Risiko für das Auftreten
weiterer Basalzellkarzinome (Immunsuppression, genetische Disposition) sollten
sie sich auch vor übermäßiger Sonnenexposition schützen.
Am Lid muss für die Defektdeckung die äußere (Haut) und die innere Schicht des
Lids (Schleimhaut) ersetzt werden. Weiterhin muss am Oberlid mehr als am
Unterlid auf Stabilität (Knorpel) geachtet werden, das beinhaltet auch den
Anschluss des rekonstruierten Lides an die Lidbändchen. Zur schnelleren
Wundheilung sind gestielte Lappen immer besser als freie Transplantate.
Angeschnittene Tränenwege sollten bei jüngeren Patienten rekonstruiert werden
[13].
Okuläre Lymphome
Epidemiologie
Lymphome sind die häufigsten malignen primären Tumoren der Orbita und okulären
Adnexe [14], [15]. Die Inzidenz liegt bei 0,2 Fällen pro 100 000 Einwohner [16], wobei Frauen eine höhere Prävalenz
aufweisen. Okuläre Lymphome machen nur 1 % aller Non-Hodgkin-Lymphome und 5–15 %
aller extranodalen Lymphome aus [17]. In ca.
85–90 % der extranodalen Lymphome lassen sich Marginalzonenlymphome vom MALT-Typ
(MALT: Mucosa associated lymphoid tissue) diagnostizieren. Diese manifestieren
sich am häufigsten in den Konjunktiven (20–33 %) [18], [19], [20]. Beim klassischen Befall der Konjunktiven
lässt sich meist ein lachsfarbener, leicht erhabener Tumor feststellen ([
Abb. 1
]). Symptomatisch stellen sich die
Patienten meistens wegen der Schwellung, Rötung und Epiphora beim Augenarzt vor,
seltener treten auch Schmerzen, Ptosis, Exophthalmus oder Doppelbilder auf. Eine
B-Symptomatik (ungewollter Gewichtsverlust von mehr als 10 % in 6 Monaten,
Nachtschweiß und Temperatur > 38° C) ist bei solitärem okulärem Befall
selten.
Die Stadieneinteilung erfolgt nach der Ann-Arbor-Klassifikation. Im Stadium I
besteht nur ein lokaler Befall einer Lymphknotenregion oder eines einzelnen
extranodalen Herdes (Stadium IE), dies liegt in mehr als 75 % der Fälle vor.
Stadium II und III umfassen regionale Lymphadenopathien mit Lymphknotenbefall
auf einer Seite des Zwerchfells (Stadium II) oder mit Lymphknotenbefall bzw.
extranodalen Herden auf beiden Seiten des Zwerchfells (Stadium III). Bei einem
disseminierten Befall liegt Stadium IV vor.
Pathogenese
So wie bei vielen anderen Tumorerkrankungen liegt auch dem Lymphom ein
multifaktorielles Geschehen zugrunde, das zum Teil noch unklar ist, sich aber
auf molekularbiologischer Ebene widerspiegelt. So sind, wie bei anderen
Lymphomentitäten, vor allem Gene des NF-κB Pathway verändert, wie BCL10, MALT1,
TNFAIP3, MYD88 und TNIP1. Aber auch in den Genen NOTCH1, NOTCH2 und KMT2D konnte
unsere Arbeitsgruppe Mutationen nachweisen [21].
In der Pathogenese des MALT-Lymphoms spielen infektiöse Erreger als auslösende
Faktoren eine Rolle. Die Entstehung des niedrig malignen MALT-Lymphoms des
Magens ist beispielsweise stark mit dem Bakterium Helicobacter pylori assoziiert
[22]. Beim konjunktivalen MALT-Lymphom ist
eine Assoziation mit dem Bakterium Chlamydia psittaci (CP) bekannt, das in ca.
75 % der Fälle nachgewiesen werden kann [23].
Darüber hinaus werden noch weitere Krankheitserreger, wie Chlamydia trachomatis,
Chlamydia abortus, Chlamydia pneumoniae, Hepatitis-C-Virus, Herpes-simplex-Virus
Typ 1 und 2 und Adenovirus 8 und 19 mit der Entstehung des Lymphoms in
Verbindung gebracht [24], [25], [26].
Diagnostik und Staging
Die Diagnose eines Lymphoms wird mittels inzisionaler Biopsie und anschließender
histopathologischer Beurteilung gesichert. Mittels histologischer Untersuchung
der Oberflächenmarker können die verschiedenen Subtypen des Lymphoms
klassifiziert werden. Diese sind typischerweise immer positiv für CD20, CD79,
PAX5 und BCL2 und je nach Subentität positiv oder negativ für CD3, CD5, CD10,
CD23, Cyclin-D1 und BCL6. Zu den häufigsten Tumorentitäten gehören die
MALT-Lymphome, gefolgt von follikulären Lymphomen, Mantelzelllymphomen,
lymphoplasmozytischen Lymphomen und diffusen großzelligen Lymphomen [27].
Als bildgebende Methode der Wahl sollte eine Kernspintomografie der Orbita zur
genauen Tumorabgrenzung und -ausdehnung erfolgen. Zur weiteren diagnostischen
Abklärung sollte eine Computertomografie von Hals, Thorax und Abdomen, eine
Knochenmarksbiopsie sowie ein großes Blutbild und eine serologische Untersuchung
auf Viren durchgeführt werden. Bei ca. ¼ der Patienten liegt bei Erstvorstellung
eine Lymphomanamnese oder eine Systemmanifestation vor.
Therapie und Prognose
Die Therapie ist zum einen abhängig von der Lymphomentität und dem Tumorstadium,
zum anderen aber auch vom Alter und Allgemeinzustand des Patienten. In wenigen
Ausnahmesituationen ist eine chirurgische Tumorexzision bei gut abgrenzbarem
Tumor kurativ [28]. Bei den meisten epibulbären
Tumoren handelt es sich um ein Stadium I und die Bestrahlung mit 25–30 Gy in
10–15 Fraktionen ist die kurative Therapie der Wahl. Dadurch kann eine komplette
Remission in 85–100 % der Fälle erreicht werden [29]. Die häufigsten Komplikationen nach Bestrahlung sind die
Entwicklung einer Katarakt (50 %) und ein trockenes Auge (35 %) [20].
Vor der Bestrahlung eines okulären Stadium-I-Lymphoms kann eine antibiotische
Therapie mit Doxycyclin (100 mg 2 × täglich für 3 Wochen) zur Eradikation einer
Chlamydia-psittaci-Infektion (CPInfektion) versucht werden. Die publizierten
Ergebnisse einzelner Studien zu dieser Therapie sind aber sehr unterschiedlich
und abhängig von der geografischen Lage. So wurde eine Assoziation zwischen
einer CP-Infektion und einem okulären Lymphom am häufigsten in Deutschland
beobachtet (47 %), gefolgt von USA (35 %) und Niederlande (29 %), relativ selten
war sie in Italien (13 %), England (12 %) und Südchina (11 %) [25]. Eine langsame Lymphomregression unter
Doxycyclintherapie wurde sowohl bei Patienten mit CP-Infektion als auch bei
Patienten ohne CP-Infektion (68 vs. 38 %) beobachtet. Darüber hinaus zeigten
Patienten mit einer 6-wöchigen Antibiotikatherapie bessere Remissionsraten als
Patienten, die nur für 3 Wochen behandelt wurden (54 vs. 33 %). Bei einer
Gesamtansprechrate von bis zu 48 % kann man die kostengünstige Therapie mit
Doxycyclin einer Bestrahlung voranstellen [30].
Der genaue Stellenwert der antibiotischen Eradikationstherapie vor allem
hinsichtlich der Langzeitprognose ist noch nicht geklärt. Weiterführende Studien
mit größeren Patientenkohorten stehen noch aus.
Bei Patienten mit Kontraindikationen für eine Bestrahlung oder Rezidiven am
gleichen Auge oder höheren Krankheitsstadien ist eine Chemotherapie angezeigt:
Rituximab mono oder in Kombination mit Bendamustin. Das Chemotherapeutikum
Rituximab ist ein monoklonaler Antikörper und richtet sich spezifisch gegen
CD20-positive B-Zellen. Eine systemische Therapie über 4 Wochen (375 mg/m² 1 ×
wöchentlich) zeigt nur geringe Nebenwirkungen, allerdings ist die Wirkung von
der Bioverfügbarkeit abhängig und bei größeren okulären Tumoren geringer [31]. Ob eine intraläsionale Injektion von
Rituximab tatsächlich viel effizienter ist, muss noch an größeren Fallserien
gezeigt werden [32], [33], [34]. An
insgesamt 16 Augen wurde eine Lokaltherapie mit Interferon α (IFN-α) evaluiert
und eine lokale Tumoransprechrate von 85 % erreicht [35]. Bei beiden Therapieansätzen wurden bisher jedoch nur kleinere
Patientenkohorten untersucht.
Bei Stadium II-IV stellt die systemische Chemotherapie die Therapie der Wahl dar,
die in enger Kooperation mit den Kollegen der Onkologie erfolgen sollte.
Plattenepithelkarzinom der Bindehaut
Plattenepithelkarzinom der Bindehaut
Epidemiologie
Das Plattenepithelkarzinom bzw. dessen Vorstufen (konjunktivale intraepitheliale
Neoplasien, CIN) gehören mit zu den häufigsten malignen Tumoren der Bindehaut.
Je nach geografischer Lage variiert die Inzidenz stark von 0,02–1,2 Fälle pro
100 000 Einwohner [36], [37]. Ältere Männer sind häufiger betroffen als
Frauen (m:w 1,8 : 1) [38]. Viele Faktoren gehen
mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms
einher: langwellige UV-Strahlungen, starkes Rauchen, heller Hauttyp, Albinismus,
helle Irisfarbe, Infektionskrankheiten wie HIV-Infektion, chronische Hepatitis B
und C, HPV-Infektion, Immunsuppression nach Organtransplantation und
Neurodermitis [39], [40].
Klinisch imponieren Plattenepithelkarzinome häufig als leukoplakieartige,
gelatinöse oder papilliforme Tumoren der Bindehaut ([
Abb. 3
]). Sie können sowohl scharf begrenzt als auch
diffus erscheinen und weisen meist Keratinisierungen und teils auch
charakteristische Gefäßkonvolute auf. Plattenepithelkarzinome sind primär am
häufigsten limbal im Bereich der Lidspalte lokalisiert mit Ausbreitungstendenz
auf die Hornhaut und Bindehaut. Im Bereich der Konjunktiva treten sie häufig im
Bereich des unteren Fornix und am Unterlid auf, selten im Bereich des oberen
Fornix.
Abb. 3 Rekonstruktion des BCC mit Ersatz der vorderen und hinteren
Lamelle jeweils mit gestielten Lappen. a präoperativ, b
postoperativ.
Die histopathologische Einteilung der CIN richtet sich nach der
Infiltrationstiefe der Dysplasie und gleichzeitiger Destruktion des Epithels
(CIN I-III). Bei einem Carcinoma in situ (Cis) ist das gesamte Epithel
dysplastisch verändert, allerdings ist die Basalmembran noch intakt. Erst wenn
die Basalmembran des Epithels durchbrochen wird, spricht man von einem invasiven
Karzinom. Die Stadieneinteilung des Plattenepithelkarzinoms erfolgt nach der
TNM-Klassifikation.
Diagnostik und Staging
Die Unterscheidung zwischen CIN und invasivem Plattenepithelkarzinom ist
makroskopisch nicht möglich. Zur Diagnosesicherung sollte daher bei Verdacht auf
einen malignen Tumorprozess eine exzisionale Tumorentfernung angestrebt werden.
Darüber hinaus sollte bei Vorliegen eines Plattenepithelkarzinoms oder dessen
Vorstufen ein Bindehaut-Mapping vorgenommen werden, um die genaue
Tumorausdehnung abgrenzen zu können.
Die relativ oft verwendete Methode eines Bürstenabstrichs ist für die Diagnostik
eines Plattenepithelkarzinoms unzureichend. Der Abstrich ermöglicht zwar,
dysplastische Zellen zu erkennen, jedoch kann keine Aussage über die
Infiltrationstiefe getroffen werden und somit ist eine Differenzierung zwischen
CIN und invasivem Karzinom mit dieser Methode nicht möglich.
Zum Staging gehört immer ein MRT der Orbita zum Ausschluss einer orbitalen
Tumorausdehnung und ein Schädel-Hals-CT, Röntgenthorax und eine
Oberbauchsonografie zum Ausschluss von Metastasen.
Therapie und Prognose
Die Therapie der Wahl beim Plattenepithelkarzinom ist immer die vollständige
chirurgische Tumorentfernung mit Randschnitten mittels Non-Touch-Technik. Eine
Defektdeckung nach vollständiger Tumorexzision kann, falls erforderlich, mit
Amnionmembran zur Deckung der bulbären Anteile und/oder Mundschleimhaut zur
Deckung der tarsalen Anteile erfolgen [41],
[42].
Das Plattenepithelkarzinom bzw. dessen Vorstufen weisen eine hohe Rezidivrate
zwischen 15–52 % auf [43], [44]. Abhängig vom Stadium der Erkrankung kann
die Rezidivrate nach Tumorexzision variieren mit 17 % beim CIN, 40 % beim Cis
und 30 % beim Plattenepithelkarzinom [37].
Insbesondere nach R1-Resektion, also wenn eine vollständige Tumorexzision nicht
möglich war, erfolgt daher in der Regel eine adjuvante Therapie, beispielsweise
mittels Kryotherapie, Bestrahlung oder Chemotherapie.
Die Kryotherapie der Resektionsränder nach Tumorexzision ist eine weit
verbreitete und etablierte Methode, welche die Rezidivrate auf ca. 5–12 % senkt
[45], [46]. Die Kältebehandlung wirkt zum einen zytotoxisch, zum anderen
verhindert sie die Mikrozirkulation von Tumorzellen durch die Obliteration von
Gefäßen. Nachteilig an der Methode sind die potenziellen Komplikationen wie
Bulbushypotonie, Iritis und Limbusstammzellinsuffizienz bei limbalen Tumoren
[46]. Darüber hinaus lässt sich die Methode
schlecht reproduzieren und das Dosis-Wirkungs-Verhältnis nicht überprüfen.
Unsere adjuvante Therapie der Wahl ist daher die Brachytherapie mittels
Ruthenium 106-Applikator. Diese relativ nebenwirkungsarme Therapie ist jedoch
nur für bulbäre Tumoren geeignet, die eine Größe von 3–4 Uhrzeiten nicht
überschreiten. Generell lässt sich durch die genaue Dosierbarkeit eine gute
Tumorkontrolle und Reproduzierbarkeit der Therapie erreichen. Nicht geeignet ist
die Brachytherapie bei nicht bulbären Tumoren. Bei Tumorinfiltration der
Karunkel oder der Fornices steht die Strahlentherapie mit Protonen zur
Verfügung.
Eine lokale Chemotherapie mit Mitomycin-C-Augentropfen (MMC) ist vor allem bei
CIN indiziert. Die Therapie mit MMC erfolgt in 2 2-wöchigen Zyklen mit 1
2-wöchigen Pause dazwischen. Im 1. Zyklus wird 0,04 % MMC und im 2. Zyklus 0,02
% MMC 5 × täglich appliziert, zusätzlich sollte über die gesamte Therapiedauer
intensiv Tränenersatzmittel getropft werden. Während der Therapie sollten die
Tränenpünktchen mit Punctum Plugs verschlossen werden, um systemische
Nebenwirkungen zu vermeiden. Nachteil der Therapie sind starke lokale
Nebenwirkungen wie Keratokonjunktivitis, Epiphora, Schmerzen, Schwellung und
Keratitis punctata [47], [48]. Seltener können schwerwiegendere
Nebenwirkungen wie Limbusstammzellinsuffizienz, Haze und Kataraktentwicklung
auftreten [49], [50]. Am häufigsten treten allergische Reaktionen (34 %) sowie
Vernarbungen der Tränenpünktchen bei fehlendem Einsetzen von Punctum Plugs (16
%) auf [50]. Bei nicht tolerierbaren
Nebenwirkungen muss eventuell die Therapie unter- oder sogar abgebrochen werden.
Alternativ kann bei Nachweis von den High-Risk-HPV-Serotypen 6, 11 und 16 eine
Therapie mit IFN-α-2b-Augentropfen erfolgen, die Kostenübernahme der
Krankenkasse sollte jedoch vorher geprüft werden.
Malignes Melanom der Bindehaut
Malignes Melanom der Bindehaut
Epidemiologie
Das maligne Bindehautmelanom ([
Abb. 4
])
ist mit einer Inzidenz von 0,02–0,08 pro 100 000 Einwohnern sehr selten [51]. Dennoch sollte bei jeder pigmentierten
Läsion der Bindehaut oder der Lider, die klinische Auffälligkeiten aufweisen,
ein Melanom ausgeschlossen werden, da dieses potenziell lebensbedrohlich sein
kann, vor allem bei inadäquater Therapie. Die Mortalität liegt bei ca. 12–19 %
in 5 Jahren und 30 % in 10 Jahren [52]. Die
lokale Rezidivrate schwankt zwischen 23,5 und 70 % und ist stark abhängig vom
Tumorursprung, Tumorstadium und Art der Therapie [53], [54], [55].
Abb. 4 Maligne Tumoren der Bindehaut. a Lymphom. b
Plattenepithelkarzinom. c Bindehautmelanom.
Dem Bindehautmelanom liegt am häufigsten eine primär erworbene Melanose (PEM)
(57–71 %), gefolgt von De-novo-Entstehung (11–26 %) und Nävus (2–17 %) zugrunde
[53], [56]. Die primär erworbene Melanose mit mittelschweren bis schweren
Atypien (PEM II-III) geht mit einem deutlich erhöhten Entartungsrisiko von ca.
50 % einher [57], [58]. Patienten mit einer De-novo-Tumorentstehung haben jedoch eine
schlechtere Überlebenschance und ein erhöhtes Metastasenrisiko [55].
Die Einteilung des Bindehautmelanoms erfolgt über die aktuelle TNM-Klassifikation
(American Joint Committee on Cancer, 7th Edition). Die Klassifikation bildet die
Tumorlokalisation und das Vorhandensein von Lymphknoten- oder Fernmetastasen ab
und soll sich als Basis einer standardisierten Weiterbehandlung etablieren.
Diagnostik
Die histopathologische Untersuchung des Tumorgewebes ist die einzige
Diagnosemöglichkeit eines Bindehautmelanoms. Bei grenzwertigem Melanomverdacht
werden mittlerweile routinemäßig immunhistologische Färbungen mit S100, Melan A,
HMB45 und ggf. Ki67 als Proliferationsindex durchgeführt. Hierbei dient HMB45
und Ki67 zur Differenzierung zwischen benignen und malignen Tumoren und S100 und
Melan A markieren die Ausdehnung des Tumors [59], [60]. Wichtig für die Therapie
bei metastasierten Bindehautmelanomen ist die genetische Analyse des Tumors.
Hierbei wird vor allem nach Mutationen in den Genen BRAF, NRAS und KIT
gesucht.
Eine Tumorexzision sollte bei jedem suspekten melanozytären Befund erfolgen,
insbesondere wenn sich dieser in Form, Größe, Farbe und Vaskularisation
verändert oder spontan blutet. Eine ausführliche ophthalmologische Untersuchung
beidseitig mit Ektropionieren der Lider und einer Fotodokumentation müssen
grundsätzlich durchgeführt werden. Besteht der Verdacht eines Malignoms ist es
von großer Bedeutung, dass dieses exzisional biopsiert, d. h. vollständig mit
Non-Touch-Technik entfernt, wird, da sonst durch Tumorzellstreuung ein erhöhtes
Rezidiv- und Metastasenrisiko vorliegt. Es ist sinnvoll, Patienten mit einem
Melanomverdacht in ein ophthalmo-onkologisches Zentrum zu überweisen, da die
Erfahrung des Operateurs und das konsequente, fachübergreifende therapeutische
Vorgehen entscheidend für den Behandlungserfolg ist [61]. Vor allem beim Melanom auf dem Boden einer PEM sollte nach
Diagnosebestätigung ein Bindehaut-Mapping erfolgen. Hierbei werden aus allen 4
Quadranten der bulbären Bindehaut sowie aus dem Fornix unten und oben kleinere
Proben entnommen. Wichtig vor der Durchführung eines Mapping ist das
intraoperative Einsetzen von Punctum Plugs, um eine mögliche Tumorstreuung in
die Tränenwege zu vermeiden. Mit dem Mapping lässt sich eine multifokale
Ausbreitung des Melanoms oder eventuelle Vorstufen im Sinne von konjunktivalen
Neoplasien I-III (PEM I-III) diagnostizieren. Das Mapping ist, neben der
eigentlichen Tumorlokalisation, entscheidend für die richtige Wahl der
adjuvanten Therapie.
Ein Staging ist unabdingbar. Hierzu gehören folgende Untersuchungen, die jährlich
wiederholt werden sollten: Schädel-Hals-CT, Röntgenthorax, Abdomensonografie,
Vorstellung beim Dermatologen sowie Hals-Nasen-Ohren-Arzt.
Therapie
Eine alleinige Exzision des Tumors ist nicht ausreichend, da ohne adjuvante
Therapie die Rezidivrate beim Bindehautmelanom mit 60–80 %sehr hoch ist [62], [63],
[64], [65]. Es gibt verschiedene Therapieoptionen, die richtige Wahl der
Therapie ist abhängig vom Tumorstadium, d. h. von der Lokalisation und
Ausdehnung des Tumors. Zu den verschiedenen Therapiemöglichkeiten gehören die
Kryo-, Brachy- oder Protonentherapie sowie lokale Chemotherapie bei PEM.
Bei der Kryotherapie werden die Exzisionsränder der Bindehaut mit flüssigem
Stickstoff vereist, wodurch die Rezidivrate signifikant reduziert wird, sich
jedoch kein wesentlicher Effekt auf die Metastasierung zeigt [59], [63].
Ebenfalls nachteilig ist die schwierige Standardisierbarkeit der Therapie, die
mit einem erhöhten Risiko einer Schädigung der umliegenden Gewebestrukturen
einhergehen kann. Folglich kann es nach erfolgter Kryotherapie zu Komplikationen
wie Uveitis, Katarakt, Ziliarkörperdestruktion mit okulärer Hypotonie oder
Skleromalazie kommen [66], [67].
Die Therapie der Wahl bei einem fokalen bulbär lokalisierten Bindehautmelanom
(T-Stadium 1a/b) ist jedoch die Brachytherapie, die im Vergleich zur
Kryotherapie auch eine geringere Rezidivrate aufweist [62], [68]. Bei
der Brachytherapie werden Ruthenium106-, Strontium90- oder Jod125-Applikatoren
verwendet. Im Gegensatz zur Kryotherapie wird bei der Brachytherapie die
Strahlendosis im Zielvolumen strahlenphysikalisch genau kalkuliert, sodass die
Therapie gut replizierbar ist.
Die Behandlung von multifokalen, sehr großen Tumoren sowie Tumoren, welche die
Fornices, Karunkel oder die Lidkanten betreffen (T-Stadium > 1b), ist
schwierig und bietet eine gewisse Herausforderung. In diesen Fällen stellt die
Protonenbestrahlung eine Alternative zur primären Exenteratio dar [69] ([
Abb.
5
]). In einer bisher noch nicht veröffentlichten Studie der
Augenklinik Essen konnten wir zeigen, dass trotz der deutlich schlechteren
Prognose die Rezidiv- und Metastasenrate durch die Protonentherapie deutlich
reduziert werden können und mit den Daten von brachytherapierten Patienten
vergleichbar sind.
Abb. 5 Schema des Protonenstrahlenfelds. a Limbal/bulbäres
Bindehautmelanom über 2 Quadranten mit Beteiligung des Tarsus oben
(nicht dargestellt). b Dazugehöriges Schema des
Protonenstrahlenfelds, bestehend aus einem größeren Feld, das alle
suspekten Bereich großzügig umfasst, und einem „Boost“-Feld, welches den
Hochrisikobereich des malignen Tumors umfasst.
Im Falle einer Metastasierung können bei vorliegender Mutation die gleichen
Therapien wie beim metastasierten kutanen Melanom angewendet werden. Hierzu
gehören systemische Therapien mit BRAF-Inhibitoren, MAK-Inhibitoren oder neuere
Immuntherapien mit PD-1 oder CTLA-4.
Schlussfolgerung
Bei jedem unklaren Tumorbefund sollte immer auch an einen malignen Prozess gedacht
werden. Eine ausführliche Anamnese, Spaltlampenuntersuchung sowie eine
Fotodokumentation des Befunds sind essenziell. Die Diagnosesicherung kann nur
mittels Biopsie erfolgen, diese sollte bei Verdacht auf Malignität immer exzisional
mittels Non-Touch-Technik durchgeführt werden. Je nach Tumorentität sowie
Tumorstadium variiert die adjuvante Therapie nach erfolgter Exzision. Wichtig für
alle Patienten mit einem Tumor der Augenoberfläche sind, wegen der hohen
Rezidivrate, regelmäßige Kontrollen nach bereits erfolgter Therapie ([
Abb. 6
]), da maligne Tumoren trotz erfolgter
Therapie eine hohe Rezidivrate aufweisen. Die Kontrollintervalle sollten im 1. Jahr
monatlich bis zu alle 3 Monate erfolgen und können dann auch auf vierteljährlich für
1 Jahr und später auf halbjährlich und sogar jährlich erweitert werden.
Abb. 6 Therapieschema der malignen oberflächlichen Augentumoren und
deren Vorstufen (PEM = primär erworbene Melanose; CIN = konjunktivale
intraepitheliale Neoplasie; AMT = Amnionmembrantransplantation; MSH =
Mundschleimhaut).