Als gute Führungskraft sind Sie für Ihre Mitarbeiter der standfeste Leuchtturm, der
Ihnen bei unruhiger See den sicheren Weg in den Hafen zeigt.(© S. Schaaf)
Tierärzte lernen richtig viel! Sie lernen anatomische und physiologische Zusammenhänge,
Krankheitsbilder und deren Behandlungen, eine eigene Sprache und im besten Falle auch
den empathischen Umgang mit Patientenbesitzern und Kollegen. Für viele ist eine eigene
Praxis das Ziel. Sie statten die Praxisräume mit allem Notwendigen aus und geben den
Räumen den Style, der der ganz persönlichen Gründungsenergie, der Vision entspricht.
Das Management wird organisiert, also die internen Abläufe von der Anmeldung bis hin
zur Abrechnung.
Im optimalen Fall haben Sie eine gute Arbeit gemacht, sitzen am richtigen Ort und
der Terminkalender wird voll. Er wird so voll, dass Sie sich überlegen, eine Kollegin,
einen Kollegen einzustellen. Jetzt wird es spannend! Denn trotz fundierter Ausbildung
und aller Richtlinien haben die meisten eine entscheidende Sache nicht gelernt: Führen!
Bloß keine Konflikte
Oft gehen wir an das Führen von Mitarbeitern genauso heran wie an die Gestaltung einer
therapeutischen Beziehung: empathisch, freundlich, Konflikte clever umschiffend und
harmonisch. Wir möchten bitte gemeinsam und nett unseren Alltag verleben.
Praxisinhaber erleben sich oft als Teil des eigenen Teams. Sie wollen mit nach Gleichheit
suchender Sprache die kostbare Lebenszeit, die sie oft mehr in der Praxis verleben
als mit der eigenen Familie, harmonisch verbringen. Es ist ja wunderbar, beliebt zu
sein – allerdings nur genauso lange, bis es einen Konflikt gibt. Bis sich ein Mitarbeiter
nicht so kooperativ und motiviert verhält, wie wir es uns wünschen oder unausgesprochen
erwarten. Bis ein Mitarbeiter seine Grenzen an anderer Stelle setzt, als wir es bitte
gern hätten, und so lange, bis es im Team anfängt zu dampfen. Eine typische Situation,
die ich in meiner Arbeit mit Praxen häufig erlebt habe, ist, dass in ein bestehendes
harmonisches Team ein neuer Kollege kommt, der einfach anders ist. Der sich nicht
so kollegial verhält, wie es das eingespielte Team gewohnt ist. Der die Kaffeetasse
stehen lässt, gerne ein volles Wartezimmer übergibt oder sich schon krank meldet,
wenn andere noch nicht mal ein Aspirin nehmen würden. Jetzt wird es spannend im Team,
denn alle angestellten Augen sind auf den Chef gerichtet. Wie wird er reagieren? Was
wird sie sagen oder tun? Oft passiert nun leider Folgendes: nichts! Zumindest nichts,
was nach außen als Führung wahrnehmbar wäre.
Führen ist was Positives
Gelingt es der Führungskraft nun nicht, aus dem heimeligen „Wir sind ein Team“-Gefühl
in die Führungsrolle zu wechseln, ist das komplette eingespielte Team in Gefahr, denn
genau diese Mitarbeiter fühlen sich nun verraten. Die „Meuterei auf der Bounty“ ist
in vollem Gange. Manchmal übernimmt den nicht ausgefüllten Führungsposten einfach
jemand anderes aus dem Team, der mehr oder weniger zufällig über diese Kraft verfügt.
Das kann auch die TFA sein. Dann sind alle Positionen durcheinandergeraten. Genau
mit diesem Dilemma richten sich nun oft verzweifelte Praxisinhaber an mich, in dem
Irrglauben, sie könnten einfach nicht führen, alle anderen können dies ohnehin viel
besser und alles solle doch bitte einfach wieder nett sein. Also zuerst einmal zur
Beruhigung aller Arbeitgeber in dieser oder einer ähnlichen Situation: Führen ist
keine Raketentechnik. Es ist viel einfacher zu lernen. Es macht sogar Freude, denn
es fördert Potenziale in Ihnen zu Tage, von denen Sie bisher vielleicht noch gar nichts
wussten. Und Sie führen jeden Tag: Ihr Leben, vielleicht Ihre Kinder, vielleicht Ihren
Hund. Sicherlich können Sie Hunderte Seminare besuchen, in denen Führungstechniken
gelehrt werden. Die alle sind dann sinnvoll, wenn Sie vorher einen entscheidenden
Schritt gegangen sind: Bewerten Sie das Führen positiv!
Die inneren negativen Bilder und Überzeugungen zum Thema Führen stellen mit großer
Präzision sicher, dass es Ihnen auch weiterhin schwerfällt. Sie wollen ja schließlich
nicht zu diesen schrecklichen Despoten oder Ausbeutern gehören, unter denen Sie vielleicht
selbst leiden mussten. Das waren allerdings keine Führungskräfte, das waren Diktatoren.
Deren Art mit Mitarbeitern umzugehen hat nichts mit Führung zu tun.
Führen ist etwas ganz anderes: Stellen Sie sich vor, Sie säßen in einer kleinen Nussschale
von Boot – nicht ohne Grund werden diese „Optimist“ genannt – und Sie treiben in dunkler
stürmischer Nacht auf eine Küste zu. Es ist kalt, die Gischt schlägt Ihnen ins Gesicht
und Sie erinnern sich, dass Sie einmal hörten, es gäbe Klippen vor der Küste. Was
wünschen Sie sich nun? Möchten Sie einen unmissverständlich klar und deutlich strahlenden
Leuchtturm, der unverrückbar an derselben Stelle steht und Ihnen zuruft: „Hier entlang!“,
oder möchten Sie lieber gemeinsam mit dem Leuchtturmwärter im Boot sitzen und darüber
reden, wie schrecklich alles ist, in dem Wissen, dass er Sie vollends versteht? Sehen
Sie? Das ist Ihre Aufgabe! Kein Mensch braucht eine Führungskraft, wenn alles so läuft
wie geschmiert. Wir brauchen FührungsKRAFT, wenn den Anvertrauten die Kraft und die
Übersicht fehlt, wenn es hektisch und turbulent wird. Diese Kraft nährt sich aus drei
wichtigen Quellen: Stabilität, Vision und Liebe zur Verantwortung.
Stabilität
Neudeutsch auch „Standing“ genannt, meint der Begriff hier nicht unbedingt die stabilen
Arbeitsverträge, sondern eine persönliche Stabilität. Fest verwurzelt stehen Sie mit
sich selbst, Ihren Werten, Ihrer Vision und Ihrer Integrität zu Ihrer Praxis und zu
sich selbst. Ja, vielleicht machen Sie auch Fehler. Willkommen, Sie sind ein Mensch!
Und doch wirft Sie dies nicht um.
(© S. Schaaf)
Vision
Valentin Wemper nennt dies in seinem Buch „Management“ die eigentliche Führungsaufgabe.
Er unterscheidet zwischen Führen und Management. Management sind das operative Geschäft,
die Abläufe, Terminierung und der gesamte Bürokram. Führen ist, eine Vision zu haben
und das Feuer der Gründungsidee über viele Jahre hinweg zu nähren und zu schüren.
Die Vision beschreibt das Warum, das, was uns angetrieben hat, all die Hürden zu übersteigen,
um ein eigenes Schild an die Hauswand zu hängen. Dieser wichtige Impuls, mein „Warum“
ist das, was mich auch durch schwierige Zeiten ziehen kann. Damals, als Sie sich auf
den Weg zur eigenen Praxis gemacht haben, sagten Sie nicht: „Ich möchte bitte, wenn
es keine Umstände macht.“ Sie sagten: „Ich will!“ Leider ist das Wollen in unserer
Erziehung nicht sonderlich gut bewertet worden. Vielleicht erinnern Sie sich zum Wollen
an ein paar Sätze wie „Kinder, die was wollen …“ oder: „Das heißt ‚Ich möchte!’“ oder:
„Du hast nichts zu wollen!“
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte diese Welt nicht unhöflicher machen und
alle „Ich will aber“ brüllen lassen. Ich möchte Ihnen nur zeigen, was es bedeutet,
wenn wir uns als FührungsKRAFT von der „Ich will“-Energie trennen: Das Feuer der Vision
möchte nicht brennen, es will! Wenn Sie sich selbst das Wollen erlauben, wird es Ihnen
auch deutlich leichter fallen, zu spüren und zu kommunizieren, was Sie nicht wollen.
Das Pendel einer Uhr schlägt stets zu beiden Seiten aus. Es reicht übrigens vollkommen
aus, dies zu denken. Formulieren dürfen Sie es für den Alltag selbstverständlich in
allgemein verträglicher „Ich möchte“-Form.
Liebe zur Verantwortung
Bei vielen Coachingtechniken ist es ein probates Mittel, sich ein Vorbild zu suchen,
wenn man eine bestimmte Fähigkeit nicht beherrscht. Die Idee ist, sich das Tun ganz
konkret „abzugucken“, zu kopieren, modellieren, wie das NLP (Neuro-Linguistisches
Programmieren) es nennt. Wenn ich mir nun also andere Praxisinhaber suche, deren Führungsfähigkeiten
mir imponieren, kann das in Teilen richtig sinnvoll sein. Vielleicht sehe ich ganz
konkrete Vorgehensweisen und Formulierungen, die ich übernehmen will. Bedenken Sie
bitte, dass Sie nicht sehen, ob es Ihrem Vorbild auch schwerfällt; ob derjenige nicht
auch nachts wach liegt und grübelt oder ob er vielleicht schon mit dem Zepter in der
Hand geboren wurde und es auch seit Kindheit behalten durfte. Dies alles schließen
Sie aus, wenn Sie sich mit anderen vergleichen.
Entscheidend ist doch, was Sie können und wo sie wachsen wollen. Es ist als Führungskraft
wichtig zu wissen, wo Sie stehen, wie es Ihnen damit geht und was Ihnen schon morgen
ein kleines Stück besser gelingen wird. Gabi Köster sagte zu diesem Thema auf einem
ihrer Vorträge: „Wenn du ein gutes Vorbild suchst – sieh in den Spiegel!“
Im Wort „Verantwortung“ steckt „Antwort geben“. Sicherlich geben Sie im Laufe einer
Woche eine Menge Antworten. Sie antworten auf Terminanfragen, therapeutische oder
organisatorische Fragen. Sie sollten sich aber auch selbst Antworten geben, und zwar
auf die wichtigen Fragen Ihres Führens: Ist meinen Mitarbeitern klar, was ich will
und was nicht? Verhalte ich mich klar und souverän oder setze ich mich lieber jammernd
mit den Mitarbeitern zusammen? Kann ich mit gutem Gefühl nein sagen, wenn mir Wünsche
entgegengebracht werden, die ich nicht erfüllen will? Liebe ist nicht immer harmonisch
und rosarot, auch wenn das die Momente sind, die uns sehr leichtfallen. Manchmal ist
es auch notwendig, sich aus Liebe unbeliebt zu machen – aus Liebe zur eigenen Vision
und Kraft, aus Liebe zum Unternehmen und auch aus Liebe zu den Mitarbeitern.