Schlüsselwörter
Ernährungsrisiko - Mangelernährung - Screening - MUST - NRS-2002 - ambulante Betreuung
- Tumorerkrankung
Key words
nutrition risk - malnutrition - screening - MUST - NRS-2002 - out-patient care - cancer
Einleitung
Krebserkrankungen zählen mit einer Inzidenz von 17,5 Millionen Fällen im Jahr 2015
zusammen mit Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems weltweit zu den 2 häufigsten Erkrankungsgruppen.
Mit etwa 8,8 Millionen Sterbefällen pro Jahr rangieren Krebserkrankungen auf Platz
2 der Todesursachenstatistik [1]. Nach Schätzungen sterben etwa 20–30 % der Tumorpatienten nicht an ihrer Grunderkrankung,
sondern an den Folgen einer damit assoziierten Mangelernährung. Je nach Tumorentität
und -stadium sowie dem Erkrankungsalter variiert die Prävalenz der Mangelernährung
unter Krebspatienten zwischen 20 und 60 % [2]
[3]
[4]. Insbesondere Patienten mit Karzinomen im Bereich von Kopf, Hals, Ösophagus, Magen
und Pankreas leiden häufig an starkem Gewichtsverlust und Mangelernährung [5].
Die Hauptursache für eine Gewichtsabnahme bei Krebspatienten ist die Erkrankung selbst
(„disease-related malnutrition“): Tumorbedingte gastrointestinale Obstruktionen können
die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen oder Schluckstörungen und Schmerzen auslösen
und somit zu einem Gewichtsverlust führen. Auch eine systemische Inflammation und
eine katabole Stoffwechsellage können zu einem Verlust von Körpermasse beitragen [6]
[7]. Häufige Nebenwirkungen von Therapiemaßnahmen (z. B. Strahlen- oder Chemotherapie)
wie Übelkeit, Appetitverlust, Erbrechen, Schleimhautentzündung oder anhaltender Durchfall
können die Gewichtsabnahme verstärken und den Ernährungsstatus von Patienten verschlechtern
[8].
Die klinischen Folgen einer Mangelernährung sind vielfältig und durch eine Fülle von
Studien belegt. Neben negativen Auswirkungen auf den Erfolg der Primärtherapie, die
Lebensqualität sowie die Prognose wurden erhöhte Komplikationsraten bei Patienten
mit Mangelernährung beobachtet [4]
[6]
[9]
[10]. Die europaweite „EuroOOPS“-Studie mit 5051 Patienten in 26 Krankenhäusern ergab,
dass Patienten mit einem Risiko für das Vorliegen einer Mangelernährung während ihres
stationären Aufenthalts beinahe 3-mal häufiger Komplikationen erleiden als gut ernährte
Patienten (31 % Komplikationen im Vergleich zu 11 %) [11]. Mangelernährung geht darüber hinaus mit einem längeren Krankenhausaufenthalt und
höheren Behandlungskosten einher [4]
[10].
Bereits vor Jahren wies der Europarat in seiner „Resolution ResAP on food and nutritional
care in hospitals“ auf die medizinischen, sozialen und gesundheitsökonomischen Konsequenzen
einer Mangelernährung hin [12]. Kürzlich wurde eine Deklaration verabschiedet, die das EU-Aktionsprogramm „Stop
Malnutrition“ in die Wege leitete und konkrete Handlungsanweisungen für das Management
der Mangelernährung in stationären und ambulanten Einrichtungen beinhaltet [13]. Diese Beschlüsse wurden in Deutschland bislang kaum in die Praxis umgesetzt. Die
zentrale Forderung, ein systematisches Screening auf Mangelernährung als Grundlage
für die ernährungsmedizinische Versorgung zu etablieren, wurde sowohl in ambulanten
als auch in stationären medizinischen Einrichtungen kaum erreicht [4]. Die Leitlinie „Ernährung in der Onkologie“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin
(DGEM) empfiehlt ein Screening auf Mangelernährung für alle Patienten mit einer Krebserkrankung
bereits bei Erstkontakt. Das Screening soll abhängig vom Krankheitsverlauf und dem
Ernährungsstatus in regelmäßigen Abständen wiederholt werden [14].
Daten zur Häufigkeit einer Mangelernährung in Deutschland wurden bisher ausschließlich
im stationären Bereich erhoben. Am bekanntesten ist die von 2000 bis 2003 durchgeführte
deutsche Krankenhaus-Mangelernährungsstudie von Pirlich et al., in welcher eine Prävalenz
der Mangelernährung von 27,4 % ermittelt wurde. Patienten onkologischer Abteilungen
wiesen mit einer Prävalenz von 37,6 % besonders häufig ein Risiko für Mangelernährung
auf [15]. Obwohl sich die Betreuung von Tumorpatienten immer stärker in ambulante Einrichtungen
verlagert, gibt es für Deutschland keine belastbaren Zahlen zur Häufigkeit der Mangelernährung
in diesem Umfeld. Ziel dieser Erhebung war es daher, das Risiko einer Mangelernährung
bei Patienten onkologischer Schwerpunktpraxen zu erfassen.
Methodik
Design der Befragung
Es handelte sich um eine multizentrische Querschnittserhebung in onkologischen Schwerpunktpraxen
in Südbayern. Die Befragung wurde vom Institut für Ernährungsmedizin des Klinikums
rechts der Isar der Technischen Universität München durchgeführt. Das Studienprotokoll
wurde von der zuständigen Ethikkommission der Fakultät für Medizin genehmigt (Votum:
89/17 S, 10. April 2017).
Rekrutierung der Arztpraxen
In den Regierungsbezirken Oberbayern, Schwaben, Niederbayern und der südlichen Oberpfalz
wurden 44 onkologische Schwerpunktpraxen – darunter 20 Arztpraxen, die dem Tumorzentrum
München (TZM) angeschlossen waren – über die Erhebung informiert und zur Teilnahme
eingeladen ([Abb. 1]). Arztpraxen, welche nicht zum TZM-Netzwerk gehörten, wurden dem Register der kassenärztlichen
Vereinigung entnommen.
Abb. 1 Flussdiagramm zur Teilnahme der Arztpraxen und Rekrutierung der Patienten.
Rekrutierung der Patienten
Die Rekrutierung der Patienten erfolgte von Juni 2017 bis Mai 2018 durch 2 Mitarbeiter
(AK, BJ), die die Praxen für mehrere Tage oder Wochen, je nach Praxisgröße, besuchten.
Alle Patienten, die zu diesem Zeitpunkt in die Arztpraxen kamen, wurden mündlich über
den Hintergrund und das Ziel der Erhebung informiert und zur Teilnahme eingeladen.
Vor der Befragung wurden die Haupteinschlusskriterien (Diagnose einer Tumorerkrankung,
Mindestalter von 18 Jahren, ausreichende Deutschkenntnisse) anhand eines Vorscreenings
überprüft und Gründe für eine Nichtteilnahme notiert. Voraussetzung für die Befragung
war eine unterschriebene Einverständniserklärung der teilnehmenden Patienten.
Datenerhebung
Von den teilnehmenden onkologischen Schwerpunktpraxen wurden Informationen über die
jeweilige Einrichtung und ihre Besonderheiten mithilfe eines Praxisfragebogens eingeholt.
Zudem wurde nach dem praxisüblichen Vorgehen im Hinblick auf das Screening auf Mangelernährung
gefragt.
Die Befragung der Patienten fand in den Arztpraxen in Form von standardisierten Interviews
statt. Im Anschluss an die Befragungen wurden, wenn möglich, fehlende Informationen
(z. B. Medikamente, Nebendiagnosen) den medizinischen Patientenakten entnommen. Zur
Datenerhebung wurde ein strukturierter Fragebogen mit 58 Fragen eingesetzt. Neben
allgemeinen Informationen (Datum der Befragung, Grund für den Arztbesuch) und Angaben
zur Person (Alter, Geschlecht, Schulbildung, Raucherstatus, Körpergröße und -gewicht)
wurden Informationen über die Erkrankung und Therapie sowie den Ernährungsstatus und
die Ernährungsweise erhoben. Die Antworten wurden schriftlich vom Studienteam auf
dem Fragebogenformular notiert und am Institut für Ernährungsmedizin nach dem mitwirkenden
Mehr-Augen-Prinzip in einer Excel-Datei digitalisiert.
Um die Häufigkeit eines Risikos für Mangelernährung zu erfassen, war das Ausfüllen
der validierten Screening-Fragebögen Malnutrition Universal Screening Tool (MUST)
und Nutritional Risk-Screening-2002 (NRS-2002) in die Befragung integriert [16]. Diese beiden etablierten Instrumente werden auch von der DGEM zur Erfassung eines
Risikos für Mangelernährung empfohlen [14].
Der MUST-Fragebogen wurde für Patienten in der ambulanten Behandlung entwickelt und
von der British Association for Parenteral and Enteral Nutrition (BAPEN) validiert
[17]. Mit dem Fragebogen werden 3 unabhängige Kriterien für das Vorliegen einer Mangelernährung
ermittelt und mit 0 bis 2 Punkten bewertet [18]:
-
Aktueller BMI: BMI < 18,5 kg/m2 = 2 Punkte; BMI 18,5 kg/m2–20,0 kg/m2 = 1 Punkt; BMI > 20,0 kg/m2 = 0 Punkte.
-
Unabsichtlicher Gewichtsverlust in den letzten 3 bis 6 Monaten: > 10 % = 2 Punkte;
5–10 % = 1 Punkt, < 5 % = 0 Punkte.
-
Vorliegen einer Erkrankung, die eine weitgehende Nahrungskarenz von (voraussichtlich)
mehr als 5 Tagen zur Folge hat = 2 Punkte.
Für die Einschätzung des Gesamtrisikos für eine Mangelernährung wurde folgende Definition
zugrunde gelegt: 0 Punkte = geringes Risiko, 1 Punkt = mittleres Risiko, ≥ 2 Punkte = hohes
Risiko für Mangelernährung.
Der 2-stufige Fragebogen NRS-2002 mit Vor- und Hauptscreening wurde für stationäre
Patienten entwickelt und validiert [19]. Wurde im Vorscreening 1 von 4 Fragen (BMI < 20,5 kg/m2, Gewichtsverlust in den vergangenen 3 Monaten, verminderte Nahrungszufuhr in der
vergangenen Woche, schwere Erkrankung) mit „ja“ beantwortet, erfolgte das Hauptscreening.
Hier wurden der Ernährungszustand und die Krankheitsschwere erfasst und mit den Punkten
0 bis 3 bewertet. Der Ernährungszustand wird anhand des Gewichtsverlusts (> 5 %) im
Verlauf der letzten 3 Monate, des BMI (< 18,5 kg/m2; 18,5 kg/m2–20,5 kg/m2), eines reduzierten Allgemeinzustands sowie einer verminderten Nahrungszufuhr (25–50 %,
0–25 % des Bedarfs) in der vergangenen Woche bewertet. Auch das Vorliegen einer Krebserkrankung
und anderer schwerer Krankheiten ging in die Bewertung ein (z. B. 1 Punkt bei Krebs
oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), 2 Punkte bei hämatologischen
Krebserkrankungen oder Apoplex). Zudem wurde ab einem Alter von ≥ 70 Jahren ein zusätzlicher
Punkt vergeben. Am Ende wird ein Summen-Score ermittelt. Bei ≥ 3 Punkten liegt ein
Risiko für Mangelernährung vor.
Die beiden Screening-Fragebögen erfassen das Risiko für eine Mangelernährung. Es ist
darauf hinzuweisen, dass hohe Scores nicht immer gleichbedeutend mit dem Vorliegen
einer Mangelernährung sind, sondern ein zusätzliches Assessment erfordern [14].
Kategorisierung der Tumorarten
Die Tumorarten, welche die Patienten angegeben haben, wurden in folgende Kategorien
eingeteilt: Brustkrebs (z. B. Mammakarzinome, Paget-Karzinome), Tumoren der lymphatischen
oder blutbildenden Gewebe (z. B. Leukämien, Lymphome, multiple Myelome, Morbus Waldenström),
Tumoren des Verdauungssystems (z. B. Magenkarzinome, Pankreaskarzinome, kolorektale
Karzinome), Tumoren der Urogenitalorgane (z. B. Prostatakarzinome, Nierenzellkarzinome,
Harnblasenkarzinome) und sonstige Tumoren (z. B. Glioblastome, maligne Melanome, Sarkome).
Statistik
Für die Analyse standen Datensätze von 765 Patienten zur Verfügung ([Abb. 1]). Die Auswertung erfolgte deskriptiv und wurde mit dem Microsoft-Programm Excel
2016 durchgeführt. Die Ergebnisse sind als absolute Häufigkeiten (n) und den entsprechenden
Prozentangaben (%) dargestellt. Bei einigen Fragen waren Mehrfachantworten möglich.
Bei Bedarf wurden geschlechts-, alters- und tumorspezifische Subanalysen erstellt.
Aufgrund des deskriptiven Charakters der Befragung wurde sowohl auf eine Powerkalkulation
als auch auf die Berechnung statistischer Signifikanzen verzichtet.
Ergebnisse
Charakterisierung der Arztpraxen
Von den 44 eingeladenen onkologischen Schwerpunktpraxen nahmen 17 Einrichtungen, darunter
12 registrierte TZM-Praxen, teil. Je nach Praxisgröße wurden täglich zwischen 20 und
150 Patienten, durchschnittlich 53 Patienten, in einer Praxis behandelt. 3 Praxen
gaben an, dass alle Patienten präventiv eine Ernährungsberatung erhalten, in 10 Arztpraxen
(62,5 %) wurde eine Ernährungsberatung nur angeboten, wenn der Ernährungszustand dies
erforderte. Die Ernährungsberatung wurde in den meisten Fällen von den behandelnden
Ärzten selbst durchgeführt, in seltenen Fällen wurde an eine externe Ernährungsberatungsstelle
verwiesen. Zwei Arztpraxen beschäftigten eine Ernährungsfachkraft. Nur 1 Praxis gab
an, bereits beim Erstkontakt ein Screening auf Mangelernährung durchzuführen. Diese
Praxis wiederholt auch in regelmäßigen Abständen das Screening auf Mangelernährung.
Andere Praxen berichteten, nur Risikopatienten auf Mangelernährung zu screenen.
Charakterisierung der Patienten
Insgesamt nahmen mehr Frauen (60,9 %) als Männer an der Befragung teil ([Tab. 1]). Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer lag bei 63,1 ± 13,1 Jahren (Minimum:
20 Jahre, Maximum: 86 Jahre). Der BMI betrug im Mittel 25,2 ± 5,1 kg/m2 (Minimum: 12,1 kg/m², Maximum: 51,4 kg/m2). Die größte Subgruppe bildeten Patienten mit der Diagnose Brustkrebs (n = 219, 28,6 %),
gefolgt von Patienten mit Tumoren des Verdauungssystems (n = 184, 24,1 %) sowie Patienten
mit Tumoren der lymphatischen oder blutbildenden Organe (n = 173, 22,7 %). Knapp die
Hälfte der Patienten (n = 363, 47,5 %) durchlief zum Zeitpunkt der Befragung eine
Chemo-/Radiotherapie. Der Zeitpunkt der Krebsdiagnose lag im Mittel 3,6 Jahre zurück
(Minimum: Diagnose am Tag der Befragung, Maximum: 34,7 Jahre). Von den Teilnehmern
gaben 29,9 % (n = 228) an, nach ihrer Krebsdiagnose eine Ernährungsberatung erhalten
zu haben.
Tab. 1
Charakteristiken der Patienten mit einer Tumorerkrankung.
|
Parameter
|
gesamt (n = 765)
|
Männer (n = 299)
|
Frauen (n = 466)
|
|
n
|
%
|
n
|
%
|
n
|
%
|
|
Tumorlokalisation[
1
] (Erstdiagnose)
|
|
|
Brustkrebs
|
219
|
28,6
|
6
|
2,0
|
213
|
45,7
|
|
Verdauungssystem
|
197
|
25,6
|
89
|
29,8
|
95
|
20,4
|
|
lymphatisches oder blutbildendes Gewebe
|
175
|
22,9
|
86
|
28,8
|
87
|
18,7
|
|
Urogenitalorgane
|
124
|
16,2
|
80
|
26,8
|
42
|
9,0
|
|
Sonstige[
2
]
|
90
|
11,8
|
47
|
15,7
|
42
|
9,0
|
|
Grund für den Arztbesuch[
1
]
|
|
|
laufende Chemo/Radiotherapie
|
363
|
47,5
|
138
|
46,2
|
225
|
48,3
|
|
Nachsorge
|
80
|
10,5
|
43
|
14,4
|
37
|
7,9
|
|
Sonstige[
3
]
|
329
|
43,0
|
116
|
38,8
|
206
|
44,2
|
|
zusätzliche Erkrankungen
|
|
|
ja
|
473
|
61,8
|
186
|
62,2
|
287
|
61,6
|
|
nein
|
291
|
38,0
|
113
|
37,8
|
178
|
38,2
|
|
Ernährungsberatung
|
|
|
ja
|
228
|
29,9
|
89
|
30,0
|
139
|
29,9
|
|
nein
|
534
|
70,1
|
208
|
70,0
|
326
|
70,1
|
|
Jahre seit Tumordiagnose
|
|
|
MW/MD (Jahre)
|
3,6/1,4
|
3,3/1,5
|
3,9/1,4
|
n = Anzahl; MW = Mittelwert; MD = Median.
1 Mehrfachantworten möglich, z. B. mehr als eine Tumorerkrankung (lt. Selbstangabe
des Patienten).
2 Bsp.: Glioblastom, malignes Melanom, Sarkom.
3 Bsp.: Folgetermin, Blutentnahme, Antibiotika- o. Bisphosphonat-Therapie.
Ergebnisse MUST-Fragebogen
Ein mittleres (MUST-Score: 1 Punkt) beziehungsweise ein hohes (MUST-Score: ≥ 2 Punkte)
Gesamtrisiko für eine Mangelernährung wiesen 15,4 % (n = 116) beziehungsweise 19,5 %
(n = 147) der Teilnehmer auf, wobei die Häufigkeiten bei Männern und Frauen vergleichbar
hoch ausfielen ([Tab. 2]). Im Durchschnitt betrug der Gewichtsverlust innerhalb der letzten 3 bis 6 Monate
2,7kg± 4,8 kg mit einer maximalen Gewichtsabnahme von 35 kg. 13,5 % (n = 102) der
befragten Patienten berichteten einen Gewichtsverlust von 5 bis 10 % ihres Ausgangsgewichts
und weitere 14,2 % (n = 107) einen Gewichtsverlust von mehr als 10 % des Ausgangsgewichts.
Ein erhöhter MUST-Score (≥ 2 Punkte) kam bei Patienten mit Tumoren des Verdauungssystems
am häufigsten vor (n = 65, 34,0 %) ([Tab. 2]). Bei den älteren Patienten (≥ 60 Jahre) fand sich häufiger ein MUST-Score ≥ 2 Punkte
als bei den jüngeren Patienten (18–39 Jahre) ([Abb. 2]).
Tab. 2
Häufigkeit eines mittleren (MUST-Score: 1 Punkt) bzw. eines hohen Risikos (MUST-Score:
≥ 2 Punkte) für eine Mangelernährung der Patienten in Abhängigkeit von der Tumorkategorie
bei Anwendung des MUST-Fragebogens.
|
MUST-Score
|
gesamt (n = 754)
n (%)
|
Männer (n = 295)
n (%)
|
Frauen (n = 459)
n (%)
|
|
0 Punkte
|
1 Punkt
|
≥ 2 Punkte
|
0 Punkte
|
1 Punkt
|
≥ 2 Punkte
|
0 Punkte
|
1 Punkt
|
≥ 2 Punkte
|
|
gesamt
|
491 (65,1)
|
116 (15,4)
|
147 (19,5)
|
190 (64,4)
|
48 (16,3)
|
57 (19,3)
|
301 (65,6)
|
68 (14,8)
|
90 (19,6)
|
|
Tumorkategorie[
1
] (Erstdiagnose)
|
|
|
Brustkrebs
|
174 (79,8)
|
30 (13,8)
|
14 (6,4)
|
3 (50,0)
|
3 (50,0)
|
–
|
171 (80,7)
|
27 (12,7)
|
14 (6,6)
|
|
Verdauungssystem
|
102 (53,4)
|
24 (12,6)
|
65 (34,0)
|
56 (59,6)
|
12 (12,8)
|
26 (27,7)
|
46 (47,4)
|
12 (12,4)
|
39 (40,2)
|
|
lymphatisches o. blutbildendes Gewebe
|
116 (67,1)
|
27 (15,6)
|
30 (17,3)
|
62 (72,9)
|
12 (14,1)
|
11 (12,9)
|
54 (61,4)
|
15 (17,4)
|
19 (21,6)
|
|
Urogenitalorgane
|
80 (65,6)
|
17 (13,9)
|
25 (20,5)
|
56 (69,1)
|
10 (13,6)
|
14 (17,3)
|
24 (58,5)
|
6 (14,6)
|
11 (26,8)
|
|
Sonstige[
2
]
|
41 (46,1)
|
20 (22,5)
|
28 (31,5)
|
26 (54,2)
|
11 (22,9)
|
11 (22,9)
|
15 (36,6)
|
9 (21,9)
|
17 (41,5)
|
MUST = Malnutrition Universal Screening Tool; n = Anzahl.
1 Mehrfachantworten möglich, z. B. mehr als eine Tumorerkrankung (lt. Selbstangabe
des Patienten).
2 Bsp.: Glioblastom, malignes Melanom, Sarkom.
Abb. 2 Häufigkeit des Risikos einer Mangelernährung (MUST-Score: 1 Punkt und MUST-Score:
≥ 2 Punkte) nach Altersgruppen und Geschlecht bei Anwendung des MUST-Fragebogens.
Personen mit einem MUST-Score von 0 Punkten sind in der Abbildung nicht dargestellt.
helle Säulen: MUST-Score: 1 Punkt; dunkle Säulen: MUST-Score ≥ 2 Punkte. MUST = Malnutrition
Universal Screening Tool; n = Anzahl.
Etwa 1 Drittel (n = 49, 33,6 %) der Patienten mit einem MUST-Score ≥ 2 Punkte gab
an, nach der Tumordiagnose eine Ernährungsberatung erhalten zu haben. In der Gruppe
der Patienten mit Tumoren des Verdauungstrakts mit einem MUST-Score ≥ 2 Punkte hatten
weniger als die Hälfte (n = 29, 44,6 %) der Patienten nach Eigenangaben eine Ernährungsberatung
erhalten ([Abb. 3]).
Abb. 3 Häufigkeit einer stattgehabten Ernährungsberatung nach der Krebsdiagnose im Gesamtkollektiv
(dunkle Säulen) sowie bei Patienten mit Tumoren des Verdauungssystems (helle Säulen)
in Abhängigkeit vom MUST-Score. MUST = Malnutrition Universal Screening Tool.
Ergebnisse NRS-2002-Fragebogen
Bei Verwendung des NRS-2002-Fragebogens hatte knapp 1 Drittel (n = 217, 29,1 %) der
Patienten ein erhöhtes Risiko für Mangelernährung (NRS-2002-Score ≥ 3 Punkte), wobei
kein Geschlechtsunterschied beobachtet wurde ([Tab. 3]). Patienten mit Tumoren der lymphatischen oder blutbildenden Gewebe hatten am häufigsten
einen NRS-2002-Score ≥ 3 Punkte (n = 108, 63,2 %), gefolgt von Patienten mit Tumoren
des Verdauungssystems (n = 52, 27,1 %). Von den Patienten mit einem NRS-2002-Score
≥ 3 Punkte und damit einem hohen Risiko für Mangelernährung gaben 26,9 % (n = 58)
an, nach der Tumordiagnose eine Ernährungsberatung erhalten zu haben. Von den Patienten
mit Tumoren der lymphatischen oder blutbildenden Gewebe (NRS-2002-Score ≥ 3 Punkte)
berichteten 22,2 % (n = 24), nach Tumordiagnose eine Ernährungsberatung erhalten zu
haben.
Tab. 3
Häufigkeit eines Risikos für eine Mangelernährung der Patienten in Abhängigkeit des
Alters und der Tumorkategorie bei Anwendung des NRS-2002-Fragebogens.
|
NRS-2002-Score
|
gesamt (n = 746)
n (%)
|
Männer (n = 288)
n (%)
|
Frauen (n = 458)
n (%)
|
|
< 3 Punkte
|
≥ 3 Punkte
|
< 3 Punkte
|
≥ 3 Punkte
|
< 3 Punkte
|
≥ 3 Punkte
|
|
gesamt
|
529 (70,9)
|
217 (29,1)
|
197 (68,4)
|
91 (31,6)
|
332 (72,5)
|
126 (27,5)
|
|
Alter (Jahre)
|
|
|
18–39
|
38 (90,5)
|
4 (9,5)
|
17 (85,0)
|
3 (15,0)
|
21 (95,5)
|
1 (4,5)
|
|
40–59
|
188 (79,7)
|
48 (20,3)
|
68 (77,3)
|
20 (22,7)
|
120 (81,1)
|
28 (18,9)
|
|
≥ 60
|
303 (64,7)
|
165 (35,3)
|
112 (62,2)
|
68 (37,8)
|
191 (66,3)
|
97 (33,7)
|
|
Tumorkatogorie[
1
] (Erstdiagnose)
|
|
|
Brustkrebs
|
193 (89,4)
|
23 (10,6)
|
5 (83,3)
|
1 (16,7)
|
188 (89,5)
|
22 (10,5)
|
|
Verdauungssystem
|
140 (72,9)
|
52 (27,1)
|
69 (75,0)
|
23 (25,0)
|
71 (71,0)
|
29 (29,0)
|
|
lymphatisches o. blutbildendes Gewebe
|
63 (36,8)
|
108 (63,2)
|
36 (42,9)
|
48 (57,1)
|
27 (31,0)
|
60 (69,0)
|
|
Urogenitalorgane
|
92 (78,0)
|
26 (22,0)
|
61 (79,2)
|
16 (20,8)
|
31 (75,6)
|
10 (24,4)
|
|
Sonstige[
2
]
|
65 (73,7)
|
23 (26,1)
|
37 (77,1)
|
11 (22,9)
|
28 (70,0)
|
12 (30,0)
|
|
Ernährungsberatung nach Krebsdiagnose
|
|
|
ja
|
166 (31,5)
|
58 (26,9)
|
67 (34,2)
|
19 (21,1)
|
99 (29,9)
|
39 (31,0)
|
|
nein
|
361 (68,5)
|
158 (73,1)
|
129 (65,8)
|
71 (78,9)
|
232 (70,1)
|
87 (69,0)
|
NRS-2002 = Nutritional-Risk-Screening 2002; n = Anzahl.
1 Mehrfachantworten möglich, z. B. mehr als eine Tumorerkrankung (lt. Selbstangabe
des Patienten).
2 Bsp.: Glioblastom, malignes Melanom, Sarkom.
Diskussion
Die Ergebnisse dieser systematischen Erhebung zeigen, dass ein beträchtlicher Teil
der Patienten mit einer Tumorerkrankung, die in onkologischen Schwerpunktpraxen in
Bayern ambulant betreut werden, ein erhöhtes Risiko für eine Mangelernährung aufweist.
Rund 35 % der befragten Patienten hatten nach den Kriterien des MUST-Screening-Fragebogens
ein mittleres oder hohes Risiko für eine Mangelernährung. Etwa 1 Drittel der Patienten
gab an, seit Diagnosestellung jemals eine Ernährungsberatung erhalten zu haben. Damit
dürfte Mangelernährung bei Tumorpatienten auch im ambulanten Sektor weit verbreitet
sein.
Es ist unklar, wie repräsentativ diese Daten für das deutsche Gesundheitssystem sind.
Die vorliegende Erhebung war angelegt, um Informationen über die Versorgungsrealität
und den Bedarf an ernährungsmedizinischen Leistungen im ambulanten Sektor zu erhalten.
Auffällig war, dass – obwohl die Belastung für die Praxen auf ein Minimum reduziert
war – nur 17 der 44 eingeladenen Schwerpunktpraxen bereit waren, sich an dieser Erhebung
zu beteiligen. Inwieweit sich die teilnehmenden Praxen von den nichtteilnehmenden
Praxen bezüglich Praxisgröße und -struktur sowie Patientengut unterscheiden, konnte
nicht überprüft werden. Die Befragung der teilnehmenden Praxen legt zudem nahe, dass
ein Screening auf Mangelernährung nicht fest in den Alltagsprozeduren verankert ist.
Dies ist allein daran erkennbar, dass nur eine einzige Praxis angab, ein systematisches
Screening auf Mangelernährung bereits bei Erstkontakt durchzuführen.
Die klinische Bedeutung von Mangelernährung sowie der Nutzen einer Ernährungsintervention
bei Patienten mit Tumorerkrankungen stehen außer Frage. Eine Mangelernährung kann
dabei sowohl als Komplikation der Grundkrankheit als auch als Folge bestimmter Therapiemaßnahmen
auftreten. Die negativen gesundheitlichen Folgen einer Mangelernährung und die daraus
resultierenden erhöhten Behandlungskosten sind gut belegt [4]
[9]
[10]
[11]. Dementsprechend fordern onkologische Therapieleitlinien bereits zum Zeitpunkt der
Diagnosestellung und im weiteren Krankheitsverlauf ein systematisches und regelmäßiges
Screening auf Mangelernährung [7]
[14]. Dazu stehen heute einfache und kostengünstige Screening-Fragebögen wie der MUST
oder NRS-2002 zur Verfügung, die eine schnelle Risikoabschätzung erlauben.
In der vorliegenden Befragung wurden die 2 am häufigsten verwendeten und am besten
validierten Screening-Fragebögen eingesetzt. Der parallele Einsatz des MUST- und NRS-2002-Fragebogens
bot den Vorteil, dass Prävalenzdaten aus dem ambulanten Bereich (MUST) besser mit
bekannten Prävalenzraten in Kliniken (NRS-2002) verglichen werden können. Demnach
liegt die Häufigkeit eines Ernährungsrisikos unter ambulanten Bedingungen etwas niedriger
als im stationären Bereich [15], bewegt sich aber auf einem hohen Niveau. Das hier gewählte Vorgehen dürfte die
tatsächliche Prävalenz von Mangelernährung in der ambulanten medizinischen Betreuung
unterschätzen, da Tumorpatienten, die nicht mehr gehfähig waren bzw. zu Hause von
„Home-Care“-Teams betreut wurden, nicht einbezogen werden konnten. Damit dürften Patienten
mit einem Eastern Cooperative Oncology-Group (ECOG)-Status von 3 bzw. 4 und einem
hohen Risiko für Mangelernährung deutlich unterrepräsentiert gewesen sein.
Für den MUST-Fragebogen wurden im Vergleich zum NRS-2002-Fragebogen eine niedrige
Sensitivität und Spezifität berichtet [20], andere vergleichende Studien fanden allerdings keine signifikanten Unterschiede
zum NRS-2002 oder dem ebenfalls häufig verwendeten SGA (Subjective Global Assessment)
-Fragebogen [21]. Es ist darauf hinzuweisen, dass ein MUST-Score von 1 oder ≥ 2 oder ein NRS-2002-Score
von ≥ 3 allein nicht ausreicht, um eine Mangelernährung zu diagnostizieren. Solche
Scores sollten aber Anlass für eine sorgfältige Erhebung des Ernährungszustands durch
qualifiziertes Personal sein, wie in aktuellen Leitlinien empfohlen [7]
[14]. Ein Ernährungsassessment umfasst üblicherweise eine Ernährungsanamnese (Nahrungszufuhr
qualitativ und quantitativ), Körperzusammensetzung (z. B. mittels Bioimpedanzanalyse)
und Laborparameter. Daraus leitet sich dann die Indikation für eine Ernährungstherapie
ab [14]. Die Kenntnis und regelmäßige Überprüfung des Ernährungszustands haben auch Implikationen
für die Tumortherapie, da ein schlechter Ernährungszustand zu einer Abnahme der Compliance
für onkologische Therapiemaßnahmen (Chemo-, Radiotherapie) führt und zudem das Ansprechen
auf solche Therapien verschlechtert [22]
[23].
Die in dieser Arbeit unterschiedlichen Prävalenzraten zwischen dem MUST- und NRS-2002-Fragebogen
sind folgendermaßen erklärbar: Der MUST-Score unterteilt Personen mit einem Risiko
für Mangelernährung in solche mit einem mittleren und einem hohen Risiko (MUST-Score = 1
Punkt bzw. MUST-Score ≥ 2 Punkte) [18]. Betrachtet man die beiden Gruppen zusammen, dann liegt die Häufigkeit eines Risikos
für Mangelernährung bei 34,9 %. Der NRS-2002-Score definiert lediglich eine einzige
Kategorie mit erhöhtem Risiko für Mangelernährung (Score ≥ 3 Punkte). Zudem vergibt
der NRS-2002-Fragebogen ab einem Alter von ≥ 70 Jahren einen zusätzlichen Punkt, während
beim MUST-Fragebogen das Alter nicht berücksichtigt wird. Für die Schwere der Erkrankung
werden im NRS-2002-Fragebogen zusätzliche Punkte vergeben. Patienten mit hämatologischen
Krebserkrankungen erhalten 2 Zusatzpunkte, Patienten mit einer anderen Krebserkrankung
1 Zusatzpunkt [19].
Bislang gibt es nur wenige Daten zur Häufigkeit von Mangelernährung bei Tumorpatienten
im ambulanten Setting. In einer italienischen Multicenterstudie in onkologischen Ambulanzen
wurde das Risiko für Mangelernährung mithilfe des NRS-2002-Fragebogens erfasst. Dort
hatten 31,8 % der ambulant betreuten Patienten einen Score von ≥ 3 und wiesen damit
ein hohes Risiko für eine Mangelernährung auf. Das Risiko für eine Mangelernährung
nahm mit dem Tumorstadium und dem ECOG-Status zu [24]. Legt man die gleiche Definition zugrunde, dann lag die Prävalenz eines Risikos
für Mangelernährung im vorliegenden Kollektiv mit 29,1 % geringgradig niedriger. Mit
weiteren Studien lassen sich die Ergebnisse dieser Erhebung kaum vergleichen, da derartige
Erhebungen bisher fast ausschließlich in stationären Einrichtungen durchgeführt wurden
[2]
[3]
[18]
[25]
[26].
Ein zusätzliches Ziel dieser Erhebung war es, das aktuelle Ernährungsmanagement in
den teilnehmenden Arztpraxen grob zu erfassen. Dabei zeigte sich, dass etwa 1 Drittel
der befragten Patienten eine Ernährungsberatung erhalten hatte. Dies traf sinnvollerweise
für Patienten mit einer gastrointestinalen Tumorerkrankung häufiger zu als für Patienten
mit Tumoren anderer Entitäten. Auffällig war, dass es kaum einen Zusammenhang mit
dem durch die Fragebögen ermittelten Risiko für eine Mangelernährung gab ([Abb. 3]). Die Ernährungsberatung wurde häufig von den Ärzten selbst durchgeführt, eine feste
Zusammenarbeit mit Ernährungsfachkräften gaben nur wenige Praxen an.
Stärken und Schwächen
Die vorliegende Befragung liefert zum ersten Mal Daten zum Risiko einer Mangelernährung
bei Patienten mit einer Tumorerkrankung, die in Schwerpunktpraxen ambulant betreut
werden. Da die Mehrheit (27 Praxen) der angesprochenen 44 Schwerpunktpraxen eine Teilnahme
ablehnte, ist die Befragung auch bezüglich ihrer regionalen Repräsentativität limitiert.
Dennoch ist davon auszugehen, dass es wohl im gesamten Land ähnliche Versorgungslücken
gibt. Um dies jedoch endgültig zu beweisen, wäre eine repräsentative und zugleich
umfangreichere Befragung in der Bundesrepublik Deutschland wünschenswert. Die Befragung
gibt aufgrund der standardisierten Vorgehensweise und der Stichprobengröße einen validen
Überblick zur Häufigkeit eines Risikos für Mangelernährung bei Tumorpatienten in ambulanten
Schwerpunktpraxen. Zukünftige Untersuchungen sollten sich nicht nur auf ambulante
Schwerpunktpraxen beziehen, sondern auch das klinische Setting sowie Patienten in
Homecare berücksichtigen. In den teilnehmenden Praxen war es aufgrund der abgesprochenen
Modalitäten nicht möglich, zuverlässige Daten zum Tumorstadium zu erhalten. Der ECOG-Aktivitätsstatus
wurde im Rahmen dieser Erhebung nicht erfasst. Eine weitere Limitation ist es, dass
die Daten auf Selbstangaben der Patienten beruhen und nur partiell eine Überprüfung
in den Patientenakten der Praxen möglich war. Ein ausführliches Interview mit den
Teilnehmern sowie die Entnahme der medizinischen Daten aus der Patientenakte würden
zukünftige Befragungen zu diesem Thema bereichern. Zudem liegen keine Daten über diejenigen
Praxen vor, die nicht teilgenommen haben, da zum Teil keinerlei Reaktion auf unsere
Einladungsschreiben erfolgte.
Zusammenfassend zeigt diese Befragung, dass rund 1 Drittel der Patienten, die in ambulanten
onkologischen Schwerpunktpraxen betreut werden, ein Risiko für eine Mangelernährung
aufweist. Ein systematisches Screening auf Mangelernährung findet in den Arztpraxen
kaum statt, ebenso wenig wie eine leitliniengerechte Ernährungsberatung. Daraus ergibt
sich ein dringender Handlungsbedarf, um vorhandene Versorgungslücken zu schließen.
Ein systematisches Screening auf Mangelernährung und bei Bedarf eine frühzeitige Ernährungsintervention
sollten obligatorischer Bestandteil der ambulanten Betreuung von Patienten mit einer
Tumorerkrankung sein. Zudem ist eine umfangreiche repräsentative Befragung in Deutschland
zum Thema Mangelernährung in der Onkologie wünschenswert, um die Lücken vollständig
aufzuzeigen und daraus entsprechende Handlungsempfehlungen zu generieren.
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Im befragten Kollektiv beträgt die Häufigkeit eines Risikos für Mangelernährung 34,9 %
bei Anwendung des MUST-Scores (≥ 1 Punkt) beziehungsweise 29,1 % bei Anwendung des
NRS-2002-Scores (≥ 3 Punkte).
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Die Häufigkeit des Risikos für Mangelernährung ist abhängig von der Tumorentität.
Bei Anwendung des MUST-Scores (≥ 1 Punkt) sind Personen mit Tumoren des Verdauungssystems
am häufigsten von einer Mangelernährung betroffen (46,6 %). Wird der Ernährungsstatus
anhand des NRS-2002-Scores (≥ 3 Punkte) erfasst, so erfüllen Personen mit Tumoren
des lymphatischen oder blutbildenden Gewebes am häufigsten die Kriterien eines Risikos
für eine Mangelernährung (63,3 %).
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Die Anzahl von Tumorpatienten in ambulanten Einrichtungen mit erhöhtem Risiko für
Mangelernährung ist beträchtlich. Dies begründet die Notwendigkeit zur Durchführung
eines systematischen Screenings auf Mangelernährung sowie ernährungstherapeutischer
Interventionen bei Patienten mit einem Risiko für Mangelernährung.