Empowerment – dieser Begriff ist in aller Munde. Eine Umfrage unter Fachpersonen ergab
jedoch, dass ihn 90 Prozent im Deutschen nicht ausreichend oder nicht richtig definieren
können. Was bedeutet es ganz konkret, Klienten zu empowern? Und vor allem, wie funktioniert
das? Mit dem ergotherapeutischen Gruppenkonzept „Ich bin stark!“ kann das gelingen
[1].
Empowerment
lässt Menschen ihre Stärken entdecken und trägt zu Autonomie bei.
Klienten zu aktiven Mitgestaltern machen
Klienten zu aktiven Mitgestaltern machen
Aus dem Englischen übersetzt bedeutet „empowerment“ Handlungsfähigkeit, Übertrag von
Verantwortung, Ermächtigung. Ermächtigung ist das Gegenteil von Entmächtigung und
greift den Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen auf. Es geht darum, den Klienten
zu einem aktiven und gleichberechtigten Mitgestalter seines Gesundheitsprozesses zu
machen und ihm die Entscheidungsbefugnis zu geben, Verantwortung zu übernehmen.
Empowerment wird als ein stärkenorientiertes Konzept verstanden. Darin steckt der
Begriff „power“, der mit „Macht“ oder „Kraft“ übersetzt werden kann. Aus unserer Sicht
geht es dabei allein um die Macht über sich selbst. Zentraler Aspekt ist, für sich
selbst und seine Bedürfnisse einzustehen, sie angemessen zu vertreten und Verantwortung
für das eigene Handeln zu übernehmen. Dafür ist Kraft notwendig.
Verhalten, Motivation zur Teilhabe und aktive Gestaltung von Betätigung hängen von
dem komplexen Zusammenspiel persönlicher Faktoren, der Umwelt und den Anforderungen
der Tätigkeit ab [7]. Außensteuerung bezeichnet dabei jenen Anteil des Antriebs und der Motivation, der
hauptsächlich durch Umweltanreize gesteuert wird, zum Beispiel durch Belohnung oder
Zwang. Mit Innensteuerung ist die Verhaltenssteuerung aufgrund intrinsischer Motivation
und einer positiven Selbstwirksamkeitserwartung gemeint, zum Beispiel an etwas Interesse
oder Spaß haben. „Menschliche Aktivität kann sich entweder mehr auf Anpassung an die
Umwelt oder mehr auf aktive Gestaltung der Umwelt beziehen“ [8]. Selbstbestimmtes Handeln von innen heraus ist eine wichtige Voraussetzung, um die
Umwelt und das Miteinander aktiv zu gestalten.
Klienten in ihrer Kraft stärken
Klienten in ihrer Kraft stärken
Empowerment-Strategien kommen den psychologischen Grundbedürfnissen des Menschen nach
Autonomie, sozialem Eingebundensein und Kompetenz nach und stärken die Lebensqualität
und Selbstbestimmung [2]. Selbstbestimmung ist die unabhängige bzw. eigenständige und autonome Gestaltung
des eigenen Lebens und geht einher mit der Eigenverantwortlichkeit für Entscheidungen.
Darüber hinaus stärken Maßnahmen zum Empowerment den Klienten in seiner Kraft, damit
er sich als selbstwirksam erfährt, beginnt, Verantwortung für sich zu übernehmen,
sich mit seinen Möglichkeiten auseinandersetzt und seine Handlungsspielräume erkennt
und nutzt.
In der Ergotherapie erreicht der Klient Empowerment grundlegend durch das Eingebundensein
in eine Betätigung oder durch aktives Tun [3]. Das heißt, er wird darin unterstützt, sich seiner vorhandenen Kompetenzen bewusst
zu werden oder diese zu erweitern, um an dem für ihn wichtigen oder nötigen Alltagsgeschehen
teilzunehmen.
Pospiech et al. (2015) definieren folgende Stufen des Empowerments [4]:
-
den Klienten als Experten für seine eigene Lebenswelt anerkennen
-
Kompetenzen des Klienten stärken
-
Bedingungen schaffen, um die Kompetenzen weiterzuentwickeln
-
Selbstbestimmung und Selbstorganisation fördern
Klienten erfahren sich als selbstwirksam, übernehmen Verantwortung für sich und nutzen
Handlungsspielräume.
Zwei Prozesse: Selbstbemächtigung und Unterstützung
Zwei Prozesse: Selbstbemächtigung und Unterstützung
Empowerment besteht aus zwei Prozessen, die jeweils ineinandergreifen ([ABB. 1]):
-
Prozess der Selbstbemächtigung: Was kann der Klient tun, um zurück in die Handlung
zu kommen bzw. aus seiner inneren Kraft heraus selbstbestimmt zu handeln und sein
Leben aktiv zu gestalten? Dazu gehört der Wille, zu handeln und entsprechende Entscheidungen
zu treffen.
-
Prozess der therapeutischen Unterstützung: Dieser dient dazu, dass der Klient sein
Gefühl der „Entmächtigung“ überwindet, vorhandene oder neue Handlungsspielräume erkennt
und sich seiner Ressourcen bewusst wird, um diese effektiv zu nutzen.
ABB. 1 Empowerment als zweigeteiltes Konzept
Abb.: Thieme Gruppe
Für uns geht es neben den von Deci und Ryan (2008) geprägten psychologischen Grundbedürfnissen
im Empowerment darum [2], weitere Einflussfaktoren zu berücksichtigen, damit Empowerment gelingen kann ([ABB. 2], S. 34). Diese werden im weiteren Verlauf am Praxisbeispiel deutlich.
ABB. 2 Einflussfaktoren, damit Empowerment gelingen kann
Abb.: Thieme Gruppe
Den Empowerment-Prozess praktisch umsetzen
Den Empowerment-Prozess praktisch umsetzen
Laura, Julius, Ludwig und Alfred gehen in die 5., 6. und 7. Klasse und nehmen an der
Gruppentherapie „Ich bin stark!“ teil. Ein Durchlauf mit maximal sechs Kindern und
zwei Therapeuten besteht aus 10 Einheiten zu jeweils 90 Minuten. Die Teilnehmer können
nach einer Einzeltherapieverordnung zur Feststellung der individuellen Betätigungsanliegen
und der Gruppenfähigkeit mit einer Gruppenverordnung oder auch als Selbstzahlerleistung
daran teilnehmen.
Die vier Kinder aus unserem Beispiel haben sich als Gruppenprojekt den Nachbau eines
Activity-Spiels ausgesucht. Dazu erstellen sie Spielkarten, einen Spielplan sowie
eine Aufbewahrungsbox. In der Einführungsrunde legen sie ihre individuellen Annäherungsziele
für die Stunde fest. Annährungsziele dienen dazu, Grundbedürfnisse zu befriedigen
und gewünschte Veränderungen herbeizuführen. Sie beschreiben, was man erreichen möchte,
zum Beispiel „Ich strenge mich an, um meine Aufgabe fertig zu bekommen“. Die Therapeutinnen
ergänzen aus ihrer Sicht relevante Ziele für jedes Kind.
So nimmt sich Julius vor, bei der Planung und Durchführung mit den anderen ruhig zu
bleiben, auch wenn er nicht gleich verstanden wird. Ludwig setzt sich als Ziel, sich
auf seine Aufgabe zu konzentrieren und diese fertigzustellen. Alfred möchte aktiv
mitarbeiten, und Laura möchte ihre Meinung in der Gruppe vertreten. Als positiv formulierte
Ziele ergänzen die Therapeutinnen unter anderem für Julius, in der Problemlösung ernst
zu bleiben und realistische Vorschläge zu machen. Bei Ludwig fügen sie hinzu, dass
er sich abgrenzt und auf ein angemessenes Tempo achtet. Bei Alfred halten sie es für
wichtig, dass er sorgfältig arbeitet. Laura soll zuerst selbst nach einer Lösung suchen,
bevor sie sich Hilfe holt.
Diskussionen als Störfaktor
Diskussionen als Störfaktor
In der Arbeitsrunde verteilen die Kinder untereinander die jeweiligen Aufgaben für
die Stunde. Sie sind dafür zuständig, die eigenen Materialien zu organisieren und
den Arbeitsplatz einzurichten. Laura und Julius teilen sich die Aufgabe, die Aufbewahrungsbox
für das Spiel weiterzubauen, und Ludwig und Alfred wollen die laminierten Spielkarten
weiter zuschneiden.
Julius geht in dieser Stunde aktiv an seine Aufgabe heran, arbeitet sorgfältig und
strukturiert. Ludwig arbeitet zu Beginn noch gleichmäßig und sorgfältig, sieht dann
Julius‘ Ergebnis und fühlt sich gestresst. Er will auch schnell und effektiv arbeiten,
was sehr zu Lasten der Sorgfalt geht, sodass er viel nacharbeiten muss. Dies löst
Diskussionen zwischen Julius und Ludwig aus, da Julius beginnt, ihn ständig zu korrigieren.
Ludwig gelingt es nicht, sich wieder auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Durch das
Diskutieren sinkt auch Julius‘ Arbeitstempo, und der Prozess verlangsamt sich.
Zum Empowerment-Prozess gehört sowohl die Selbstbemächtigung als auch die therapeutische
Unterstützung.
Fehlende Absprachen als Störfaktor
Fehlende Absprachen als Störfaktor
Laura und Alfred haben den Boden der Box schon in einer vorherigen Stunde fertiggestellt.
Nun geht es darum, die Seitenteile zu bauen und deren Höhe zu bestimmen. Für den Umgang
mit dem Geodreieck holen sie sich Hilfe bei der Therapeutin. Die Größenbestimmung
gibt diese an die Kinder zurück und steckt lediglich den Rahmen ab, welche Faktoren
es zu berücksichtigen gilt: Der Spielplan und die Karten müssen darin Platz finden,
und das Spiel muss in den Schrank passen. Alfred scheint einen fixen Plan für die
Schachtel im Kopf zu haben und will davon auch nicht abweichen. Laura, die mit ihren
Argumenten nicht landen kann, gibt nach und versucht, Alfreds Plan umzusetzen. Plötzlich
zeigt sie kaum noch etwas von ihrem Können, reagiert nur noch mit „Häh?“, „Versteh
ich nicht!“, „Mach du das.“ und gibt immer mehr Teilschritte an Alfred ab. Dieser
reagiert ungehalten, da er offensichtlich keine Lust hat, die Verantwortung alleine
zu tragen und noch keine passende Lösung für das Problem gefunden hat. Seinen Stress
kanalisiert er in Clownerei und übertriebenen Lösungsvorschlägen.
Checkliste: Empowerment stärken
-
Kompetenzerleben ermöglichen
Die Gruppenteilnehmer erleben sich als kompetent, wenn sie merken, dass sie über ausreichende
Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen.
Beispiel: Laura und Alfred kommen nicht mit dem Geodreieck zurecht und holen sich
Hilfe bei der Therapeutin. Wie sie ihr neu erworbenes Wissen umsetzen, erproben sie
selbst (Hilfe zur Selbsthilfe).
-
Gefühl der Autonomie stärken
Die Kinder lernen ihre Entscheidungsfreiheit und ihren Handlungsspielraum kennen.
Beispiel: In der Arbeitsrunde verteilen die Kinder die Aufgaben untereinander – je
nach Präferenz. Jeder organisiert sein Material und seinen Arbeitsplatz.
-
Sinnhaftigkeit erkennbar machen
Indem die Kinder die Aufgaben definieren, erkennen sie die Zusammenhänge der Teilschritte.
Dadurch empfinden sie ihr Tun als sinnhaft in Bezug auf das Gelingen des Projekts.
Beispiel: Julius und Ludwig wissen, dass das Spiel ohne ihre Karten nicht gespielt
werden kann, und fühlen sich darin bestärkt, ihren Teil fertigzustellen.
-
Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen
Im Gruppensetting entwickeln die Kinder durch erfolgreiches Handeln Vertrauen in ihre
Fähigkeit, unerwartete Anforderungen oder Schwierigkeiten zu meistern.
Beispiel: Julius und Ludwig haben in kurzer Zeit sehr viel geschafft. Dadurch entwickeln
sie eine Kompetenzüberzeugung und vertrauen darauf, dass sie den Rest auch schaffen
werden.
-
Eigenverantwortung fördern
Das eigene Handeln und Nichthandeln hat Konsequenzen, die man selbst tragen muss.
Beispiel: Es fällt Laura schwer, sich gegen Alfreds Vorstellungen durchzusetzen. Beide
merken jedoch, dass sie ihr Ziel so nicht erreichen. Laura stellt fest, dass Nichthandeln
keine Option ist, und übernimmt die Verantwortung für ihren Part.
-
Soziales Eingebundensein und positive Beziehungen erlebbar machen
Die konsequent nicht strafende partnerschaftliche Unterstützung der Therapeutin und
die positive Selbstreflexion am Ende der Gruppensitzung führen dazu, die soziale Kompatibilität
des eigenen Verhaltens zu überprüfen und das Verhalten anzupassen.
Beispiel: Julius und Ludwig verwickeln sich in Diskussionen. Die Unterstützung der
Therapeutin bezieht sich nicht auf die Klärung der Schuldfrage, sondern darauf, was
jeder tun kann, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Das Miteinander der beiden entspannt
sich, und die Beziehung zur Therapeutin wird als positiv-unterstützend erlebt.
Bedürfnisse und Einflussfaktoren aufgreifen
Bedürfnisse und Einflussfaktoren aufgreifen
Bislang haben die Therapeutinnen nicht eingegriffen. Sie wollten zunächst beobachten,
ob sich die Kinder selbst regulieren können. Anstatt nun außensteuernd einzugreifen,
wählen sie eine reflektierende Methode und greifen die Bedürfnisse und Einflussfaktoren
auf ([ABB. 2]). Sie leiten die Kinder an, Handlungsspielräume zu erkennen und selbstbestimmt zu
nutzen.
Es geht nicht darum, wer schuld an einem Problem ist, sondern darum, was jeder zum
Ziel beitragen kann.
Dazu stellt eine Therapeutin zunächst die Kompetenzen der Kinder und das bereits Erreichte
in den Vordergrund: „Wow, Julius und Ludwig, ihr habt schon ganz schön viele Karten
geschafft! Die hier sind alle sehr sorgfältig bearbeitet. Die können wir gut verwenden.
Ihr habt euch richtig Mühe gegeben, wart konzentriert und habt in gutem Tempo gearbeitet.“
Die weniger sorgfältig bearbeiteten Karten legt sie ganz bewusst ohne Kommentar auf
einen kleinen Stapel. Auf die Frage, wie weit die Kinder in der heutigen Stunde noch
kommen möchten, antworten sie, dass sie die Karten fertigstellen wollen. Die Therapeutin
entgegnet: „O.k., ich habe den Eindruck, dass ihr, als ihr so konzentriert gearbeitet
habt, in kurzer Zeit sehr viel geschafft habt.“ Dabei zeigt sie auf den großen fertigen
Stapel. „Was ist denn in dieser Phase passiert?“, fragt sie und zeigt auf den kleineren
Stapel. Julius und Ludwig entgegnen: „Wir haben uns nicht mehr konzentriert, sondern
ganz viel diskutiert.“ Daraufhin möchte die Therapeutin wissen: „Was müsst ihr denn
dann jetzt machen, damit ihr fertig werdet und euer Ziel erreicht?“ Julius und Ludwig
benennen ihre Ziele erneut. Die Therapeutin bestärkt sie: „Ganz genau. Ich habe auch
gesehen, dass ihr das könnt. Ihr habt es ja schon gezeigt. Ich bin mir sicher, das
schafft ihr auch noch mal für die letzten zehn Minuten.“
Damit Empowerment gelingen kann, gilt es die Einflussfaktoren zu berücksichtigen.
In einen produktiven Prozess zurückfinden
In einen produktiven Prozess zurückfinden
Durch diese Aussage stärkt die Therapeutin die Selbstwirksamkeit der beiden Jungen,
da sie dies konkret an ihrem bisherigen Ergebnis überprüfen können. Die Eigenverantwortung,
sich zu regulieren, um das selbstgesetzte Ziel am Ende zu erreichen, bleibt bei den
Kindern. Sollte das Projekt in dieser Stunde nicht abgeschlossen werden, wird es in
der nächsten Einheit fortgesetzt. Durch dieses Herangehen wird zudem das Bedürfnis
nach Beziehung gestärkt. Einerseits können die Kinder in einer positiven Beziehung
zur Therapeutin bleiben, da sie nicht strafend-regulierend eingreift, sondern die
positiven Verhaltensaspekte und Ergebnisse in den Mittelpunkt stellt und bestärkend
agiert. Zudem können die Kinder auch untereinander in eine positive Beziehung zurückfinden.
Es geht nicht um die „Schuldfrage“, wer die diskutierende Situation ausgelöst hat,
sondern darum, was jeder eigenverantwortlich tun kann, um in einen produktiven Prozess
zurückzufinden und das Ziel am Ende gemeinsam zu erreichen.
Fehlende Verantwortungsübernahme als Störfaktor
Fehlende Verantwortungsübernahme als Störfaktor
Bei Laura und Alfred stellt die Therapeutin fest: „Ihr kommt irgendwie nicht wirklich
weiter.“ Da können die beiden nur zustimmen. Sie hatten nach 20 Minuten erst ein Seitenteil
zugeschnitten und festgestellt, dass es zu kurz geworden war. „Wie habt ihr das denn
beim Boden zusammen geschafft? Was habt ihr da anders gemacht?“, möchte die Therapeutin
wissen. Alfred erinnert sich: „Ich habe Laura mehr zugehört. Es war mir nicht so wichtig,
nur meine Idee durchzusetzen.“ Und Laura ergänzt: „Ich habe konkreter nachgefragt,
wenn ich Alfred nicht verstanden habe.“
Gemeinsam mit der Therapeutin erinnern sie sich, wie sie beim Boden vorgegangen sind,
um die richtige Größe herauszufinden, und wie sie die Maße aufgezeichnet haben. Im
weiteren Verlauf finden sie heraus, wie sie die Seitenwand gestalten wollen: Laura
zeichnet die Wand auf und Alfred übernimmt das Zuschneiden. Damit können sie noch
eine Wand fertigstellen.
Kontroverse
Eine zentrale Entwicklungsaufgabe von Jugendlichen ist es, sich abzunabeln und sich
eigene Handlungsbereiche zugängig zu machen. Diese verantwortlich auszufüllen bedeutet
aber auch, die Konsequenzen für das eigene Handeln zu tragen. Eine aktuelle Sozialstudie
der Bepanthen-Kinderförderung (2019) ergab, dass ein Drittel der befragten Jugendlichen
(33 Prozent) einen schwachen Sinn für die Gemeinschaft zeigt [5]. 21 Prozent der Jugendlichen neigen zu individualisierten Schuldzuweisungen.
Im Hinblick auf die mögliche Weiterentwicklung zu einer noch egozentrischeren Gesellschaft
wird der Empowerment-Ansatz deshalb teilweise kontrovers diskutiert. In der Anwendung
von Empowerment-Konzepten müssen deswegen immer auch der eigenverantwortliche Umgang
mit den Folgen einer Entscheidung und angemessene und sozialkompatible Verhaltensweisen
gefördert werden.
Nach der Intervention verhalten sich die Kinder angemessener, haben weniger Konflikte
und sind besser integriert.
In eine gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft hineinwachsen
In eine gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft hineinwachsen
Im „Ich bin stark!“-Gruppenkonzept liegt der Fokus auf der Prozessorientierung anstelle
der Produktorientierung. Dadurch ist es den Therapeutinnen möglich, dem Entwicklungsprozess
der Jugendlichen entsprechend Raum zu geben. Durch das Aufgreifen der Bedürfnisse
und Einflussfaktoren können sie die Außensteuerung weitestgehend reduzieren, da durch
die offene Konzeptgestaltung kein zeitlicher Druck gegeben ist, um ein vorgegebenes
Produkt oder Ziel zu erreichen. Die Jugendlichen können so die selbst entwickelten
Strategien besser verinnerlichen, was gleichzeitig zu einem besseren Alltagstransfer
führt. Somit ist „Ich bin stark!“ ein therapeutisches Konzept, das den Empowerment-Prozess
unterstützt, aber gleichzeitig dazu beiträgt, dass die Jugendlichen wieder in eine
gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft hineinwachsen.
In einer Erhebung zur Elternzufriedenheit mit „Ich bin stark!“ gaben die Eltern an,
dass sich die Kinder nach der Intervention den Anforderungen des Kontextes angemessen
verhalten, weniger Konflikte haben und besser in die Klasse integriert sind [6]. Für Therapeuten entsteht durch dieses Herangehen die Möglichkeit, die Klienten
noch mehr auf Augenhöhe zu begleiten und konsequent stärkenbasiert zu arbeiten. Die
Kinder und Jugendlichen entwickeln durch die Teilnahme an der Gruppe ihre eigene intrinsisch
gesteuerte Motivation zur Verhaltensanpassung und zum Alltagstransfer. Bei „Ich bin
stark!“ ist der Titel also Programm: Empowerment gelingt durch das Vertrauen in die
eigene Kraft der Klienten.
Sara Hiebl, Anja Junkers, Stefanie Völler