Operative Eingriffe für einen Gelenk- oder Kreuzbandersatz sind heute Routine. Dennoch
entwickeln 1–13 Prozent der Patienten im Nachhinein eine Arthrofibrose – die häufigste
Komplikation nach Verletzungen und operativen Eingriffen an Gelenken (HINTERGRUND).
In den meisten Fällen betrifft sie das Kniegelenk, kann aber auch in allen anderen
großen Gelenken auftreten.
Üblicherweise bezeichnet man die Arthrofibrose als „Verklebung“ und leitet daraus
die therapeutischen Maßnahmen ab. Durch intensive Physiotherapie mit postisometrischen
Dehnübungen und Motorschienen versucht man, das Bewegungsausmaß bis zur Entlassung
aus der stationären Behandlung mechanisch auf freie Streckung und mindestens 90 Grad
Beugung zu erweitern. In der anschließenden Reha oder ambulanten Physiotherapie wird
weiter versucht, mit passiven Dehnübungen nach dem „Verklebungsmodell“ das Gelenk
zu mobilisieren. Trotz intensiver Therapie lassen sich Beweglichkeit und Schmerzen
oft jedoch nicht wesentlich verbessern. In vielen Fällen tritt sogar eine Verschlechterung
ein. Die Patienten erhalten meist keine plausible Erklärung für diesen frustranen
Verlauf. Stattdessen wird ihnen zu Geduld und stärkerem Üben in Eigenregie geraten.
Bei Entlassung sind alternierendes Treppensteigen und Ergometerfahren dann häufig
noch nicht möglich.
Am häufigsten entwickelt sich eine Arthrofibrose nach Knie-TEP und Kreuzbandplastik.
Bei der erneuten Vorstellung empfiehlt der Operateur oft eine Narkosemobilisation,
operative Entfernung des „Narbengewebes“ oder weitere intensive Physiotherapie. Narkosemobilisationen
und arthroskopische bzw. offene Arthrolysen verbessern die Funktion jedoch meist nur
für kurze Zeit. Auch Prothesenwechsel haben in der frühen Phase der Erkrankung eine
hohe Rezidivrate von über 70 Prozent [1]. Im weiteren Verlauf steift das betroffene Gelenk dann zunehmend ein, sodass viele
Aktivitäten des täglichen Lebens nicht mehr möglich sind. Bei Patienten im Erwerbsleben
ist möglicherweise sogar die berufliche Existenz gefährdet. Wichtig ist es deshalb,
dieses weitverbreitete „Verklebungsmodell“ infrage zu stellen.
Neue Erkenntnisse aus der Fibrose-Forschung
Seit sechs Jahren ist nun ein neues Pathogenesemodell der Arthrofibrose (S. 35) bekannt,
das sich auf Ergebnisse aus der Fibroseforschung stützt [4], [6], [8]. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich weitgehend auf die Arthrofibrose
übertragen. Das neue Modell berücksichtigt die zellulären und biochemischen Vorgänge
während des Heilungsprozesses. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Fibroblasten
mechanisch sensibel sind und mechanischer Stress diese Zellen aktiviert sowie den
natürlichen Zelltod (Apoptose) verhindert. Dadurch kommt es zu einer starken Zell-
und Bindegewebsvermehrung. Dieses Gewebe wird in sehr kurzer Zeit mit Schmerznerven
versorgt, was die hohe Schmerzintensität bei der Mobilisation erklärt.
Neben dem mechanischen Stress erkannten Forscher den emotionalen Stress als Ursache
für die Arthrofibrose. Stresshormone in der Zellkultur führten dazu, dass sich Fibroblasten
stark vermehrten [2]. Dies deckt sich mit einer amerikanisch-ungarischen Studie, in der man Veränderungen
des Stoffwechsels und des Apoptoseverhaltens der Fibroblasten bei Patienten mit Depressionen
festgestellt hat [3]. Bei der Herzfibrose (Tako-Tsubo-Kardiomyopathie) ist bekannt, dass allein schon
emotionaler Stress diese schwere Erkrankung auslösen kann. Auch bei Patienten mit
Arthrofibrose ist oft eine emotionale Belastungssituation nachweisbar, die vielfache
Ursachen haben kann. In seltenen Fällen kann mehrere Monate nach Gelenkersatz allein
eine außerordentliche emotionale Belastung auslösen, dass das Gelenk fibrosiert. Um
das Risiko für diese Erkrankung zu mindern, sollte daher kein Patient operiert werden,
der sich in einer schwierigen emotionalen Situation befindet. Eine bestehende Depression
sollte zuerst fachärztlich und psychotherapeutisch behandelt werden. Auch private
und berufliche Belastungsfaktoren sollte der Operateur vorab ansprechen. Negativ wirken
sich zudem postoperative Komplikationen und klinische Versorgungsdefizite aus. Ein
fehlplatzierter Schmerzkatheter ohne ausreichende Schmerzlinderung kann in den ersten
Tagen post-OP zur Ausschüttung von „Substanz P“ führen, durch die die Arthrofibrose
mitverursacht werden kann.
Hintergrund – Arthrofibrose
Jährlich erkranken rund 50.000 Patienten in Deutschland an einer Arthrofibrose – alleine
18.000 davon im Rahmen einer Knie-TEP. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als
Männer, etwa im Verhältnis 3:2. Patienten erkranken insbesondere zwischen 20 und 30
Jahren sowie zwischen 55 und 65 Jahren. Bei Jüngeren sind meist Sportverletzungen
mit Kreuzbandersatz ursächlich, bei Älteren degenerative Veränderungen nach einer
TEP.
Bei der primären Form der Arthrofibrose ist das ganze Gelenk betroffen, und es treten in über 90 Prozent
der Fälle schon wenige Tage nach der Operation typische Beschwerden und Befunde auf,
die eine frühe Diagnostik ermöglichen. Die Patienten klagen über ein „Schraubstockgefühl“
und starke Schmerzen bei der Mobilisation. Die typischen Befunde sind eine immobile
Kniescheibe, starke Schmerzen bei Mobilisation sowie ein Streck- und/oder Beugeausmaß
von weniger als 0-0-90 Grad.
Die sekundäre Arthrofibrose dagegen hat meist eine mechanische oder infektiöse Ursache. Durch Instabilität
oder Fehlstellung der Endoprothese bzw. eine falsche Position des implantierten Kreuzbands
wird ein permanenter mechanischer Reiz ausgelöst, der zu einer meist lokal begrenzten
Ansammlung von fibrotischem Gewebe führt (Zyklops) [5]. Diese mechanische Ursache lässt sich nur operativ behandeln, indem man den chirurgischen
Fehler korrigiert [7], [9]. Oft kann man beide Arthrofibrose-Arten gleichzeitig an einem Gelenk beobachten,
die dann jeweils differenziert behandelt werden müssen.
Abb.: M. Hoffmann, Neu-Ulm
Bei der schmerzhaften Dehnung des betroffenen Gelenks wird ebenfalls der Neurotransmitter
„Substanz P“ freigesetzt, der durch Produktion der Wachstumsfaktoren die Arthrofibrose
verstärkt [6]. Auf Basis dieses neuen Krankheitsmodells entwickelte man ein Therapiekonzept, das
die genannten Ursachen berücksichtigt.
Wird die Arthrofibrose direkt post-OP behandelt, ist die Gelenkfunktion oft nach 6–8
Wochen wiederhergestellt.
So früh wie möglich mit der Therapie beginnen
Je früher man eine Arthrofibrose erkennt, desto schneller und effektiver lässt sich
die reparative Störung konservativ beheben. Wird sie sofort postoperativ diagnostiziert
und in der anschließenden Therapie auf die Behandlung nach dem „Verklebungsmodell“
verzichtet, lässt sich das überflüssige fibrotische Gewebe innerhalb von sechs bis
acht Wochen oft komplett abbauen und die normale Funktion des erkrankten Gelenks wiederherstellen
[13]–[15]. Je später die antifibrotische Therapie beginnt, desto weiter schreitet die Erkrankung
mit zunehmenden strukturellen Veränderungen fort. Im späten Stadium III der Arthrofibrose
sind dann meist operative Maßnahmen notwendig (ABB.).
Vorbild kann die Behandlung der „Herzfibrose“ sein, die bei früher Diagnose und mechanischer
Entlastung des Herzens ebenfalls innerhalb von sechs bis acht Wochen völlig heilbar
ist [12]. Auch am Beispiel der Hüftdysplasie kann man die Bedeutung der frühen Diagnose und
kausalen Therapie erkennen. Durch eine einfache Spreizhose lässt sich eine gravierende
Fehlentwicklung des Hüftgelenks mit vorzeitiger Koxarthrose verhindern. Wird die Diagnose
zu spät gestellt, sind aufwendige operative Eingriffe nötig [15].
Auf die typischen Symptome achten
Neben Beachtung der typischen Symptome bei Arthrofibrose empfiehlt sich bei der Diagnostik
eine histologische Untersuchung [8]. Selbst wenn keine Arthrofibrose vorliegt (falsch positive Diagnose), wirkt sich
die antifibrotische Therapie nicht negativ auf den weiteren Verlauf aus. Die laborchemische
Untersuchung der Xylosyltransferase-Aktivität (XT) im Serum und Gelenkpunktat evaluieren
Forscher aktuell in einer multizentrischen Studie. Sie lässt sich zurzeit noch nicht
diagnostisch einsetzen. Das Enzym Xylosyl spiegelt die Fibroblastenaktivität im Gelenkbinnenraum
wider. Aktuell ist die XT schon als Biomarker in der Diagnostik der Sklerodermie und
Leberfibrose nutzbar [2]. In späteren Stadien können weitere typische Beschwerden und Befunde nachgewiesen
werden, wodurch sich die Diagnose zusätzlich sichern lässt.
Auch andere Erkrankungen können zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung führen
und sollten im Behandlungsverlauf beachtet werden. Dazu gehören postoperative Narbenneurome,
eine Lockerung der Endoprothese, retropatellare Arthrose, Fibromyalgie, CRPS (Complex
Regional Pain Syndrome), Gelenkinstabilitäten, Overstuffing (falsche Gelenkgröße),
Fehlposition des Kunstgelenks oder des Transplantats, Low-Grade-Infekte (chronische
geringfügige Infekte) und somatoforme Schmerzstörungen. Alle diese Erkrankungen zeichnen
sich durch andere typische Beschwerden aus, sodass sie sich von der primären Arthrofibrose
gut unterscheiden lassen.
Pathologisches Gewebe abbauen
Ziel der Therapie ist es, die Funktion des betroffenen Gelenks wiederherzustellen.
Unter keinen Umständen sollte man versuchen, ein krankes Gelenk beweglich zu machen.
Dadurch würde man das intraartikuläre fibrotische Gewebe, das die Bewegung hemmt,
immer wieder neu verletzen. Ist das pathologische Gewebe abgebaut, kehrt das betroffene
Gelenk von selbst wieder in seine physiologische Beweglichkeit zurück.
Prinzipiell kann jeder Physiotherapeut Patienten mit Arthrofibrose erfolgreich behandeln,
wenn er die Erkrankung mit ihren zellulären und enzymatischen Ursachen kennt. Wenn
diese Voraussetzungen ambulant nicht gegeben sind, empfiehlt sich eine stationäre
oder ambulante Reha in einer Einrichtung, in der Ärzte und Therapeuten mit dem neuen
Krankheitsmodell vertraut sind.
Wichtig ist, dass die Patienten alles vermeiden, was Wachstumsfaktoren freisetzt und
damit die Fibroblasten aktiviert, – sie sollten beispielsweise nur schmerzfreie Bewegungen
durchführen. Treppensteigen im Wechselschritt ist erst dann erlaubt, wenn die Patienten
ihr Kniegelenk mindestens 100 Grad beugen können – vorher nur im Beistellschritt.
Auch Fahrrad- oder Ergometerfahren ist erst bei über 90 Grad Beugung oder mit Kurbelverkürzung
zur Kreislaufaktivierung therapeutisch sinnvoll. Längere Gehstrecken sind nur erlaubt,
wenn sich das „Schraubstockgefühl“ danach nicht verstärkt. Für alles gilt das Prinzip:
Weniger ist mehr! Die folgenden therapeutischen Maßnahmen können ambulant und stationär
erfolgen:
Manuelle Lymphdrainage
Die manuelle Lymphdrainage aktiviert den Parasympathikus und wirkt sich damit positiv
auf das vegetative Nervensystem aus. Besonders wichtig ist es, die Intensität an die
individuelle Schmerzempfindlichkeit anzupassen. Eine apparative intermittierende Kompression
ist nicht geeignet.
Einzeltherapie
Patienten mit Arthrofibrose sollten keine schmerzhaften passiven Dehnübungen erhalten,
um nicht erneut fibrotische Prozesse zu begünstigen. Stattdessen eignen sich leichte
und schmerzfreie Mobilisationen. Auch osteopathische Techniken lassen sich einsetzen,
um die Selbstheilungskräfte des Körpers zu fördern.
Zelluläres, zytokinbasiertes Pathogenese-Modell der primären Arthrofibrose nach Faust
und TrautAbb.: modifiziert nach Faust I, Traut P, Nolting F et al. Human xylosyltransferases
– mediators of arthrofibrosis? New pathomechanistic insights into arthrofibrotic remodeling
after knee replacement therapy. Sci Rep 2015; 5: 12537
Medizinische Trainingstherapie
Medizinische Trainingstherapie dient der Stabilität, Kraft und Ausdauer. Bei Patienten
mit Arthrofibrose erfolgt diese stets mit Einzelbetreuung. Auch hier ist es wichtig,
dass die Patienten im schmerzfreien Bereich bleiben. Durch Kräftigung der kontralateralen
gesunden Körperhälfte lassen sich Crossing-Effekte nutzen.
Motorschiene (CPM-Schiene)
Eine Motorschiene kommt nur bei Knie-TEP zum Einsatz. Auf sich wiederholende Dehnungen
verzichtet man dabei, um keine Fibroblasten zu aktivieren. Zudem gilt: Im schmerzfreien
Bereich bleiben!
Wassergymnastik
Sobald die Wundheilung abgeschlossen ist, können Patienten zur Wassertherapie. Diese
entlastet die Gelenke, entspannt die Muskulatur, fördert den Lymphabfluss und macht
das Gewebe elastisch.
Gangschule
Die Gangschule wird für Patienten mit Arthrofibrose in der Physiotherapie einzeln
durchgeführt. Sie zielt darauf ab, ein möglichst physiologisches Gangbild zurückzuerlangen
oder eine Verbesserung zu erzielen. Zudem eignen sich Übungen für die Kniestabilität.
Spiegeltherapie
Spiegeltherapie ist für alle Patienten mit Arthrofibrose geeignet, vor allem für die,
die zusätzlich ein CRPS bzw. Morbus Sudeck entwickelt haben. Diese reparative Störung
tritt relativ häufig bei etwa 15 Prozent aller Patienten mit Arthrofibrose auf. Voraussetzung
für die Spiegeltherapie ist, dass die Patienten psychisch stabil, kognitiv belastbar
und konzentrationsfähig sind.
Basisches Fußbad
Mit basischen Bädern wird der Körper über die Fußsohle lokal entsäuert. Über Osmose
kann er dabei den Säure-Basen-Haushalt ausgleichen. Nach dem Bad sollte der Patient
viel trinken, um den Körper dabei zu unterstützen, die sauren Abbauprodukte abzutransportieren.
Der Sympathikus als Teil des vegetativen Nervensystems versetzt den Körper bei Arthrofibrose
in erhöhte Leistungsbereitschaft und baut dabei Energiereserven ab. Das warme Wasser
beruhigt den Sympathikus, verbessert die Durchblutung und entspannt die Muskeln.
Fußreflexzonenmassage
Die Fußreflexzonenmassage lässt sich als beruhigende Maßnahme einsetzen und unterstützt
die Wirkung des basischen Bades. Der Reiz auf die Reflexzone wird zum zentralen Nervensystem
weitergeleitet, dort umgeschaltet und ruft eine Reaktion hervor. Durch die Fußreflexzonenmassage
lassen sich so einige Zustände des Stoffwechsels und Schmerzzustände positiv beeinflussen.
Bindegewebsmassage (BGM)
Mit der BGM beeinflusst der Therapeut ebenfalls das vegetative Nervensystem. Mit leichten
Strichen spricht er dabei den Parasympathikus, mit stärkeren den Sympathikus an. Bei
der Arthrofibrose ist der Parasympathikus wichtig, da dieser für die allgemeine Entspannung,
Schlaflust und vermehrte Ausscheidung zuständig ist.
Mikrostromtherapie
Mit Mikrostrom stimuliert man das Gewebe, um Schmerzen zu lindern. Die ATP-Synthese,
die die Proteinsynthese anregt, wird mit extrem schwachen elektrischen Strömen im
Mikroampere-Bereich erhöht. Dabei lassen sich die bei Patienten mit Arthrofibrose
verminderte Energieversorgung des Gewebes und der Lymphabfluss verbessern. Heilungs-
und Regenerationsprozesse im Stoffwechsel bzw. Wundheilungsprozesse lassen sich dadurch
anregen bzw. verbessern.
Pulsierende elektromagnetische Felder (PEMF) und ZRT-Matrix-Therapie
Durch die apparativen physikalischen Behandlungsmethoden lässt sich die Mikrozirkulation
nachweislich um bis zu 30 Prozent steigern, ähnlich wie durch eine Lymphdrainage mit
verbessertem Abtransport der Zytokine und Stoffwechselprodukte und Normalisierung
des Sauerstoff- und Nährstoffangebotes. Mehrere placebo-kontrollierte Doppelblindstudien
konnten diesen Effekt für PEMF zeigen [16]. Die Behandlungsformen sind eine sinnvolle Ergänzung, da der Patient sie auch in
Eigenregie durchführen kann und damit negative Behandlungsunterbrechungen ausbleiben.
Autogenes Training und progressive Muskelrelaxation
Zur Entspannung eignen sich Techniken wie Autogenes Training, Achtsamkeitstraining,
therapeutisches Yoga, Qi Gong und Progressive Muskelentspannung, um die Selbstwirkungskräfte
zu aktivieren. Durch diese Techniken wird der Sympathikotonus normalisiert, was die
reparative Potenz stärkt. Auch ein Wellnessurlaub ist zur Balancierung des vegetativen
Systems sinnvoll.
Ernährungsberatung
Patienten mit Arthrofibrose sollten bei Bedarf eine individuelle Einzelberatung zur
unterstützenden gesunden Ernährung erhalten. Durch die antifibrotische Therapie wird
die Apoptose (gewünschter Zelltod) der Fibrobroblasten gefördert mit Abbau der extrazellulären
Matrix durch Metallproteinasen (MMPs). Das abgebaute Gewebe wird durch Autophagie
vom Körper verwertet. Dieser Prozess könnte durch eine tägliche Nahrungskarenz von
etwa 14 bis 16 Stunden gefördert werden [17]. In der Regel kommt es dabei zu einem leichten Gewichtsverlust. Im Vordergrund steht
jedoch die Aktivierung der Stoffwechselprozesse.
Sozialberatung und psychologische Einzelgespräche
In der Reha erhalten die Patienten zudem ein psychologisches Einzelgespräch und eine
orientierende Sozialberatung, um frühzeitig negative Kontextfaktoren zu erkennen.
Denkbar sind hier die Gefahr einer Erwerbsminderung oder eines Arbeitsplatzverlustes,
finanzielle Sorgen, Angst vor sozialem Abstieg, emotionaler Stress, chronische Schmerzproblematik
und Depression. Bei Bedarf werden geeignete entlastende Maßnahmen durchgeführt, eingeleitet
oder empfohlen.
Informationsveranstaltungen
Ergänzend kann man den Patienten informative Vorträge zu den Themen Stressbewältigung,
gesunde Ernährung, berufliche Zukunft und Schwerbehindertenrecht empfehlen. Die Ursachen
und Therapieprinzipien zu erklären, fördert die Mitarbeit der Patienten.
Zusatzverordnungen nach Bedarf
Nach individuellem Bedarf erhalten Patienten mit Arthrofibrose folgende Zusatzverordnungen:
Hilfsmittelversorgung, ergotherapeutische ADL-Schulungen, Adipositas-Gruppe (Lehrküche
und Selbsthilfegruppe), Arbeitsplatzberatung (Einzel).
Medikamentöse Therapie
Aktuell gibt es bei Arthrofibrose nur eine Off-Label-Therapie, die mit den Patienten
besprochen werden muss. Es sind aber Medikamente (Prednisolon und Propanolol) vorhanden,
die seit vielen Jahren in ihren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt sind. Unter Beachtung
der Kontraindikationen können sie zusätzlich eingesetzt werden, vor allem bei starken
Schmerzen im Stadium I–II. Sie haben allerdings nur eine symptomatische Wirkung, ohne
direkt die Apoptose zu fördern, sodass man auf ihren Einsatz bei Gegenanzeigen verzichten
kann, ohne den Erfolg der Therapie zu gefährden. Eine fachlich korrekte Physiotherapie
und geeignete Verhaltensmaßnahmen der Patienten sind für den Heilungserfolg deutlich
wichtiger.
Chirurgische Versorgung
Sind die konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft, können nach über einem
Jahr zusätzlich chirurgische Maßnahmen mit anschließender antifibrotischer Nachbehandlung
nötig sein. Die chirurgischen Techniken mit der speziellen Nachsorge lesen Sie in
einer der nächsten Ausgaben von physiopraxis.
Gelenk als „Spiegel der Seele“
Bei früher Diagnose und antifibrotischer Therapie kommt es in relativ kurzer Zeit
zur völligen Ausheilung der reparativen Störung, sodass eine spezielle Nachsorge nicht
erforderlich ist. Wenn die Behandlung erst in einem späten Stadium II oder III einsetzt,
bleibt oft eine Empfindlichkeit auf höheren mechanischen oder emotionalen Stress zurück.
Einige Patienten berichten, dass ihr Kniegelenk ein „Spiegel ihrer Seele“ sei und
sich bei emotionaler Belastung verschlechtere. Für diese Patienten ist es wichtig,
Techniken zu erlernen, die ihnen die innere Anspannung nehmen. Es gibt viele Patienten,
bei denen bei bestehender Arthrofibrose das andere paarige Gelenk operiert werden
musste. Bei den meisten ist an dem anderen Gelenk keine Arthrofibrose aufgetreten,
sodass wesentliche genetische Faktoren wohl nicht ursächlich sind. Vor einem operativen
Gelenkeingriff sollten eine emotionale Ausgeglichenheit und ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis
zum Operateur bestehen.
Fazit
Die Arthrofibrose ist eine Erkrankung, die gut physiotherapeutisch behandelt werden
kann. Therapeuten sollten früh an diese Diagnose denken und eine antifibrotische Therapie
einleiten. Eine falsch positive Diagnose wirkt sich im Zweifel nicht negativ auf den
weiteren Behandlungsverlauf aus. Das Behandlungsziel sollte sein, das fibrotische
Gewebe abzubauen – dann verbessern sich Schmerzen, Schraubstockgefühl und Beweglichkeit
in relativ kurzer Zeit. Die bisherige mechanisch orientierte Behandlung nach dem „Verklebungsmodell“
mit passivem Dehnen sollte der Vergangenheit angehören. Da die Patienten zuerst und
am intensivsten durch Physiotherapeuten betreut und behandelt werden, können diese
in besonderem Maße zum Therapieerfolg beitragen.
Philipp Traut und Uwe Rückert