Schlüsselwörter
Morbus Parkinson - Tiefe Hirnstimulation - Nucleus subthalamicus
Key words
Parkinsonʼs disease - Deep brain stimulation - Subthalamic nucleus
GPi Globus pallidus internus
IPG Implantierbarer Generator
STN Nucleus subthalamicus
THS Tiefe Hirnstimulation
Einleitung
Der Morbus Parkinson ist mit einer Inzidenz von 100–200 Neuerkrankungen pro
100 000 Einwohnern pro Jahr in Deutschland die zweithäufigste
neurodegenerative Erkrankung. Die Prävalenz von 0,3% in der
Gesamtbevölkerung steigt mit zunehmendem Alter an und beträgt
1% in der Altersgruppe über 65 Jahre [1]. Aufgrund des demografischen Wandels mit steigender Lebenserwartung
wird die Häufigkeit der Parkinson-Krankheit künftig weiter
zunehmen.
Klinisch ist der Morbus Parkinson charakterisiert durch die motorischen
Kardinalsymptome Bradykinese, Rigor und/oder Tremor sowie durch eine
Vielzahl nichtmotorischer Symptome.
Neuropathologisch ist der Untergang dopaminerger Neurone in der Substantia nigra pars
compacta für die Ausbildung der motorischen Symptomatik verantwortlich. Die
medikamentöse Behandlung der motorischen Symptome zielt daher im
Wesentlichen auf die Verringerung des nigrostriatalen dopaminergen Defizits ab.
Patientenvorstellung
Herr M., 41 Jahre alt, stellt sich mit einem seit 9 Jahren bestehenden
idiopathischen Parkinson Syndrom (Hoehn und Yahr-Stadium III) vor.
Parkinson-Medikation: Insgesamt 1000/250 mg L-Dopa/Benserazid,
aufgeteilt auf 6 Einzeldosen. Dazu 50 mg Opicapon und 100 mg Amantadin
täglich. Pramipexol retard (2,1 mg/d) wurde aufgrund von
Impulskontrollstörungen kürzlich ausschleichend abgesetzt.
Der Patient klagt unter der aktuellen Medikation über hypokinetische
Phasen, die 50% der Tageszeit bestehen und z. T. abrupt im Sinne von
Sudden-Off Zuständen einsetzen. Dazu kommt es zu regelhaften
peak-of-dose Hyperkinesen. An vegetativer Symptomatik bestehen ein leichter
orthostatischer Schwindel und eine Obstipation. Die Stimmung schwankt im Sinne
von non-motor fluctuations. OFF-assoziiert kommt es regelmäßig
zu Panikattacken mit vegetativer Begleitsymptomatik. Konzentration und
Gedächtnis sind weitestgehend stabil. Impulskontrollstörungen in
Form von Spielsucht und Hypersexualität sind seit Absetzen von
Pramipexol rückläufig aber noch nicht vollständig
abgeklungen. Es stellt sich die Frage, ob eine tiefe Hirnstimulation in diesem
Fall indiziert ist.
Grenzen der medikamentösen dopaminergen Therapie
Grenzen der medikamentösen dopaminergen Therapie
Seit der Einführung vor 50 Jahren gilt L-Dopa als wirksamste und gleichzeitig
sichere Substanz in der symptomatischen Behandlung des M. Parkinson, sodass fast
jeder Patient im Laufe seiner Erkrankung auf eine regelmäßige
Einnahme von L-Dopa angewiesen ist.
Unter der dopaminergen Behandlung und mit Fortschreiten der Erkrankung treten
hypokinetische Wirkfluktuationen und Dyskinesen auf, die die Lebensqualität
zunehmend beeinträchtigen.
Darüber hinaus kann es zu neuropsychiatrischen Nebenwirkungen wie
Impulskontrollstörungen, Schlafstörungen, dem
L-Dopa-Dysregulations-Syndrom und Halluzinationen kommen. Motorische
Spätkomplikationen und Nebenwirkungen können die
Effektivität der medikamentösen Therapie deutlich
einschränken und sich enorm auf die Lebensqualität der Betroffenen
auswirken. In der Tat entwickeln 50% aller Parkinson-Patienten bereits nach
den ersten drei Jahren der Behandlung („honeymoon phase“) erste
motorische Fluktuationen [2]. Als Risikofaktoren
gelten [3]
[4]:
Motorische Fluktuationen und Dyskinesien stellen in fortgeschrittenen Stadien der
Parkinson-Erkrankung eine der wesentlichen therapeutischen Herausforderungen dar.
Ist eine zufriedenstellende Pharmakotherapie nicht mehr möglich, sollte die
Indikation zur Hirnstimulationsbehandlung geprüft werden.
Tiefe Hirnstimulation (THS) – Einleitung
Tiefe Hirnstimulation (THS) – Einleitung
Bei der THS erfolgt eine Implantation von Elektroden im Rahmen eines funktionellen
stereotaktischen Eingriffs in der Regel bilateral in eine subkortikale Zielstruktur,
die abhängig von der zu behandelnden Erkrankung gewählt wird. Die
Stimulationselektroden werden durch ein subkutan verlaufendes Extensionskabel mit
einem infraklavikulär oder abdominal implantierten Impulsgenerator (IPG)
verbunden. Die Behandlung des fortgeschrittenen M. Parkinson wurde mit dem bis heute
verwendeten Zielpunkt Nucleus subthalamicus (STN) erstmals 1994 von Benabid
beschrieben [5], nachdem im Tierexperiment
nachgewiesen worden war, dass dieser Basalganglien-Kern bei der Parkinson-Erkrankung
eine pathologische Überaktivität zeigt. Die STN-THS hat sich seither
zu einer sehr wirksamen, sicheren und evidenzbasierten Therapie des
fortgeschrittenen M. Parkinson etabliert. Neben dem STN wird insbesondere in den USA
auch der Globus pallidus internus (GPi) als Zielgebiet für die Stimulation
gewählt. Zurzeit sind in Deutschland THS-Systeme von 3 Herstellern (Abbott,
Boston Scientific, Medtronic) zur Therapie zugelassen. Technische Fortschritte haben
in den vergangenen Jahren zu Verbesserungen der Systeme geführt, die
höhere Freiheitsgrade in der therapeutischen Einstellung der Schrittmacher
erlauben, gleichzeitig aber auch eine größere Expertise der
behandelnden Neurologen verlangen.
Wirkmechanismen der THS des Nucleus subthalamicus (STN-THS)
Wirkmechanismen der THS des Nucleus subthalamicus (STN-THS)
Ursprünglich wurde als wesentlicher Wirkmechanismus der THS eine neuronale
Inhibition des Zielgebietes abgenommen, da mit einer Läsion ein
vergleichbarer Effekt auf Symptomebene erzielt werden kann wie mit der Stimulation.
Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass es durch die Stimulation zu einer
direkten Erregung von Axonen kommt [6].
Tierexperimentelle Untersuchungen legen nahe: als Mechanismus der STN-THS spielt die
antidrome Aktivierung des hyperdirekten Fasertrakts zwischen STN und Motorcortex mit
resultierender Hemmung pathologisch gesteigerter β-Oszillationen vermutlich
eine entscheidende Rolle [7]. Auch bei Parkinson
Patienten konnte gezeigt werden, dass die STN-THS mit einer Suppression
verstärkter β-Oszillationen im STN einhergeht und diese mit der
Besserung von Akinesie und Rigor korreliert [1]
[8]. Die genauen Mechanismen der
STN-THS auf molekularer, zellulärer, lokaler und Netzwerkebene sind jedoch
noch weitgehend ungeklärt und aktueller Gegenstand wissenschaftlicher
Untersuchungen.
STN und Globus pallidus internus (GPi) sind Zielgebiete für die THS bei
Parkinson, wobei in Europa der STN der bevorzugte Zielpunkt ist. Die STN-THS
führt zur Suppression gesteigerter β-Oszillationen.
Praktisches Vorgehen
Die Durchführung einer erfolgreichen STN-THS beruht auf mehreren
Säulen und erfordert die interdisziplinäre Kooperation in einem
spezialisierten Team aus Neurologen, funktionellen Neurochirurgen, Neuropsychologen,
Psychiatern und spezialisierten Pflegekräften. Sie fängt mit der
korrekten Indikationsstellung und Auswahl der richtigen Patienten an und beinhaltet
das perioperative Management sowie die postoperative Langzeitbetreuung.
Befunde
Der Patient wurde stationär zur Abklärung einer THS Indikation
aufgenommen. Folgende Befunde liegen vor:
-
MRT: altersentsprechender unauffälliger Befund, insbesondere
keine relevante Atrophie.
-
L-Dopa-Test: gutes Ansprechen auf L-Dopa. UPDRS III im Med-OFF: 34
Punkte, Med-ON: 14 Punkte.
-
Neuropsychologie: kein Hinweis auf eine klinisch relevante kognitive
Beeinträchtigung. MDRS: 135/144 Punkte; MoCA:
27/30 Punkte.
Patientenselektion
Für die Indikation zur STN-THS muss das Vorliegen eines idiopathischen
Parkinson-Syndroms mit medikamentös nicht mehr befriedigend behandelbaren
motorischen Fluktuationen, Dyskinesien und/oder Tremor gesichert sein.
Atypische oder sekundäre Formen müssen ausgeschlossen werden, da sie
von einer THS nicht profitieren.
Entsprechend gilt das prinzipielle medikamentöse Ansprechen von Akinese und
Rigor auf L-Dopa, definiert als eine Verbesserung im UPDRS III um mindestens
30% im einzeitigen L-Dopa-Test, als wichtiges Einschlusskriterium und
gleichzeitig als Prädiktor für das therapeutische Ansprechen auf die
STN-THS. Ausgenommen von dieser Bedingung ist das Zielsymptom Tremor, da die STN-THS
auch bei fehlender Wirkung der dopaminergen Medikation eine gute Tremorsuppression
zeigt.
Aufgrund neuerer Daten können das Vorliegen nichtmotorischer
neuropsychiatrischer Fluktuationen wie OFF-assoziierte Depressions- und
Angstzustände sowie nebenwirkungsbedingte Impulskontrollstörungen im
Rahmen der dopaminergen Therapie als unterstützende Kriterien für
die Indikationsstellung betrachtet werden [9].
Einfluss des Patientenalters
Weitere Kriterien zur THS-Indikation sind das Patientenalter und die
Erkrankungsdauer. Hinsichtlich des Alters des Patienten ist das individuelle
biologische Alter entscheidend. Jüngere Patienten scheinen im Vergleich
zu älteren Patienten von einer signifikant höheren
Lebensqualität nach THS zu profitieren [10]. Es gibt allerdings keine festen Empfehlungen in Bezug auf eine
starre Altersgrenze. Entscheidungen sind individuell zu treffen. Die Indikation
einer STN-THS jenseits des 75. Lebensjahrs sollte jedoch sehr kritisch
überprüft werden, da sich ein altersentsprechend reduzierter
Allgemeinzustand durch die Operation dauerhaft verschlechtern kann und sich z.
B. eine beginnende aber bislang klinisch noch kompensierte kognitive
Beeinträchtigung durch den Eingriff akzentuieren kann.
Weitere Selektionskriterien
Hinsichtlich der Erkrankungsdauer wurden in den ersten 2 Dekaden der THS
Anwendung typischerweise Patienten behandelt, die im Mittel 10–14 Jahre
erkrankt waren, tägliche OFF-Zeiten zwischen 4 und 8 Stunden hatten und
sich somit in einem fortgeschrittenen Stadium befanden. Eine EARLY-STIM-Studie
[11], hat jedoch gezeigt, dass die STN-THS
auch bei Patienten mit einer mittleren Krankheitsdauer von im Schnitt 7 Jahren
einer bestmöglichen medikamentösen Therapie bezüglich
des primären Outcome Parameters Lebensqualität und weiterer
Parameter signifikant überlegen ist. Demzufolge hat sich das Zeitfenster
für STN-THS zum mittleren Krankheitsstadium hin erweitert. Zu
berücksichtigen sind dabei jedoch die spezifischen Einschlusskriterien
der EARLY-STIM-Studie.
Einschlusskriterien der EARLY-STIM-Studie
-
Erkrankungsdauer >4 Jahre
-
keine Hinweise auf ein sekundäres oder atypisches
Parkinsonsyndrom
-
exzellentes Ansprechen auf Levodopa (> 50 % im
standardisierten L-Dopa-Test)
-
mindestens leichte Wirkfluktuationen
-
keine relevante Komorbidität
-
Zugang zu einem Zentrum mit einem erfahrenen
multidisziplinären Team hinsichtlich Patientenselektion,
Operation, Programmierung und Nachsorge
Als Kontraindikationen für eine STN-THS gelten generell schwere
Allgemeinerkrankungen, erhöhte Blutungsneigung, manifeste psychiatrische
Erkrankungen wie z. B. eine medikamentös schwer behandelbare
Depression, Demenz, und neurochirurgische Kontraindikationen.
Zum Ausschluss einer Demenz bzw. einer relevanten kognitiven Störung
werden die Mattis Demenz Rating Scale (MDRS, Cut-Off-Score >130) sowie
das Montreal Cognitive Assessement (MoCA, Cut-Off-Score >26)
angewandt.
Neben diesen Faktoren sollte unbedingt auch die Zielsetzung der THS klar
kommuniziert werden. Eine realistische Erwartungshaltung des Patienten und
seines sozialen Umfelds ist von großer Bedeutung für ein
befriedigendes Gesamtergebnis. Die THS ist eine symptomatische Behandlung und
das übergeordnete Ziel die Verbesserung der Lebensqualität.
Daher sollten die für den Patienten entscheidenden Faktoren der
Lebensqualitätsminderung identifiziert und deren Ansprechen auf die THS
bewertet werden. Bei korrekter Indikationsstellung ist die
Lebensqualität nicht nur ein wichtiger Outcome-Parameter, sondern auch
ein Outcome-Prädiktor der STN-THS. Je geringer die
Lebensqualität – gemessen mit dem PDQ39 – vor der
Operation ist, desto größer ist die Verbesserung der
Lebensqualität nach 2 Jahren STN-THS [11].
Indikationskriterien
-
Vorliegen eines idiopathischen Parkinson Syndroms mit einem der
folgenden medikamentös nicht befriedigend behandelbaren
Symptome:
-
Behindernde Wirkungsfluktuationen/Dyskinesien
-
Therapierefraktärer Tremor
-
Dopamin-assoziierte, therapielimitierende Nebenwirkungen
-
Gutes Ansprechen der Symptome auf L-Dopa; Tremor zählt nicht
dazu (UPDRS III Besserung >33% bei L-Dopa-Test).
-
Realistische Erwartungshaltung und stabile soziale Situation
-
Unauffälliger MRT Befund
-
Zugang zu einem spezialisierten Zentrum mit erfahrenem
interdisziplinärenTeam
Ausschlusskriterien
-
Atypische Parkinsonsyndrome
-
Schwere Allgemeinerkrankungen
-
Relevante kognitive Defizite (MDRS <130 Punkte)
-
Relevante chirurgische Risikofaktoren (z. B.
Blutungsneigung)
-
Relevante pathologische Veränderungen in MRT
-
Schwere Depression
Generell sprechen alle L-Dopa-responsiven Symptome auf die STN-THS an.
Hypodopaminerge motorische und nichtmotorische Wirkfluktuationen können
deutlich reduziert werden. Ferner werden hyperdopaminerge motorische Symptome
wie Dyskinesien und nichtmotorische Symptome wie Impulskontrollstörungen
aufgrund der durch die STN-THS mögliche Reduktion der dopaminergen
Medikation gebessert. Insgesamt resultiert daraus eine Verlängerung der
Zeiten in einem guten motorischen und psychischen ON-Zustand. Nicht
L-Dopa-responsive Symptome wie posturale Instabilität im
medikamentösen ON sprechen dagegen nicht auf die STN-THS an.
Perioperatives Management
Perioperatives Management
Voraussetzung für eine erfolgreiche Elektrodenimplantation sind die
präzise Zielpunktlokalisation und Trajektplanung basierend auf der
individuellen Patientenanatomie. Dazu werden heute in der Regel MRT und
stereotaktische CT-Bilder fusioniert ([Abb. 1]),
um die im MRT identifizierten Zielpunkte und die Elektrodentrajekte in das
stereotaktische Koordinatensystem überführen zu können.
Intraoperativ kann die anatomische Zielpunktlokalisation elektrophysiologisch und
klinisch durch Mikroelektrodenableitungen (MER) und intraoperative Teststimulation
unterstützt werden. Mittels MER werden die Grenzen des STN ermittelt, indem
auf verschiedenen Höhen entlang des Trajekts neuronale Aktivität
abgleitet wird. Mit der intraoperativen Teststimulation, die im Wachzustand des
Patienten erfolgen muss, werden therapeutische Effekte und mögliche
Nebenwirkungen im Bereich des angesteuerten Zielpunktes überprüft
[1]. Die Ergebnisse von MER und
Teststimulation können in manchen Fällen zu einer Anpassung des
gewählten anatomischen Zielpunktes führen. Die finale Platzierung
der THS-Elektrode wird also auf der Basis der anatomischen Zielpunktlokalisation
unter Berücksichtigung der Ergebnisse der intraoperativen Mikroableitungen
und Teststimulation gewählt.
Abb. 1 Darstellung einer THS-Elektrode im STN anhand fusionierter
DTI-MRT-/CT-Aufnahmen.
Perioperatives Risiko
Die THS-Operation gilt generell als relativ komplikationsarm. Die
Häufigkeit perioperativer
Komplikationen wurde in einer Metaanalyse mit 728 Patienten wie folgt beschrieben
[12]:
Intraoperativ: symptomatische intrazerebrale Blutung (1,1%);
ischämischer Schlaganfall (0,4%); Hypotension (0,3%);
epileptischer Anfall (0,3%).
Postoperativ: Infektion (1,7%); Elektroden Dislokation (1,7%);
Hardware-assoziierter Dyskomfort (1,1%).
Behandlung
Es erfolgte eine komplikationslose Implantation der Elektroden in den STN und des
IPG.
Im monopolaren Review wurden alle Elektrodenkontakte direktional sowie
omnidirektional ausgetestet, um die besten Kontakte und die initialen Parameter
für die chronische therapeutische Stimulation des Patienten zu
ermittelt. Während des monopolaren Reviews wurden folgende
Stimulationsparameter konstant gehalten: monopolar; IPG (+); Pulsbreite
60 µs und Frequenz 130 Hz. Die Intensität wurde
dabei variiert und die therapeutischen, sowie die Nebenwirkungsschwellen
dokumentiert. Als beste Kontakte wurden diejenigen mit dem
größten therapeutischen Fenster (Differenz zwischen
Nebenwirkungsschwelle und therapeutischer Schwelle) definiert.
Im Verlauf zeigte sich unter der chronischen Stimulation eine gute
Symptomkontrolle mit Besserung des Gangbildes sowie Reduktion der Fluktuationen
und Dyskinesien mit entsprechender Zunahme der ON-Zeiten ohne Dyskinesien. Die
dopaminerge Medikation konnte von 1000 mg auf 600 mg L-Dopa
reduziert werden.
Stimulationsparameter bei Entlassung
STN links: Kontakt 2; Segment B; Intensität 1,4 mA; Pulsbreite 60
µs, Frequenz 130 Hz
STN rechts: Kontakt 10; Segment A; Intensität 1,5 mA; Pulsbreite
60 µs, Frequenz 130 Hz
Medikation: 600/150mg L-Dopa/Benserazid täglich, verteilt
auf vier Tagesdosen. Dazu 50 mg Opicapon.
Anschließend wurde eine erneute stationäre Aufnahme zur Kontrolle
der Stimulationsparameter nach 3 Monaten empfohlen.
Programmierung
Nach der erfolgreichen Elektroden- und IPG-Implantation erfolgt die Programmierung
der Parameter für die chronische therapeutische Stimulation. Nach der
Operation tritt häufig ein Setz- bzw. Mikroläsionseffekt mit
vorübergehender Symptomlinderung ein. Daher empfiehlt es sich, unmittelbar
postoperativ zunächst eine vorläufige Auswahl der
Stimulationskontakte für die therapeutische Stimulation auf der Basis der
anatomischen Zielpunktlokalisation vorzunehmen.
Test der Stimulationskontakte
Nach Abklingen des Setzeffektes können die Stimulationskontakte dann
detailliert in sogenannten monopolaren Reviews ausgetestet werden. Nach Absetzen
der dopaminergen Medikamente für mindestens 12 Stunden wird dabei der
klinische Effekt der Stimulation jedes einzelnen Elektrodenkontakts separat
ausgetestet. Dabei wird die Wirkung auf motorische Symptome auf der Basis
standardisierter Scores wie dem UPDRS-III bewertet. Nebenwirkungen werden
individuell dokumentiert. Der Effekt der Stimulation hängt
primär von der Größe und Form des erzeugten elektrischen
Feldes ab. Diese können über die Parameter Intensität,
Frequenz, Pulsbreite, Direktionalität und Polarität gesteuert
werden.
Die Zahl theoretisch möglicher Kombinationen von Stimulationsparametern
ist viel zu hoch, um sie in der Praxis austesten zu können. Daher geht
man beim monopolaren Review nach einem etablierten Algorithmus vor [13], bei dem die Polarität (monopolar;
IPG (+)), die Pulsbreite (60µs) und Frequenz (130Hz) konstant
gehalten werden und lediglich die Intensität variiert wird.
Bei herkömmlichen nicht-segmentierten Elektroden und omnidirektionaler
Stimulation wird zur Austestung initial eine Schrittgröße von
0,5 mA gewählt. Bei direktionaler Stimulation mit segmentierten
Elektroden führt eine gegebene Stromamplitude im Vergleich zur
omnidirektionalen Stimulation zu einer höheren Ladungsdichte am Kontakt.
Daher sind niedrigere Schwellenwerte für eine klinische Verbesserung
einerseits und Nebenwirkungen andererseits zu erwarten. Aus diesem Grund sollte
primär eine kleinere Schrittgröße von 0,2 mA bei der
Erhöhung der Stimulationsamplitude gewählt werden. Folgend kann
eine feinere Adjustierung mit Schritten von 0,1 mA vorgenommen werden, um die
therapeutische Schwelle genauer zu definieren.
Als therapeutische Schwelle wird die Stimulationsintensität verstanden,
die eine klinisch relevante Symptombesserung hervorruft. Die
Nebenwirkungsschwelle liegt bei der Intensität vor, die zu
persistierenden Nebenwirkungen führt.
Danach wird die Intensität über die therapeutische Schwelle
hinaus weiter erhöht, um die Nebenwirkungsschwelle zu bestimmen. Die
Differenz zwischen therapeutischer und Nebenwirkungsschwelle wird als
therapeutisches Fenster bezeichnet. Der Kontakt mit dem größten
therapeutischen Fenster sollte für die chronische THS gewählt
werden.
Chronische Stimulation
Bei der Anwendung der chronischen Stimulation sollte die Stimulationsamplitude
langsam erhöht und gleichzeitig eine schrittweise Reduktion der
dopaminergen Medikation vorgenommen werden. Eine zu schnelle Erhöhung
der Stimulationsintensität kann bei der STN-THS Dyskinesien
auslösen, die manchmal erst mit einer Verzögerung von Stunden
auftreten. Generell ist es wichtig zu beachten, dass im monopolaren Review nur
die sofortigen Nebenwirkungen erfasst werden. Um verzögert auftretende
Nebenwirkungen wie Dysarthrie oder Gangataxie frühzeitig zu erkennen,
ist eine entsprechende ambulante Anbindung des Patienten erforderlich.
Die Rheobase ist die kleinste Reizstärke, die beim kontinuierlichen Reiz
notwendig ist, um eine vordefinierte Faser zu aktivieren. Die Chronaxie ist die
kürzeste Zeit, über die ein Reiz doppelter Rheobase einwirken
muss, um dieselbe Faser zu aktivieren.
Die gängige Pulsbreite für STN-THS beträgt 60 µs.
Durch Veränderung der Pulsbreite lassen sich Fasern, die
unterschiedliche Chronaxien aufweisen, selektiver stimulieren. Daher kann bei
niedrigen Nebenwirkungsschwellen die Anwendung von Impulsen kurzer Dauer
(<60 µs) das therapeutische Fenster erweitern [14].
Die übliche Stimulationsfrequenz von 130 Hz führt bei manchen
Patienten mit Freezing nicht zu einer befriedigenden Besserung. Hier hat sich
gezeigt, dass Frequenzen um 60–80 Hz eine bessere Linderung der Freezing
Symptomatik bewirken können [15].
Ein weiterer Parameter neuerer THS-Systeme ist die Direktionalität der
Stimulation aufgrund segmentierter Elektrodenkontakte. Dabei lässt sich
das elektrische Feld horizontal der Elektrodenachse in drei Richtungen lenken,
was die Programmieroptionen deutlich erweitert. Die direktionale Stimulation
ermöglicht eine präzisere Ansteuerung der Zielstruktur, was
klinisch das therapeutische Fenster vergrößert [16]. Die direktionale Stimulation führt
bei gleicher Intensität zu einer stärkeren neuronalen
Aktivierung als die omnidirektionale Stimulation [17]. Deshalb ist die Intensität bei Umstellung von einer
omnidirektionalen auf eine direktionale Stimulation in der Regel zu
reduzieren.
Generelles Ziel der Programmierung ist es, das elektrische Feld so an die
Zielstruktur anzupassen und auf diese zu begrenzen, dass möglichst gute
therapeutische Wirkungen erzielt und Nebenwirkungen durch eine
unerwünschte Stimulation von Nachbarstrukturen vermieden werden.
Insbesondere bei nicht wiederaufladbaren Systemen sollte die Programmierung auch
den Stromverbrauch berücksichtigen, um eine möglichst lange
Lebensdauer der Batterie zu gewährleisten.
Der beste Elektrodenkontakt für die chronische therapeutische Stimulation
wird im monopolaren Review anhand der Größe des therapeutischen
Fensters bestimmt. Das therapeutische Fenster ergibt sich aus der Differenz der
Amplitudenschwellen für das Auftreten einer klinisch relevanten
Symptombesserung und das Auftreten relevanter Nebenwirkungen.
Klinische Ergebnisse
Eine Metaanalyse aus 37 unkontrollierten Studien
[18] sowie 5 große randomisierte
kontrollierte Studien [11]
[18]
[19]
[20]
[21] haben
gezeigt, dass die STN-THS zu einer Reduktion der motorischen Symptome im Med-OFF
(UPDRS III), einer Verbesserung der Aktivitäten des täglichen Lebens
(UPDRS II), einer Verringerung von Dyskinesien im Med-ON (UPDRS IV), einer
Verkürzung von OFF Phasen (Patiententagebuch), einer Verlängerung
von ON Phasen ohne behindernde Dyskinesen (Patiententagebuch) und einer Zunahme der
Lebensqualität führt (PDQ-39).
Unten sind für die
unkontrollierten Studien der Metanalyse die prozentualen Veränderungen
(Mittelwerte) unter Stimulation im Vergleich zu Baseline (linker Wert) und
für die kontrollierten Studien die prozentualen Veränderungen
(Mittelwerte) zwischen stimulierter Patientengruppe und nicht-stimulierter
Patientenkontrollgruppe aufgeführt (rechter Wert).
Durch die STN-THS ist eine Besserung folgender Outcome-Parameter
zu erwarten [22]:
-
Reduktion motorischer Symptome im Med-OFF: 52 /
35,4%
-
Verbesserung der
Aktivitäten des täglichen Lebens: 49,9 /
33,0%
-
Verringerung von
Dyskinesien im Med-ON ((UPDRS IV): 69,1 /
49,1%
-
Reduktion der OFF-Zeit: 68,2
/ 50,8%
-
Verbesserung
der Lebensqualität: 34,5 /
20,8%
-
Reduktion der
täglichen L-Dopa Äquivalenzdosis: 55,9 /
37,0%
Stimulationsassoziierte Nebenwirkungen
Stimulationsassoziierte Nebenwirkungen
Neben den oben erwähnten operationsbedingten Risiken können bei der
STN-THS stimulationsassoziierte Nebenwirkungen auftreten, die sich in der Regel
durch die unerwünschte Mitstimulation von Nachbarstrukturen erklären
lassen. So können innerhalb von Sekunden bis Stunden nach Einschalten der
THS eine Dysarthrophonie, Gangstörungen, Augenbewegungsstörungen,
unwillkürliche Muskelkontraktionen, Dyskinesien oder eine
Lidöffnungsapraxie auftreten. Eine häufige transiente Nebenwirkung
nur beim Einschalten des Stimulators stellen Parästhesien dar, die bei einer
zu weit nach posterior ausgerichteten Stimulation gelegentlich auch persistieren
können. Stimulationsinduzierte Nebenwirkungen sind prinzipiell bei Reduktion
der Amplitude reversibel und lassen sich somit durch eine Anpassung der
Stimulationsparameter beherrschen.
Als kognitive Nebenwirkungen können leichte Störungen im Bereich der
Wortflüssigkeit auftreten, die jedoch in der Regel keine Alltagsrelevanz und
keinen Einfluss auf die Lebensqualität der operierten Patienten haben [23]. In den Wochen nach der Operation kann sich bei
normaler Stimmung und guter Beweglichkeit eine Apathie einstellen, die auf eine zu
starke Reduktion der dopaminergen Medikation zurückgeführt und
entsprechend durch erneute Einführung oder Erhöhung eines
Dopamin-Agonisten behandelt wird.
-
STN-THS ist eine etablierte Therapie des fortgeschrittenen M.
Parkinson.
-
Die Indikationsprüfung sollte bei Vorhandensein behindernder
motorischer Fluktuationen/ Dyskinesien und/oder
therapierefraktärem Tremor erfolgen.
-
Eine sorgfältige Patientenselektion ist eine wesentliche
Voraussetzung für den Therapieerfolg.
-
Das monopolare Review sollte nach Abklingen des Setzeffektes
durchgeführt werden und dient der Auswahl des besten Kontaktes
für die chronische Stimulation.
-
Unter der STN-THS bessern sich in der Regel L-Dopa-responsive Symptome,
Tremor, hypodopaminerge motorische und nicht-motorische
Wirkfluktuationen sowie Dyskinesien und hyperdopaminerge
neuropsychiatrische Symptome.
-
Durch direktionale Stimulation mit segmentierten Elektroden kann das
therapeutische Fenster der THS vergrößert werden.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß
Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Alfons Schnitzler,
Düsseldorf.