Einführung
Es gibt mehrere Gründe, warum niedergelassene Dermatologen in der Praxis Impfungen
durchführen sollten. Viele Erwachsene sind in Deutschland unzureichend geimpft [2]; häufig existiert nicht einmal ein alter Impfausweis. Ohne das Engagement aller
niedergelassenen Ärzte ist die Verbesserung der Impfsituation in Deutschland nicht
möglich. Dabei sind die Dermatologen wegen ihrer sehr guten Kenntnisse auf den Gebieten
Immunologie, Allergologie und Infektionskrankheiten besonders geeignet, Impfungen
durchzuführen. Viele Patienten, insbesondere solche mit chronischen Hautkrankheiten,
sind häufiger beim Dermatologen als bei ihrem Hausarzt.
Impfungen bei iatrogener Immunsuppression
Impfungen bei iatrogener Immunsuppression
Auch die Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung chronisch-entzündlicher Dermatosen
(z. B. Psoriasis vulgaris) macht es sinnvoll, in der Praxis ein Impfmanagement zu
etablieren. Patienten mit Immundefizienz bzw. Immunsuppression leiden häufig an Infektionskrankheiten,
die bei diesen Personen mit schwereren Verläufen einhergehen als bei Immungesunden
[1]. Daher sollten Menschen mit Immunsuppression grundsätzlich einen möglichst weitreichenden
Schutz durch Impfungen erhalten [1].
Nicht nur bei der Verordnung sog. Biologika, sondern auch bei Patienten, die eine
Langzeitbehandlung mit Kortikosteroiden in höherer Dosierung (≥ 2 mg/kg/Tag oder ≥ 20 mg/Tag
Prednison), Cyclosporin A, Azathioprin oder Methotrexat bekommen oder bekommen sollen,
muss der Impfstatus möglichst vor der Einleitung einer Systemtherapie kontrolliert
werden. Bei Patienten, die einer pharmakologischen Immunsuppression unterliegen, ist
zu beachten, dass ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht und ggf. eine reduzierte Impfantwort
auftreten kann [1]. Immunsupprimierte Patienten können gleichzeitig zur Therapie Totimpfstoffe (z. B.
Tetanus, Diphtherie, Pneumokokken) erhalten, dürfen aber nicht mit Lebendimpfstoffen
(z. B. MMR, Varizellen) geimpft werden. Soll eine Vakzination mit einem Lebendimpfstoff
erfolgen, muss diese mindestens 2, besser 4 Wochen vor Beginn oder nach Beendigung
der Systemtherapie verabreicht werden. Dabei empfiehlt die Ständige Impfkommission
beim Robert Koch-Institut (STIKO) nach der Beendigung der immunsuppressiven Therapie
2 – 4 Monate zu warten, bevor ein Lebendimpfstoff appliziert wird [1]. Die empfohlenen Abstände für die einzelnen Medikamente können in einer Publikation
der STIKO im Bundesgesundheitsblatt vom April 2019 nachgelesen werden [1]. Daraus folgt, dass eine Impfung mit Lebendimpfstoffen möglichst vor Beginn einer Medikation mit z. B. Biologika erfolgen sollte, idealerweise auch alle
empfohlenen Totimpfstoffe. Auch für Totimpfstoffe empfiehlt die STIKO einen zeitlichen
Abstand von 2, besser 4 Wochen zur Erstapplikation der Systemtherapie, um die Ausbildung
einer ausreichenden Immunantwort zu gewährleisten. Eine Impfung mit Toxoid-Impfstoffen
ist auch unter laufender Therapie möglich, ebenso eine passive Immunisierung [1]. Familienangehörige und Lebenspartner sollten ebenfalls geimpft werden.
Welche Impfungen sind sinnvoll?
Welche Impfungen sind sinnvoll?
Geimpft werden sollten alle Standard-, Auffrisch- und Indikationsimpfungen, die in
Deutschland gemäß dem Impfkatalog der Ständigen Impfkommission (STIKO) generell oder
im Speziellen für Patienten mit Immundefizienz empfohlen werden. Dazu gehören die
in [Tab. 1] aufgeführten Impfungen [2].
Tab. 1
Von der STIKO empfohlende Impfungen für Jugendliche und Erwachsene.
Impfung
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Erläuterung (ID = Immundefizienz)
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Tetanus, Diphterie
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Td-Auffrischimpfung alle 10 Jahre; die nächste fällige Td-Impfung einmalig als Tdap-
bzw. bei entsprechender Indikation als Tdap-IPV-Kombinationsimpfung
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Pertussis
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Einmalige Auffrischimpfung als Tdap- bzw. bei entsprechender Indikation als Tdap-IPV-Kombinationsimpfung
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Poliomyelitis
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Nachholimpfung bei fehlender Grundimmunisierung bzw. zur Komplettierung einer unvollständigen
Impfserie
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Pneumokokken
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Auffrischimpfung mit einem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff ab 60 Jahren; Indikationsimpfung
bei ID
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Masern
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Einmalige Impfung mit einem MMR-Impfstoff für alle nach 1970 geborenen Personen ≥ 18
Jahre mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit
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Mumps, Röteln
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Nachholimpfung bei fehlender Grundimmunisierung bzw. zur Komplettierung einer unvollständigen
Impfserie
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Varizellen
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Nachholimpfung bei fehlender Grundimmunisierung bzw. zur Komplettierung einer unvollständigen
Impfserie
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HPV
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Standardimpfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 9 – 14 Jahren mit 2 Impfstoffdosen
im Abstand von mindestens 5 Monaten, bei Nachholimpfung beginnend im Alter > 14 Jahren
oder bei einem Impfabstand von < 5 Monaten zwischen 1. und 2. Dosis ist eine 3. Dosis
erforderlich (Fachinformation beachten)
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Herpes zoster
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Zweimalige Impfung mit dem adjuvantierten Herpes-zoster-Totimpfstoff im Abstand von
mindestens 2 bis maximal 6 Monaten, Standardimpfung ab 60 Jahren, Indikationsimpfung
bei ID ab 50 Jahren
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Meningokokken
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Indikationsimpfung mit 4-valentem ACWY-Konjugat-Impfstoff und einem MenB-Impfstoff
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Influenza
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Standardimpfung jährlich ab 60 Jahren; Indikationsimpfung bei ID
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Impfungen bei Kindern und Heranwachsenden unter 18 Jahren führen wir in der Praxis
nicht durch (Ausnahme: HPV-Impfung bei Mädchen und Jungen). Kombinationsimpfstoffe
sind nach Möglichkeit der Gabe von Einzelimpfstoffen vorzuziehen. Grundsätzlich können
alle erforderlichen Lebend- und Totimpfungen gleichzeitig verabreicht werden. Bei
2 Impfungen werden die Impfstoffe in die kontralateralen Deltamuskeln an den Oberarmen
injiziert. Bei mehr als 2 Impfungen können aber durchaus auch 2 Impfungen in einen
Muskel injiziert werden. Ein Mindestabstand zwischen verschiedenen Totimpfstoffen
ist nicht erforderlich. Auch nach einer Lebendimpfung ist kein Mindestabstand zu einer
anderen Impfung mit Totimpfstoff erforderlich. Laut STIKO sollten allerdings Impfreaktionen
der vorherigen Impfungen abgeklungen sein [1].
Impfmanagement bei immunkompetenten Patienten
Impfmanagement bei immunkompetenten Patienten
Impfungen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in
der Medizin zur Verfügung stehen. Moderne Impfstoffe sind gut verträglich, und unerwünschte
Arzneimittelnebenwirkungen werden nur in seltenen Fällen beobachtet. Bei Erreichen
hoher Impfquoten ist es möglich, einzelne Krankheitserreger regional zu eliminieren
und schließlich weltweit auszurotten [2]. Neuere Studien belegen, dass viele Erwachsene in Deutschland nicht mehr ausreichend
geimpft sind. Viele Impfungen, die als Grundimmunisierung in der Kindheit durchgeführt
wurden, sollten im Erwachsenenalter aufgefrischt werden. An einer Verbesserung der
unzureichenden Impfquoten sollten sich auch die Dermatologen beteiligen.
Beim Impfen handelt es sich um eine Win-Win-Leistung, von der sowohl der Patient als
auch der Arzt bzw. die Praxis profitieren. Impfungen werden grundsätzlich extrabudgetär
vergütet; die Ausführung kann an qualifiziertes nichtärztliches Personal delegiert
werden.
In unserer Praxis haben sich die in [Tab. 2] aufgeführten Maßnahmen zur Verbesserung des Impfstatus bei Patienten ohne Immunsuppression
bewährt. Wenn man ein Recall-System für das Hautkrebs-Screening verwendet, kann man
den Patienten auffordern, zur Untersuchung seinen Impfausweis mitzubringen. Es ist
immer wieder erstaunlich, welche Impflücken in der Bevölkerung bestehen. Die Eltern
von Jugendlichen und Kindern ab 9 Jahren können auf die Impfung gegen HPV aufmerksam
gemacht werden. Auch hinsichtlich der HPV-Impfung wäre eine Verbesserung der Impfquoten
grundsätzlich sehr wünschenswert. Für die Inanspruchnahme der Impfung gegen Influenza
hat sich das Anbringen von Hinweisschildern im Wartezimmer und im Anmeldebereich der
Praxis bewährt.
Tab. 2
Maßnahmen zur Verbesserung des Impfstatus bei immunkompetenten Patienten.
Beim Hautkrebs-Screening (HKS) die Patienten auf ihren Impfstatus ansprechen.
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Recall-Karten für das HKS mit einem Stempel „Bitte bringen Sie Ihren Impfausweis mit!“
versehen oder entsprechend auf einer Recall-Mail vermerken.
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Mädchen und Jungen, die zur Behandlung (z. B. mit Akne) kommen, auf die Impfung gegen
HPV ansprechen.
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Im Herbst Hinweisschilder im Wartezimmer und im Empfangsbereich der Praxis aufhängen,
die auf die Impfung gegen Influenza aufmerksam machen (Textvorschlag: „Grippeimpfung
hier heute möglich“).
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