Aktuelle Dermatologie 2020; 46(10): 417-419
DOI: 10.1055/a-1089-4389
Übersicht

Impfmanagement in der dermatologischen Praxis

Management of Vaccination in Daily Routine of Dermatologists
P. Pierchalla
Praxis für Dermatologie, Venerologie & Allergologie, Recklinghausen
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Zusammenfassung

Dermatologen, die Systemtherapeutika mit immunsuppressiver Wirkung bei chronisch-entzündlichen Dermatosen (z. B. Biologika) in der Praxis verordnen, sollten ein Impfmanagement einführen, um bei der Durchführung notwendiger Impfungen zeitliche Verzögerungen und Probleme bei der Abstimmung mit anderen Fachgruppen zu vermeiden. Auch bei der Betreuung dermatologischer Patienten ohne Immunsuppression kann das Anbieten von Impfungen in der Praxis aus medizinischen und wirtschaftlichen Gründen sinnvoll sein.


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Abstract

Dermatologists treating people with chronic inflammatory diseases like Psoriasis vulgaris should advise patients carefully about vaccines before starting on treatments that suppress the immune system, like biologics. It is worth to install a routine for vaccination to avoid retardations in arranging vaccines with other doctors.


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Einführung

Es gibt mehrere Gründe, warum niedergelassene Dermatologen in der Praxis Impfungen durchführen sollten. Viele Erwachsene sind in Deutschland unzureichend geimpft [2]; häufig existiert nicht einmal ein alter Impfausweis. Ohne das Engagement aller niedergelassenen Ärzte ist die Verbesserung der Impfsituation in Deutschland nicht möglich. Dabei sind die Dermatologen wegen ihrer sehr guten Kenntnisse auf den Gebieten Immunologie, Allergologie und Infektionskrankheiten besonders geeignet, Impfungen durchzuführen. Viele Patienten, insbesondere solche mit chronischen Hautkrankheiten, sind häufiger beim Dermatologen als bei ihrem Hausarzt.


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Impfungen bei iatrogener Immunsuppression

Auch die Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung chronisch-entzündlicher Dermatosen (z. B. Psoriasis vulgaris) macht es sinnvoll, in der Praxis ein Impfmanagement zu etablieren. Patienten mit Immundefizienz bzw. Immunsuppression leiden häufig an Infektionskrankheiten, die bei diesen Personen mit schwereren Verläufen einhergehen als bei Immungesunden [1]. Daher sollten Menschen mit Immunsuppression grundsätzlich einen möglichst weitreichenden Schutz durch Impfungen erhalten [1].

Nicht nur bei der Verordnung sog. Biologika, sondern auch bei Patienten, die eine Langzeitbehandlung mit Kortikosteroiden in höherer Dosierung (≥ 2 mg/kg/Tag oder ≥ 20 mg/Tag Prednison), Cyclosporin A, Azathioprin oder Methotrexat bekommen oder bekommen sollen, muss der Impfstatus möglichst vor der Einleitung einer Systemtherapie kontrolliert werden. Bei Patienten, die einer pharmakologischen Immunsuppression unterliegen, ist zu beachten, dass ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht und ggf. eine reduzierte Impfantwort auftreten kann [1]. Immunsupprimierte Patienten können gleichzeitig zur Therapie Totimpfstoffe (z. B. Tetanus, Diphtherie, Pneumokokken) erhalten, dürfen aber nicht mit Lebendimpfstoffen (z. B. MMR, Varizellen) geimpft werden. Soll eine Vakzination mit einem Lebendimpfstoff erfolgen, muss diese mindestens 2, besser 4 Wochen vor Beginn oder nach Beendigung der Systemtherapie verabreicht werden. Dabei empfiehlt die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut (STIKO) nach der Beendigung der immunsuppressiven Therapie 2 – 4 Monate zu warten, bevor ein Lebendimpfstoff appliziert wird [1]. Die empfohlenen Abstände für die einzelnen Medikamente können in einer Publikation der STIKO im Bundesgesundheitsblatt vom April 2019 nachgelesen werden [1]. Daraus folgt, dass eine Impfung mit Lebendimpfstoffen möglichst vor Beginn einer Medikation mit z. B. Biologika erfolgen sollte, idealerweise auch alle empfohlenen Totimpfstoffe. Auch für Totimpfstoffe empfiehlt die STIKO einen zeitlichen Abstand von 2, besser 4 Wochen zur Erstapplikation der Systemtherapie, um die Ausbildung einer ausreichenden Immunantwort zu gewährleisten. Eine Impfung mit Toxoid-Impfstoffen ist auch unter laufender Therapie möglich, ebenso eine passive Immunisierung [1]. Familienangehörige und Lebenspartner sollten ebenfalls geimpft werden.


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Welche Impfungen sind sinnvoll?

Geimpft werden sollten alle Standard-, Auffrisch- und Indikationsimpfungen, die in Deutschland gemäß dem Impfkatalog der Ständigen Impfkommission (STIKO) generell oder im Speziellen für Patienten mit Immundefizienz empfohlen werden. Dazu gehören die in [Tab. 1] aufgeführten Impfungen [2].

Tab. 1

Von der STIKO empfohlende Impfungen für Jugendliche und Erwachsene.

Impfung

Erläuterung (ID = Immundefizienz)

Tetanus, Diphterie

Td-Auffrischimpfung alle 10 Jahre; die nächste fällige Td-Impfung einmalig als Tdap- bzw. bei entsprechender Indikation als Tdap-IPV-Kombinationsimpfung

Pertussis

Einmalige Auffrischimpfung als Tdap- bzw. bei entsprechender Indikation als Tdap-IPV-Kombinationsimpfung

Poliomyelitis

Nachholimpfung bei fehlender Grundimmunisierung bzw. zur Komplettierung einer unvollständigen Impfserie

Pneumokokken

Auffrischimpfung mit einem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff ab 60 Jahren; Indikationsimpfung bei ID

Masern

Einmalige Impfung mit einem MMR-Impfstoff für alle nach 1970 geborenen Personen ≥ 18 Jahre mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder mit nur einer Impfung in der Kindheit

Mumps, Röteln

Nachholimpfung bei fehlender Grundimmunisierung bzw. zur Komplettierung einer unvollständigen Impfserie

Varizellen

Nachholimpfung bei fehlender Grundimmunisierung bzw. zur Komplettierung einer unvollständigen Impfserie

HPV

Standardimpfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 9 – 14 Jahren mit 2 Impfstoffdosen im Abstand von mindestens 5 Monaten, bei Nachholimpfung beginnend im Alter > 14 Jahren oder bei einem Impfabstand von < 5 Monaten zwischen 1. und 2. Dosis ist eine 3. Dosis erforderlich (Fachinformation beachten)

Herpes zoster

Zweimalige Impfung mit dem adjuvantierten Herpes-zoster-Totimpfstoff im Abstand von mindestens 2 bis maximal 6 Monaten, Standardimpfung ab 60 Jahren, Indikationsimpfung bei ID ab 50 Jahren

Meningokokken

Indikationsimpfung mit 4-valentem ACWY-Konjugat-Impfstoff und einem MenB-Impfstoff

Influenza

Standardimpfung jährlich ab 60 Jahren; Indikationsimpfung bei ID

Impfungen bei Kindern und Heranwachsenden unter 18 Jahren führen wir in der Praxis nicht durch (Ausnahme: HPV-Impfung bei Mädchen und Jungen). Kombinationsimpfstoffe sind nach Möglichkeit der Gabe von Einzelimpfstoffen vorzuziehen. Grundsätzlich können alle erforderlichen Lebend- und Totimpfungen gleichzeitig verabreicht werden. Bei 2 Impfungen werden die Impfstoffe in die kontralateralen Deltamuskeln an den Oberarmen injiziert. Bei mehr als 2 Impfungen können aber durchaus auch 2 Impfungen in einen Muskel injiziert werden. Ein Mindestabstand zwischen verschiedenen Totimpfstoffen ist nicht erforderlich. Auch nach einer Lebendimpfung ist kein Mindestabstand zu einer anderen Impfung mit Totimpfstoff erforderlich. Laut STIKO sollten allerdings Impfreaktionen der vorherigen Impfungen abgeklungen sein [1].


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Impfmanagement bei immunkompetenten Patienten

Impfungen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Moderne Impfstoffe sind gut verträglich, und unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen werden nur in seltenen Fällen beobachtet. Bei Erreichen hoher Impfquoten ist es möglich, einzelne Krankheitserreger regional zu eliminieren und schließlich weltweit auszurotten [2]. Neuere Studien belegen, dass viele Erwachsene in Deutschland nicht mehr ausreichend geimpft sind. Viele Impfungen, die als Grundimmunisierung in der Kindheit durchgeführt wurden, sollten im Erwachsenenalter aufgefrischt werden. An einer Verbesserung der unzureichenden Impfquoten sollten sich auch die Dermatologen beteiligen.

Beim Impfen handelt es sich um eine Win-Win-Leistung, von der sowohl der Patient als auch der Arzt bzw. die Praxis profitieren. Impfungen werden grundsätzlich extrabudgetär vergütet; die Ausführung kann an qualifiziertes nichtärztliches Personal delegiert werden.

In unserer Praxis haben sich die in [Tab. 2] aufgeführten Maßnahmen zur Verbesserung des Impfstatus bei Patienten ohne Immunsuppression bewährt. Wenn man ein Recall-System für das Hautkrebs-Screening verwendet, kann man den Patienten auffordern, zur Untersuchung seinen Impfausweis mitzubringen. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Impflücken in der Bevölkerung bestehen. Die Eltern von Jugendlichen und Kindern ab 9 Jahren können auf die Impfung gegen HPV aufmerksam gemacht werden. Auch hinsichtlich der HPV-Impfung wäre eine Verbesserung der Impfquoten grundsätzlich sehr wünschenswert. Für die Inanspruchnahme der Impfung gegen Influenza hat sich das Anbringen von Hinweisschildern im Wartezimmer und im Anmeldebereich der Praxis bewährt.

Tab. 2

Maßnahmen zur Verbesserung des Impfstatus bei immunkompetenten Patienten.

Beim Hautkrebs-Screening (HKS) die Patienten auf ihren Impfstatus ansprechen.

Recall-Karten für das HKS mit einem Stempel „Bitte bringen Sie Ihren Impfausweis mit!“ versehen oder entsprechend auf einer Recall-Mail vermerken.

Mädchen und Jungen, die zur Behandlung (z. B. mit Akne) kommen, auf die Impfung gegen HPV ansprechen.

Im Herbst Hinweisschilder im Wartezimmer und im Empfangsbereich der Praxis aufhängen, die auf die Impfung gegen Influenza aufmerksam machen (Textvorschlag: „Grippeimpfung hier heute möglich“).


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Interessenkonflikt

Der Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Impfen bei Immundefizienz. Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. Impfen bei Autoimmunkrankheiten, bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und unter immunmodulatorischer Therapie. Bundesgesundheitsblatt 2019; 62: 494-515
  • 2 Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut – 2019/2020. Standardimpfungen des Erwachsenenalters, Indikations- und Auffrischimpfungen. Epidemiologisches Bulletin, 22. August 2019/Nr. 34. 317

Korrespondenzadresse

Dr. med. Peter Pierchalla
Praxis für Dermatologie
Venerologie & Allergologie
Bochumer Str. 106
45661 Recklinghausen
Deutschland   

Publication History

Article published online:
30 June 2020

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  • Literatur

  • 1 Impfen bei Immundefizienz. Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. Impfen bei Autoimmunkrankheiten, bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und unter immunmodulatorischer Therapie. Bundesgesundheitsblatt 2019; 62: 494-515
  • 2 Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut – 2019/2020. Standardimpfungen des Erwachsenenalters, Indikations- und Auffrischimpfungen. Epidemiologisches Bulletin, 22. August 2019/Nr. 34. 317