Die muskuloskelettale Radiologie (MSK-Radiologie) bzw. präziser die Skelettradiologie
nimmt bereits mit der Röntgenaufnahme der Hand von Bertha Röntgen im Jahr 1895 ihren
Anfang und ist damit das älteste radiologische Fachgebiet. Mittlerweile bildet sie
einen Querschnitt der medizinischen Bildgebung ab: Sie umfasst alle Körperregionen,
ist mit multiplen Krankheitsentitäten befasst und nutzt sämtliche verfügbaren modernen
bildgebenden Verfahren einschließlich CT, MRT und Ultraschall sowie zunehmend auch
neue Verfahren wie beispielsweise die Hybridbildgebung, die metabolische und kompositionelle
MRT-Bildgebung oder die Hochfeld-MRT. Zeitlich hochauflösende Schnittbildverfahren
zur Funktionsbeurteilung und der Einsatz in Hybrid-OP-Sälen ergänzen das umfangreiche
Arsenal diagnostischer Möglichkeiten. Derzeit in der Evaluation befindliche Techniken,
wie z. B. die Spektral-CT, versprechen zudem auch für die MSK-Radiologie spannende
klinische Einsatzmöglichkeiten.
Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates haben in Diagnostik und minimalinvasiver
Therapie muskuloskelettaler Erkrankungen einen hohen Stellenwert und machen dementsprechend
einen großen Anteil in der täglichen Routine in Klinik und Praxis aus. Dabei ist die
wachsende Bedeutung der MSK-Radiologie nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass
Muskel- und Skeletterkrankungen in Deutschland mittlerweile zu den häufigsten (und
kostenträchtigsten) chronischen Erkrankungen gehören. Ob Arthrose, Osteoporose oder
rheumatoide Arthritis – ein Großteil der älteren und alten Bevölkerung leidet unter
einer oder mehreren muskuloskelettalen Erkrankungen. Chronische Rückenschmerzen wiederum
betreffen auch jüngere Menschen im Erwerbsalter [1]. Diesen Zuwachs bestätigt auch ein Blick auf die häufigsten ICD-Schlüsselnummern
bei Radiologen: Unter den ersten 10 Nummern sind 7 dem Bereich „Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems
und des Bindegewebes“ zugeordnet [2].
Im Rahmen der ambulanten und stationären Patientenversorgung umfasst die MSK-Bildgebung
sowohl die Erst- und Akutdiagnostik als auch das perioperative bzw. prätherapeutische
Management sowie die Nachsorge. Die Vielfalt der Krankheitsentitäten im Bereich der
Orthopädie/Unfallchirurgie, Traumatologie, Onkologie, Rheumatologie und Osteologie
erfordert dabei – neben anatomischem Detailwissen – detaillierte Kenntnisse der Erkrankungen,
aller additiven bzw. komplementären Methoden und deren Indikation sowie die Befähigung
zu einer klinisch-zielführenden, qualifizierten Beurteilung. Dabei erweitern und verändern
sich durch immer komplexere Operationsverfahren und zunehmend differenziertere Fragestellungen
seitens der Zuweiser, beispielsweise der Sportorthopäden oder Sporttraumatologen,
die Anforderungen an MSK-Radiologen.
Auf der anderen Seite steht die immense volkswirtschaftliche Bedeutung von Muskel-
und Skeletterkrankungen: Sie verursachen die meisten Arbeitsunfähigkeitstage, sind
die häufigste Diagnose in Vorsorge- oder Reha-Einrichtungen und der zweithäufigste
Grund für gesundheitlich bedingte Frühberentungen [3].
Der Einsatz der bildgebenden Methoden im MSK-Bereich folgt deshalb nicht nur wissenschaftlich-evidenzbasierten
Kriterien, sondern hat auch stets ökonomischen Anforderungen zu genügen. Ziel muss
daher auch zukünftig sein, eine qualitativ hochwertige und effiziente Versorgung in
der Breite zu gewährleisten, die sich an den Patienten, aber auch an den wirtschaftlichen
Anforderungen ausrichtet. Das bedeutet, dass Qualifizierungen und Spezialisierungen
im Bereich der MSK-Bildgebung kein „l’art pour l’art“ sind, sondern sich stets am
tatsächlichen Bedarf und den technischen Entwicklungen orientieren sollten.
MSK-Radiologie – Teil eines größeren Ganzen
Die muskuloskelettale Radiologie nimmt eine zentrale interdisziplinäre Aufgabe in
der klinischen Zusammenarbeit wahr und als ein fester Bestandteil der klinischen Radiologie
aller Organsysteme fügt sie sich damit nahtlos ein in die inhaltliche und organisationale
Gesamtheit der Radiologie, repräsentiert und vertreten durch DRG und BDR. Sie ist
damit Akteur und zugleich auch Nutznießer einer übergreifenden Methodenentwicklung,
der wissenschaftlichen Arbeit, bedarfsorientierter Fort- und Weiterbildungsangebote
sowie einer starken Interessenvertretung in den relevanten gesundheitspolitischen
Arenen und gegenüber anderen Fachdisziplinen.
In dem Wissen um die spezifischen Anforderungen und Bedarfe der MSK-Radiologie richten
dabei DRG und BDR ihre Arbeit insbesondere an den folgenden Herausforderungen und
Handlungsfeldern aus:
-
Arbeitsrelevante Modifikationen, die sich aus technologischen (Weiter-) Entwicklungen
ergeben (z. B. neue Sequenztechniken, Artifical Intelligence und Scoring-Systeme)
-
Fortlaufende Begleitung, Beratung und Initiierung von Novellierungsprozessen im Bereich
der medizinischen Ausbildung und fachärztlichen Weiterbildung
-
Entwicklung und Fortführung bedarfsbezogener Fortbildungsangebote und Zertifizierungsprogramme
-
Nachwuchsförderung durch personelle und inhaltliche Einbindung in diesbezügliche Initiativen,
Programme und Angebote
-
Beförderung von wissenschaftlichen Impulsen durch Initiierung und Begleitung von relevanten
Forschungsprojekten
Integrativ, kompetent und zielorientiert: Die AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates
in der DRG
Die DRG setzt sich entscheidend für die Sicherung der Multi- und Interdisziplinarität
der Radiologie sowie für die Verbindung von Forschung, klinischer Praxis und Weiterbildung
ein. Sie versteht sich als Enabler und Plattform zugleich. Die Möglichkeit einer Spezialisierung
unter Erhalt der Einheit des Faches ist dabei ein entscheidendes Kriterium. Sichtbarer
und gelebter Ausdruck dieses Selbstverständnisses sind die Arbeitsgemeinschaften in
der DRG.
Mit rund 600 Mitgliedern gehört die AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates
(AG BVB) zu den größten Arbeitsgemeinschaften in der DRG. Sie hat sich zum Ziel gesetzt,
die Versorgungsqualität der MSK-Radiologie in Deutschland in Breite und Tiefe sicherzustellen
und weiter auszubauen.
Hierfür setzt sie die notwendigen Standards, steht für eine kompetente Vertretung
des Fachgebiets – u. a. in der Leitlinienarbeit – und übt die Funktion eines primären
Ansprechpartners aus – sowohl innerhalb der radiologischen Gemeinschaft als auch für
Vertreter benachbarter bzw. zuweisender Fachdisziplinen wie Orthopäden, Unfallchirurgen,
Rheumatologen, Onkologen, Internisten und Pädiater.
Schwerpunkte der AG-Arbeit: Fortbildungen & Zertifizierungen
Die Facharztausbildung ist die Grundlage für die diagnostische und therapeutische
Tätigkeit als Radiologe. Sie bildet die vielfältigen Möglichkeiten der bildgebenden
Diagnostik und bildgeführten Intervention ab, für die dieses Fach steht. Als eines
der letzten Ganzkörperfächer der Medizin muss die Radiologie sich aber mehr als andere
Fächer darum bemühen, neues Wissen kontinuierlich zum Gegenstand der Fortbildung zu
machen und schnellstmöglich in die Versorgungspraxis zu integrieren. Die AG Bildgebende
Verfahren des Bewegungsapparates bietet daher nicht nur ein strukturiertes Fortbildungsprogramm
in der MSK- Radiologie an, sondern hat unter dem Dach der DRG ein Zertifizierungssystem
etabliert, mit dessen Hilfe der strukturierte Erwerb von ergänzendem Experten-/Spezialwissen
dokumentiert werden kann. Die zusätzliche, qualifizierte und abgestufte Zertifizierung
während und nach der Facharztweiterbildung orientiert sich an den spezifischen Anforderungen
der MSK-Radiologie und spiegelt so vollumfänglich die klinische Wirklichkeit wider.
Schwerpunkte der AG-Arbeit: Leitlinien
Die AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates beteiligt sich aktiv an der kontinuierlichen
Weiterentwicklung von Leitlinien. AG-Mitglieder bringen sich in den relevanten Leitlinienteams
ein, um gemeinsam mit Vertretern anderer Fachgesellschaften und Patientenorganisationen
die Normen, Standards und Empfehlungen zum Einsatz radiologischer Verfahren im Bereich
MSK und deren technischen Ablauf darzustellen und so eine qualitätsgesicherte Versorgung
der Patienten zu gewährleisten.
Schwerpunkte der AG-Arbeit: Protokollempfehlungen
Zu den selbstgestellten Zielen der AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates
gehört auch, Protokollempfehlungen zu allen wesentlichen Untersuchungen der muskuloskelettalen
Radiologie zu entwickeln. Diese sollen ein qualitativ hochwertiges Untersuchungsergebnis
und einen aussagekräftigen Befund gewährleisten und dabei die Erfordernisse der Routine
in der Klinik und in der niedergelassenen Radiologie berücksichtigen. Bereits erarbeitete
Protokollempfehlungen werden auf der AG-Homepage zum Download zur Verfügung gestellt.
Schwerpunkte der AG-Arbeit: Curriculum MSK-Radiologie
Universitäre und nichtuniversitäre Ausbildungszentren bieten bereits im Rahmen der
fachärztlichen Weiterbildung Radiologie eine vollumfängliche MSK-Ausbildung auf höchstem
Niveau. Darüber hinaus können spezielle Untersuchungstechniken während und nach der
Weiterbildung in spezialisierten Kliniken und in dezidierten Fortbildungsveranstaltungen
erlernt und vertieft werden. Die AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates hat
nun – auf Grundlage der neuen Musterweiterbildungsordnung – ein umfassendes, klinisch
orientiertes MSK-Curriculum für die Facharztausbildung und die spezialisierte Weiterführung
in abgestuften Zertifizierungen ausgearbeitet [4]. Es soll die Grundlage sein für eine auch zukünftig qualifizierte, effiziente und
stets am Patienten ausgerichtete MSK-Radiologie in Deutschland.