Rofo 2020; 192(06): 531-536
DOI: 10.1055/a-1103-2339
Editorial

Entwicklung der Kinder- und Jugendradiologie – Strategiepapier des Vorstands der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR e. V.)

Challenges in Pediatric Radiology – Strategies of the board of the German speaking Society of Pediatric Radiology
Hans-Joachim Mentzel
1   Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie, Präsident, Berlin, Germany
,
Thekla von Kalle
2   Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie, Vizepräsidentin, Berlin, Germany
,
Gerald Antoch
3   Deutsche Röntgengesellschaft, Präsident, Berlin, Germany
,
Mark Born
4   Kinderradiologie, Radiologische Klinik, University of Bonn, Germany
,
Sandra Habernig
5   Abteilung Bilddiagnostik und Interventionen, Universitätskinderspital, Zürich, Switzerland
,
Gabriele Hahn
6   Bereich Kinderradiologie, Institut und Poliklinik für Radiologische Diagnostik, Uniklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Germany
,
Dirk Klee
7   Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Heinrich-Heine-University Düsseldorf, Germany
,
Friederike Koerber
8   Schwerpunkt Kinder- und Jugendradiologie. Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, University of Cologne, Germany
,
Andreas Leenen
9   Abt. für Bildgebende Diagnostik, KKH Wilhelmstift, Hamburg, Germany
,
Michael Riccabona
10   Klinische Abteilung für Kinderradiologie, Klinik für Radiologie, Medizinische Universität Graz, Austria
,
Jürgen F. Schaefer
11   Bereich Kinderradiologie. Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Tübingen, Germany
,
Gundula Staatz
12   Sektion Kinderradiologie, Klinik und Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Das Strategiepapier der GPR zeigt Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder- und Jugendradiologie als Querschnittsfach zwischen der Radiologie und der konservativen und operativen Kinder- und Jugendmedizin auf.

Zitierweise

  • Mentzel H, von Kalle T, Antoch G et al. Challenges in Pediatric Radiology – Strategies of the board of the German speaking Society of Pediatric Radiology. Fortschr Röntgenstr 2020; 192: 531 – 536


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Präambel

Gemäß UN-Menschenrechts-Charta und UNESCO-Konvention über die Rechte der Kinder haben diese ein Anrecht „auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit sowie auf die Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit“ (Artikel 24, zitiert nach Übereinkommen über die Rechte des Kindes. VN-Kinderrechtskonvention im Wortlaut mit Materialien, herausgegeben vom BMFSFJ, Berlin 2014; 5).

Dieses definierte Anrecht schließt für die praktizierenden Kinderradiologinnen und Kinderradiologen im deutschsprachigen Gebiet (D, A, CH) in besonderem Maß auch die bildgebende Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen ein. Die bei deren Untersuchung erforderliche radiologische Vorgehensweise unterscheidet sich deutlich von der bei erwachsenen Patienten. Denn kranke Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen – weder hinsichtlich ihrer Krankheitsbilder und ihrer Strahlenbiologie noch hinsichtlich ihrer besonderen Anforderungen und Bedürfnisse an eine entsprechende Untersuchungssituation, wobei auch die besonderen Bedürfnisse der Sorgeberechtigten zu berücksichtigen sind. Die bestmögliche bildgebende Diagnostik dieser Patientengruppe kann daher nur durch speziell hierfür ausgebildete Ärzte, die Kinderradiologinnen und Kinderradiologen, erfolgen.

Die Kinderradiologie hat maßgeblichen Anteil an den Erfolgen der Kinder- und Jugendmedizin in den letzten Jahrzehnten. Bei vielen sogenannten „seltenen Erkrankungen“ sind durch den gezielten Einsatz bildgebender Verfahren bahnbrechende neue Erkenntnisse gewonnen worden. Aber auch in der alltäglichen Diagnostik in der Traumatologie und Infektiologie, in der Onkologie und allen anderen pädiatrischen Spezialgebieten ist eine spezielle kinderradiologische Expertise für ein erreichbares Höchstmaß an Therapie- und Heilungserfolg notwendig.

Die gemäß den Konventionen erforderliche Versorgungssituation durch Kinderradiologinnen und Kinderradiologen ist aus unserer Expertensicht aktuell nicht gegeben und diese Situation wird sich ohne aktives Gegensteuern weiter verschärfen. In dem hier vorgestellten Strategiepapier der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR), verfasst von führenden Vertretern der deutschsprachigen Kinderradiologie, werden Anforderungen an die Kinderradiologie analysiert und konkrete Vorschläge zur Beseitigung der Mangelsituation sowie Forderungen an die Gesundheitspolitik und Krankenhausplanung formuliert.

Der Vorstand der GPR verbindet die Vorstellung dieses Papiers mit der Hoffnung, dass skizzierte Lösungsansätze weiterentwickelt und möglichst rasch umgesetzt werden!

1 – Die Kinder- und Jugendradiologie ist ein Schwerpunkt des Fachgebiets Radiologie mit technisch-klinischer Expertise in der Diagnostik vom Fötus bis zum Adoleszenten sowie von Erwachsenen mit angeborenen und seltenen im Kindesalter erworbenen Erkrankungen

Kinderradiologen sind speziell ausgebildete Ärztinnen und Ärzte, die nach einer Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie eine Qualifizierung im Schwerpunkt Kinder- und Jugendradiologie durchlaufen haben, mit der sie eine besondere Expertise in der bildgebenden Diagnostik im Kindes- und Jugendalter erwerben. In der Kinder- und Jugendradiologie werden bildgebende Verfahren im Rahmen des Screenings, der Krankheitsprävention und Diagnostik sowie zur Prognoseabschätzung und Therapiebeurteilung beim ungeborenen Kind, bei Früh- und Neugeborenen, Säugling, Klein- und Schulkind sowie bei Adoleszenten und bei Erwachsenen mit pädiatrischen Krankheitsbildern eingesetzt. Die Kinder- und Jugendradiologie ist sowohl ein technisch-methodisches Fach als auch ein klinisches Fach mit Vernetzungen zu allen Fachgebieten der konservativen und operativen Kinder- und Jugendmedizin. Ein breites Wissensspektrum über Embryologie, kindliche Entwicklung und die Krankheitsbilder im Kindes- und Jugendalter sind Grundvoraussetzung für eine suffizient praktizierte Kinderradiologie. Insbesondere in den Zentren für seltene Erkrankungen nimmt die dedizierte Bildgebung und Beurteilung erhobener Befunde neben der Genetik eine Schlüsselrolle ein; entsprechende Kooperationen sind notwendig.

Untersuchungen bei Kindern sind besonders anspruchsvoll und zeitintensiv; speziell geschultes Assistenzpersonal ist nötig. An die Kinderradiologen werden große Anforderungen im Umgang mit den Patienten und ihren Begleitpersonen bei der Vorbereitung, der Untersuchung und der Befundübermittlung gestellt. Die Bildgebung beim Kind erfordert neben einer kindgerechten Untersuchungsumgebung vor allem an das jeweilige Alter, die Größe und das Gewicht (mit einem Untersuchungsspektrum von ca. 300 g beim Frühgeborenen bis zum Adoleszenten von bis zu 150 kg) angepasste Medizingeräte auf dem aktuellen Stand der Technik. Neben den technischen Bedingungen ist das spezialisierte Wissen der Kinderradiologen nicht nur für die technische Durchführung, sondern auch die Bewertung der Untersuchungsergebnisse von Bedeutung. Für die adäquate kinderradiologische Diagnostik ist zudem der unbegrenzte Zugang zu allen bildgebenden Modalitäten eine Grundvoraussetzung. Unabdingbar ist ein angemessener und an die Kooperationsfähigkeit des Kindes angepasster Zeitrahmen für die Untersuchung. Die Kinderradiologie ist daher entsprechend zeit- und personalaufwendig und kostenintensiv. Die hierdurch ermöglichte optimale Versorgung ist als sinnvolle Investition in kommende Generationen zu werten.

  • Die bildgebende Diagnostik im Kindes- und Jugendalter sollte durch Fachärzte mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendradiologie verantwortet und durchgeführt werden. Die Vergütungsstrukturen im ambulanten und stationären Sektor müssen das künftig adäquat berücksichtigen und so Perspektiven und Anreize für diesen Schwerpunkt der Radiologie schaffen.

2 – Die Kinder- und Jugendradiologie ist ein Fachgebiet, dessen Weiterentwicklung maßgeblich auf den Innovationen der bildgebenden Verfahren beruht

Entwicklungen in der Kinder- und Jugendradiologie dienen vorrangig der weiteren Etablierung und Evaluierung von bildgebenden Verfahren, die frei sind von ionisierender Strahlung – wie Sonografie und Magnetresonanztomografie. Die stetige Reduktion der erforderlichen Strahlenexposition im Sinne des ALARA-Prinzips (as low as reasonably achievable) ist die Maxime der Kinderradiologie. Für die Computertomografie bedeutet das die konsequente Forschung an neuen Filter- und Rekonstruktionstechniken, für die Radiografie die Dosisoptimierung und -reduktion unter Verwendung hochauflösender Detektoren und spezieller Nachverarbeitungsalgorithmen. Eine entsprechende hohe Expertise für speziell in der Kinderradiologie geschulte medizinisch-technische Radiologieassistenten und -assistentinnen (MTRA) in Einstelltechnik und Durchführung dieser Untersuchungen ist ebenso erforderlich.

Ein Schwerpunkt für die Kinder- und Jugendradiologie ist die Weiterentwicklung der Hybridverfahren in Zusammenarbeit mit der Nuklearmedizin. Für die pädiatrische Versorgungslandschaft wird konkret eine deutlich weitere Verbreitung der Kombination aus Magnetresonanztomografie und Positronen-Emissions-Tomografie (PET-MRT) anstelle von Computertomografie gefordert.

Bei der Entwicklung neuer Untersuchungstechniken in Zusammenarbeit mit der medizinischen Physik ist es Aufgabe der Kinderradiologie, auf die Besonderheiten in der Physiologie und Pathophysiologie des fetalen und kindlichen Organismus zu achten. Die Erforschung kontrastverstärkender Mittel für die Bildgebung im Kindes- und Jugendalter bezüglich Pharmakologie und Pharmakokinetik und die Erfassung von Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum sind weitere Schwerpunkte der kinderradiologischen Forschung.

  • In der Kinder- und Jugendradiologie sollen modernste Technik und innovative bildgebende Verfahren eingesetzt werden.

3 – Die konservative und operative Kinder- und Jugendmedizin ist engster klinischer Kooperationspartner der Kinder- und Jugendradiologie

Die Kinder- und Jugendradiologie als klinisches Fachgebiet versteht sich als kompetenter Berater und Dienstleister bei der Auswahl des für die jeweilige Fragestellung geeigneten Verfahrens, der Durchführung der kindgerechten Untersuchung sowie der Befundinterpretation und Befundübermittlung. Die Anpassung der diagnostischen Konzepte ist eng an die Vorgaben neuer Therapieverfahren gebunden. Die Kinderradiologie ist daher als Partner in die Forschungszentren und Projekte der Kinder- und Jugendmedizin zu integrieren, entsprechende Netzwerke sind verstärkt aufzubauen. Zum wechselseitigen Erfahrungsaustausch und zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der technischen Assistenzberufe sollten gemeinsame Tagungen der Fachgesellschaften genutzt werden. Zur generellen Förderung der Kinder- und Jugendmedizin ist die enge Kooperation der Fachgesellschaften und Berufsverbände zu intensivieren.

  • Die Kinder- und Jugendradiologie soll in die Weiterbildung, Nachwuchsförderung und Forschungsprojekte aller Bereiche der Kinder- und Jugendmedizin einbezogen werden.

4 – Ein Optimum an Versorgungsqualität ist an die Gewährleistung struktureller Voraussetzungen für die Kinder- und Jugendradiologie gebunden

An das jeweilige Kindesalter angepasste Untersuchungstechniken erfordern eine entsprechende personelle und technische Ausstattung einer kinderradiologischen Abteilung/Sektion. Um eine wünschenswerte 24-Stunden-7-Tage-Rufbereitschaftsdienst-Versorgung mit kinderradiologischer Expertise (Facharztstatus) im stationären Bereich zu garantieren, ist abhängig von den jeweiligen arbeitszeitgesetzlichen Vorgaben eine personelle Mindestausstattung von Fachärzten mit Schwerpunkt Kinderradiologie (100 %) erforderlich. Für die Erfüllung der Anforderungen in der Kernarbeitszeit sind zudem Ärzte in der Facharztweiterbildung (100 %, z. B. Radiologie, Pädiatrie, Kinderchirurgie) nötig. Abteilungen/Sektionen an Universitätskliniken benötigen zudem Personal für die Forschung und insbesondere für die Lehre, um die Kompetenzen des Vorgehens in der bildgebenden Diagnostik beim Kind (insbesondere Strahlenschutz) entsprechend an die Studierenden zu vermitteln. Die zeitnahe Erhöhung der Anzahl kinderradiologischer Professuren ist hierfür notwendig.

Ein entsprechendes Qualitäts- und Prozessmanagement in enger Zusammenarbeit mit der Radiologie ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Kinder- und Jugendradiologie. Die Kinderradiologie ist mit ihrer Fachgesellschaft Mitglied der Akademie der Medizinischen Fachgesellschaften und gemeinsam mit den nationalen radiologischen Fachgesellschaften an der Erarbeitung und Gestaltung hochrangiger evidenzbasierter interdisziplinärer Leitlinien beteiligt. Die Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie ist Herausgeber von Leitlinien zur Bildgebenden Diagnostik im Kindesalter, die v. a. für radiologische Einrichtungen ohne spezialisierte Kinderradiologen als wichtiges Hilfsmittel dienen. In radiologischen Einrichtungen sind für jede Altersgruppe des Kindes- und Jugendalters spezielle Standardvorgehensweisen (SOP, standard operating procedure) zu den Haupteinsatzgebieten der bildgebenden Diagnostik vorzuhalten. Für eine qualifizierte kinderradiologische Versorgung in Kooperation mit den Spezialisten der Kinder- und Jugendmedizin ist die Einbindung in die Zentren der konservativen und operativen Kinder- und Jugendmedizin notwendig. Strukturelle und gerätetechnische Gegebenheiten sowie kindgerechte Untersuchungsräume und Wartebereiche sind wünschenswert. Ausreichende Zeitkontingente für die Untersuchungen sind einzuplanen.

  • Zur Erfüllung der vielfältigen Aufgaben in der klinischen Versorgung einschließlich der Qualitätssicherung sowie der Fort- und Weiterbildung ist eine adäquate personelle und strukturelle Ausstattung der Kinder- und Jugendradiologie erforderlich.

5 – Gesundheitspolitisch-epidemiologische und ökonomische Entwicklungen erfordern eine stete Bedarfsanpassung und Flexibilität zur Gewährleistung eines erreichbaren Höchstmaßes in der Versorgung von kranken Kindern und Jugendlichen sowie in der Vorsorge und im Screening

Für die Kinder- und Jugendradiologie ist eine länderbezogene Bedarfs- und Versorgungserfassung nötig, um weitreichende Maßnahmen zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit spezialisierter Bildgebung zu ergreifen. Die Zahl notwendiger Struktureinheiten mit kinderradiologischer Expertise als Versorgungsindex ist zu ermitteln. Ihre Ausgestaltung ist notwendig, um Radiologinnen und Radiologen eine langfristige Perspektive der hauptamtlichen, gesicherten Berufsausübung und Karriere in der Kinderradiologie zu bieten und sie zu binden. Um die (derzeit nicht) flächendeckend ausreichend gegebene kinderradiologisch spezialisierte Versorgung zu gewähren, sind die Möglichkeiten von Telemedizin und Teleradiologie zu intensivieren und zu fördern. Der Anspruch auf Zweitmeinung und die damit verbundene Zweitbefundung sowie Beratung durch kinderradiologische Referenzzentren lässt zukünftig eine starke Zunahme der telemedizinischen Anforderungen erwarten, wobei unklar ist, in welchem Umfang dies erfolgen wird. Pro Bundesland sollte zumindest 1 kinderradiologisches Referenzzentrum verfügbar sein, in Ballungszentren entsprechend mehr. Zu regeln ist die Abrechnung dieser Leistungserweiterungen, um entsprechend erforderliches Personal zuzuführen. Eine Bedarfsforschung über die Häufigkeit entsprechender Anfragen sowie den technischen und personellen Aufwand sowie dessen Finanzierung ist zeitnah zu fordern.

Die ambulante radiologische Versorgung von Kindern und Jugendlichen sollte maßgeblich vor Ort heimatnah erfolgen. Nur in wenigen Fällen ist eine ambulante kinderradiologische Versorgung derzeit möglich. Dies liegt zum einen an der zu geringen Zahl entsprechend Qualifizierter, zum anderen an der unzulänglichen finanziellen Abbildung ambulanter kinderradiologischer Leistungen. Politische Maßnahmen zur Aufwertung dieser spezialisierten Leistungen durch eine adäquate Erlösstruktur werden helfen, entsprechend ambulante Kinderradiologie zu betreiben. Die kinderradiologischen Zentren stehen bis dahin zur Beratung bei der Auswahl der bestgeeigneten Bildgebung zur Verfügung, stellen Empfehlungen zur Durchführung der Untersuchungen bereit und können die eventuell erforderliche Zweitbefundung übernehmen.

Die Abbildung zeigt eine kinder- und jugendradiologische Versorgung der Zukunft auf. Die Pfeile markieren Zuweisungswege der Patienten bzw. der erhobenen Bilddaten. Eine Konsultation der Kinderradiologen im Vorfeld bildgebender Diagnostik wird empfohlen. Die kinderradiologischen Referenzzentren umfassen die Referenzkinderradiologien für spezielle Fragestellungen (z. B. in der Kinderonkologie). Neu zu etablieren sind weitere Referenzzentren, z. B. mit Expertise in der forensischen Radiologie (Altersschätzung, nicht akzidentielles Trauma).

  • Die künftige Sicherung einer flächendeckenden kinder- und jugendradiologischen Versorgung erfordert eine regelmäßige Anpassung durch geeignete strukturelle politische und ökonomische Maßnahmen.

6 – Die Intensivierung der Aus- und Weiterbildung im Schwerpunkt Kinder- und Jugendradiologie ist für die Entwicklung des Fachgebiets existenziell

Die kinderradiologischen Zentren sind in ihrer Ausstattung und ihren Kooperationen mit den klinischen Partnern in die Lage zu versetzen, die Weiterbildung im Schwerpunkt Kinderradiologie in vollem Umfang zu gewährleisten. Entscheidend ist eine spezielle Schwerpunktweiterbildung im jeweiligen Land; sollte diese nicht existieren, kann die Weiterbildung im Schwerpunkt Kinderradiologie an die standardisierten Kriterien und Inhalte der Curricula der European Society of Radiology (ESR) und der European Society of Pediatric Radiology (ESPR) angeglichen werden, um einen Austausch auf europäischer Ebene zu fördern.

Rotationsmodelle zur Weiterbildung mit kinderradiologischen Inhalten sind mit den Partnern in der Radiologie und Neuroradiologie, mit der Nuklearmedizin (insbesondere zur wechselseitigen Qualifikation in den Hybrid-Verfahren PET-CT und PET-MRT) sowie den konservativen und operativen Fächern der Kinder- und Jugendmedizin zu stärken bzw. aufzubauen.

Die Kinder- und Jugendradiologie muss den Nachwuchs verstärkt fördern – die GPR gründet eine Kommission „Junge Kinderradiologie“, die kinderradiologisch interessierten Weiterbildungsassistenten und jüngeren Fachärzten eine Plattform bietet.

  • Um die Anforderungen an die Kinder- und Jugendradiologie in der Zukunft zu meistern, sind weitreichende Investitionen in die Weiterbildung zur Schwerpunktbezeichnung notwendig.

7 – Die Kinder- und Jugendradiologie ist Bestandteil der studentischen Ausbildung und über den Lernzielkatalog repräsentiert

Kinderradiologische Inhalte sind in die Nationalen Lernzielkataloge Medizin und Zahnmedizin im Rahmen des Querschnittsbereichs Bildgebende Diagnostik zu integrieren. Neben den besonderen Anforderungen an die Gerätetechnik in der Kinder- und Jugendmedizin vom Frühgeborenen bis zum Adoleszenten und die besondere Bedeutung des Strahlenschutzes im Kindes- und Jugendalter sind in der Ausbildung der Studierenden spezielle Inhalte zum radiologischen Vorgehen und Erscheinungsbild typischer pädiatrischer Erkrankungen – z. B. bei Verdacht auf Kindesmisshandlung – in kinderradiologischen Pflichtveranstaltungen zu vermitteln.

Für die Vermittlung praktischer Inhalte der studentischen Ausbildung in der pädiatrischen Radiologie sind strukturierte Famulaturen mit klaren Inhalten der Wissensvermittlung und Zielstellungen für die Studierenden erforderlich.

  • Eine relevante Repräsentanz von Inhalten der Kinder- und Jugendradiologie in der studentischen Ausbildung sind Voraussetzung für qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs.

8 – Die Kinder- und Jugendradiologie benötigt eine Intensivierung der Forschungsförderung und -tätigkeit zur Weiterentwicklung und Festigung der universitären Standorte

Die kinderradiologische Forschung ist für die Weiterentwicklung des Schwerpunkts essenziell. In den Zentren der Kinderradiologie ist eine forschungsaktive Umgebung zu etablieren. Die Kinderradiologie soll in die Forschungsverbünde der konservativen und operativen Kinder- und Jugendmedizin und der Radiologie integriert werden. Aufgrund der geringen Größe der kinderradiologischen Einrichtungen sollten Multicenter-Projekte der Kinderradiologie in Zusammenarbeit mit den zuweisenden Ärzten besonders angestrebt werden. Die Fachgesellschaft etabliert zusammen mit der Nationalen Röntgengesellschaft und in Zusammenarbeit mit den Arbeitsgemeinschaften in den Ländern eine Forschungskommission und eine Plattform zum Erfassen und zur Unterstützung von Forschungsschwerpunkten der Zentren. Ausgewählte Forschungsprojekte können durch die Fachgesellschaft initiiert und Forschungsaufenthalte innerhalb der GPR organisiert werden. Die Beantragung finanzieller Mittel zur Realisierung von wissenschaftlichen Projekten bei den nationalen Forschungsfördersystemen wird beratend unterstützt.

Promotionsarbeiten auf dem Gebiet der pädiatrischen Radiologie sind zu fördern. Ein Promotionspreis der Fachgesellschaft soll die Attraktivität von Promotionen in der Kinderradiologie und die Qualität dieser Arbeiten erhöhen.

  • Die Zahl der berufenen akademischen Vertreter der Kinder- und Jugendradiologie ist zu erhöhen, um das Fachgebiet in den medizinischen Fakultäten und Universitäten zu stärken.

9 – Die Kinder- und Jugendradiologie muss in ihrer Wahrnehmbarkeit für die Öffentlichkeit stärker gefördert werden

Der Anspruch auf eine kindgerechte Betreuung und spezialisierte Diagnostik soll in der Öffentlichkeit stärker vermittelt werden. Dabei sind Kinder und Jugendliche und ihre parlamentarischen Strukturen einzubeziehen. Die Öffentlichkeitsarbeit durch Pressemitteilungen, Kommentierungen und Publikationen ist auszubauen. Die Möglichkeiten gemeinsamer Stellungnahmen und Aktivitäten mit den Fachgesellschaften und Vereinigungen der Kinder- und Jugendmedizin sowie der Radiologie sind stärker auszuschöpfen.

  • Die Bekanntheit und Sichtbarkeit der Kinder- und Jugendradiologie – speziell bei Eltern, Sorgeberechtigten, Haus- bzw. Kinderärzten und Allgemeinmedizinern – ist auszubauen.

10 – Die Kinder- und Jugendradiologie benötigt zu ihrer stetigen Weiterentwicklung öffentliche, politische und finanzielle Unterstützung

Die Wahrnehmung der Kinder- und Jugendradiologie in den Entscheidungsgremien der Medizin – Ärztetag, Ärztekammern, Fachgesellschaften, Berufsverbände – ist zu verbessern. Der effektive Austausch mit Politikern und Lobbyisten zur Bedeutung der Kinderradiologie für die Gesundheit der Bevölkerung ist zu intensivieren und eine maximal mögliche Unterstützung und Förderung ist zu erzielen.

  • Eine intensivierte Förderung durch Politik und Gesellschaft ist Voraussetzung für die Umsetzung der Zielstellungen der Kinder- und Jugendradiologie.

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Kinder- und jugendradiologische Versorgung der Zukunft. Die Pfeile markieren Zuweisungswege der Patienten bzw. der erhobenen Bilddaten (siehe Text).
Kernaussagen
  • Die bildgebende Diagnostik im Kindes- und Jugendalter sollte durch Fachärzte im Schwerpunkt Kinder- und Jugendradiologie verantwortet und durchgeführt werden. Die Vergütungsstrukturen im ambulanten und stationären Sektor müssen das künftig adäquat berücksichtigen und so Perspektiven und Anreize für diesen Schwerpunkt der Radiologie schaffen.

  • In der Kinder- und Jugendradiologie sollen modernste Technik und innovative bildgebende Verfahren eingesetzt werden.

  • Die Kinder- und Jugendradiologie soll in die Weiterbildung, Nachwuchsförderung und Forschungsprojekte aller Bereiche der Kinder- und Jugendmedizin einbezogen werden.

  • Zur Erfüllung der vielfältigen Aufgaben in der klinischen Versorgung einschließlich der Qualitätssicherung sowie der Fort- und Weiterbildung ist eine adäquate personelle und strukturelle Ausstattung der Kinder- und Jugendradiologie erforderlich.

  • Die künftige Sicherung einer flächendeckenden kinder- und jugendradiologischen Versorgung erfordert eine regelmäßige Anpassung durch geeignete strukturelle politische und ökonomische Maßnahmen.

  • Um die Anforderungen an die Kinder- und Jugendradiologie in der Zukunft zu meistern, sind weitreichende Investitionen in die Weiterbildung zur Schwerpunktbezeichnung notwendig.

  • Eine relevante Repräsentanz von Inhalten der Kinder- und Jugendradiologie in der studentischen Ausbildung sind Voraussetzung für qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs.

  • Die Zahl der berufenen akademischen Vertreter der Kinder- und Jugendradiologie ist zu erhöhen, um das Fachgebiet in den medizinischen Fakultäten und Universitäten zu stärken.

  • Die Bekanntheit und Sichtbarkeit der Kinder- und Jugendradiologie – speziell bei Eltern, Sorgeberechtigten, Haus- bzw. Kinderärzten und Allgemeinmedizinern – ist auszubauen.

  • Eine intensivierte Förderung durch Politik und Gesellschaft ist Voraussetzung für die Umsetzung der Zielstellungen der Kinder- und Jugendradiologie.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Hans-Joachim Mentzel
Pädiatrische Radiologie, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie
Erlanger Allee 101
Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena
07740 Jena
Germany   
Telefon: ++ 49/36 41/93 83 37   
Fax: ++ 49/36 41/93 82 57   

Publikationsverlauf

Eingereicht: 15. November 2019

Angenommen: 18. Januar 2020

Artikel online veröffentlicht:
19. Februar 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York


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