Abkürzungen
EULAR:
European League Against Rheumatism
IL:
Interleukin
STIKO:
Ständige Impfkommission
TNF:
Tumor Nekrose Faktor
Haben Patientinnen und Patienten mit immundermatologischen Erkrankungen häufiger Infektionserkrankungen
und welche Rolle spielen hierbei immunmodulierende Therapien?
Haben Patientinnen und Patienten mit immundermatologischen Erkrankungen häufiger Infektionserkrankungen
und welche Rolle spielen hierbei immunmodulierende Therapien?
Vorweg sei gesagt: wir werden an dieser Stelle keinen Beitrag leisten zur derzeitigen
Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Impfens. Das Autoren-Team fühlt sich in Sachen
Impfstatus seinen Patientinnen und Patienten (im Weiteren nutzen wir geschlechtsneutral
das Wort Patienten) und seinen Mitarbeiterinnen gegenüber verantwortlich. Die Autoren
stehen aber auch im harten Praxis-Alltag und führen viele Diskussionen zum Thema Impfen
mit Mitarbeiterinnen und Patienten (und selbstverständlich auch untereinander). Es
gibt zahlreiche Fragen und nicht immer ist alles so klar, wie es auf den ersten Blick
erscheint.
Der Aufbau eines aktiven Impfschutzes hilft, die Entstehung von (zumeist Infektions-)Krankheiten
zu verhindern, die im Falle eines Ausbruchs nur schwer, wenn überhaupt, medikamentös
zu behandeln sind. Uns sind keine validen, systematischen Analysen bekannt, die Auskunft
darüber geben könnten, ob Patienten mit chronischen Dermatosen häufiger an Infektionen
erkranken, die durch Impfungen verhindert werden könnten. Möglicherweise kann ein
Blick über den Tellerrand zu rheumatologischen Erkrankungen helfen. In einer Literaturrecherche
als Beitrag zur Aktualisierung der EULAR-Impfempfehlungen kommen Furer et al. [1] zu folgenden Ergebnissen: Die Inzidenz von Influenza-Virus- und Pneumokokken-Infektionen
ist bei Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen (Myositis, SLE, Rheumatoide Arthritis)
signifikant erhöht. Hepatitis-Virus-Infektionen hingegen traten im Vergleich mit der
Normal-Population nicht häufiger auf. Die Immunpathogenese-Mechanismen zwischen Psoriasis
und Psoriasis Arthritis und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises sind durchaus
vergleichbar [2]. Daher kann indirekt abgeleitet werden, dass auch Patienten mit chronisch entzündlichen
Dermatosen gefährdet sind, an einer Infektion zu erkranken, die mit einer Impfung
zu verhindern wäre.
Wogegen impfen?
Wir fassen uns an dieser Stelle kurz und verweisen auf diesbezügliche Empfehlungen
der STIKO (2019/2020; in: [3]) bzw. daraus abgeleiteten Anwendungshinweisen für die Impfung bei Autoimmunkrankheiten
[4]. Es werden zahlreiche gute Unterlagen wie Impfkalender, Impflücken-Analysen etc.
durch Pharmaunternehmen (wir nutzen Material von GSK, Leo, Sanofi-Genzyme) angeboten.
In Bezug auf Patienten mit einer immunmodulierenden Therapie (Biologicals) ist hervorzuheben,
dass der Einsatz von Lebend-Impfstoffen (siehe [Tab. 1]) kontraindiziert ist, da hier die Gefahr schwerer bis tödlicher Komplikationen durch
attenuierte Impfviren besteht. Interessanterweise gilt dies für jedwede Biologicals,
unabhängig davon, ob TH1- (TNF, IL-17, IL-12/-23) oder TH2-Pathomechanismen (IL-4/-13)
das therapeutische Target sind.
Tab. 1
Lebendimpfstoffe und Totimpfstoffe.
Lebendimpfstoffe
|
Totimpfstoffe/Toxoide
|
Vermehrungsfähige, abgeschwächte (attenuierte) Erreger, geringe Antigen-Menge, hoch
immunogen, kurzes Impfschema, keine Auffrischung
-
Masern, Mumps, Röteln
-
Varizellen
-
Rotavirus
-
Gelbfieber
-
Herpes Zoster
-
Influenza (nasal)
-
Typhus (oral)
-
Dengue
|
Inaktivierte, nicht mehr vermehrungsfähige Erreger, Erregerbestandteile oder entgiftete
Toxine, höhere Antigenmenge, geringer immunogen, mehrere Impfungen, Auffrischung notwendig
|
Hinsichtlich der Impfabstände (Abschluss der Impfung vor einer immunmodulierenden
Therapie) kann ebenso auf die o. g. Anwendungshinweise [4] verwiesen werden, da die dort beschriebenen Biologicals und andere Immunsuppressiva
auch in der Dermatologie Anwendung finden. Im Einzelfall (neu zugelassene Biologicals)
ist die Fachinformation zu Rate zu ziehen. Wenn man diesbezüglich ins Detail geht,
fällt rasch auf, dass unterschiedliche Impfungen bei unterschiedlichen Therapeutika
unterschiedlich lange Intervalle vor Beginn der immunmodulierenden Therapie haben.
Dies gilt es ebenso zu koordinieren wie die Tatsache, dass laut STIKO-Empfehlung manche
Impfungen (Varizellen, Zoster) nicht simultan mit anderen gegeben werden sollen. Für
Dermatologinnen und Dermatologen von besonderem Interesse ist möglicherweise die Zoster-Impfung,
für die der Totimpfstoff Shingrix® entwickelt wurde. Einen Impfschutz gegen Zoster-Viren gewährleistet dieser Impfstoff
aber nur, wenn die Patienten im Verlauf ihres Lebens an Windpocken erkrankt waren
(anamnestische Angaben, serologischer Nachweis im Falle der Vorbereitung auf eine
Immunmodulation). Im Falle von Seronegativität ist zunächst eine Varizellen-Impfung
empfohlen. Die STIKO-Empfehlungen für die Zoster-Impfung bei Immunsupprimierten vor
Therapie beziehen sich auf Personen im Alter > 50 Jahren. Für andere Personen sei
eine Off-Label-Entscheidung zu treffen. Über deren Erstattungsfähigkeit ist mit der
jeweiligen Krankenkasse Rücksprache zu nehmen. Durch die Impfung soll die T-Lymphozyten-vermittelte
Immunabwehr gegen Varizella-Zoster-Viren (VZV) verstärkt werden. Damit soll verhindert
werden, dass es zur Reaktivierung von VZV kommt, die sich in den sensiblen Nervenganglien
latent abgesiedelt haben. Die Impfserie für den Totimpfstoff Shingrix besteht aus
2 Impfdosen i. m. im Abstand von mindestens 2 bis max. 6 Monaten. Die Datenlage zur
Anwendung des Impfstoffes nach einer vorausgegangenen Herpes Zoster-Erkrankung ist
eher dünn. Es sollte erst geimpft werden, wenn die Symptome komplett abgeklungen sind
[3].
Was macht die Impfung mit der Krankheit?
Was macht die Impfung mit der Krankheit?
Es handelt sich um eine im Internet sehr intensiv diskutierte Frage. Man liest von
Schüben bei Autoimmunerkrankungen, die durch Impfungen jedweder Art ausgelöst werden
sollen. Diese Berichte basieren häufig auf Einzelbeobachtungen. Diskutiert werden
Autoimmunphänomene, die infolge einer Impfung bei prädisponierten Patienten (sehr
selten) beobachtet wurden [5]. Systematische Untersuchungen sind rar, zumal in der Dermatologie. In einer kleinen
Studie wurde in Brasilien gezeigt [6], dass die Impfung gegen Gelbfieber (Lebendimpfstoff) keinen Einfluss auf den Verlauf
der Psoriasis hatte. Auch hier ein Blick zur Rheumatologie: Nach Auswertung aller
diesbezüglich publizierten Studien kommen Rondaan et al. [7] und Goldacker et al. [8] zu dem Ergebnis, dass keiner der Impfstoffe in keiner der rheumatologischen Entitäten
zu einer Exazerbation des Krankheitsverlaufes führte. Die Autoren verweisen darauf,
dass nicht für jede Konstellation (Impfstoff, rheumatologische Erkrankung) Daten ausreichender
Qualität vorliegen. Ebenso liegen keine Daten vor zum Effekt der Impfung von Mitgliedern
im Haushalt von Autoimmunpatienten auf die Inzidenz von entsprechenden Infektionskrankheiten.
Dies ist ebenso wenig der Fall für den Effekt der Impfung von Praxismitarbeitern.
Die STIKO empfiehlt die Impfung von Kontaktpersonen in Haushalt und Arztpraxis (medizinisches
Personal). Letzteres umzusetzen (viele unserer Patienten unter Immunmodulationstherapie
werden interdisziplinär betreut) stellt ebenso eine Herausforderung dar.
Eine umfangreiche Literaturrecherche [8] zeigte, dass relevante klinische Daten zum Einfluss des Impfens auf die Krankheitsaktivität
überwiegend bei Patienten mit mittelschweren Krankheitsverläufen erhoben wurden. Daraus
ziehen die Autoren den Schluss, Impfungen bei Autoimmunpatienten möglichst nicht in
hochaktiven Krankheitsphasen vorzunehmen. Biologicals werden gemäß Zulassung bei Patienten
mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis oder Neurodermitis eingesetzt. Es sollte
diskutiert werden, ob man also zunächst die Therapie startet und nach Ansprechen,
also in einem weniger aktiven Krankheitsstadium, die ggf. benötigten Impfungen vornimmt,
wenn notwendig. Dies gilt freilich nur für Totimpfstoffe, Lebendimpfstoffe sind bekanntlich
kontraindiziert.
Wie beeinflusst die Krankheit den Impferfolg? Wie messen wir diesen eigentlich?
Wie beeinflusst die Krankheit den Impferfolg? Wie messen wir diesen eigentlich?
Der Impferfolg ist das Nicht-Auftreten der impfpräventablen Infektionserkrankung.
Dies zu messen, verlangt große klinische (Langzeit-)Studien, die es für die relativ
kleinen Kollektive der Autoimmunpatienten nicht gibt. Für die meisten Impfungen stellen
serologische Titer-Bestimmungen keine sinnvollen Surrogatparameter dar, weil die in
klinischen Laboratorien angewandten Testmethoden über keine ausreichende Sensitivität
und Spezifität verfügen. Es besteht keine Korrelation zwischen dem Nachweis von Antikörpern
und klinischem Impfschutz. Hinzu kommt, dass Antikörper nur die eine Seite des Impfschutzes
darstellen, die zellvermittelte Immunabwehr wird hier nicht dokumentiert. Grundsätzlich
gilt, dass routinemäßige Antikörperbestimmungen vor und nach Standard-Impfungen nicht
indiziert sind [3]. Ausnahmen sind die Überprüfung des Impferfolges (im Sinne des Auftretens von Antikörpern)
bei immunsupprimierten Patienten. Dies würde bedeuten, dass nach einer Impfung (mit
Totimpfstoff) von Patienten unter immunmodulierender (anti-TNF-, anti-IL-17, anti-IL-23,
anti-IL-4, anti-IgE-) Therapie eine serologische Prüfung auf Antikörper ratsam wäre.
Über die Immunpathogenese der „großen“ Dermatosen (Psoriasis, Atopische Dermatitis,
Urtikaria) gibt es umfangreiche Fachliteratur. Es gibt unseres Wissens keinen systematischen
Nachweis, dass die Immundysregulation bei diesen Patientinnen und Patienten Einfluss
auf den zu erwartenden Impferfolg haben sollte.
Beeinträchtigt die Impfung den Erfolg einer immunmodulierenden Therapie?
Beeinträchtigt die Impfung den Erfolg einer immunmodulierenden Therapie?
Die Frage ist, nach unserem Kenntnisstand, nicht systematisch untersucht. Die immunstimulierende
Wirkung von Impfstoffen (v. a. Tuberkulose-Impfstoff BCG) wurde immer wieder zur unspezifischen
Immunstimulation z. B. bei Tumorpatienten genutzt. Ob jedoch eine im Therapieverlauf
gegebene Impfung den Effekt von TNF-, IL-12/-23- oder IL-17-Blockade beeinträchtigt,
z. B. durch eine verstärkte Produktion solcher Zytokine, ist unseres Wissens nach
nicht bekannt und immunologisch wenig wahrscheinlich. Hinsichtlich der immunmodulierenden
Behandlung allergischer/atopischer Erkrankungen mit Biologicals (Neurodermitis – Dupilumab
anti IL-4/-13 R, Urtikaria – Omalizumab anti-IgE) liegen keine systematisch erhobenen
Daten vor. Eine Verstärkung der allergischen Immunlage durch eine, selten auftretende,
Sensibilisierung des Organismus gegen den Impfstoff oder Präparate-Bestandteile im
Sinne von lokalen oder systemischen Impfreaktionen, scheint theoretisch möglich, wurde
aber unseres Wissens nicht beschrieben.
Beeinträchtigt die Therapie den Impferfolg?
Beeinträchtigt die Therapie den Impferfolg?
Basierend auf einer Literaturrecherche zu rheumatologischen Erkrankungen und Psoriasis
[7]
[8] werden folgende Schlussfolgerungen für die einzelnen Systemtherapien gezogen:
-
Glukokortikoide: exemplarisch wurden Studien an COPD-Patienten ausgewertet, die keinen
Einfluss einer Therapie mit 10–30 mg Prednisolonäquivalent pro Tag auf Pneumokokken
und Influenza-Impfungen ergaben. Die STIKO-Empfehlungen erlauben Impfungen mit Lebendimpfstoffen
bei Patienten mit einer Steroid-Tagesdosis von 10–20 mg.
-
Antimalariamittel: aus sehr kleinen Studien ergibt sich, dass wohl keine eingeschränkte
Impfantwort bei diesen Therapeutika zu erwarten ist.
-
Azathioprin: möglicherweise ist die Impfantwort auf Influenza leicht eingeschränkt.
-
Cyclosporin A: es liegen keine Daten zu rheumatologischen oder dermatologischen Patienten
vor. Bei Cyclosporin-behandelten Transplantierten ist die Impfantwort gegen Influenza
eingeschränkt.
-
Methotrexat: gegen Pneumokokken wurde eine eingeschränkte Impfantwort festgestellt,
gegen Influenza und Hepatitis B gab es normale Impfantworten.
-
TNF-Blocker: es wurde eine normale Impfantwort gegen Pneumokokken und Influenza beobachtet,
eine leicht eingeschränkte Antikörper-Antwort auf Influenza.
-
anti-IL-17 oder anti-IL-17R: keine Daten zu Impfstudien publiziert, Impfempfehlung
lt. Fachinformation der 3 für die Psoriasistherapie zugelassenen Präparate.
-
anti-IL-12/-23: keine Daten zu Impfstudien publiziert, Impfempfehlung lt. Fachinformation
der 3 für die Psoriasistherapie zugelassenen Präparate.
-
anti-IL-4/-13 (Dupilumab): in entsprechenden Studien wurde der Impferfolg gegen Tetanus
Toxoid und Meningokokken analysiert. Es wurde bei behandelten Patienten im Vergleich
zur Placebo-Gruppe keine Beeinträchtigung festgestellt [9] (Fachinformation Dupixent® Sanofi, Oktober 2019).
Ein paar Gedanken zu aktuellen Impf-Aufrufen
Ein paar Gedanken zu aktuellen Impf-Aufrufen
Die Diskussion um das Impfen wird mit großer Leidenschaft und manchem politischen
Inhalt geführt, nicht zuletzt bei den Beteiligten im Gesundheitswesen und hier im
Bereich Dermatologie selbst. Um dies an dieser Stelle nicht zu personalisieren, vermeiden
wir es, die inzwischen zahlreichen Statements oder Editorials namentlich zu zitieren.
Aber sind Aussagen, wie „Jetzt dürfen auch wir Dermatologen uns nicht mehr drücken…“
wirklich zielführend? Genauso könnte ja gefragt werden, warum sich ⅔ der dermatologischen
Praxen und sicherlich etliche Kliniken vor dem Einsatz der hoch wirksamen Biologicals
„drücken“, selbst dort, wo der Einsatz dringend geboten wäre [siehe auch www.PsoBest.de]. Es wäre vielleicht auch die Frage angebracht, warum sich dermatologische Praxen
und sogar Kliniken vor der Systemtherapie als solcher „drücken“ oder bestimmte Entitäten
(Onkologie, Psoriasis Arthritis) nicht selbst therapieren, sondern überweisen. Dies
halten wir völlig wertungsfrei für eine Entscheidung, die eine Praxis auf der Basis
medizinischer wie betriebswirtschaftlicher Aspekte selbst mit hoher Verantwortung
zu treffen hat. Auch wir haben diskutiert (und diskutieren weiter), ob und wie wir
die derzeit 80 Patienten in unserer Spezialsprechstunde (mehr als 80 % in Behandlung
mit Systemtherapeutika) impfen. Ein paar Details, die vielleicht nicht repräsentativ
sind (oder doch?) für unser gesamtes dermatologisches Patientengut. Seit 6 Monaten
erheben wir bei allen Patienten in der „Spezialsprechstunde Immundermatologie“ den
Impfstatus. Es sei betont, wir nehmen uns die Zeit dafür, denn mit diesem Ziel haben
wir die Sprechstunde eingerichtet. Die „Taktung“ beträgt hier 20 min pro Patient,
bei besonders komplexen Fällen und Studienpatienten 30 min. Die Sprechstunde wird
1-mal pro Woche über 4 (demnächst 8) Stunden durchgeführt von einer Weiterbildungsassistentin,
einem Facharzt, 2 MFAs (bei regelmäßiger Konsultation des Praxis-Chefs). Unsere genauen
Analysen haben ergeben, dass wir für Diagnosestellung, Dokumentation, Aufklärung der
Patienten, Kontakte mit anderen Fachgruppen (Rheumatologie, Pulmologie, Labormedizin),
Nebenwirkungsmeldungen etc. durchschnittlich etwa 4 Stunden pro Quartal (2 Ärzte,
2 MFAs) benötigen, bei Kassenpatientinnen und -patienten honoriert oft genug mit der
Grundpauschale. Die ärztliche Impfleistung gem. STIKO [3] besteht aus:
-
Informationen über den Nutzen der Impfung und über die zu verhütende Krankheit,
-
Hinweise auf mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Komplikationen,
-
Erheben der Anamnese und der Impfanamnese einschließlich der Befragung über das Vorliegen
möglicher Kontraindikationen
-
Feststellen der aktuellen Befindlichkeit zum Ausschluss akuter Erkrankungen,
-
Empfehlungen über Verhaltensmaßnahmen im Anschluss an die Impfung,
-
Aufklärung über Beginn und Dauer der Schutzwirkung,
-
Hinweise zu Auffrisch-Impfungen,
-
Dokumentation der Impfung im Impfausweis bzw. Ausstellung einer Impfbescheinigung.
Im Praxisalltag bedeutet dies: zahlreiche Patientenfragen; die wiederholte Bitte,
den Impfausweis zu suchen und mitzubringen; die Durchsicht desselben (wenn er denn
mitgebracht wird) und korrekte Dokumentation. Unsere Erfahrungen zeigen, dass mehr
als 25 % (20 Patienten) keinen Impfausweis vorlegen können (Verlust, verlegt, nie
einen gehabt, in einem anderen Gesundheitswesen aufgewachsen …). Diese 20 Patienten
sind nunmehr (STIKO) als „nicht geimpft“ zu definieren. Bei weiteren 20 Patientinnen
und Patienten ergab die Analyse Impflücken bei 2–5 Indikationen. Zusammengefasst sprechen
wir also von ca. 250 Impfungen, die unserem Patientenkollektiv vor dem Beginn (Lebendimpfstoffe)
oder bis kurz nach Beginn (Totimpfstoffe) zu verabreichen sind, inklusive Rezeptierung,
Durchführung der Injektion, kurze Nachbeobachtung, Dokumentation und Aufklärung über
ggf. Wiederholungs-Impfung nebst Terminsetzung dafür. Die Kassenpraxis erhält pro
Impfung 7,18 € – 10,25 € (Stand 04/2019). Damit sind alle o. g. Tätigkeiten abgegolten.
Für Reise-medizinische Impfberatung können andere Honorare eingenommen werden. Ob
dies alles den betriebswirtschaftlichen Erlös für die Betreuung unserer Patienten
mit immundermatologischen Erkrankungen unter immunmodulierenden Therapien „verbessert“,
sei bezweifelt. Die Honorierung für diese (in vielen Praxen wachsende) Patientengruppe
muss dringend verbessert werden. Dies ist jedoch an anderer Stelle zu diskutieren.
Wir hören in Vorträgen häufig, dass Impf-Tätigkeiten ja größtenteils „delegiert“ werden
können. Es sei kurz bemerkt, dass Impfaufklärung, Abklärung von Kontraindikationen,
Anamnese und Feststellung der Impffähigkeit sowie die Unterschrift im Impfpass nicht
delegierbar sind. Ebenso ist die ärztliche Anwesenheit in der Praxis, während geimpft
wird, unabdingbar. Das Thema „Delegieren“ klingt außerdem ein wenig so, als ob wir
Personal hätten, dass nicht ausgelastet ist und daher bereit, sofort eine durchaus
komplexe Tätigkeit (Impfen ist die meist intramuskuläre Injektion von Fremdprotein
mit seltenen, aber potenziell möglichen Nebenwirkungen; siehe auch [Tab. 2]) zu übernehmen. Dies ist in unserer Praxis nicht der Fall. Es muss also überlegt
werden, zu Lasten welcher wegfallenden Tätigkeiten das Impfen erfolgen soll. Es ist
daher irrelevant, ob delegiert wird oder nicht. Es geht um Zeit, die zu erwirtschaften
ist. Das ist, mit Verlaub, eine recht einfache betriebswirtschaftliche Rechnung.
Tab. 2
Praxis-Tipps Impfen (Quelle: Rund ums Impfen, Modul 1; GSK 2018, ergänzt).
-
Eine aktive Immunisierung (Impfung) ist das Auslösen einer Antigen- (Impfstoff-)spezifischen Immunreaktion
durch Antikörper und/oder spezifische T-Lymphozyten. Die passive Immunisierung erfolgt durch Gabe von Antikörpern (Immunglobulinen).
-
Lebendimpfstoffe vor einer immunmodulierenden oder immunsuppressiven Therapie geben. Totimpfstoffe können auch unter der Therapie verabreicht werden.
-
Beim Vorbereiten des Impfstoffes selbigen auf Körpertemperatur bringen, nach Desinfektion abwarten, bis Desinfektionsmittel abtrocknet, ausreichend
lange Kanüle für i. m. Injektion wählen.
-
Aspiration ist „out“, da an den für die Injektionen genutzten Körperstellen keine großen Gefäße existieren,
es keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse darüber gibt, dass Aspiration eine zufällige
Injektion in ein Blutgefäß wirklich verhindert und Aspiration unnötig Schmerz erzeugt.
-
Entsorgung in geeigneten Behälter (durchstichfest, feuchtigkeitsdicht, transportsicher) ohne Re-capping (Spritze nach Injektion lassen, wie sie ist). Es gelten möglicherweise besondere
regionale Vorschriften.
-
Lagerung im Kühlschrank bei 2–8 ˚C (prüfen, wo im Kühlschrank dies der Fall ist!).
|
Wer also soll impfen? In (nicht repräsentativen) Gesprächen mit Dermatologen kristallisieren
sich folgende Möglichkeiten heraus:
-
Impfstatus wird nicht erhoben,
-
Impfstatus wird erhoben, es erfolgt aber kein prozessuales Management der notwendigen
Konsequenzen (hier sind wir gerade),
-
Impfstatus wird erfragt (oder nicht) und der Patient wird zum Hausarzt geschickt mit
der Bitte um Gap-Impfen (zeitaufwendig, Patient ist ja schwer erkrankt, soll rasch
ein Biological bekommen),
-
es wird selbst geimpft, das komplette Auffrischungs-Programm (eher bei der Minderheit
der kontaktierten Kolleginnen und Kollegen). Vielleicht sollten wir Dermatologen uns
v. a. um Impfungen gegen „unsere“ Indikationen kümmern, also die HZV-Impfung voranbringen.
Vorausgesetzt, der Impfstoff ist verfügbar (siehe unten). Man dreht sich in dieser
Frage schnell im Kreise.
Es sei auf einige weitere Aspekte hingewiesen. Wir halten uns für durchaus ordentlich
ausgebildete Dermatologen, unterstützt von sehr gut ausgebildeten, motivierten MFAs.
Aber wir sind keine „Impfärzte“. Das Knowhow muss also vorgehalten und ständig aktualisiert
werden. Zumindest muss eine/r das STIKO-Bulletin lesen oder andere Quellen, wie www.forum-impfen.de oder www.impfakademie.de (GSK-gefördert) oder www.stiko.de verfolgen. Wir nutzen u. a. auch hausinterne Fortbildungen, die vom Unternehmen GSK
angeboten werden und entsprechende Kurse, wie jüngst auf dem Kongress „Dermatologie
kompakt und praxisnah 2020“. Für die Kolleginnen MFA gibt es zahlreiche Möglichkeiten
einer Fortbildung zur qualifizierten Impfassistentin, z. B. online über www.besser-impfen.de. Über ImpfDocNE werden Möglichkeiten eines EDV-gestützten Impfmanagements angeboten
(unterstützt von der Gesellschaft zur Förderung der Impfmedizin, GZIM mbH). Das kommende
Masernschutzgesetz wird ab 1. März als eine wichtige Änderung mit sich bringen, dass
alle Ärzte impfen dürfen. Im Ärzteblatt, Jg. 117, Heft 4 vom 24. Januar ist zu lesen:
„Eines der Ziele ist, jeden Arztkontakt zur Überprüfung und ggf. Verbesserung des
Impfstatus zu nutzen“. Und weiter: „Daher wird auch die Auseinandersetzung mit neuen
Methoden und Forschungsergebnissen in diesem Feld immer wichtiger“. Dies alles kostet
aber Zeit und geht möglicherweise zu Lasten anderer Spezialisierungen (Anwendung von
Biologicals; Immunonkologie; Lasertherapie; …). Nicht zuletzt sei erwähnt, dass es
Lieferschwierigkeiten für Impfstoffe gibt (der Zoster-Impfstoff war ein halbes Jahr
in der Apotheke nicht vorhanden, etliche Grippe-Impfstoffe waren periodisch nicht
verfügbar). Und obwohl wir sehr gut mit den umliegenden Apotheken zusammenarbeiten,
kosten Nachfragen (häufig durch die MFAs) ebenfalls viel Zeit. Unser letzter Patient,
den wir mit Shingrix impfen wollten, hat es auf der Apotheken-Warteliste immerhin
auf Position 77 geschafft. Auch die Auswahl des Impfstoffes kann eine gewisse Herausforderung
darstellen. Für die Saison 2019/2020 hatte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) 3 Spaltimpfstoffe,
2 Untereinheiten-Impfstoffe, 1 adjuvantierten Impfstoff, 1 attenuierten Lebendimpfstoff
sowie 1 Zellkultur-basierten Impfstoff zugelassen, jeder mit gewissen Spezifika und
unterschiedlich verfügbar.
Wir möchten nicht den Eindruck erwecken, uns hinter betriebswirtschaftlichen Aspekten
zu verstecken und uns damit vor dem Impfen unserer Patienten „zu drücken“. Wir werden
die entsprechenden Prozesse für die genannte Gruppe der Chroniker vor und unter Behandlung
mit Biologicals (und anderen Systemtherapien) im 1. und 2. Quartal etablieren (mehr
als nur gute Vorsätze zum Jahresbeginn). Wir werden dabei intensiv die Diskussion
mit anderen dermatologischen Praxen suchen und auch mal über den Tellerrand (Allgemeinmediziner,
Rheumatologen) schauen. Vielleicht nutzt die Leserschaft ja unsere Ausführungen, um
mit uns und miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn heute haben wir es (noch) mit
STIKO-Impf-„empfehlungen“ (gem. Infektionsschutzgesetz) zu tun. Es ist aber wohl nur
noch eine Frage der Zeit, dass die Gewährleistung des Impfschutzes bei unseren Patienten
mit immunmodulierenden Therapien essenzieller Bestandteil der Arzneimittelzulassung
wird. Dann wird aus der Empfehlung eine Haftpflicht-relevante Forderung.