Laryngorhinootologie 2020; 99(06): 365-369
DOI: 10.1055/a-1168-0663
Leitlinien und Empfehlungen

Handlungsempfehlungen DGHNO-KHC und BVHNO für die HNO-Elektiv-/nicht notfallmäßige Behandlung zu Corona-Zeiten (29.04.2020)

Andreas Dietz
1   HNO-Universitätsklinik Leipzig, Präsident DGHNO-KHC
,
Boris Haxel
2   Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf-/Halschirurgie; AMEOS Klinikum Haldensleben
,
Andreas Müller
3   Chefarzt HNO-Klinik, SRH-Wald-Klinikum Gera
,
Hans-Jürgen Welkoborsky
4   Chefarzt Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde; KRH Klinikum Nordstadt; Hannover
,
Stefan Drumm
5   Vizepräsident des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte; Landesvorsitzender Berufsverband der HNO-Ärzte Niedersachsen e. V.; Aldendorf
,
Orlando Guntinas-Lichius
6   Direktor HNO-Klinik, Universitätsklinikum Jena
,
Iris Chaberny
7   Direktorin Institut für Hygiene, Krankenhaushygiene und Umweltmedizin im Universitätsklinikum Leipzig
,
Albrecht Wienke
8   Fachanwalt für Medizinrecht, Wienke & Becker – Köln®
,
Thom Deitmer
9   Generalsekretär der DGHNO-KHC
,
Dirk Heinrich
10   Präsident der BVHNO, Präsident SpiFa, Präsident Wirchow-Bund
› Author Affiliations
 

Im Rahmen der zu erwartenden Lockerungen der Corona-bedingten behördlichen Anordnungen oder Empfehlungen, ist mit einer baldigen Wiederaufnahme von elektiven HNO-Eingriffen zu rechnen. In einer ersten Stellungnahme zu juristischen Aspekten bei HNO-Elektiveingriffen haben wir uns zu versicherungsrechtlichen Fragen und Aspekten der Aufklärung sowie der strengen Beachtung der aktuellen RKI-Hygieneempfehlungen geäußert. Des Weiteren nehmen wir Bezug auf die aktuelle BMG-Empfehlung „Ein neuer Alltag auch für den Klinikbetrieb in Deutschland“ vom 27.04.2020 (Ausarbeitung AWMF, DIVI, DKG) (www.hno.org/de/corona).

Des Weiteren haben wir uns zu Beginn der Pandemie zu Arbeitsschutzempfehlungen und der besonderen Gefährdung von HNO-Ärzten, insbesondere bei diagnostischen und operativen Maßnahmen im oberen Aerodigestivtrakt, geäußert. Im Rahmen der am 21.03.2020 auf dem Corona-Ticker geäußerten ersten Warnung haben wir aufgrund der Nicht-Verfügbarkeit von persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) für unsere Mitglieder von sämtlichen elektiven Eingriffen an Nase und Nebenhöhlen abgeraten. Die Warnungen führten dazu, dass bundesweit eine vorrangige Versorgung mit Schutzmaßnahmen für HNO-Ärzte geleistet wurde und mittlerweile ausreichend Material für den Arbeitsschutz vorhanden ist.

Die jetzige Handlungsempfehlung soll im Rahmen der Wiederaufnahme von elektiver/nicht notfallmäßiger HNO-Therapie in Klinik und Praxis, also auch der Eingriffe an Nase- und Nasennebenhöhlen, darstellen („elektiv“ ist nicht klar definiert und führte im Rahmen der behördlichen Anordnungen zu unterschiedlichen föderalen Betrachtungen bzw. Verboten), wie eine Art pragmatische Hygieneübersetzung der teilweise im Allgemeinen bleibenden RKI-Empfehlung erfolgen kann. Wir weisen darauf hin, dass sämtliche Empfehlungen auf sehr geringer Evidenz fußen und sich in den nächsten Wochen ändern können. Es ist davon auszugehen, dass die Pandemie über einen längeren Zeitraum eine Herausforderung an den Infektionsschutz bei unserer Arbeit darstellt. Die folgende Handlungsempfehlung wurde von den Präsidien der DGHNO-KHC und des BVHNO konsentiert und am 29.04.2020 verabschiedet.

Inhalt

  1. Corona-Schutzmaßnahmen Poliklinik, Ambulanz, Praxis

    • Kohortierung

    • Organisation Empfangs- und Wartebereich (Nicht-Corona)

    • Hygienekonzept für Untersuchungsräume, Untersuchungseinheiten und Instrumentarium (Nicht-Corona)

    • Corona-sichere Funktionsdiagnostik (Personalschutz Audiometrie, Pädaudiologie etc.)

    • Corona-sichere Rhinomanometrie

    • Corona-sichere Riechtestung

    • Mund-Nasen-Schutz (MNS; FFP2,3); PSA

    • Verfahrensweise mit Corona-positiven Patienten

    • Maskenpflicht für Personal und Patienten

  2. Obligate präoperative Testung, Zeitraum, präOP Quarantäneempfehlungen

  3. Schutzmaßnahmen im Corona-freien Elektiv-OP

    • Wann besondere PSA?

    • Besondere Desinfektionsmaßnahmen am Patienten

  4. Empfehlungen zur Indikationsstellung


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1. Corona-Schutzmaßnahmen Poliklinik, Ambulanz, Praxis

In der Regel sind Patienten, die ambulante Einrichtungen wie Praxen, Ambulanzen und Polikliniken betreten, nicht Corona-getestet. Insofern ist eine Art Schleuse zur initialen Lenkung und Kohortierung idealerweise vor Eintritt in Praxis/Ambulanz/Poliklinik einzurichten. Somit sollte ein „Corona-Bereich“ eingerichtet und vom Nicht-Corona-Bereich getrennt werden (Kohortierung; alternativ zeitlich getrennte Sprechzeiten). Die Patienten sollten im Vorfeld aufgefordert werden, die Praxis ohne Begleitpersonen (Ausnahme Minderjährige oder betreute Personen) und mit MNS (bundesweite Maskenpflicht; Kleinkinder ausgeschlossen) zu betreten.

Der Patienten-MNS kann nach RKI (14.04.2020) auch eine Mund-Nasen-Bedeckung sein (Schal, selbstgenähter MNS). Der medizinische „chirurgische“ und damit dreilagige MNS ist vorzuziehen (www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.html).

a) Kohortierung

Im Prinzip sollte eine räumliche und/oder zeitliche (falls räumlich nicht möglich), organisatorische Trennung der Sprechstunden erreicht werden (Infektsprechstunde für Patienten mit jeglichen Infektbeschwerden inkl. Riech- und Schmeckverlust, übrige Sprechstunden für Hörminderung, Schwindel etc.). Bei der Kohortierung (räumlich ideal) sollte vor oder im Eingangsbereich eine kurze Anamnese (Fieber, Husten, Atemnot, Gelenkschmerzen, Anosmie, Geschmackstörungen, Kontakt mit Corona-positiven Menschen) und ein Fieberscan durchgeführt werden. Alle Patienten tragen eine Maske (sinnvollerweise bereits bei der Terminvergabe auf Maskenpflicht hinweisen), oder bekommen am Eingang eine ausgehändigt (MNS ausreichend). Des Weiteren erfolgt eine erste Händedesinfektion. Sollte sich die Temperatur > 37,5 °C oder Anamnese als auffällig erweisen, wird der Patient in den Corona-Bereich geführt und ein Abstrich genommen. Das Personal im Corona-Bereich trägt Schutzausrüstung (mittlerweile bundesweit etabliert: Brille/Visier, FFP2-Maske, Schutzkittel und Handschuhe) und führt einen Abstrich durch (PCR). Sollte eine räumliche Kohortierung nicht möglich sein, kann auch eine versetzte Sprechstunde eine alternative Lösung darstellen. Der Patient verlässt dann wieder die Praxis und bleibt zuhause (Quarantäne) bis zum Vorliegen des Testergebnisses (nach 6–24 h, Tests symptomatischer Patienten sind Kassenleistung). Der weitere Verlauf orientiert sich an den RKI-Maßnahmen und Testkriterien, inkl. Meldung an das Gesundheitsamt (http://multimedia.gsb.bund.de/RKI/Flowcharts/covid19-arzt/).

Passiert der Patient ohne Auffälligkeiten die Schleuse, wird er nach Maskenkontrolle und erfolgter Händedesinfektion in den Nicht-Corona-Bereich gebeten. MNS-Pflicht für den gesamten Aufenthalt in der Praxis/Ambulanz/Poliklinik wird empfohlen.


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b) Organisation Empfangs- und Wartebereich (Nicht-Corona)

Für den Personalschutz in Kontaktbereichen sollten konsequent Trennscheiben (Plexiglas, Herstellung durch Schreiner, Messebau, Praxisausstatter) analog zum Schutz der Kassiererinnen in Supermärkten eingearbeitet werden. In den Wartebereichen sollten die Patienten neben-, hintereinander, nicht aber gegenübersitzen. 1,5 m Mindestabstand muss umgesetzt werden (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 16.04.2020). Strenge MNS-Pflicht aller Patienten und des Personals muss eingehalten werden. In jedem Zimmer sollten Händedesinfektionsspender verfügbar sein.

Soweit es die Räumlichkeiten zulassen, sollten Patienten, die einer Risikogruppe angehören (insbes. Pat. > 65 Jahre, Tumorpatienten, tracheotomierte Patienten, Patienten mit Mukoviszidose, Immundefiziens etc.) von anderen Patienten im Wartebereich getrennt bleiben.


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c) Hygienekonzept für Untersuchungsräume, Untersuchungseinheiten und Instrumentarium (Nicht-Corona)

Neben strenger Einhaltung der Hygienemaßnahmen, regelmäßiger Desinfektion von Türgriffen und Oberflächen, abgedeckter Untersuchungseinheit samt Instrumente, weisen wir auf regelmäßige Händedesinfektion, ggf. Tragen von Handschuhen, MNS und Schutzbrillen in der Routine im Corona-negativen Bereich hin. Zusätzlich sollte man die Untersuchungszeit am Patienten möglichst kurzhalten und in Corona-Zeiten, soweit vertretbar, die Untersuchungen auf das Wesentliche reduzieren.

Für spezielle Untersuchungen (Rhinoskopie, Tracheostomapflege, Laryngoskopien, flexible transnasale Pharyngoskopien etc.) sollte zusätzlich ein tröpfchendichtes Gesichtsvisier getragen werden. Die Visiere können aus Kunststofffolien (beispielsweise Overhead-Folien) oder mittlerweile im 3D-Druckverfahren hergestellt oder von mittlerweile diversen Herstellern erworben werden. Notfalls tut es auch eine größere Schutzbrille (Laborbrillen, Gesichtsvisiere, wie im OP verwandt, oder Kombinationen aus MNS und Visier).

Wichtig ist, dass der MNS enganliegend getragen wird und das Visier das Gesicht bzw. Augen-Wangenbereich zu 180° umspannt. Das Visier sollte auch möglichst eng am Gesicht getragen werden. Siehe hierzu auch „Stellungnahme Pragmatischer Personalschutz“ vom 30.03.2020 im Corona-Ticker (www.hno.org/de/corona). Schließlich können beweglich angebrachte, selbsthaltende Schutzscheiben an den Untersuchungseinheiten auch eine Hilfe für das Personal im Behandlungsraum darstellen.


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d) Corona-sichere Funktionsdiagnostik (Personalschutz Audiometrie, Pädaudiologie etc.)

Generell gelten die Hygienegrundregeln, wie Abstand, strenge MNS-Pflicht und konsequente Desinfektion von Patientenkontaktbereichen. Besonders empfindlich sind enge Audiometrie-Kabinen, in denen sich Untersucher und Patient gleichermaßen für den Zeitraum der Untersuchung gemeinsam aufhalten müssen. Beim direkten Interagieren z. B. mit den Kindern (Pädaudiologie) und Nicht-Einhaltungsmöglichkeit der 1,5 m wird das Tragen von FFP2-Masken (anstatt MNS) empfohlen. Auch hier können fest installierte Plexiglasscheiben einen guten Personalschutz bieten. Untersuchungen, wie Ultraschall und andere reine Kontaktverfahren, können nach konsequenter Oberflächen- und Gerätedesinfektion problemlos durchgeführt werden.


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e) Corona-sichere Rhinomanometrie

Bei der Durchführung einer Rhinomanometrie/akustischen Rhinometrie (auch nasale Provokationen) ist darauf zu achten, dass zertifizierte single-use Komponenten verwendet werden und der Hersteller Möglichkeiten zur Dokumentation von Aufbereitungsmaßnahmen zur Verfügung stellt.


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f) Corona-sichere Riechtestung

Bezüglich Riechtests ist darauf zu achten, dass auch hier die Abstandregeln zum Patienten einzuhalten sind, sowohl von der untersuchenden Person als auch von den verwendeten Materialien. Hier sollte auf ein Einmal-Testsystem zurückgegriffen werden (UPSIT-40 Test, B-SIT oder Pocket Smell Test zum Screening). Bezüglich der Verwendung der verschiedenen wiederverwertbaren Systeme der Sniffin’ Sticks ist festzuhalten, dass bei einer direkten Darreichung der Riechstifte unter die Nase des Patienten eine Kontamination beim Ausatmen nicht ausgeschlossen werden kann. Alternativ kann mit dem Filzschreiber-ähnlichen Riechstift ein ca. 2 cm langer Strich auf ein Stück Papier gezogen werden und dann dem Patienten das Papier gereicht werden. Da bei der am häufigsten durchgeführten reinen Identifikationstestung überschwellige Duftkonzentrationen verwendet werden, ist mit einer zu vernachlässigbaren Abweichung von den Ergebnissen der sonst üblichen Testung zu rechnen. Bei dieser Vorgehensweise ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese mit einem schnelleren Aufbrauchen der Riechstifte und reduzierter Haltbarkeit einhergeht.


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g) MNS; FFP2,3; PSA

Nach den jüngsten Ausführungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vom 16. April 2020 gilt folgende offizielle bundesweite behördliche Definition des Standards, nachzulesen unter (www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/einheitlicher-arbeitsschutz-gegen-coronavirus.html). Besonders strikt ist auf die ausschließlich personenbezogene Benutzung jeglicher Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und Arbeitsbekleidung zu achten. Bei unvermeidbarem Kontakt zu anderen Personen bzw. nicht einhaltbaren Schutzabständen sollten Mund-Nase-Bedeckungen, in besonders gefährdeten Arbeitsbereichen (COVID-Abstrich bei symptomatischen Patienten, Umgang mit sicher SARS-CoV-2-positiven Patienten) PSA + FFP2 getragen werden. FFP2,3-Masken werden in der aktuellen o. g. Arbeitsschutzempfehlung im Allgemeinen, also auch im alltäglichen, nicht besonders Corona-gefährdeten Praxis-/Ambulanz/Poliklinikbetrieb nicht mehr explizit genannt.

Aus unserer Sicht empfehlen wir bei Untersuchungen mit hohem Infektionsrisiko MNS (ggf. FFP2) + Brille/Visier (sie auch c.). Dies gilt für COVID-negative und nicht getestete Patienten ohne einschlägige Symptomatik.

FFP≥ 2-Masken bleiben den definitiven COVID-positiven Behandlungsbereichen im Rahmen der PSA (mittlerweile bundesweit etabliert: Brille/Visier, FFP2-Maske, Schutzkittel und Handschuhe) vorbehalten.


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h) Verfahrensweise mit Corona-positiven Patienten

Generell gilt, dass definitive SARS-CoV-2-positiv getestete Patienten, soweit nicht symptomatisch oder mit milder Symptomatik, in die häusliche Quarantäne geschickt werden müssen. COVID-19-Patienten sollten insbesondere bei beginnender Atemwegssymptomatik mit „Luftknappheit“ unverzüglich in die nächste Klinik mit COVID-Behandlungseinrichtung überwiesen werden.


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i) Maskenpflicht für Personal und Patienten

Es wird nochmals betont, dass MNS für Ärzte und Patienten in Kombination mit konsequenter Händedesinfektion die beste und effektivste Barriere zum Arbeitsschutz in HNO-Praxen und HNO-Kliniken darstellt. Ein MNS bedeckt das Gesicht inklusive des Nasenrückens und des Kinns!


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2. Obligate präoperative Testung, Zeitraum, präOP Quarantäneempfehlungen

Wie sich gezeigt hat, sind die aktuell gängigen PCR-Abstrichtestungen hoch spezifisch (> 99 %) und ausreichend sensitiv (ca. 5 % falsch-negativ), soweit der Abstrich fachgerecht durchgeführt wurde. Nachdem mittlerweile bekannt ist, dass die initiale Replikation von SARS-CoV-2 insbesondere in Nase und Oropharynx in den ersten 5 Tagen der Infektion sehr hoch ist, erscheint die Gefahr von Abstrichfehlern, soweit durch die Nase und an der Rachenhinterwand direkt hinter der Uvula durchgeführt, relativ gering (Wichtig: tiefer Nasenabstrich). Falsch-negative Ergebnisse können z. B. auch aufgrund schlechter Probenqualität, unsachgemäßem Transport oder ungünstigem Zeitpunkt (bezogen auf den Krankheitsverlauf) der Probenentnahme nicht ausgeschlossen werden. Nähere Hinweise benennt das RKI nach seiner jüngsten Korrektur vom 24.04.2020: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html.

Es empfiehlt sich, die genauen Handlungsanweisungen des regionalen Labors zu berücksichtigen und die oben genannte PSA im Rahmen des Abstrichs streng einzuhalten.

Auch wenn das RKI aktuell im Allgemeinen von einer Testung asymptomatischer Personen abrät, schließen wir uns der Vorgabe führender Krankenhaushygienikern und dem Vorgehen vieler Kliniken in Deutschland an, und empfehlen für alle Patienten, vor einem elektiven, bzw. auch kurzfristig planbaren ambulanten und stationären HNO-Eingriff, die Durchführung einer präoperativen PCR-Abstrichtestung.

Die Testung muss kurzfristig, max. 48 h vor OP erfolgen (Laborzeiten 6–24 h in Deutschland). Der Test ist eine Momentaufnahme und gibt lediglich akzeptable Sicherheit für den Zeitpunkt des Abstrichs. Insofern sind neben dem kurzfristig vor OP durchgeführten Test strikte Quarantänemaßnahmen zwischen Abstrich und OP einzuhalten. Stationäre Patienten werden idealerweise am präoperativen Aufnahmetag abgestrichen (soweit tageszeitliches Ergebnis möglich), und dann in der Klinik mit Ausgangssperre und MNS-Pflicht aufgenommen („kaserniert“). Das Negativ-Ergebnis ist Bedingung für Freigabe zur OP. Falls sich der Abstrich als positiv erweisen sollte, wird der Patient entlassen und in Quarantäne geschickt. Hier greifen dann die weiteren Empfehlungen für SARS-CoV-2-positive Patienten nach RKI (siehe unter 1.a). Die geplante OP wird verschoben auf mind. 14 Tage nach Negativtestung bei Symptomfreiheit und ggf. länger bei COVID-Erkrankung.

Bei ambulanten und stationären Patienten, wo im Rahmen der Auftragsleistung durch externe Labore/Institute die Tests nicht in Tagesfrist erfolgen können (Testung am Aufnahmetag vor OP nicht zeitgerecht, oder prästationäre Aufnahme nicht möglich), wird die freiwillige Quarantäne des Patienten in dem möglichst kurzen Zeitraum zwischen Abstrich und ambulanter OP (abhängig von Labor-Ergebnislieferung) empfohlen. Entsprechende Aufklärung zur Einhaltung der Quarantäne ist mit dem Patienten durchzuführen und durch Unterschrift zu vereinbaren.

Der einmalige präoperative Abstrich setzt voraus, dass die Klinik eine Zugangsschleuse, Besuchsverbot, MNS-Pflicht für Personal und Patienten sowie strenge Kohortierung COVID-19-positiver Patienten einhält.

Nach der aktuellen WHO-Bewertung vom 24.04.2020 sind Patienten, die einen positiven IgG-AK-Test aufweisen, bzw. nachgewiesenermaßen von COVID-19 wieder genesen sind, nach derzeitigem Wissen nicht zwingend vor einer Re- oder Zweitinfektion geschützt (www.who.int/news-room/commentaries/detail/immunity-passports-in-the-context-of-covid-19). Insofern gilt die Empfehlung des präoperativen Abstrichs bei Patienten vor planbaren Operationen ausnahmslos.

Eine alternative 14-tägige häusliche Quarantäne vor einer planbaren OP anstatt Testung wird nicht empfohlen.


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3. Schutzmaßnahmen im Corona-freien Elektiv-OP

a) Wann besondere PSA?

Generell gelten im HNO-OP (strenger COVID-negativer Bereich) die allgemeinen Hygienestandards inkl. MNS, die beim Operateur und unmittelbar Beteiligte (Assistenz, Tisch-Pflegepersonal, Anästhesist bei Intubation) durch die zusätzliche Empfehlung einer Schutzbrille ergänzt werden. Die Schutzbrillenempfehlung gilt nicht für weitere Personen mit Abstand, wie Springer, Anästhesie etc.. Kontinuierliche Schulung und möglichst geringe Zahl der Personen im OP ist für die Sicherheit von Patienten und Personal unerlässlich. Ein „ambulanter“ und ein „stationärer“ Operationsbereich haben diesbezüglich identische Standards.

Für die wahrscheinlich infektiöseste HNO-OP, die Not.-, oder dringliche Tracheotomie, gelten die Empfehlungen einer auf dem Corona-Ticker nachlesbaren und sorgfältig erarbeiteten SOP von Lindemann et al. (http://www.thieme-connect.com/products/ejournals/html/10.1055/a-1151-7932). Bei Elektiv-Operationen wurde bereits früh auf die besondere Gefahr von endonasalen Eingriffen hingewiesen (www.hno.org/de/corona).

Nach aktueller Empfehlung des RKI (Stand: 01.04.2020) sollten bei allen Tätigkeiten, die mit Aerosolproduktion einhergehen (z. B. Intubation oder Panendoskopie, Bronchoskopie, Nasennebenhöhlenchirurgie), bei unklarerer SARS-CoV-2-Infektionslage Atemschutzmasken (FFP2 oder darüberhinausgehender Atemschutz) getragen werden. Die spezifische Situation von operativen Eingriffen im oberen Respirationstrakt ist in den Empfehlungen des RKI nicht explizit genannt. Als aktuelle Empfehlung für die elektive Nasennebenhöhlenchirurgie sind somit mindestens MNS bei Abstrich-negativen Patienten, oder FFP2-Maske, ein steriler, flüssigkeitsdichter OP-Kittel, Schutzbrille und sterile Handschuhe einzufordern. Eine kamerageführte Endoskopie (videogestützte OP) ist zu empfehlen, da hierdurch der Patientenabstand zum Operateur vergrößert wird. Ein Visier, sofern verfügbar, ist einer Schutzbrille vorzuziehen. Ein Ganzkörperschutzanzug, sog. PAPR („Powered Air Purifying Respirator“ = Respirator-Anzug mit aktiver Belüftung) wird explizit nicht empfohlen.

In einer kürzlich durchgeführten Studie erzeugte die Anwendung von Standard-Kaltgeräten oder Mikrodebridern keine nachweisbaren Aerosole. Im Gegensatz dazu erzeugten Hochgeschwindigkeitsbohrer eine signifikante Aerosolkontamination (Workman, A. D. et al., Endonasal instrumentation and aerosolization risk in the era of COVID-19: simulation, literature review, and proposed mitigation strategies. Int Forum Allergy Rhinol, 2020.). Dieser Umstand ist bei Anwendung der Fräse generell, und insbesondere endonasal oder im Rahmen einer Rhinoplastik zu berücksichtigen. Ein definitiver Atemschutz (FFP2) und ein Ganzgesichtsvisier könnte hier die Sicherheit erhöhen; keine definitive Evidenz).


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b) Besondere Desinfektionsmaßnahmen am Patienten

Besonderen Desinfektionsmaßnahmen, wie beispielsweise die endonasale intraoperative Spülung mit Antiseptika zur Reduktion der vermeintlichen Viruslast vor OP-Beginn werden nicht empfohlen (keine Studienlage). Davon unberührt bleiben die bislang üblichen Desinfektionsmaßnahmen des Mund-/Rachenraums beispielsweise im Rahmen der Tumorchirurgie.


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4. Empfehlungen zur Indikationsstellung

Die Indikationsstellung von elektiven Eingriffen in der HNO-Heilkunde sollte in Zeiten der Corona-Pandemie streng erfolgen. Wie eingangs bereits erwähnt, ist der Begriff „elektiv“ nicht klar definiert und führte im Rahmen der behördlichen Anordnungen zu unterschiedlichen Interpretationen. Grundsätzlich wird an dieser Stelle festgestellt, dass außer rein ästhetischen Eingriffen, die ohnehin einen besonderen Status als Selbstzahlerleistung genießen, alle von den Kostenträgern übernommenen Gesundheitsleistungen als notwendig und nicht „auf nächstes Jahr verschiebbar“ zu betrachten sind. Es empfiehlt sich also, in Abgrenzung von Notfällen den Begriff des kurz- (4 Wochen) und mittelfristig (3 Monate) „planbaren HNO-Eingriffs“ zu verwenden. Da nach Maßgabe des RKI offiziell von einer langen Dauer der Pandemie auszugehen ist, sehen wir unter Einhaltung der in dieser Schrift ausgeführten umfangreichen Schutzmaßnahmen die Durchführung von planbaren HNO-Eingriffen für gut und sicher möglich an, soweit behördliche Anordnungen nicht dagegensprechen.

Die einzige neben den bisher geltenden medizinischen Standards zusätzliche Indikationseinschränkung für planbare HNO-Eingriffe ist eine positive SARS-CoV-2-Testung und eine definitive COVID-19-Erkrankung. Die Karenzzeit bis zur sicheren Durchführung eines planbaren HNO-Eingriffs richtet sich nach dem Krankheitsverlauf. Abstrich-positive asymptomatische Patienten sollten bis mindestens 14 Tage nach letztem neg. Abstrich im Follow-up verschoben werden.

Die DGHNO und der BVHNO behalten sich vor, dass diese Handlungsempfehlung zum jetzigen Stand gilt, aber durch die hohe Dynamik der Erkenntnisse im Rahmen des Pandemieverlaufs regelmäßigen Anpassungen unterliegt. Ganz prinzipiell empfehlen wir die Abstimmung mit den vor Ort gültigen Vorgaben der medizinischen Leitung des Krankenhauses, der Krankenhaushygiene und der örtlichen Gesundheitsbehörden. Die Indikationsstellung bleibt generell eine Einzelfallentscheidung und unterliegt der Verantwortung des Arztes.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Andreas Dietz
Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde
Universitätsklinikum Leipzig AöR in den Kopfkliniken am Bayrischen Platz
Liebigstraße 10–14
04103 Leipzig

Publication History

Article published online:
08 May 2020

© Georg Thieme Verlag KG
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