Schlüsselwörter
pelvines Stauungssyndrom - Nussknacker-Syndrom - May-Turner-Syndrom - pudendale Varikose
- pelvine Durchtrittspunkte - Sklerotherapie
Key words
pelvic congestion syndrome - Nutcracker syndrome - May-Thurner syndrome - pudendal
varicosities - pelvic leak points - sclerotherapy
Einleitung
Für Phlebologen stellt die Exploration der Venen des Stammes eine besondere Herausforderung
dar. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Untersuchung der Organe des kleinen
Beckens sowie des Retroperitonealraums und der Bauchhöhle vor allem den Fachgebieten
Urologie, Gynäkologie, Innere Medizin und Viszeralchirurgie obliegt. Während diese
Facharztgruppen sich nicht vorrangig mit gefäßmedizinischen Problemen befassen, gehören
andererseits nur wenige Phlebologen gerade diesen Facharztgruppen an.
Das pelvine Stauungssyndrom (pelvic congestion syndrome, PCS) wurde erstmalig vom
englischen Arzt Robert Gooch im Jahre 1831 beschrieben [1]. In der moderneren Literatur wurde der Begriff bezeichnenderweise erstmalig wieder
von einer Gynäkologin verwendet. Lindsay Watt veröffentlichte 1949 eine Fallserie
mit 32 Frauen, die unter ziehenden Schmerzen im kleinen Becken, Rückenschmerzen, Stuhldrang
und anfallsartigem Harndrang litten. Den Patientinnen war gemeinsam, dass sie übergewichtig
bis adipös waren und beengende Korsagen trugen. Dr. Watt fiel in der Zystoskopie eine
Stauung der Venen im Blasenfundus (Trigonum vesicae) auf. Sie schloss auf einen Zusammenhang
zwischen den Beschwerden und der nachgewiesenen vermehrten Blutfülle im kleinen Becken.
Diese Hypothese bestätigte sich. Die Frauen gaben eine Beschwerdelinderung an, nachdem
sie auf Korsette verzichteten und damit den intraabdominellen Druck reduzierten [2]. Im selben Jahr veröffentlichte der Gynäkologe Howard Taylor ähnliche Beobachtungen.
Seitdem wird das PCS auch als Taylor-Syndrom bezeichnet [3].
Eine ganze Reihe besonders der älteren Publikationen zu dem Thema stammen aus der
Gynäkologie.
Gibt man in PubMed den Begriff „pelvic congestion syndrome“ ein, so erhält man 350
Einträge seit 1949. Dabei wurden allein in den letzten 10 Jahren 201 Arbeiten veröffentlicht
[4]. Die Ursache für dieses steigende Interesse ist darin zu vermuten, dass die technologische
Entwicklung diagnostischer Werkzeuge wie verbesserte Ultraschalltechnik, MRT und Katheterverfahren
und die Einführung minimalinvasiver Therapieoptionen das pelvine Stauungssyndrom für
weitere Arztgruppen wie Radiologen, Gefäßchirurgen, Angiologen und Phlebologen zugänglicher
gemacht hat.
Symptomatik und Pathophysiologie des Pelvinen Stauungssyndroms
Symptomatik und Pathophysiologie des Pelvinen Stauungssyndroms
Verschiedene Symptome können auf ein PCS hindeuten. Laut VEIN-TERM Transatlantic Interdisciplinary
Consensus Document (2009) wird die Erkrankung definiert durch die Symptome Beckenschmerzen,
Schweregefühl im Bereich des Damms, Harndrang, postkoitale Schmerzen, welche verursacht
werden durch ovarialen bzw. pelvinen venösen Reflux, und/oder Hochdruck durch Obstruktion.
Die Symptome können vergesellschaftet sein mit vulvarer, perinealer oder Beinvarikose
[5].
Betroffene Patienten beklagen häufig ziehende oder drückende Schmerzen im Unterbauch,
dem kleinen Becken oder der Hüfte. Meist handelt es sich um Frauen, welche vom Gynäkologen
überwiesen wurden. Typischerweise sind diese noch im fertilen Alter und es scheint
ein Bezug zur Anzahl der Schwangerschaften zu bestehen.
Von chronischen pelvinen Schmerzen spricht man, wenn diese zyklusunabhängig über einen
Zeitraum von mindestens 6 Monaten beklagt werden. Bei Männern stellt die Varikozele
den analogen Befund dar. Auch linksseitige Flankenschmerzen und eine Hämaturie können
Folge eines PCS sein.
Die häufig unspezifisch geschilderten Schmerzen verursachen oft einen langen, quälenden
Weg der Betroffenen bis zur Diagnosefindung. Die Einbeziehung des Gefäßmediziners
erfolgt oft auf Veranlassung durch Orthopäden, Urologen oder Frauenärzte. Nicht selten
haben die Beschwerden eine relevante, oft auch sekundäre psychosomatische Komponente
und werden von Depressionen und Angststörungen begleitet [6]
[7].
Eine Reihe von Kasuistiken beschreibt die offensichtlichen Schwierigkeiten bei der
Diagnosestellung. Shelkey et al. identifizierten ein PCS als Ursache chronischer Becken-
und Hüftschmerzen bei weiblichen Sportlerinnen [8]. Dos Santos und Whiteley berichteten über 2 Patienten, die über einen längeren Zeitraum
irrtümlich wegen einer Osteoarthritis der linken Hüfte behandelt wurden [9]. Lopatkin et al. wiesen venöse Hypertension als Ursache renaler Hämorrhagie nach
[10]. Darüber hinaus kann ein PCS die Symptome einer Beinvarikose bzw. eines postthrombotischen
Syndroms verstärken [11].
Die verschiedenen Manifestationen legen nahe, dass verschiedene Gefäßprovinzen beim
pelvinen venösen Stauungssyndrom kompromittiert sein können.
Von der betroffenen Vene hängt die Symptomatik ab. Während pelvine Schmerzen maßgeblich
Ausdruck einer Insuffizienz der Vena ovarica und/oder Vena iliaca interna sind, werden
linksseitiger Flankenschmerz und Hämorrhagie durch eine Obstruktion der Vena renalis
verursacht.
Meissner und Glovicki definieren 3 grundsätzliche pathophysiologische Mechanismen.
Die korrekte Zuordnung ist Grundlage einer erfolgreichen Therapie [12] ([Abb. 1]).
Abb. 1 Drei pathophysiologische Mechanismen können einem pelvinen Stauungssyndrom zugrunde
liegen: I – ein Reflux der linken Vena ovarica (LVO) und/oder der linken Vena iliaca
interna (LVII), II – eine Kompression der linken Vena renalis (LVR) durch Einklemmung
zwischen der Arteria mesenterica superior und der Aorta abdominalis („Nussknacker-Syndrom“)
sowie III – eine Kompression der linken Vena iliaca communis durch Einklemmung zwischen
der rechten Arteria iliaca communis und der Wirbelsäule („May-Thurner-Syndrom“).
I. Reflux der linken Vena ovarica (LVO) sowie der Vena iliaca interna (LVII)
Im Gegensatz zur rechten Seite mündet die LVO nicht direkt in die Vena cava inferior
(VCI) ein, sondern in die linke Nierenvene, die ihrerseits in die VCI abfließt. Sie
weist oft 2–3 Klappen auf. Das Kaliber der LVO beträgt ca. 3 mm und nimmt im Laufe
des Lebens zu. Gemeinsam mit der LVII drainiert die LVO das venöse Blut der Urogenitalorgane
sowie der umgebenden venösen Plexus (Parametrium, Mesosalpinx bei der Frau, Plexus
pampiniformis beim Mann).
Bei ca. 50 % der Frauen ist die LVO insuffizient beziehungsweise refluxiv. 13–15 %
der Frauen haben keine Klappen in der linksseitigen Vena ovarica [13]. Mit der Zahl der Schwangerschaften nehmen sowohl die Insuffizienz als auch das
Kaliber der LVO zu. Ein Durchmesser der LVO > 6 mm geht mit einem prädiktiven Wert
von 96 % für das Vorliegen intrapelviner Varizen einher [14].
Zusätzlich kann sich eine Insuffizienz der LVII einstellen.
Die Insuffizienz bewirkt eine vermehrte Blutfülle in den Unterleibsorganen („pelvines
Reservoir“), was als Auslöser für die beklagten Missempfindungen bei Frauen (Varikozele
beim Mann) anzusehen ist. Über Kollateralen zu epifaszialen Venen durch pelvine Austrittspunkte
ist eine Druckentlastung möglich, die zur Ausbildung atypischer Varizen bei fehlenden
oder geringeren pelvinen Beschwerden führt ([Abb. 2]). Von den Autoren wird dies als kompensierter LVO/LVII-Reflux bezeichnet.
Abb. 2 a Pelvine Austrittspunkte (pelvic escape points) nach Meissner und Gloviczki. I: Austritt
durch den Inguinalkanal: O: Austritt durch den Hiatus obturatorius; P: perinealer Durchtritt; G: glutealer Austritt. b Beinvarizen aus dem perinealen Austrittspunkt. c klitorale Varizen (Obturatius-Durchtritt nach Meissner/Gloviczki, klitoraler Durchtritt
nach Delfrate/Mendoza).
II. Kompression der linken Vena renalis (LVR)
Die LVR überkreuzt vor ihrer Einmündung in die VCI die Aorta abdominalis. Gleichzeitig
unterkreuzt sie die Arteria mesenterica superior. In Abhängigkeit von deren Austrittswinkel
aus der Aorta, aber auch einer zunehmenden Auslenkung der LVR bei Zunahme des retroperitonealen
Fettgewebes, ist aufgrund der topografischen Nähe eine äußere Kompression der LVR
möglich. Dies wird in der Literatur auch als „vorderes Nussknacker-Phänomen“ oder
„Nierenvenen-Entrapment“ bezeichnet ([Abb. 3b]). In seltenen Fällen verläuft die LVR hinter der Aorta und kann dann durch die Wirbelsäule
kompromittiert werden („hinteres Nussknacker-Phänomen“).
Abb. 3 a Oben: Anlotung der VIE und der AIE links mit der Konvexsonde. Unten: Bei leichtem
Schwenk der Sonde wird die VIC links sowie die kreuzende AIE rechts (mit angeschnittenem
Abgang der AII) darstellbar (May-Thurner-Syndrom). b Zwischen der Aorta abdominalis und der AMS wird die LVR „komprimiert“ (Nussknacker-Syndrom).
Beachte: rotes Strömungssignal der Nierenvene und blaues Signal der Nierenarterie
aufgrund der Flussrichtung in Bezug auf die Sonde. VIE = V. iliaca externa; AIE = A.
iliaca externa; VIC = V. iliaca communis; AII = A. iliaca interna; AMS = A. mesenterica
superior; LVR = linke Vena renalis.
Die resultierende Stenosierung bewirkt eine rückstaubedingte venöse Hypertension in
der linken Niere („renales Reservoir“). Als deren Folge können sich linksseitige Flankenschmerzen
und auch Hämaturie einstellen. Im Falle einer zusätzlichen oder sich daraus entwickelnden
Insuffizienz der LVO kann dieser Druck kompensiert werden und führt dann zu einer
retrograden Auffüllung des pelvinen Reservoirs mit den oben beschriebenen klinischen
Folgen.
III. Kompression der linken Vena iliaca communis (LVIC)
Eine weitere Ursache des pelvinen Stauungssyndroms kann eine Kompression oder Okklusion
der LVIC sein. Sie liegt vor ihrer Einmündung in die VCI ventral der knöchernen Strukturen
des vierten oder fünften Wirbelkörpers und dorsal der rechten Arteria iliaca communis.
Neben der mechanisch bedingten Kompression, die allein dadurch möglich ist, findet
sich häufig im Kreuzungsbereich eine intraluminale fibrotische band- oder netzförmige
Gefäßveränderung, welche den venösen Abstrom behindern kann. Nach den Erstbeschreibern
des Phänomens, den österreichischen Pathologen May und Thurner, wird dieser Zustand
May-Thurner-Syndrom genannt [15] ([Abb. 3a]). In dem Fall ist eine Stauung der tiefen Beinvenen links zu erwarten mit den üblichen
Symptomen. Auch dieser Zustand kann kompensiert werden. Eine zusätzliche Insuffizienz
der LVII bewirkt eine Auffüllung des pelvinen Reservoirs der Venenplexus im kleinen
Becken mit den in I beschriebenen Symptomen.
Pelvine Austrittspunkte
Als pelvine Austrittspunkte („pelvic escape points“, „pelvic leak points“) werden
anatomische Lücken bezeichnet, durch die hindurch Äste der venösen Plexus des kleinen
Beckens mit den epifaszialen Venen der Beine verbinden. Dadurch kommunizieren diese
mit den Ästen der Venae iliacae internae und mit den Venae ovaricae. Sie stellen die
Prädelektionspunkte der atypischen Varikose im Bereich der Vulva, des Damms bzw. des
Skrotums sowie im Bereich der Leiste dar. Andererseits können diese pelvinen Austritte
eine Entlastung der venösen Hypertension im kleinen Becken bewirken. Die Topografie
variiert interindividuell sehr stark, wie auch die Terminologie. Meissner und Gloviczki
beschreiben 4 pelvine Austrittpunkte auf jeder Seite ([Abb. 2a–c]). Delfrate und Mendoza definieren zusätzlich einen klitoralen Venenaustritt ([Abb. 2c]) beidseits und unterscheiden je 2 gluteale Austritte [16].
Die beschriebenen Pathologien können überdies auch gemeinsam auftreten.
Atypische Lokalisationen für venöse Stauungssyndrome im kleinen Becken sind möglich
im Falle topografischer Nachbarschaft zu knöchernen oder fibrösen Strukturen (Ligamenta,
Leistenband) bzw. Arterien. Rechtsseitige Manifestationen sind ebenfalls zu beobachten.
Diese bedürfen grundsätzlich der besonderen diagnostischen Finesse. Eine Korrelation
mit dem Body-Mass-Index, wie sie bekannt ist für die Beinvarikose und die chronische
venöse Insuffizienz, konnte überraschenderweise nicht bestätigt werden [17].
Diagnostik und Differenzialdiagnostik des Pelvinen Stauungssyndroms
Diagnostik und Differenzialdiagnostik des Pelvinen Stauungssyndroms
Parallel zu den technologischen Möglichkeiten haben sich die Empfehlungen zur Diagnostik
weiterentwickelt. Während Beck im Jahr 1969 maßgeblich auf die differenzialdiagnostische
Abgrenzung setzte und in besonders komplizierten Fällen noch zur Laparotomie riet
[18], wurde 2001 die Laparoskopie empfohlen, ergänzt durch eine pelvine Phlebografie. Ultraschalldiagnostik und radiologische
Schichtbildverfahren wurden – den technischen Möglichkeiten geschuldet – als inadäquat
betrachtet [19].
Das UIP-Konsensusdokument zum PCS von 2019 stellt den Wert der Ultraschalldiagnostik
als Firstline-Untersuchung heraus, da sie nichtinvasiv, kostengünstig und verfügbar
ist. Sie ermöglicht dabei neben einer Analyse der hämodynamischen Verhältnisse auch
die differenzialdiagnostische Abgrenzung anderer Pathologien im kleinen Becken. Trotz
hochentwickelter Ultraschallmaschinen und einer Reihe verfügbarer Sonden (linear,
konvex, vaginal) ist die Sensitivität eingeschränkt. Allerdings sind zum gegenwärtigen
Zeitpunkt auch die radiologischen Schnittbildverfahren nicht eindeutig überlegen [20].
Für die Exploration der pelvinen und abdominellen Venen ist die Verwendung einer Konvexsonde
(„Abdomensonde“) essenziell. Diese ermöglicht ein tieferes Eindringen als die hochfrequente
Linearsonde, allerdings zu Lasten der Auflösung. Bei sehr schlanken Personen kann
ein Versuch mit einer Linearsonde mit niedriger Frequenzeinstellung durchaus sinnvoll
sein. Von Nutzen sind moderne Zusatzfeatures zur Darstellung von Blutströmen mit langsamer
Flussgeschwindigkeit, wie zum Beispiel SMI (Superb Microvascular Imaging, Canon) oder
B-Flow (General Electric).
Erschwert wird die Untersuchung des Abdomens durch Darmgasüberlagerung oder Adipositas.
Patienten sollten deshalb möglichst nüchtern untersucht werden. Wenn in der liegenden
Position keine verwertbaren Ultraschallbilder gewonnen werden können, kann eine Wiederholung
der Untersuchung in stehender Position von Vorteil sein. Insbesondere ein Reflux der
Vena ovarica lässt sich besser im Stehen oder mit Valsalva-Manöver nachweisen. Eine
gefüllte Blase erleichtert die Beurteilung der Gefäße und Organe im kleinen Becken.
Die Positionswechsel machen die Untersuchung zeitaufwendig. Dies muss bei der Planung
der Untersuchung Berücksichtigung finden. Arnoldussen et al. bezeichneten den vaginalen
Ultraschall in einer Arbeit von 2015 als Untersuchungsmethode der ersten Wahl wegen
ihres topografischen Vorteils und des Fehlens der Darmgase [14]. Zwar trifft dies für die Darstellung des Refluxes in den perimetralen Venen im
Valsalva-Test zu, welcher sich eindrucksvoll darstellen lässt, doch ist zur ätiologischen
Exploration der Beckenvenen bzw. der Nierenvenen der Einsatz einer Konvexsonde unersetzbar
([Abb. 3a, b]). Darüber hinaus sprechen die Invasivität und die fehlende Vergütung in der Gefäßpraxis
gegen eine routinemäßige Vorhaltung einer Vaginalsonde.
Neben der gefäßspezifischen Untersuchung ermöglich die Sonografie bereits den differenzialdiagnostischen
Ausschluss konkurrierender Ursachen wie Tumoren, Lymphknoten oder freier Flüssigkeit
im Rahmen entzündlicher Prozesse.
Das im Rahmen einer abdominellen Schmerzsymptomatik häufig veranlasste Computertomogramm
besitzt den Vorteil, dass es auch im ambulanten Setting umsetzbar ist und eine Kalibererweiterung
pelviner Venen darstellt. Es liefert jedoch keinerlei hämodynamische Aussagen und
kann damit vor allem zur Untersuchung alternativer Pathologie verwendet werden ([Abb. 4]).
Abb. 4 Axiale, kontrastmittelunterstützte Computertomografie mit deutlicher Stenosierung
der LVR (Pfeil) zwischen der AMS und der abdominellen Aorta. Durch den resultierenden
erhöhten prästenostischen venösen Rückstaudruck kommt es zu einem Ovarialvenenreflux
(nicht dargestellt).
Eine sehr gute Sensitivität bei guter Spezifität besitzt das Magnetresonanztomogramm.
Es ermöglicht ebenfalls weitere differenzialdiagnostische Aussagen, wie zum Beispiel
über das Vorliegen einer Adenomyose oder einer Endometriose. In Verbindung mit der
zeitlich hochaufgelösten kontrastmittelunterstützten MR-Phlebografie, die dynamisch
auch den Reflux darstellt, sind darüber hinaus aber auch die parametrialen Venenplexus
und die Ovarialvenen exzellent darstellbar ([Abb. 5a, b]). Es ist anzumerken, dass es sich dabei nicht um Standardprotokolle handelt, sodass
es der detaillierten Fragestellung für den Radiologen und eines erfahrenen Zentrums
bedarf, um eine optimale Befundung zu erzielen.
Abb. 5 a Koronares T1-MRT nach Kontrastmittelgabe mit ausgedehnten Varizen im kleinen Becken
(Pfeil). In der MR-Angiografie erweiterte, refluxive linke Ovarialvene (Pfeil).
Die direkte Venografie besitzt wegen der Kontrastmittel- und Strahlenbelastung nur
im Rahmen der interventionellen Therapie eine Bedeutung.
Therapieoptionen
Wenn eine nichtvaskuläre Differenzialdiagnose für die Beschwerden bzw. relevante Komorbiditäten
bei betroffenen Patienten sicher ausgeschlossen werden können, stehen verschiedene
Behandlungsmethoden zur Verfügung. Von zentraler Bedeutung sind Katheterinterventionen
zur hämodynamischen Korrektur der zugrunde liegenden Pathologie mittels Coils und
Stents sowie die Schaumsklerotherapie.
Symptome wie pelvine Schmerzen und Schweregefühl oder Harndrang und Dyspareunie sind
Folge der vermehrten Blutfülle aufgrund venöser Hypertonie und variköser Konvolute.
Ist nachgewiesen, dass diese Folge des Refluxes der gonadalen Venen sind, so besteht
die Therapie im fakultativen Einbringen eines Verschlusskörpers (Plugs) bzw. Coils
in die betroffenen gonadalen Venen ([Abb. 6a, b]) in der Kombination mit einer Sklerosierung der pelvinen und perimetralen Varizen.
Als Sklerosierungsmittel sind Aethoxysklerol® und STS als flüssiges bzw. auch aufgeschäumtes Sklerosans geeignet. Darüber hinaus
ist auch eine Embolisation mit Ethanol sowie mit Ethylen Vinyl Alkohol Kopolymer (Onyx®) beschrieben. Auch die Verklebung mittels Cyanoacrylat-Embolisation ist beschrieben.
Zahlreiche Studien belegen eine Wirkung der interventionellen Therapie [20].
Abb. 6 a Digitale Subtraktionsangiografie nach Anspritzen der Ovarialvene mit Kontrastmittel.
Verschluss der refluxiven linken Ovarialvene mittels Verschlusskörper (Amplatzer Vascular
Plug – Pfeil), Darstellung nach Anspritzen der linken Nierenvene.
Resultiert die vermehrte Blutfülle aus einem gestörten venösen Abstrom aufgrund einer
Kompression der linken Nierenvene (Nussknacker-Syndrom) bzw. der linken Beckenvene
(May-Thurner-Syndrom) oder deren postthrombotischen Verschluss, so erfolgt die hämodynamische
Entlastung durch Ballondilatation und Stentimplantation.
Eine Vulva-Varikose kann als Folge jeder der unter I–III beschriebenen pathophysiologischen
Ursachen resultieren. Daraus ergibt sich, dass eine kausale interventionelle Behandlung
mit den geschilderten Methoden eine Reduktion des klinischen Befundes bewirken kann.
Dabei sind 2 Faktoren von Bedeutung: Erstens ist eine komplette Regredienz von über
einen längeren Zeitraum bestehenden Varizen auch nach der hämodynamischen Normalisierung
nur selten zu beobachten. Dies trifft insbesondere für Multipara zu. Zweitens ist
bei Betroffenen ohne zusätzliche abdominelle Symptome neben der Vulva-Varikose die
Indikation für einen invasiven Eingriff sehr streng zu prüfen. Die Eingriffe bei den
häufig jungen Frauen gehen mit Strahlen- und Kontrastmittelbelastung einher, u. U.
zusätzlich mit einer Fremdkörpereinbringung und erheblichen Kosten. Nach der Analyse
der verfügbaren Studiendaten wird von Meissner und Gibson in einem Review aus dem
Jahr 2015 ein fehlender oder nicht zufriedenstellender Therapieeffekt nach pelviner
Intervention in bis zu 31,8 % der Fälle konstatiert [21].
Davon ausgehend leitet sich ein hoher Wert der Sklerotherapie in diesen Fällen ab.
Diese setzt ebenfalls eine akribische Analyse der hämodynamischen Veränderungen voraus.
Im Gegensatz zur Behandlung der Stammvenenvarikose steht bei der klinischen und duplexsonografischen
Analyse die Identifizierung der pelvinen Austrittpunkte im Vordergrund. Diese können
gezielt mit Aethoxysklerol-Schaum behandelt werden. Da in der Regel ein erhebliches
intrapelvines Varizenreservoir besteht, ist die Verwendung höherer Konzentrationen
(Aethoxysklerol 2–3 %) erforderlich. Wegen der erforderlichen Volumina müssen in der
Regel mehrere Sitzungen geplant werden. Alternativ ist auch eine CHIVA-Behandlung
der pelvinen Austrittspunkte möglich [16]. In jedem Falle sollte die Unterbrechung des Refluxes der transpelvinen Venen der
Behandlung der sekundären Varizen am dorsalen, medialen oder ventralen Oberschenkel
vorausgehen ([Abb. 7]).
Abb. 7 Die Sklerotherapie der pudendalen Varizen kann mit Minikathetern oder auch per Direktpunktion
erfolgen. Zur Behandlung der Pelvic Leak Points ist die ultraschallassistierte Platzierung
der Kanüle und Applikation des Sklerosierungsschaums erforderlich.
Auch nach der Sklerotherapie der pudendalen Varizen ist eine vorübergehende Kompressionstherapie
möglich. Diese lässt sich mittels Radlerhose bzw. handelsüblichen komprimierenden
Miederhöschen (sog. Formunterwäsche, Shape wear) realisieren.
Das vaskulär bedingte pelvine Schmerzsyndrom ist letztlich auch einer konservativen
Therapie zugänglich. Als Basistherapie kann auch beim PCS die Kompressionstherapie
angesehen werden. Gavrilov et al. konnten eine Verbesserung von Unterbauchbeschwerden
und Dyspareunie unter der Behandlung mit Kompressionsshorts der Kompressionsklasse
II nachweisen. Sie konnten zudem auch einen verbesserten venösen Abstrom im kleinen
Becken mittels PET-CT und Radionuklid-Venografie belegen. Sie wiesen in ihrer Untersuchung
aber auch nach, dass nur die kompressiven Shorts einen Effekt hatten, nicht jedoch
Kompressionsstrümpfe [22].
Auch eine medikamentöse Therapie kann versucht werden. Neben der unspezifischen Schmerztherapie
konnten Studien mit Flavonoiden (MPFF – Micronized Purified Flavonoid Fraction), wie
dem in Deutschland nicht zugelassenen Daflon® (Servier), einen beschwerdelindernden Effekt bei isolierter pelviner Varikose ohne
Vorliegen eines gonadalen Refluxes belegen [23]. Gynäkologen berichten von positiven Erfahrungen mit Hormontherapie wie Levonorgestrel
als subkutanes Implantat bzw. Intrauterinpessar, welche auch bei der Behandlung der
Endometriose und des nicht vaskulär bedingten pelvinen Schmerzsyndroms angewendet
wird.
Das Symptom pelviner Schmerz bedarf einer besonderen Betrachtung. Die meisten der
vorliegenden Studien belegten, dass die Ausprägung der hämodynamisch relevanten Gefäßveränderungen
nicht zwingend direkt mit der Schmerzausprägung korreliert. Einerseits weisen Patienten
mit erheblichen organischen Veränderungen teilweise keinerlei Leidensdruck auf, während
andererseits Betroffene mit geringen Gefäßveränderungen massive Beschwerden beklagen
können. Die Rolle vasoaktiver Neuropeptide wie Endothelin, Calcitonin-gene related
Peptide und Substanz P wie auch inflammatorischer Effekte ist aktuell noch vollkommen
unklar, könnte aber in der Zukunft neue Ansätze der Pharmakotherapie liefern [24].
Fazit
Beim pelvinen Stauungssyndrom handelt es sich um ein heterogenes Krankheitsbild, welches
durch eine Reihe unterschiedlicher vaskulärer Beeinträchtigungen verursacht werden
kann. Die Symptome reichen von Flankenschmerzen und Hämaturie bis zu Unterbauchschmerzen
und sichtbaren Varizen. Mittels Duplexsonografie und radiologischer Schnittbilddiagnostik
ist die pathomorphologische Zuordnung der Beschwerden zur verursachenden Gefäßprovinz
(Beckenvenen, Nierenvenen, Ovarialvenen, pelvine Plexus) möglich. Für die Behandlung
stehen verschiedene interventionelle Methoden wie auch konservative Ansätze zur Verfügung.
Die offene Operation wird praktisch nicht mehr durchgeführt. Die größte Schwierigkeit
besteht in der korrekten Patientenselektion. Ein Teil der betroffenen Patientinnen
scheint nicht oder nicht zufriedenstellend auf die Therapie anzusprechen, da offenbar
neben den fassbaren hämodynamischen Veränderungen eine Reihe weiterer Faktoren eine
Rolle zu spielen scheinen, die sich aktuell noch einer gezielten Therapie entziehen.
Gleichzeitig stellt die differenzialdiagnostische Abgrenzung zu nichtvaskulären Ursachen,
wie beispielsweise einer Endometriose, entzündlicher Veränderungen oder orthopädischen
Ursachen, eine große Herausforderung dar. Mischätiologien sind ebenfalls zu beobachten.
Sowohl die Diagnostik als auch die interventionelle Therapie verlangen dabei ein hohes
Maß an Ausbildung und technischer Ausstattung und sollten spezialisierten Zentren
vorbehalten sein.