Schlüsselwörter
Stationsäquivalente Behandlung - StäB - aufsuchende Akutbehandlung - psychiatrische
Versorgung
Key words
Inpatient-equivalent treatment - IET - crisis-resolution - psychiatric care
Einführung
Im Kontext der deutschen Sozialgesetzgebung war aufgrund der klaren Grenzen zwischen
dem ambulanten und dem stationären Sektor eine flächendeckende und bundesweite Umsetzung
aufsuchender Akutbehandlung nicht vorgesehen. So fasste auch der Sachverständigenrat
zur Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem Gutachten zusammen, dass zwischen ambulanter
und stationärer Versorgung nach wie vor große Hürden bestehen [1]. Lediglich über die Realisierung in Form von Modellvorhaben wie z. B. Modelle der
integrierten Versorgung nach § 140 SGB V oder nach § 64 SGB V konnten einzelne, regionale
Modelle erprobt werden. Alternativ war eine Realisierung, verbunden mit dem Sammeln
von Erfahrungen, nur auf Basis von Forschungsprojekten, finanziert aus Forschungsmitteln,
möglich. Einigen wenigen Bundesländern (Bayern, Sachsen) war es aufgrund der landesspezifischen
Vereinbarungen zur Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) in gewisser Weise möglich,
eine ambulante aufsuchende Behandlung zu intensivieren, nicht jedoch in demselben
Umfang, den die stationsäquivalente Behandlung (StäB) nun ermöglicht.
Die vielfältigen Erfahrungen hierzu trugen möglicherweise entscheidend dazu bei, dass
die aufsuchende Akutbehandlung in das Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung
und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) gemäß
den Drucksachen 18/9528 und 18/10289 aufgenommen wurde [2], [3]. Nachdem dieses zum Jahresbeginn 2017 in Kraft getreten ist, gibt es in Deutschland
für akut psychisch Erkrankte bei vorhandener stationärer Behandlungsbedürftigkeit
nun auch die Möglichkeit, zu Hause stationsäquivalent behandelt zu werden.
StäB bewegt sich hierbei im Spannungsfeld der Zuständigkeiten zwischen den Partnern
der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, Bund und Ländern und den engen Vorgaben
der Sozialgesetzbücher. Mit der neuen Form aufsuchender Akutbehandlung können bestehende
Behandlungsangebote (ambulant, teilstationär, stationär) komplettiert werden, sodass
in einer akuten Krankheitsphase eine weitere Alternative zur Verfügung steht. Auch
dass diese Behandlungsform ungeachtet der Versorgungsregion, der durchführenden Institution
oder der Zugehörigkeit zu einer spezifischen Krankenkasse prinzipiell allen psychisch
kranken Patienten zur Verfügung steht, unterstützt den sozialpsychiatrischen Ansatz,
das direkte Lebensumfeld des Patienten sowie dessen soziale Interaktionen in die Behandlung
zu integrieren [4]. Mit der stationsäquivalenten Behandlung, als intensive und wohnortnahe Versorgungsform
wurde ein wesentlicher Fortschritt in der Umsetzung der Grundsätze der Psychiatrie-Enquete
von 1975 erreicht ([
Abb. 1
]). Es ist somit ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der wohnortnahen Patientenversorgung
im Akutbereich gegeben, wobei die Hürden in der Flexibilisierung der strikten Sektorisierung
dennoch in Teilen weiter bestehen bleiben.
Abb. 1 Differenzierung der psychiatrischen Behandlungsangebote (nach Daten aus [5])
Gesetzliche Grundlagen und Verordnungen
Gesetzliche Grundlagen und Verordnungen
Die zur stationsäquivalenten Behandlung bestehenden gesetzlichen Grundlagen sind größtenteils
im PsychVVG niedergelegt und finden sich auch im Sozialgesetzbuch in der Neufassung
des § 39 Abs.1 SGB V sowie in § 115 d SGB V wieder. Einen umfassenden Überblick dazu
bietet auch das Handbuch zur stationsäquivalenten Behandlung [6]. Grundsätzliches zur neuen Behandlungsform wird in § 39 Abs.1 SGB V geregelt:
„Die Krankenhausbehandlung wird stationär, stationsäquivalent, teilstationär, vor-
und nachstationär sowie ambulant erbracht; …Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre
oder stationsäquivalente Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus,
wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das
Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre,
vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege
erreicht werden kann. …. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische
Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle
Behandlungsteams. Sie entspricht hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und
Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung.“ [7]
Die Behandlung im direkten Lebensumfeld des Patienten mit all seinen Vorteilen, schließe
neben dem privaten häuslichen Umfeld auch eine Behandlung im Alten- oder Pflegeheim
als unmittelbaren Lebensmittelpunkt von Patienten mit ein [8]. Als Voraussetzung gelte die fortwährend bestehende stationäre Behandlungsbedürftigkeit
[2], [8]. Eine Behandlung soll demnach während der gesamten notwendigen Behandlungsdauer
stationsäquivalent erbracht werden können und bei Erfüllung der leistungsrechtlichen
Voraussetzungen obliege es der Entscheidung des Krankenhauses, ob die Behandlung vollstationär
oder stationsäquivalent durchgeführt wird [8].
Die Zuständigkeit bei neu auftretenden Begleiterkrankungen, welche während einer stationsäquivalenten
Behandlung aufkommen, war von Beginn an beim psychiatrischen Krankenhaus angesiedelt.
Eine analoge Anwendung der Grundsätze zur Mitbehandlung interkurrenter Erkrankungen
wie bei vollstationärer Behandlung gestaltete sich für StäB zum Teil aber sehr schwierig.
Bei der Frage der Übernahme von Pflegeleistungen im Heim hat sich das Bundesministerium
für Gesundheit klar positioniert. Die Verantwortung für die Pflege bleibe weiterhin
beim Heim und sei unberührt von der stationsäquivalenten Behandlung [9]. Die anfänglich bestehende Unsicherheit bezüglich der Übernahme häuslicher Krankenpflege
durch ambulante Dienstleister wurde inzwischen ebenso mit der Änderung der häuslichen
Krankenpflegerichtlinie ausgeräumt. Diese legt fest, dass auch die häusliche Krankenpflege
Teil der StäB-Leistung ist und somit aus dem StäB-Team heraus erbracht werden muss
[10].
Weitere Regelungen sind in § 115 d SGB V getroffen. Dort ist festgeschrieben, dass
neben psychiatrischen Krankenhäusern mit regionaler Versorgungsverpflichtung auch
Allgemeinkrankenhäuser mit entsprechenden psychiatrischen Abteilungen eine stationsäquivalente
Behandlung erbringen können. Der Krankenhausträger stellt demnach notwendiges Personal
zur Gewährleistung der Behandlungskontinuität sowie zur Sicherstellung einer Notfallversorgung
zur Verfügung. Ebenso wird geregelt, dass ambulante psychiatrische Leistungserbringer
durch das Krankenhaus mit der Durchführung von Teilen der StäB beauftragt werden können
[7]. Weiter ist hier niedergelegt, dass der Spitzenverband der Krankenkassen und der
Verband der privaten Krankenversicherung sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft
(DKG) weitere Anforderungen in einer Rahmenvereinbarung definieren.
Bundesrahmenvereinbarung
Die Rahmenvereinbarung zur stationsäquivalenten psychiatrischen Behandlung nach §
115 d Abs. 2 SGB V ist in einer Veröffentlichung der DGK aus dem Jahr 2017 nachzulesen
[8]. Die Vereinbarung klärt neben dem Geltungsbereich unter anderem Qualitätsanforderungen
bezüglich der Leistungserbringung. So wird beispielsweise festgehalten, dass die Behandlung
im häuslichen Umfeld durch mobile, fachärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams
erfolgen soll [8]. Ebenso wird festgehalten, dass die Behandlung nach Intensität, Flexibilität und
Komplexität einer vollstationären Behandlung entspricht [8]. Auch weitere, speziell für die stationsäquivalente Behandlung geltende Vereinbarungen,
werden hier definiert. Zum Beispiel eine Behandlungsfrequenz und -intensität von zumindest
einem täglichen persönlichen Kontakt durch ein Mitglied des Behandlungsteams sowie
die Prüfung des häuslichen Umfeldes auf Eignung hinsichtlich räumlicher Möglichkeiten
und der Vermeidung einer drohenden Kindeswohlgefährdung. Die weiteren Regelungen sind
im Detail in der Rahmenvereinbarung nachzulesen.
Die Möglichkeit der Einbindung außerklinischer Leistungserbringer in StäB ist ebenfalls
in der Rahmenvereinbarung festgeschrieben. Hier wird der Verbleib der Gesamtverantwortung
beim aufnehmenden Krankenhaus sowie eine Obergrenze zur Auslagerung von Behandlungstätigkeiten,
welche vorgibt, dass maximal die Hälfte der Behandlungstätigkeiten delegiert werden
dürfen, definiert [8]. Vor allem in der Gemeinde- und Sozialpsychiatrie wurde dieses Thema vielfach diskutiert,
weshalb auch die DGPPN in Ihrer Stellungnahme zur Umsetzung darauf Bezug nahm [11]. Mit der sich langsam einstellenden Routine in der aufsuchenden Akutbehandlung,
beginnen nun erste Krankenhäuser damit, sich dem Thema der intensiven Einbindung krankenhausexterner
Leistungsanbieter verstärkt zu widmen. Erste positive Erfahrungen konnten mit der
Integration von niedergelassenen Psychotherapeuten gesammelt werden. Auch andere ambulante
Leistungserbringer wie betreute Wohneinrichtungen oder der sozialpsychiatrische Dienst
werden inzwischen teilweise eingebunden. Problematisch zeigt sich in der Praxis aber
vor allem die Einbindung von nicht in einer eigenen Praxis arbeitenden Leistungserbringern,
bei welchen der Auffassung einzelner Fachanwälte zufolge dann die Vorgaben aus dem
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zum Tragen kommen. Die Einschätzungen einzelner Juristen
differieren hierbei aber stark voneinander. Eine eindeutige rechtliche Positionierung
zum Umfang und der rechtlichen Konstruktionen und Voraussetzungen, unter welchen eine
Einbindung von Mitarbeitenden externer Institutionen in das StäB-Behandlungsteam erfolgen
kann, existiert nicht. Eine konkrete Klärung wird sich aber in den nächsten Jahren
sicherlich ergeben, da sowohl Krankenhäuser als auch ambulante Leistungsanbieter immer
stärker die Vorteile enger Zusammenarbeit erkennen und sich im Hinblick auf eine Verbesserung
der Patientenversorgung diese auch verstärkt wünschen. Weitere wichtige Punkte, welche
in der Rahmenvereinbarung niedergelegt sind, betreffen die Anforderungen an die Dokumentation,
sowie auch die differenzierte Leistungsbeschreibung innerhalb des OPS-Katalogs.
Dokumentation
Im Allgemeinen sind die gestellten Anforderungen an die Dokumentation vergleichbar
mit denen im stationären Setting. Im Detail können diese Regularien in der Rahmenvereinbarung
nachgelesen werden. Als einzelne Besonderheiten möchten wir an dieser Stelle beispielhaft
die Einholung der Zustimmung der volljährigen im Haushalt lebenden Personen sowie
die Prüfung des häuslichen Umfeldes auf Eignung nennen.
Nachdem in den ersten beiden Jahren zahlreiche Prüfungen durch den medizinischen Dienst
der Krankenkassen (MDK) erfolgten, zeigten sich vor allem gehäuft Rückfragen bezüglich
der formalen Rahmenbedingungen und genannter beispielhafter Anforderungen an die Dokumentation.
In den Zentren für Psychiatrie Südwürttemberg und der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik
Reutlingen (PP.rt) wurde aus diesen Erfahrungen heraus für die Vorgaben der Dokumentation
eine Checkliste erstellt. Es erwies sich als praktikabel, die Inhalte individuell
für jeden StäB-Patienten niederzulegen.
OPS
Auch die differenzierten Beschreibungen der Leistungsinhalte der einzelnen Berufsgruppen
stimmen im Wesentlichen mit den Leistungsinhalten der stationären Behandlung überein.
Sie wurden im Rahmen des DIMDI-Prozesses im Jahr 2017 ausgearbeitet (OPS 9–701). Auch
für die stationsäquivalente psychiatrische Behandlung von Kindern und Jugendlichen
steht analog eine differenzierte Leistungsbeschreibung zur Verfügung (OPS 9–801).
Die Therapiezeiten am Patienten werden hierbei differenziert nach Berufsgruppe (Ärzte,
Psychologen, Spezialtherapeuten, Pflegefachpersonen) sowie der jeweiligen Zeiteinheit
pro Tag in Minuten. Dieser Prozess unterliegt immer wieder Veränderungen, sodass im
Katalog 2020 auch ergänzend die Möglichkeit der Kodierung von kriseninterventioneller
Behandlung im StäB-Kontext ergänzt wurde [12].
Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL)
Auch die im PsychVVG geforderte und am 31.12.2019 veröffentlichte PPP-RL [13] bezieht sich auf StäB. Für Patienten in stationsäquivalenter Behandlung ist die
Einstufung in die Kategorie A9, S9, G9 oder KJ9 vorzunehmen. In StäB sind prinzipiell
alle Diagnose- sowie Altersgruppen vorgesehen, exakte Minutenwerte sind jedoch noch
nicht hinterlegt. Diese können erst auf Basis empirischer Daten festgelegt werden.
Auch das StäB-Team selbst wird daher vom Personalnachweis nicht erfasst. Langfristig
wird diesbezüglich jedoch angestrebt, die krankenhausindividuellen Vergütungen durch
auf Bundesebene kalkulierte Entgelte abzulösen, welche sich auf der Grundlage von
Kosten- und Leistungsdaten psychiatrischer Krankenhäuser ergeben. Hierfür wurde ein
Zeitrahmen von 5 Jahren fixiert.
Stationsäquivalente Behandlung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Psychische Auffälligkeiten, welche einer Behandlung, zumindest jedoch einer weiteren
Abklärung bedürfen, sind auch bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland keine Ausnahme
und besitzen gemäß Ergebnissen der in Deutschland durchgeführten KIGGS-Studie eine
Prävalenz von rund 20 % [14]. Der Zugang zu den Versorgungsangeboten im ambulanten sowie stationären Sektor ist
regional jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt [15]. Allen gemeinsam ist in diesem Bereich der psychiatrischen Versorgung die lange
Zeit vorherrschende strikte Trennung der beiden Sektoren gewesen. Eine aufsuchende
Akutbehandlung war somit auch in der Regelversorgung für psychisch erkrankte Kinder-
und Jugendliche weder vorgesehen noch finanziert.
Dies war umso bedauerlicher, weil gerade in der Behandlung von Störungen des Kindes-
und Jugendalters der Einbezug des sozialen Umfelds einen enorm hohen Stellenwert einnimmt.
Neben relevanten Beeinträchtigungen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen werden
auch Störungen im gesamten sozialen System der Betroffenen, beispielsweise in der
Familie oder der Peergroup angenommen [16]. Dies wird in einem Bericht des Vereins „Aktion psychisch Kranke e. V.“ zur Versorgung
psychisch kranker Kinder- und Jugendliche in der Form beschrieben, dass Kinder und
Jugendliche nie ohne ihr betreuendes Umfeld oder das familiäre System behandelt werden
sollten [17]. Daher wurden die erwähnten Bestrebungen in der Erwachsenenpsychiatrie zur Intensivierung
von Behandlungen im direkten häuslichen Umfeld ausgeweitet. Auch für Kinder und Jugendliche
wurden erste Formen von intensiver „Zuhause Behandlung“ in Modellprojekten erprobt
und evaluiert [18]. Für Kinder und Jugendliche wird der Zugang ins Hilfesystem erleichtert, da diese
weiter inmitten des eigenen Familiensystems verbleiben können und nicht dem Risiko
einer Ausgrenzung aus der Schule oder der sozialen Peergroup ausgesetzt sind. Auch
können in diesem Setting weitgehend die alltäglichen Strukturen im Tagesablauf aufrechterhalten
werden [16]. Diese Überlegungen wurden durch unterschiedliche deutsche und internationale Studien
gestützt, welche vergleichbare Behandlungsergebnisse bei stationärer oder Hometreatment-Behandlung
finden konnten [19]. Andere Untersuchungen wiesen auf eine Überlegenheit von Hometreatment in Bezug
auf die 1-Jahres-Stabilität hin [20].
Mit dem Inkrafttreten des PsychVVG wurde Fachkrankenhäusern mit regionaler Versorgungsverpflichtung
auch im Bereich der Kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung in Form der StäB
die lang ersehnte Möglichkeit einer intensiven bedarfsorientierten Behandlung zuhause
eingeräumt. Patienten kann eine Behandlung angeboten werden, welche auf der einen
Seite eine höhere Intensität möglich macht als ein ambulantes Angebot, die Belastung
durch ein oft sehr intensives tagesklinisches Setting aber nicht erreicht sowie die
befürchtete Stigmatisierung durch einen stationären Aufenthalt vermeidet. Die in der
Behandlung von Kindern und Jugendlichen zu beachtenden Notwendigkeiten wie der Einbezug
eines ganzen Familiensystems oder eine Integration der Schule in die Behandlung können
in StäB ebenso berücksichtigt werden. Vertreter der KJPP und die Betroffenenverbände
sind sich, trotz der noch zögernden Umsetzung gerade in diesem Bereich, einig, dass
das Behandlungsangebot durch StäB verbessert wird. Auch die nachgewiesene hohe Akzeptanz
in den Familien unterstützt dies [15].
Finanzierung
Die finanzielle Vergütung der in der stationsäquivalenten Behandlung erbrachten Leistungen
ist grundsätzlich im Krankenhausgesetz geregelt [21]. Details sind darin nicht ausgearbeitet, sodass die anfängliche Finanzierung individuell
in den jeweiligen Pflegesatzverhandlungen verhandelt wurde. Die Ansichten bezüglich
der tatsächlichen Kosten einer aufsuchenden Akutbehandlung in Form von StäB differierten
hierbei stark. Da die Spannweite der Vorstellungen von einem deutlichen Mehrbetrag
zum stationären Pflegesatz (zum damaligen Zeitpunkt knapp 350 Euro) bis hin zu einem
deutlich geringeren Mindestbetrag reichte, wurde vorläufig ein Erstattungsbetrag festgelegt.
Dieser entspricht pro Fall und Tag für unbewertete PEPPs insgesamt 200 Euro [22]. So wurde sichergestellt, dass auch ohne Abschluss einer Vergütungsvereinbarung
zumindest eine Abschlagszahlung möglich ist.
In der PP.rt Reutlingen wurden im Mai 2018 bundesweit die ersten Pflegesätze für StäB
verhandelt. Nachdem verschiedene Finanzierungsmodelle durchgespielt wurden, einigte
man sich auf eine zumindest teilweise leistungsorientierte Vergütungsform zusätzlich
zu einer pauschalisierten Vergütung. Die Tagespauschale setzt sich hierbei aus 2 Bestandteilen
zusammen: Pauschale zur Abdeckung von Personal- und Sachkosten und Pauschale für sonstige
patientenferne Tätigkeiten (z. B. Telefonate, die Erstellung von Stellungnahmen, sozialadministrative
Tätigkeiten). Der leistungsorientierte Teil der Vergütung enthält neben einer berufsgruppenspezifisch
berechneten Fahrtzeitpauschale pro Patientenkontakt von 40 Minuten auch die tatsächlich
am Patienten verbrachte Zeit. Diese wird anhand der dokumentierten OPS je Berufsgruppe
und Tag abgerechnet. Dieses Modell der Finanzierung wurde flächendeckend in Baden-Württemberg
übernommen, teilweise wurden kleine Modifikationen der jeweiligen Summen vorgenommen.
Neben dem baden-württembergischen Modell ist ein weiteres Finanzierungsmodell bekannt,
welches sich in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Berlin und Hessen durchsetzte. Hier
findet eine pauschalisierte Vergütung statt, welche sich an festen Tagessätzen, vergleichbar
mit der Höhe der durchschnittlichen stationären Pflegesätze vor Ort, orientiert.
Krankenhausplanerischer Umgang mit StäB
Krankenhausplanerischer Umgang mit StäB
Das PsychVVG enthält zur Krankenhausplanung keine verbindlichen Regelungen, da diese
Aufgabe der jeweiligen Bundesländer ist. Dementsprechend sind die Regelungen zur Krankenhausplanung
bundesweit vielfältig. Ein einheitlicher Umgang mit der Planung von Krankenhauskapazitäten
für die StäB ist nicht absehbar. Auf bundespolitischer Ebene relativ klar formuliert
wurde in der Entstehung des Gesetzes der Wunsch, vorhandene Bettenkapazitäten nicht
auf die StäB-Behandlung anzurechnen oder einen Austausch zwischen Planbett und StäB-Behandlungsplatz
vorzunehmen. Einer zunächst von Kassenseite geforderten direkten Reduktion von Klinikbetten
entsprechend dem Aufbau der StäB-Behandlungskapazität wurde im Gesetzgebungsverfahren
widersprochen. Ein entsprechender Passus wurde aus dem Referentenentwurf des Gesetzes
wieder gestrichen. Die neue Behandlungsform sollte nicht von vorne herein durch eine
solche Verrechnung ausgebremst werden. Nach unserer Kenntnis hat sich nur das Land
Baden-Württemberg dem Thema krankenhausplanerisch gewidmet und eine Regelung vorgenommen.
Diese tritt zum Juli 2020 in Kraft. Vorbereitet wurde sie in einer Arbeitsgruppe des
Sozialministeriums Baden-Württemberg unter Beteiligung der Verbände der Krankenkassen
und der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft unter Einbezug von klinischen
Experten. Vor allem bundesweit agierende Krankenkassen wollten zunächst eine Verrechnung
von Krankenhausbetten und StäB-Behandlungsplätzen durchsetzen. Angesichts des erklärten
politischen Willens, in Baden-Württemberg stationsäquivalente Behandlung zu fördern,
konnte jedoch eine sinnvolle Einigung getroffen werden: Krankenhäuser, die derzeit
StäB noch nicht umsetzen, können per Antrag die zusätzliche Ausweisung von 5 StäB-Plätzen
ohne Verrechnung mit der Behandlungskapazität im stationären Bereich beantragen. Bei
einer durchschnittlichen Auslastung der Krankenhausbetten über 90 % wird dem Antrag
auch stattgegeben. Sofern die stationäre Auslastungskapazität geringer ist, kann über
eine Verrechnung diskutiert werden. Häuser, die bereits eine gewisse Zeit StäB durchführen
(in Baden-Württemberg sind dies 7 Kliniken), können die belegten Plätze (plus Entwicklungsoption)
sowie ggf. eine Erweiterung von Plätzen aufgrund von Spezialisierung oder Regionalisierung
beantragen. Konkret kann ein größeres Haus, das eine Satellitenabteilung betreibt,
zusätzliche StäB-Plätze für die wohnortnahe Behandlung von den Satelliten aus beantragen
sowie die Einrichtung von spezialisierten Teams, z. B. für Allgemeinpsychiatrie, Suchtpsychiatrie
und Alterspsychiatrie. Mittel- bis längerfristig soll zudem die Entwicklung der StäB-Plätze
in ein Verfahren ähnlich der stationären Behandlungskapazitäten überführt werden.
Die Zahl der Anträge und der Umfang der Genehmigung von StäB-Plätzen wird bis Ende
des Jahres 2021 klarer einzuschätzen sein. Über die vorliegenden Anträge war zum Zeitpunkt
der Drucklegung dieses Artikels noch nicht entschieden. Insgesamt kann das baden-württembergische
Verfahren als modellhaft betrachtet werden. Um die Etablierung von StäB weiterhin
zu fördern und zu sichern, sollte eine Verrechnung mit stationären Kapazitäten jedoch
grundsätzlich vermieden werden.
StäB in Corona-Zeiten
Zu Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland wurde unter den Kliniken, welche StäB
seit längerer Zeit durchführen, intensiv diskutiert, ob diese Behandlung vorläufig
eingestellt oder – im Gegenteil – intensiviert werden sollte. Vielerorts wurde die
tagesklinische Behandlung stark reduziert oder phasenweise ganz aufgegeben. Ambulante
Behandlung fand, in Absprache mit den Krankenkassen, verstärkt telefonisch oder per
Videokonferenz statt. Bei StäB stand bezüglich der Gefährdungslage zunächst insbesondere
die Gefährdung für die Mitarbeitenden, nicht so sehr durch die Mitarbeitenden im Fokus
der Diskussion. Bei anfänglichem Mangel an Schutzausrüstung war unklar, welcher Gefährdungsgrad
für die Mitarbeitenden angenommen werden kann und ob eventuell sogar alle StäB-Patienten
als Verdachtsfälle zu betrachten seien.
An den 7 Standorten in Südwürttemberg, an denen StäB durchgeführt wird, bestand Einigkeit
darüber, diese Behandlungsform auch in Corona-Zeiten fortzuführen. Als wesentlich
erachtet wurde und wird das Abstandsgebot. Realisiert wird dies zum Teil durch Gespräche
im Freien, durch gemeinsame Spaziergänge oder durch entsprechende Maßnahmen in der
häuslichen Umgebung, jeweils unter Wahrung der Vertraulichkeit. Falls der Sicherheitsabstand
von 1,5 m nicht eingehalten werden kann, werden von beiden Beteiligten MNS-Masken
getragen. Jedes Fahrzeug war und ist mit der kompletten Covid-Schutzausrüstung ausgestattet,
Händedesinfektion findet vor und nach jedem Kontakt statt, das Fahrzeug wird regelmäßig
desinfiziert. Evtl. vor Ort genutztes Material wird verworfen oder desinfiziert. Die
Behandlung von Verdachtsfällen oder manifest erkrankten Personen erfolgt in voller
Schutzausrüstung (FFP2-Masken, Haube, Brille, Schutzkittel, Handschuhe).
Im Ergebnis wurde die Häufigkeit der aufsuchenden Behandlung am einzelnen Tag etwas
reduziert, zumindest ein persönlicher Kontakt fand jedoch gemäß der Bundesrahmenvereinbarung
jeden Tag statt. Videotelefonie und allgemeine Telefonkontakte wurden deutlich verstärkt
genutzt. Von Seiten der Mitarbeitenden und der StäB-Patienten wurde dieses Vorgehen
als positiv bewertet. Die Zahl der StäB-Behandlungen verlief je nach Standort etwas
unterschiedlich, an vielen Standorten wurde die StäB-Behandlung vermehrt genutzt.
Gerade die Sorge vor einer potenziellen Ansteckung im stationären Geschehen war für
manche Patienten ein greifendes Argument für die stationsäquivalente Behandlung im
eigenen häuslichen Umfeld. Nach unserer Erfahrung kann auch bei den geltenden Corona-Bestimmungen
StäB weitgehend problemlos und ohne Einschränkung der Behandlungsqualität durchgeführt
werden.