Rofo 2020; 192(09): 890-893
DOI: 10.1055/a-1207-4127
Radiologie und Recht

Strafrechtliche Rechtsprechung zur Stellung der rechtfertigenden Indikation mit einer Anmerkung zum Abrechnungsbetrug

 

In einem Strafverfahren hatte sich das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 19.11.2019, Az. 2 KLs 5/18) unter anderem mit der Frage zu befassen, welche Anforderungen an die Stellung der rechtfertigenden Indikation nach § 23 Absatz 1 Satz 5 Röntgenverordnung (RöV) zu stellen waren. Zwar war die Röntgenverordnung zu diesem Zeitpunkt bereits außer Kraft getreten, Ausgangspunkt der Frage war jedoch der Vorwurf eines Abrechnungsbetruges gegen Radiologen in den Jahren 2013 und 2014. Die Nachfolgeregelung des § 23 Absatz 1 Satz 5 RöV in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) findet sich mit verändertem Wortlaut in § 119 Absatz 3 StrlSchV. Eine Übertragung der Entscheidung auf die heutige Rechtslage ist zumindest in Teilen vorstellbar, so dass eine genauere Betrachtung der Entscheidung geboten ist.

Anforderungen an die Stellung der rechtfertigenden Indikation nach der RöV

Ausgangspunkt war in der Entscheidung des Landgerichtes der frühere Wortlaut der Röntgenverordnung. § 23 Absatz 1 RöV lautete in Auszügen:

„Röntgenstrahlung darf unmittelbar am Menschen in Ausübung der Heilkunde oder Zahnheilkunde nur angewendet werden, wenn eine Person nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 hierfür die rechtfertigende Indikation gestellt hat. Die rechtfertigende Indikation erfordert die Feststellung, dass der gesundheitliche Nutzen der Anwendung am Menschen gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt. Andere Verfahren mit vergleichbarem gesundheitlichen Nutzen, die mit keiner oder einer geringeren Strahlenexposition verbunden sind, sind bei der Abwägung zu berücksichtigen. [...] Die rechtfertigende Indikation darf nur gestellt werden, wenn der die rechtfertigende Indikation stellende Arzt den Patienten vor Ort persönlich untersuchen kann, [...]“

In dem Verfahren stellte sich dem Landgericht die Frage, ob die rechtfertigende Indikation stets bei Röntgenuntersuchungen gestellt wurde, es verneinte diese im Ergebnis. In dem Tatbestand des Urteils heißt es, dass im Regelfall die gesetzlich krankenversicherten Patienten mit dem Praxispersonal im Voraus persönlich und telefonisch einen Termin zur CT- oder Röntgenuntersuchung vereinbart hätten. Hierbei sei von den Mitarbeitern der Praxis telefonisch nur abgefragt worden, um welche Art von Untersuchung (CT oder Röntgen) es sich handele und welches Körperteil zu untersuchen sei. Am Untersuchungstag seien die Patienten an der Anmeldung der Praxis erschienen und hätten dort den Überweisungsschein des überweisenden Arztes vorgelegt. Die Mitarbeiter der Anmeldung händigten den Patienten jeweils einen Fragebogen „Computertomographie“ oder „Röntgen“ aus. Daneben hätten die Patienten ein Schreiben mit Angaben zur Untersuchungsdurchführung, Risiken und mögliche Nebenwirkungen der geplanten CT-Untersuchung, gegebenenfalls auch der kontrastverstärkten CT-Untersuchung erhalten. Am Ende des Fragebogens hätten die Patienten mit ihrer Unterschrift ihr Einverständnis für die geplante Untersuchung bestätigt und erklärt, dass sie zurzeit keine weiteren Fragen hätten. Die Fragebögen seien in der Regel vor Aushändigung an die Patienten von den Ärzten blanko vorunterschrieben worden. Nach Rückgabe der Fragebögen und des Aufklärungsbogens an die Anmeldung der Praxis legten die dortigen Mitarbeiter eine Patientenakte an. Überweisungsschein, Fragebogen und ggf. bereits aus der Vergangenheit vorhandene Befundberichte wurden anschließend in den Untersuchungsbereich verbracht. Die Patienten seien von den MTRA sodann zur Untersuchung aufgerufen worden. Im Anschluss an die Untersuchung sei der Patientenvorgang in das Arztzimmer gebracht worden. Die Radiologen seien zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal mit dem Patientenvorgang in Berührung gekommen.

Abgesehen von den Fällen, in denen der Radiologe vor der Untersuchung mit dem Patienten sprach, der Überweiser den Kontakt gesucht hatte, Notfälle zu versorgen oder offene Fragen bei der Untersuchung zu beantworten waren, sah das Landgericht nur in den Fällen die Stellung der rechtfertigenden Indikation als gegeben an, wenn der Überweisungsschein vom Patienten im Vorfeld der Untersuchung gefaxt oder auf sonstigem Wege in die Praxis gebracht wurde. Lediglich in diesen Fällen, seien die Radiologen vor der Durchführung der Röntgenuntersuchung mit einem Patientenvorgang in Berührung gekommen und in der Lage gewesen, vor der Untersuchung die rechtfertigende Indikation zur Untersuchung zu stellen.

Damit knüpfte das Landgericht an § 23 Absatz 1 Satz 5 RöV an, wonach die rechtfertigende Indikation nur gestellt werden darf, wenn der die rechtfertigende Indikation stellende Arzt den Patienten vor Ort persönlich untersuchen kann. Die Formulierung „kann“ in dem Wortlaut der Regelung bedeutete, dass die persönliche Untersuchung des Patienten in der Praxis möglich sein musste, sie musste aber tatsächlich nicht erfolgen, sofern keine medizinischen oder strahlenschutzrelevanten Fragen mehr für die Stellung der rechtfertigen Indikation zu beantworten waren.


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Rechtfertigende Indikation nach der Strahlenschutzverordnung

Mit der Einführung der neuen Strahlenschutzverordnung und dem Außerkrafttreten der Röntgenverordnung erfolgt die Stellung der rechtfertigen Indikation nunmehr im Wesentlichen nach § 119 StrlSchV. Der aktuelle Wortlaut § 119 Absatz 3 StrlSchV lautet:

„Der die rechtfertigende Indikation stellende Arzt oder Zahnarzt hat vor der Anwendung, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit dem überweisenden Arzt oder Zahnarzt, die verfügbaren Informationen über bisherige medizinische Erkenntnisse heranzuziehen, um jede unnötige Exposition zu vermeiden. Zu diesem Zweck ist die zu untersuchende oder zu behandelnde Person über frühere Anwendungen ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe, die für die vorgesehene Anwendung von Bedeutung sein können, zu befragen.“

Geblieben ist somit die individuelle Stellung der rechtfertigen Indikation vor der Untersuchung. Der Radiologe muss sich daher vor der Durchführung der Untersuchung mit dem Patienten oder genauer jedenfalls mit dessen Patientenakte einschließlich der Überweisung befassen. Dagegen ist das Erfordernis in der Strahlenschutzverordnung nicht enthalten, dass die rechtfertigende Indikation nur gestellt werden darf, wenn der Radiologe den Patienten vor Ort, also in der Praxis, persönlich untersuchen könnte.

Die Strahlenschutzverordnung sieht hinsichtlich der Information eines Patienten über die Risiken einer Strahlenexposition nach § 124 StrlSchV vor:

„Der Strahlenschutzverantwortliche hat dafür zu sorgen, dass eine Person, an der ionisierende Strahlung oder radioaktive Stoffe angewendet werden, vor der Anwendung über das Risiko der Strahlenanwendung informiert wird.“

Die Strahlenschutzverordnung regelt nicht, wie diese Information zu erfolgen hat. Daher besteht für eine etwaige Forderung aufgrund der Strahlenschutzverordnung, nach der der Radiologe, hier konkret als Strahlenschutzverantwortlicher, diese Information persönlich und in einem Gespräch dem Patienten übermitteln müsste, keine Grundlage. Die zivilrechtliche Frage der Information zum Risiko der Strahlenanwendung und Delegation nach § 630c Abs. 2 Satz 1 BGB haben Wigge/Loose bereits in „Ärztliche Aufklärungspflichten bei diagnostischen Röntgenuntersuchungen“, Fortschr Röntgenstr. 2016, 188, Seiten 218–224 und 312–315 behandelt. In der Drucksache des Bundesrates (423/18) vom 05.09.2018 zur neuen Strahlenschutzverordnung findet sich entsprechend in der Begründung zu § 124 StrlSchV der Verweis auf die Informationspflicht nach § 630c Abs. 2 Satz 1 BGB und deren Entsprechung. Hinsichtlich des Strafverfahrens vor dem Landgericht Saarbrücken war allein die Röntgenverordnung maßgeblich, und auch übertragen auf die heutige Rechtslage wäre die Strahlenschutzverordnung und nicht etwaige zivilrechtliche Fragen hinsichtlich der Aufklärung maßgeblich.


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Abrechnungsbetrug nach § 263 Abs. 1 StGB

In dem Verfahren vor dem Landgericht ging es um die Frage eines Abrechnungsbetruges und dabei nur mittelbar um die Stellung der rechtfertigen Indikation. Der Vorwurf lautete, dass die Radiologen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung entgegen der Abrechnungsvorgaben bewusst wahrheitswidrig durch Abgabe der quartalsweisen Sammelerklärungen, also der Quartalsabrechnung, behauptet hätten, dass sie sämtliche abgerechneten Leistungen entsprechend den Bestimmungen zur vertragsärztlichen Versorgung, insbesondere dem Bundesmantelvertrag-Ärzte, dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM), den Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Verträgen auf Bundes- und Landesebene, Abrechnungsbestimmungen sowie sonstigem Satzungsrecht der Kassenärztlichen Vereinigung erbracht hätten. Auf die vorstehenden Vorgaben findet sich regelhaft eine Bezugnahme in der Sammelerklärung. Konkret ging es in dem Strafverfahren um die Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes.

In der Präambel 34 Ziffer 1 des EBM heißt es noch heute unverändert:

„Die Gebührenordnungspositionen dieses Kapitels sind nur dann berechnungsfähig, wenn ihre Durchführung nach Maßgabe der Strahlenschutzverordnung, Röntgenverordnung und des Medizinproduktegesetzes sowie der jeweiligen Qualitätsbeurteilungsrichtlinien für die Kernspintomographie bzw. für die radiologische Diagnostik gemäß § 136 SGB V i. V. m. § 92 Abs. 1 SGB V erfolgt.“

Bei einem bewussten Verstoß gegen die Röntgenverordnung oder nunmehr die Strahlenschutzverordnung entfällt, so das Landgericht Saarbrücken in Hinblick auf die Röntgenverordnung, nach der Präambel 34 Ziffer 1 EBM die Abrechnungsfähigkeit der Leistung. Wenn aber ein Vertragsarzt, ein ermächtigter Arzt, eine Berufungsausübungsgemeinschaft oder ein Medizinisches Versorgungszentrum die Leistungen wissentlich gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung mit der Quartalsabrechnung geltend macht, obwohl diese Leistungen nicht oder nicht vollständig nach den Vorgaben erbracht wurden, die Kassenärztliche Vereinigung in dieser Frage täuscht und diese letztlich die Honorarauszahlung u. a. für diese Leistungen veranlasst, dann nehmen die Strafgerichte in der Regel einen Abrechnungsbetrug an.

Da das Landgericht zu der Überzeugung gelangte, dass die Radiologen unter wissentlicher Missachtung der Anforderungen zur Stellung der rechtfertigen Indikation nach der RöV Röntgenleistungen entgegen der Vorgabe des EBM erbracht hatten, hätten diese Leistungen nicht gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung geltend gemacht werden dürfen. Diese Geltendmachung der tatsächlich erbrachten Röntgenleistungen durch die Radiologen war im Rahmen der Quartalsabrechnung erfolgt, im Ergebnis kam es seitens der Kassenärztlichen Vereinigung zu Zahlungen für diese Leistungen.


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Strafmaß aufgrund der Schadenshöhe bei einem Abrechnungsbetrug

In einem Strafverfahren kommt es zunächst darauf an, ob überhaupt und wenn dies der Fall ist, welcher Straftatbestand erfüllt ist. Ist kein Straftatbestand verwirklicht, stellt sich die Frage nach einem Strafmaß natürlich nicht, das Verfahren endet mit einem Freispruch. Idealerweise kommt es nicht einmal zur Anklage, weil die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellt. Ist aber ein Straftatbestand erfüllt, hier der des Betruges nach § 263 StGB, kommt es hinsichtlich der Bestimmung des Strafmaßes, also der Höhe einer Strafe, auf verschiedene Tatumstände an. Einer dieser Tatumstände, aber ein wesentlicher Tatumstand, ist bei einem Betrug die Höhe des entstandenen Schadens. Je höher der Schaden, umso höher fällt letztlich das Strafmaß aus. Dabei gibt keinen strengen linearen Zusammenhang, weil weitere Tatumstände, wie z. B. Vorstrafen, ebenfalls zu berücksichtigen sind und daneben das Strafmaß sowohl hinsichtlich einer Geld- als auch einer Freiheitstrafe gesetzlich begrenzt ist.

In diesem Aspekt weist das Urteil des Landgerichtes ganz erhebliche Lücken auf. Ein Betrug, ein gesonderter Straftatbestand des Abrechnungsbetruges besteht nicht und es bedarf seiner nicht, setzt eine Reihe von Tatbestandsmerkmalen voraus. Rechtlich vereinfacht ausgedrückt, muss der Täter durch eine Täuschung bei einer anderen Person ein Irrtum erregen und dadurch bedingt muss es zu einer Vermögensverfügung der irrenden Person kommen, die zu einem Vermögensschaden führt. Dabei kommen unzählige Fallgestaltungen in Betracht, bei denen der Täter nicht selbst täuscht oder das geschädigte Vermögen nicht der irrenden Person gehört. Einzig sicher ist dabei, dass die Person, die getäuscht wird auch die Person ist, die sich irrt. Für Juristen bieten sich zahlreiche Gedankenspiele an, für den Rechtsanwender ist das in der Regel weniger erbaulich. Das Landgericht Saarbrücken hat mit einem prozentualen Abzug von 10 Prozent aufgrund von Unsicherheiten bei dem Sachverhalt die Schadensberechnung der Kassenärztlichen Vereinigung übernommen und im Übrigen nicht hinterfragt. Im Sozialrecht findet der strengformale Schadensbegriff Anwendung. Danach gilt regelhaft eine Leistung als fehlerhaft, wenn es an einer bloßen formalen Voraussetzung zur Erbringung der Leistung fehlt so dass sie nicht zu vergüten ist. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Leistung medizinisch beanstandungsfrei erbracht wurde, sondern allein auf die Verletzung rechtlicher Formalitäten. Die strafrechtliche Rechtsprechung hat mit viel Widerspruch der Rechtswissenschaft den strengformalen Schadensbegriff des Sozialrechts beim ärztlichen Abrechnungsbetrug übernommen. Bei einer genauen Betrachtung der Frage, die sich das Landgericht Saarbrücken hätte stellen müssen, kam es bei der Schadenshöhe nicht auf den strengformalen Schadensbegriff an. Die vorgeworfene Tathandlung war die Abgabe einer bewusst fehlerhaften Quartalsabrechnung. Daraus folgten die vorgeworfenen sieben Taten, weil der Tatzeitraum sich auf sieben Quartale und sieben „falsche“ Sammelerklärungen erstreckte. Die sozial- und strafrechtliche Rechtsprechung sieht in der Abgabe der Quartalsabrechnung eine Garantieerklärung des Vertragsarztes, mit dem Inhalt, dass die zur Abrechnung eingereichten Leistungen nach dem EBM, dem gesamten weiteren sozialrechtlichen Regelwerk oder in Bezug genommenen anderen Regelungen im Einklang stehe. Diese Rechtsprechung verdient intensive Kritik, weil der Vertragsarzt nur aus seiner Sicht der subjektiven Auffassung sein kann, dass er nach seinem Verständnis der Regelungen meint, ausschließlich Leistungen geltend zu machen, die den Anforderungen der vertragsärztlichen und in Bezug genommenen Regelungen entsprechen. Die objektive rechtliche Feststellung kann allerdings nur ein Gericht vornehmen und weder der Vertragsarzt noch eine Kassenärztliche Vereinigung. Liegt allerdings ein willentliches Nichteinhalten von Vorgaben vor, dann gibt der Vertragsarzt auch nach der vorstehend geäußerten Kritik in subjektiver Hinsicht eine falsche Sammelerklärung ab.

Entscheidend hätte sich das Landgericht Saarbrücken die Frage stellen müssen, wenn der Tatzeitpunkt die Einreichung einer fehlerhaften Sammelerklärung gewesen sein soll, zu welchem Honorarunterschied die – unterstellte – überhöhte Sammelerklärung tatsächlich geführt hat. Dazu bedarf es eines Vergleiches zu einer Honoraranforderung, die in diesem Sinne korrekt und hier sodann niedriger gewesen wäre. Bei einer überdurchschnittlich viele Leistungen erbringenden Praxis führt eine solche Korrektur aber in Abhängigkeit vom dem jeweiligen Honorarverteilungsmaßstab regelmäßig nur zu einer geringeren Vergütung im Bereich der abgestaffelten Vergütung. Der den anderen Vertragsärzten entstehende Schaden betrifft in einem solchen Fall allein die abgestaffelte Vergütung und daher nur einen kleinen Bruchteil des gesamten Honorars, der den anderen Vertragsärzte nicht zur Verfügung stand oder gestanden hätte. Die Kassenärztlichen Vereinigungen berechnen mit überwiegender Bestätigung durch die Sozialgerichtsbarkeit davon abweichend einen Regress. Sie bilden einen Vergütungsquotienten aus dem Verhältnis der gesamten Leistungsanforderungen in Euro und der tatsächlichen Honorarzahlung. Fiktiv erfolgt daher eine Betrachtung, nach der jede Leistung multipliziert mit der Vergütungsquote vergütet worden sei. Eine Betrachtung der wirtschaftlichen Folgen der Budgetzuweisung erfolgt bei den Kassenärztlichen Vereinigen meist nicht. Bei einer Übertragung dieser seitens der Kassenärztlichen Vereinigungen extrem vereinfachten Berechnung eines Regresses fällt der strafrechtliche Schaden sehr viel höher aus als der tatsächliche Vorteil bei den anderen Vertragsärzten ausgefallen wäre, wenn die vermeintliche Falschabrechnungen korrekt eingereicht worden wäre. Im Strafrecht gilt, dass der Vermögensvorteil auf der Seite des Täters oder eines begünstigten Dritten dem Vermögensnachteil des Geschädigten entsprechen muss. Übernimmt aber ein Strafgericht die Regressberechnung einer Kassenärztlichen Vereinigung jedenfalls bei einer Praxis, die die zugewiesenen Budgets überschreitet, fällt der vermeintliche Schaden höher aus als der Vermögensnachteil für die übrigen Vertragsärzte. Der Vorteil des betrügerisch abrechnenden Radiologen ist sodann um ein Vielfaches größer als der Nachteil der vermeintlich betrogenen Fachgruppe. Vorteil und Nachteil entsprechen sich daher nicht, obwohl sie dies strafrechtlich müssten. Daneben finden sich viele weitere Faktoren, die zu einer Verzerrung der Schadenshöhe führen, weil die vereinfachte Regressberechnung die unterschiedlichen Bewertungen von Röntgenleistungen, CT- und MRT-Leistungen egalisiert.


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Fazit

Die Entscheidung des Landgerichtes Saarbrücken erging zu der früheren Rechtslage zu den Anforderungen an die Stellung der rechtfertigenden Indikation nach § 23 Absatz 1 Satz 5 RöV. Wenngleich der Verordnungsgeber in § 119 Absatz 3 StrlSchV den Wortlaut der Röntgenverordnung nicht übernommen hat, besteht das Erfordernis der Stellung der rechtfertigenden Indikation vor der Röntgenuntersuchung fort. Nach den Vorgaben der DIN 6827-5 „Protokollierung bei der medizinischen Anwendung ionisierender Strahlung – Teil 5: Radiologischer Befundbericht“ erfolgt die Dokumentation der Stellung der rechtfertigenden Indikation in dem radiologischen Befundbericht. Nur kann der Radiologe den Befundbericht nicht bereits vor der Untersuchung des Patienten formulieren, sondern erst am Ende. Auch wenn es keine erkennbare strahlenschutzrechtliche Vorgabe gibt, dass die Stellung der rechtfertigenden Indikation vor der Untersuchung zu dokumentieren ist, sondern nur die wichtige Vorgabe, dass die rechtfertigende Indikation vor der Untersuchung zu stellen ist, empfiehlt es sich, den standardisierten Arbeitsablauf oder Standard Operating Procedure (SOP) anzupassen. Die SOP sollte sicherstellen und möglichst die Dokumentation beinhalten, dass ein Radiologe die Patientenakte in Papierform oder digital vor Durchführung der Röntgenuntersuchung sichten konnte und die rechtfertigende Indikation gestellt ist.

Es sollte keine Verwunderung bestehen, dass die Angabe von wissentlich nicht erbrachten oder unvollständig erbrachten Leistungen in der Regel einen Betrug zum Nachteil der anderen Ärzte in der Fachgruppe darstellt. Ein solches Verhalten ist zu unterlassen. Es kann nicht nur zur einer strafrechtlichen Verurteilung führen, sondern daneben zu einem Regress der Kassenärztlichen Vereinigung, der Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung, einem berufsrechtlichen Verfahren und zum Verlust der ärztlichen Approbation.

Bei der Bestimmung der Höhe eines Betrugsschadens bestehen allerdings erhebliche Fehlvorstellungen. Gerade hinsichtlich der Vergütungssystematik nach Honorarverteilungsmaßstäben besteht außerhalb der Sozialgerichtsbarkeit wenig bis kein Verständnis. Um die Berechnung der Schadenshöhe eines Abrechnungsbetruges vornehmen zu können, bedarf es zwingend der Beachtung der Vergütungssystematik, weil Leistungsanforderung und tatsächlich ausgezahltes Honorar aufgrund der Budgetierung in der ganz überwiegenden Zahl von Fällen auseinanderfallen – und zwar stets zum Nachteil des schädigenden Radiologen. Die Schadenshöhe ist aber für die Festsetzung eines Strafmaßes von erheblicher Bedeutung. Zwar lässt eine geringe Schadenshöhe den Betrug als solchen nicht entfallen, sie kann aber im günstigsten Fall zu einer Einstellung des Strafverfahrens und im schlechtesten Fall zu einer Reduzierung des Strafmaßes führen.

René T. Steinhäuser
Rechtsanwalt

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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
20. August 2020

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