Schlüsselwörter
oberflächliche Venenthrombose - Thrombophlebitis - Ätiologie - Klassifikation - Diagnostik
Key words
superficial vein thrombosis - thrombophlebitis - etiology - classification - diagnostics
Definition
Die oberflächliche Venenthrombose (OVT) ist eine häufige, klinisch gut erkennbare
Erkrankung der epifaszialen (superfiziellen) Venen, gekennzeichnet durch Thrombosierung
und – meist konsekutiv – Entzündung der betroffenen Venenabschnitte. Es wird geschätzt,
dass die Inzidenz der OVT die der tiefen Beinvenenthrombose übersteigt [1]. Bis vor einigen Jahren war der klinische Begriff der Thrombophlebitis weithin,
und auch international gebräuchlich (superficial venous thrombophlebitis). Die Erkrankung
wird als I80.0 im ICD-10 als „Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis oberflächlicher
Gefäße der unteren Extremitäten“ aufgeführt. In einem internationalen Konsensus-Papier
aus dem Jahr 2012 wird empfohlen, den Terminus „Oberflächliche Thrombophlebitis“ zu
verlassen, da Inflammation und Infektion bei den weitaus meisten Fällen nicht die
primäre Ursache darstellen. Die Bezeichnung „itis“ führt missverständlich häufig dazu,
dass Antibiotika therapeutisch eingesetzt wurden und immer noch werden, diese aber
nur ausnahmsweise bei Vorliegen einer septischen Phlebitis eine Indikation haben.
In der weit überwiegenden Zahl der Fälle liegt eine Thrombosierung in varikösen Venen
vor. Daher der Vorschlag, das Krankheitsbild stringent als „Oberflächliche Venenthrombose“
(superficial vein thrombosis) zu bezeichnen [2]. Diese Bezeichnung hat sich nunmehr international durchgesetzt [3].
Die Definition nach dem Pathologen Leu versucht die Pathogenese zu berücksichtigen
[4]:
-
Phlebitis: Es handelt sich primär um eine nichtbakterielle Entzündung der Venenwand
gefolgt von einem thrombotischen Gefäßverschluss.
-
Thrombose: Initial entwickelt sich eine Thrombose durch eine intravenöse Gerinnung,
die primär nicht entzündlich ist, aber sekundär zur Entzündung der Venenwand (Phlebitis)
führen kann.
Letztlich ist die Leu’sche Definition nie daraufhin untersucht worden, ob bei einer
Varikothrombose die Entzündung der Venenwand oder die Thrombose infolge der Stase
im dilatierten und elongierten Gefäß das primäre Ereignis ist.
Histopathologisch werden folgende Formen unterschieden: Varikothrombose, primäre Thrombose
in nichtvariköser Vene und primäre Phlebitis mit oder ohne sekundäre Thrombose. Da
jedoch eine histologische Diagnostik in der täglichen Routine nur in Einzelfällen
– Frage der primären Phlebitis, z. B. im Rahmen von Autoimmunprozessen – durchgeführt
wird, hat dies für die konsentierte Bezeichnung der OVT in der Regel keine Konsequenz.
Klinischer Befund, Anatomie und Klassifikation
Klinischer Befund, Anatomie und Klassifikation
Im Stromgebiet der Vena saphena magna, der Vena saphena parva oder der Perforansvenen
finden sich an einem Segment der oberflächlichen Venen (Phlebitis) oder Varizen (Varikophlebitis)
umschriebene strangförmige, überwärmte, leicht gerötete, druckdolente, nichtbakteriell
bedingte Indurationen ([Abb. 1]); das sind partielle oder komplette thrombotische Venenverschlüsse. Sie manifestieren
sich häufig unilateral, selten bilateral (weniger als 10 %).
Abb. 1 Klinisches Bild einer akuten Varikothrombose bei einer 64-jährigen Patientin. Seit
ca. 2 Wochen bestehende druckdolente Indurationen am ventrolateralen Unterschenkel
bei ungestörtem Allgemeinbefinden. Vier Wochen zuvor wurde eine therapeutische Arthroskopie
des rechten Kniegelenks durchgeführt.
Die Mehrzahl der Thrombosen sind nicht okkludierend [5]. In der Regel haften die Thromben fest an der Venenwand ([Abb. 2]). Die Entzündungszeichen Rubor, Calor, Dolor und Tumor sind vorhanden, eine Beinschwellung
– als typisches Symptom der tiefen Beinvenenthrombose – allerdings nicht.
Abb. 2 OP-Präparat einer ca. 4 Wochen alten oberflächlichen Venenthrombose der V. saphena
magna am distalen Insuffizienzpunkt (Hach III). Z. n. Krossektomie und Stripping.
Die Venenwand wurde inzidiert. Sehr gut sind thrombotisches Material im Venenlumen,
eine Wandverdickung und die Wandadhärenz des Thrombus erkennbar.
Die OVT bildet sich meist aufgrund einer venösen Stase und kann sich in allen epifaszialen
Venenabschnitten manifestieren. Bezogen auf die Gesamtheit oberflächlicher und tiefer
Thrombosen der unteren Extremitäten sind die Vena saphena magna in 9,9 %, die Vena
saphena parva in 5,7 % und Perforansvenen in 0,3 % der Fälle betroffen [6]. In der französischen STEPH-Populationsstudie betrafen 52,6 % der OVTs die Vena
saphena magna, 12,9 % die Vena saphena parva und 58,5 % andere oberflächliche Venen
[7].
Eine OVT der Stammvenen kann sich auch über den Krossebereich ausdehnen und eine TVT
verursachen oder sich transfaszial auch über die Perforansvenen ausbreiten. Im Bereich
der Stammvenen ist sowohl ein aszendierendes als auch ein deszendierendes Wachstum
möglich. In der Regel ist das Allgemeinbefinden der Patienten kaum gestört, die Patienten
sind fieberfrei. Es handelt sich bei der OVT um eine ernst zu nehmende Erkrankung
mit möglichen schweren Komplikationen wie der tiefen Beinvenenthrombose und der Lungenembolie.
Nach Wochen oder Monaten kann eine spontane Lyse des thrombotischen Verschlusses auch
ohne Therapie erfolgen und somit zur Rekanalisation der Vene führen. Sonografisch
lassen sich jedoch häufig postphlebitische Veränderungen in Form von echogenen Wandauflagerungen
oder Binnenstrukturen nachweisen. Unter Umständen können bräunliche Pigmentationen
der Haut zurückbleiben.
Eine verbindliche Klassifikation der OVT existiert bislang nicht. Die Arbeitsgruppe
um Verrel beschreibt 4 Stadien in Abhängigkeit von der Lokalisation des proximalen
Thrombusendes, insbesondere um herauszuarbeiten, wann eine operative Therapie indiziert
ist [8]: Im Stadium I liegt keine Beteiligung der junktionalen Klappenebene von Vena saphena
magna bzw. Vena saphena parva vor; im Stadium II erreicht der Thrombus die junktionale
Klappenebene; Stadium III zeichnet sich dadurch aus, dass der Thrombus bereits über
die saphenofemorale bzw. saphenopopliteale Junktion in das tiefe Venensystem hineinreicht;
im Stadium IV ist der Thrombus über eine Perforansvene in das tiefe Venensystem aszendiert.
Unter Berücksichtigung der aktuell empfohlenen therapeutischen Maßnahmen, bei denen
die medikamentöse Therapie im Vordergrund steht, schlagen wir bei Vorliegen einer
OVT die folgende Klassifikation vor:
Typ A: OVT von Stamm- (Typ A1), Perforans- (Typ A2) oder Seitenastvenen (Typ A3)
-
mit folgender Ausdehnung:
-
Sollten unterschiedliche Segmente gleichzeitig betroffen sein, können sie entsprechend
benannt werden, z. B. Typ A1,3.
Typ B: OVT von Stamm- (Typ B1), Perforans- (Typ B2) oder Seitenastvenen (Typ B3)
-
mit folgender Ausdehnung:
-
Thrombuslänge ≥ 5 cm
-
Thrombuslänge ≥ 5 cm additiv (Gesamtheit betroffener Venenabschnitte) bei gleichzeitiger
OVT in unterschiedlichen Segmenten
-
Distanz des proximalen Thrombusendes zur Mündungsebene in das tiefe Venensystem > 3 cm
-
Sollten unterschiedliche Segmente gleichzeitig betroffen sein, können sie entsprechend
benannt werden, z. B. Typ B1,3.
Typ C: OVT von Stamm- (Typ C1), Perforans- (Typ C2) oder Seitenastvenen (Typ C3)
-
mit folgender Ausdehnung:
-
Sollten unterschiedliche Segmente gleichzeitig betroffen sein, werden sie entsprechend
benannt, z. B. Typ C1,3.
Typ D: OVT von Stamm- (Typ D1) oder Perforansvenen (Typ D2) mit folgender
-
Ausdehnung:
-
Definitionsgemäß liegt beim Typ D eine tiefe Beinvenenthrombose,
-
ausgehend von einer OVT, vor.
Prävalenz/Inzidenz
In der Bonner Venenstudie gaben 5,3 % der untersuchten Population (n = 3072, mittleres
Lebensalter: 48 Jahre) an, in der Vorgeschichte an einer OVT erkrankt gewesen zu sein;
8 % der Frauen und 2 % der Männer waren betroffen [9].
In der amerikanischen Tecumseh-Studie beträgt die Prävalenz bei den Frauen 0,9 % (n = 3363)
und bei den Männern 0,5 % (n = 3026). Laut Autoren nimmt die Prävalenz im Alter zu
([Tab. 1]) [10].
Tab. 1
Altersbezogene Prävalenz der OVT in der Tecumseh-Studie [9].
|
Prävalenz (%)
|
Prävalenz (%)
|
Alter (Jahren)
|
Männer
|
Frauen
|
|
n = 3363
|
n = 3026
|
10–19
|
0
|
0
|
20–29
|
0
|
0,2
|
30–39
|
0,4
|
0,7
|
40–49
|
0,6
|
1,7
|
50–59
|
1,7
|
1,6
|
60–69
|
1,7
|
2,6
|
70 +
|
3,2
|
3,2
|
gesamt (%)
|
0,5
|
0,9
|
Kakkos et al. ermittelten bei ihren 123 Patienten die Inzidenz im Verlauf des Jahres:
In den Sommermonaten Juni und Juli ist die Inzidenz am höchsten. Als eine Erklärung
hierfür wird die möglicherweise geringere Adhärenz für die Kompressionstherapie in
den warmen Sommermonaten postuliert [11].
In der Städteregion Saint-Etienne (Frankreich) wurden während eines Jahres 265 687
Einwohner von 248 praktischen Ärzten untersucht. 171 Patienten wiesen eine symptomatische
OVT auf; die jährliche Diagnoserate lag bei 0,64 % [7].
Nach Meissner et al. erkranken in den USA jährlich ca. 125 000 Patienten an einer
OVT [12].
Somit beträgt die Inzidenz der OVT ca. 0,5–1 auf 1000 Einwohner pro Jahr.
Laut Statistik des Deutschen Bundesamtes starben 2015 in Deutschland 1713 Patienten
(654 Männer und 1059 Frauen) an einer OVT [13]. Dies entspricht einer jährlichen Mortalität von 2,1 auf 100 000 Einwohner.
Geschlechterverteilung
In 16 klinischen Studien mit insgesamt 3514 Patienten waren insgesamt 60 % Frauen
und 40 % Männer betroffen [14]. Die Ratio Frauen/Männer beträgt somit 1,5/1. Eine Übersicht über die zugrunde liegenden
Studien gibt [Tab. 2].
Tab. 2
Geschlechtsverteilung bei OVT-Patienten (nach Daten aus [14]).
Autor (Jahr)
|
OVT-Patienten
|
Geschlechtsverteilung
|
|
n
|
m/w
|
Ascher et al. (2003) [15]
|
32
|
14/18
|
Bergqvist (1986) [16]
|
56
|
21/35
|
Binder et al. (2009) [17]
|
46
|
14/32
|
Decousus et al. (2010) [18]
|
844
|
296/548
|
Frappé et al. (2014) [7]
|
171
|
60/111
|
Galanaud et al. (2011) [19]
|
788
|
283/505
|
Gorty et al. (2004) [20]
|
60
|
23/37
|
Hirmerova et al. (2013) [21]
|
138
|
50/88
|
Lutter et al. (1991) [22]
|
186
|
87/99
|
Noppeney et al. (2006) [23]
|
114
|
42/72
|
Pomero et al. (2015) [24]
|
494
|
314/180
|
Prountjos et al. (1991) [25]
|
57
|
23/34
|
Pulliam et al. (1991) [26]
|
20
|
8/12
|
Sobreira et al. (2009) [27]
|
60
|
20/40
|
Verlato et al. (1999) [28]
|
21
|
11/10
|
Quenet et al. (2003) [29]
|
427
|
156/271
|
gesamt
|
3514
|
männlich 1422
weiblich 2092
|
Risikofaktoren
1. Alter
Anhand von 15 Studien wurde ein Durchschnittsalter von 58,95 Jahren (n = 3085) ermittelt
([Tab. 3]) [14].
Tab. 3
Durchschnittsalter bei OVT-Patienten (nach Daten aus [14]).
Autor (Jahr)
|
OVT-Patienten
|
Durchschnittsalter
|
|
n
|
Jahre
|
Ascher et al. (2003) [15]
|
32
|
57,8
|
Bergqvist et al. (1986) [16]
|
56
|
58
|
Binder et al. (2009) [17]
|
46
|
65
|
Blättler et al. (1993) [30]
|
25
|
47
|
Decousus et al. (2010) [18]
|
844
|
65
|
Frappé et al. (2014) [7]
|
171
|
68
|
Galanaud et al. (2011) [19]
|
780
|
65
|
Gorty et al. (2004) [20]
|
60
|
52
|
Hirmerova et al. (2013) [21]
|
138
|
61,4
|
Lutter et al. (1991) [22]
|
187
|
58,4
|
Noppeney et al. (2006) [23]
|
114
|
60
|
Pomero et al. (2015) [24]
|
494
|
56,3
|
Prountjos et al. (1991) [25]
|
57
|
58,3
|
Sobreira et al. (2009) [27]
|
60
|
50,2
|
Verlato et al. (1999) [28]
|
21
|
61,3
|
Gesamtwert
|
3085
|
61,99[*]
|
* nach Studiengröße gewichteter Durchschnitt (Σ Durchschnittsalter*(n)Studie/(n)Gesamt).
Gewichtet man die Studien anhand der Stichprobengröße, ergibt sich ein Durchschnittsalter
von 62 Jahren. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, an einer OVT zu erkranken,
sukzessiv und unabhängig vom Geschlecht an [31]
[32]. In der retrospektiven Analyse von Musil et al. konnte gezeigt werden, dass das
OVT-Risiko im Alter von 46–69 Jahren um 57 % (OR 1,57; 95 %-Konfidenzintervall (KI)
1,03–2,40; p = 0,036) ansteigt und ab einem Alter von 70 Jahren sich nahezu verdreifacht
(OR 2,93; 95 %-KI 1,50–5,76; p = 0,001) [31]. Auch bei Müller und Rosenberg war das 7. Lebensjahrzehnt mit 31 % am häufigsten
betroffen [33]. Das Alter stellt somit einen relevanten Risikofaktor für die Manifestation einer
OVT dar.
2. Adipositas
Vier Studien errechneten einen durchschnittlichen Anteil von 22,3 % (gewichtet nach
Stichprobengröße: 22,1 %) adipöser Patienten (BMI > 30 kg/m2) bei OVT (n = 2297) ([Tab. 4]) [14]. In der retrospektiven Untersuchung von Musil et al. war ein erhöhter BMI ≥ 25 kg/m2 ein eigenständiger Risikofaktor für das Auftreten einer OVT nur bei den Frauen [31].
Tab. 4
Häufigkeit der OVT bei Adipositas (nach Daten aus [14]); aufgeführt sind nur die Studien mit einer eindeutigen Definition der Adipositas
(BMI > 30 kg/m2).
Autor (Jahr)
|
OVT-Patienten
|
Adipositas
|
|
n
|
Häufigkeit (%)
|
Decousus et al. (2010) [18]
|
844
|
28,8
|
Frappé et al. (2015) [7]
|
171
|
25,3
|
Galanaud et al. (2011) [19]
|
788
|
16,1
|
Pomero et al. (2015) [24]
|
494
|
19
|
Gesamtwert
|
2297
|
22,1 %[*]
|
* nach Studiengröße gewichteter Durchschnitt (vgl. [Tab. 3]).
3. Tumorleiden
Patienten mit einem Karzinom des Pankreas, des Kolons, des Ösophagus, der Lunge, der
Brust, der Prostata oder der Nieren erleiden gemäß 13 Studien in 3,6–18,3 % (durchschnittlich
8,1 %, gewichtet nach Stichprobengröße) eine OVT ([Tab. 5]) [14]. Das Tumorleiden ist insbesondere ein Risikofaktor für die Manifestation einer Phlebitis
einer nichtvarikösen Vene.
Tab. 5
Häufigkeit eines Tumorleidens bei OVT-Patienten (nach Daten aus [14]).
Autor (Jahr)
|
OVT-Patienten
|
Tumorleiden
|
|
n
|
Häufigkeit (%)
|
Bergqvist (1986) [16]
|
56
|
3,6
|
Binder et al. (2009) [17]
|
46
|
7
|
Blättler et al. (1993) [30]
|
25
|
12
|
Decousus et al. (2010) [18]
|
844
|
6
|
Frappé et al. (2014) [7]
|
171
|
7,9
|
Galanaud et al. (2011) [19]
|
788
|
8,2
|
Gorty et al. (2004) [20]
|
60
|
7
|
Hirmerova et al. (2013) [21]
|
138
|
6,5
|
Lutter et al. (1991) [22]
|
187
|
14,9
|
Pomero et al. (2015) [24]
|
494
|
9,4
|
Skillman et al. (1990) [34]
|
42
|
4,8
|
Sobreira et al. (2009) [27]
|
60
|
18,3
|
Verlato et al. (1999) [28]
|
21
|
4,8
|
Gesamtwert
|
2932
|
8,1 %[*]
|
* nach Studiengröße gewichteter Durchschnitt (vgl. [Tab. 3]).
4. Orale Kontrazeptiva
Eine ältere prospektive Kohortenstudie berichtet über ein knapp 2,5-fach erhöhtes
OVT-Risiko bei Frauen, die orale Kontrazeptiva einnahmen, verglichen mit Frauen, die
keine Kontrazeptiva bekamen (OR 2,41; 95 %-KI 1,4–2,7; p < 0,01) [35]. Interessanterweise steigt das Risiko für thromboembolische Ereignisse erheblich
– um das 43-Fache – bei Einnahme oraler Kontrazeptiva und einer OVT in der Vorgeschichte
gegenüber Frauen, die diese beiden Risikofaktoren nicht aufweisen (OR 43,0; 95 %-KI
15,5–119,3) [36]. Ein erhöhtes Risiko durch die Einnahme oraler Kontrazeptiva liegt auch bei Frauen
vor, die keine Varikose aufweisen [37].
5. Gerinnungsstörungen
Daten zur Häufigkeit von Gerinnungsstörungen aus insgesamt 13 Publikationen wurden
in den [Tab. 6], [7] zusammengefasst.
Tab. 6
Prävalenz von Gerinnungsstörungen bei OVT-Patienten (Faktor II, Faktor V, Faktor VIII).
|
Gerinnungsstörung
|
|
|
Autor (Jahr)
|
Faktor-II (Prothrombin G20 210A) -Mutation
|
Faktor-V-Leiden (G1691A) -Mutation
|
Faktor-VIII-Erhöhung
|
Prävalenz (%)
|
Odds Ratio
(95 %-KI[*])
|
De Moerloose et al. (1998) [38]
|
+
|
|
|
3,6
|
3,3 (0,5–36,8)
|
Martinelli et al. (1999) [39]
|
+
|
|
|
9,6
|
4,3 (1,5–12,6)
|
De Moerloose et al. (1998) [38]
|
|
+
|
|
14,3
|
2,5 (1,0–6,2)
|
Martinelli et al. (1999) [39]
|
|
+
|
|
15,9
|
6,1 (2,6–14,2)
|
Schönauer et al. (2003) [40]
|
|
|
+
|
24
|
2,0 (1,0–5,2)
|
* KI = Konfidenzintervall.
Tab. 7
Prävalenz von Gerinnungsstörungen bei OVT-Patienten (Protein C, Protein S, AT-III,
APS).
|
Gerinnungsstörung
|
|
|
Autor (Jahr)
|
Protein-C-Mangel
|
Protein-S- Mangel
|
AT-III-Mangel
|
APS
|
Prävalenz (%)
|
Odds Ratio
(95 %-KI[*])
|
Engesser et al. (1987) [39]
|
|
+
|
|
|
7,2
|
|
Hanson et al. (1998) [40]
|
|
+
|
|
|
5,9
|
|
De Godoy et al. (2003) [41]
|
|
+
|
|
|
5,5
|
|
Hanson et al. (1998) [40]
|
|
|
+
|
|
17,6
|
|
De Godoy et al. (2001) [42]
|
|
|
|
+
|
33,3
|
6,6 (2,5–17,8)
|
Karathanos et al. (2012) [43]
|
+
|
|
|
|
2,3
|
|
Karathanos et al. (2012) [43]
|
|
+
|
|
|
14,8
|
6,7 (1,8–24,5)
|
Karathanos et al. (2012) [43]
|
|
|
+
|
|
22,7
|
|
APS = Antiphospholipidsyndrom; AT = Antithrombin.
* KI = Konfidenzintervall.
Daraus lässt sich folgern, dass bei Patienten mit einer OVT eine teilweise hohe Prävalenz
thrombophiler Gerinnungsstörungen vorliegt ([Tab. 8]).
Tab. 8
Mittlere Prävalenzraten bei OVT-Patienten mit unterschiedlichen Gerinnungsstörungen.
Gerinnungsstörungen
|
mittlere Prävalenz (%)
|
Protein-C-Mangel
|
2,3
|
Faktor-II (Prothrombin G20 210A) -Mutation
|
6,6
|
Protein-S-Mangel
|
7,7
|
Faktor-V-Leiden (G1691A) -Mutation
|
15,1
|
Antithrombin-III-Mangel
|
20,2
|
Faktor-VIII-Erhöhung
|
24
|
Antiphospholipidsyndrom (APS)
|
30,3
|
Mittelwert
|
17,5 %
|
Insbesondere das Vorhandensein von Anti-Cardiolipin-Antikörpern, eine erhöhte Aktivität
von Faktor VIII sowie ein Antithrombin-III-Mangel waren häufig mit einer OVT assoziiert.
Es konnte gezeigt werden, dass Mutationen der Faktoren II (Prothrombin) und V (Leiden),
die erhöhte Aktivität von Faktor VIII, erhöhte Cardiolipin-Antikörper sowie ein Protein-S-Mangel
das Risiko für die Entwicklung einer OVT um das 2–7-Fache erhöhen ([Tab. 6], [7]).
6. Varikose
Die primäre Varikose ist gleichermaßen ein Risikofaktor für eine OVT. Wali und Eid
fanden elektronenmikroskopisch an varikösen Venen folgende Veränderungen: Elonginationen
und Invaginationen der Intima und eine Degeneration der Endothelzellen [46]. Diese Schäden sind optimale Bedingungen für das Entstehen einer Thrombose, die
sich tatsächlich in den Varizen manifestiert. [Tab. 9] gibt eine Übersicht über die Häufigkeit der Varikose bei OVT-Patienten.
Tab. 9
Häufigkeit der Varikose bei OVT-Patienten (nach Daten aus [12]).
Autor (Jahr)
|
OVT-Patienten
|
Varikose
|
|
n
|
Häufigkeit (%)
|
Ascher et al. (2003) [13]
|
32
|
59,0
|
Bergqvist (1986) [14]
|
56
|
67,8
|
Binder et al. (2009) [15]
|
46
|
100
|
Blättler et al. (1993) [28]
|
25
|
76
|
Decousus et al. (2010) [16]
|
844
|
81,8
|
Frappé et al. (2014) [5]
|
171
|
82,8
|
Galanaud et al. (2011) [17]
|
788
|
64,8
|
Gorty et al. (2004) [18]
|
60
|
80
|
Hirmerova et al. (2013) [19]
|
138
|
89,8
|
Lutter et al. (1991) [20]
|
187
|
51,9
|
Noppeney et al. (2006) [21]
|
114
|
81,3
|
Pomero et al. (2015) [22]
|
494
|
32,2
|
Skillman et al. (1990) [32]
|
42
|
92,8
|
Sobreira et al. (2009) [25]
|
60
|
85
|
Verlato et al. (1999) [26]
|
21
|
80,9
|
gesamt
|
3078
|
68,0 %[*]
|
* nach Studiengröße gewichteter Durchschnitt (vgl. [Tab. 3]).
Unter Berücksichtigung der Stichprobengröße der einzelnen Studien (15 Studien, n = 3078)
ergibt sich eine durchschnittliche Häufigkeit von 68 % einer vorhandenen Varikose
bei bestehender OVT [14]. Die Varikose stellt somit die Hauptursache für die Entwicklung einer OVT dar [47].
7. Gravidität
Eine Schwangerschaft wird allgemein als Risikofaktor für thromboembolische Ereignisse
angesehen. Die amerikanische epidemiologische Tecumseh-Studie mit 7932 Graviden stellte
jedoch fest, dass die Häufigkeit einer OVT bei Schwangeren nur 0,9 pro 1000 Frauen
(0,088 %) beträgt ([Tab. 10]) [10].
Tab. 10
Häufigkeit der OVT bei Schwangeren in der Tecumseh-Studie [8].
Alter (J) der Schwangeren
|
OVT-Kranke auf 1000 Graviden
|
16–19
|
0
|
20–24
|
0,3
|
25–29
|
2,2
|
30–34
|
0,8
|
35–39
|
0
|
40–44
|
0
|
Mittelwert
|
0,9
|
Ähnliche Ergebnisse fanden McColl et al. bei 72 000 Graviden: Von 1000 Schwangeren
hatten nur 0,07 % der Frauen eine OVT [48]. Auch James et al. registrierten bei 30 040 Graviden lediglich 14 Frauen (0,08 %)
mit einer OVT [49]. Somit ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die Prävalenz für eine OVT bei Schwangeren
spezifisch erhöht wäre. Auch für die Postpartalphase, für die insbesondere in den
ersten 3 Wochen ein bis zu 22-fach erhöhtes VTE-Risiko beschrieben wurde [50], finden sich keine dezidierten Angaben in der Literatur, die ein erhöhtes OVT-Risiko
belegen würden.
In 5 Studien mit 1877 OVT-Patienten waren 4 % der Betroffenen Schwangere ([Tab. 11]) [14].
Tab. 11
Häufigkeit von Schwangeren bei OVT-Patienten in Einzelstudien (nach Daten aus [12]).
Autor (Jahr)
|
OVT-Patienten
|
Gravidität
|
|
n
|
Häufigkeit (%)
|
Ascher et al. (2003) [13]
|
32
|
0
|
Decousus et al. (2010) [16]
|
844
|
4,5
|
Frappé et al. (2014) [5]
|
171
|
3,8
|
Galanaud et al. (2011) [17]
|
788
|
3,2
|
Skillman et al. (1990) [32]
|
42
|
11,9
|
gesamt
|
1877
|
4,0 %[*]
|
* nach Studiengröße gewichteter Durchschnitt (vgl. [Tab. 3]).
8. Autoimmunerkrankungen
Bei Auftreten einer OVT in nichtvarikösen Venen, insbesondere bei rezidivierenden
oder lokalisatorisch atypischen Verläufen (Thrombophlebitis saltans, migrans, Morbus
Mondor), sollten ätiopathogenetisch neben Tumorerkrankungen und Thrombophilien auch
Autoimmunerkrankungen in Betracht gezogen werden. Da es sich scheinbar um seltene
Assoziationen handelt, sind, abgesehen vom Antiphospholipidsyndrom (APS), welches
als sekundäres APS im Rahmen eines systematischen Lupus erythematodes auftreten kann,
keine Daten aus Reviews/Metaanalysen verfügbar. In der Literatur finden sich Fallberichte
zu OVTs bei diversen Vaskulitiden (z. B. Thrombangitis obliterans, Morbus Wegener,
M. Behçet). 15–40 % der an M. Behçet erkrankten Personen entwickeln beispielsweise
eine OVT oder eine TVT [51].
Zusammenfassend lässt sich konstatieren:
Die häufigsten Risikofaktoren bzw. Komorbiditäten einer OVT sind somit: Varikose (68 %),
Adipositas (23 %), Gerinnungsstörungen (18 %) und das Tumorleiden (8 %). Darüber hinaus
lässt sich feststellen, dass die OVT mit zunehmendem Lebensalter häufiger auftritt.
Verlauf/Komplikationen
1. Spontanes Wachstum der akuten isolierten OVT
Die OVT ist eine ernst zu nehmende Erkrankung, die auch infolge einer Lungenembolie
tödlich enden kann. Leizorovicz et al. beobachteten über einen Zeitraum bis zu 77
Tagen insgesamt 1500 Patienten (Placebo-Gruppe der CALISTO-Studie, Post-hoc-Analyse)
mit einer akuten isolierten OVT: Bei 7,3 % der Patienten vergrößerte sich die OVT,
9,3 % der Patienten hatten eine tiefe Beinvenenthrombose (TVT) und 8,9 % erlitten
eine Lungenembolie (LE) [52]. Ähnliche Ergebnisse publizierten auch Chengelis et al. Sie fanden ein Thrombuswachstum
in die tiefen Venen hinein von 11 % (n = 263) bei einer durchschnittlichen Beobachtungsdauer
von 6,3 Tagen; duplexsonografisch sahen sie, dass die Thrombosen in der Mehrzahl nicht
okkludierend, sondern oft auch frei flottierend sind [5]. Die Wachstumstendenz des Thrombus in das tiefe Venensystem hinein war am stärksten
ausgeprägt bei OVT-Lokalisation in der V. saphena magna am Oberschenkel ([Tab. 12]).
Tab. 12
Häufigkeit und Lokalisation der OVT bei Thrombusaszension in das tiefe Beinvenensystem
(nach Daten aus [5]).
Lokalisation der OVT
|
Anzahl Patienten
|
Thrombusaszension, TVT
|
|
n = 263
|
n = 30
|
Magna-Krosse
|
58
|
8 (14 %)
|
Vena saphena magna OS
|
67
|
16 (24 %)
|
Vena saphena magna US
|
138
|
6 (4 %)
|
2. Koexistentes Bestehen einer OVT mit einer tiefen Beinvenenthrombose
Eine OVT kann sich durch appositionelles Wachstum über den Bereich der Krossen oder
Perforanten ausbreiten und somit eine tiefe Beinvenenthrombose verursachen. Durch
Aktivierung der Gerinnungskaskade kann bei der Entwicklung oder im Verlauf einer OVT
eine TVT nicht nur per continuitatem, sondern auch autochthon, somit auch am kontralateralen
Bein, entstehen. Dies ist auch der Grund, warum im Rahmen der Ultraschalldiagnostik
beide Beine untersucht werden sollen. In 16 Publikationen mit insgesamt 1745 OVT-Patienten
lag in 14,4 % der Fälle koexistent eine TVT vor ([Tab. 13]) [53].
Tab. 13
Häufigkeit der tiefen Beinvenenthrombose bei OVT-Patienten (nach Daten aus [51]).
Autor (Jahr)
|
OVT-Patienten
|
Beinvenenthrombose
|
|
n
|
Häufigkeit (%)
|
Gervais (1956) [52]
|
64
|
6
|
Gjores (1962) [53]
|
40
|
32
|
Hafner (1964) [54]
|
133
|
17
|
Lofgren (1981) [55]
|
163
|
8
|
Plate (1985) [56]
|
28
|
14
|
Bergqvist (1986) [14]
|
56
|
16
|
Skillman (1990) [32]
|
42
|
12
|
Lutter (1991) [20]
|
186
|
28
|
Prountjos (1991) [23]
|
57
|
20
|
Pulliam (1991) [24]
|
20
|
30
|
Lohr (1992) [57]
|
43
|
53
|
Jorgensen (1993) [58]
|
44
|
23
|
Ascer (1995) [59]
|
20
|
40
|
Blumenberg (1998) [60]
|
213
|
8,6
|
Bounameaux (1997) [61]
|
551
|
5,6
|
Murgia (1999) [62]
|
85
|
25,3
|
gesamt
|
1745
|
14,4 %[*]
|
* nach Studiengröße gewichteter Durchschnitt (vgl. [Tab. 3]).
In einer weiteren Metaanalyse wird über eine mittlere Prävalenz einer begleitenden
TVT von 18,1 % (95 %-KI 13,9–23,3 %) bei 4358 OVT-Patienten berichtet, wobei die Prävalenz
in den Studien mit prospektivem Design mit 24,0 % (95 %-KI 18,9–30,0 %) deutlich höher
liegt [14].
3. Koexistenz einer OVT mit einer Lungenembolie
In 8 Studien mit insgesamt 886 OVT-Patienten zeigte sich eine Lungenembolie in 6,3 %
der Fälle ([Tab. 14]) [53].
Tab. 14
Häufigkeit von Lungenembolien bei OVT-Patienten (nach Daten aus [51]).
Autor (Jahr)
|
OVT-Patienten
|
Lungenembolie
|
|
n
|
Häufigkeit (%)
|
Gjores (1962) [53]
|
40
|
5
|
Zollinger (1962) [63]
|
335
|
10,1
|
Lutter (1991) [20]
|
186
|
4
|
Pulliam (1991) [24]
|
20
|
0
|
Ascer (1995) [59]
|
20
|
0
|
Blumenberg (1998) [60]
|
213
|
0,93
|
Verlato et al. (1999) [26]
|
21
|
33,3
|
Unno (2002) [64]
|
51
|
7,8
|
gesamt
|
886
|
6,3 %[*]
|
* nach Studiengröße gewichteter Durchschnitt (vgl. Tab. 3).
In der bereits erwähnten Metaanalyse berichten di Minno et al. über eine ähnliche
mittlere Prävalenz von Lungenembolien von 6,9 % (95 %-KI 3,9–11,8 %) bei 2484 OVT-Patienten.
Werden nur die prospektiven Studien betrachtet, steigt die mittlere Prävalenz auf
8,2 % (95 %-KI 4,3–14,9 %) [14].
4. Rezidive
Schönauer et al. gingen der Frage nach, ob Patienten mit einer tiefen Beinvenenthrombose
(TVT) und gleichzeitig vorhandener OVT ein größeres Rezidivrisiko einer erneuten TVT
haben als Patienten mit einer solitären TVT. Die Rezidivquote betrug 27 % bei Patienten
mit OVT und 12 % bei Patienten ohne OVT, sodass sich das Rezidivrisiko für Patienten
mit OVT etwa verdoppelt (relatives Risiko 2,1; 95 %-KI 1,0–4,2) [40].
Wie häufig sich nach stattgehabter OVT ein thromboembolisches Ereignis entwickelt
und ggf. welche unabhängigen Faktoren das Rezidivrisiko hierfür erhöhen, ist u. a.
aktueller Gegenstand einer umfangreichen prospektiven Beobachtungsstudie (INSIGHTS-SVT)
[67]. Erste Ergebnisse werden in Kürze erwartet.
Histologische Befunde
Nach Ansicht von Davy et al. und Leu sollte der Begriff „Thrombophlebitis“ nicht mehr
verwendet werden, da er keine eindeutige Aussage über die Genese erlaubt [4]
[68]. Sie favorisieren die Begriffe „Phlebitis“ und „Thrombose“. Leu schlägt 3 verschiedene
Diagnosen vor, die er histopathologisch eindeutig definieren kann.
-
Varikothrombose, Varikophlebitis: Eine Thrombose in einer varikös veränderten Vene,
bedingt durch lokale Stase und Mikrotrauma; die Varikophlebitis ist eine Entzündung
im Varizenendothel.
-
Primäre Thrombose in nichtvariköser Vene, verursacht z. B. durch Gerinnungsstörungen
oder Tumorleiden.
-
Primäre Phlebitis mit oder ohne sekundäre Thrombose.
Diagnostik
1. Eigen- und Familienanamnese
Frühere OVT, Schmerzen im Bein, Varikose, Trauma, Tumorleiden, Gerinnungsstörungen,
orale Kontrazeptiva, tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie in der Eigenanamnese,
Thrombosen/Gerinnungsstörungen in der Familie, insbesondere Verwandte 1. Grades.
2. Inspektion und Palpation
Es finden sich eine umschriebene strangartige Formation im Verlauf einer oberflächlichen
Beinvene und ein geröteter Bezirk, der überwärmt und druckdolent ist, meist im Bereich der Vena
saphena magna oder parva.
Die Inspektion mittels Infrarotfotografie/Thermografie [69]
[70]
[71] wurde zunächst zur bildlichen Darstellung der Phlebitis oder Thrombose eingesetzt,
später jedoch von der Duplexsonografie abgelöst.
3. Labor- und Umfelddiagnostik
Der D-Dimer-Test ist nicht aussagekräftig bei der OVT. Gillet et al. führten den Test
an 100 Patienten mit gesicherter OVT und fehlenden Gründen für falsch positive D-Dimere
durch. Trotz bestehender OVT waren in 32 % keine erhöhten D-Dimere nachweisbar. Das
Testergebnis war abhängig vom Alter und Ausmaß des Thrombus. Bei allen über 70-jährigen
Patienten war der Test positiv, während sich bei den Jüngeren nur in 59 % der Fälle
ein positives Testergebnis zeigte. Ab einem Thrombusvolumen von 5914 mm3 waren alle Tests positiv, allerdings unterschritten 1/3 der Thromben im saphenofemoralen
Bereich diese kritische Größe [72]. Somit ist dieser Test zur Diagnostik der OVT nicht geeignet.
Gegebenenfalls müssen Gerinnungsfaktoren bestimmt werden, die eine Thrombophilie verursachen
können, insbesondere bei OVT in nichtvarikösen Venen, bei rezidivierenden Verläufen
und – analog zur Thombophilie-Diagnostik bei spontaner tiefer Beinvenenthrombose –
bei Patienten mit einem Lebensalter unter 50 Jahren. Das Thrombophilie-Screening besteht
gemäß der aktuellen Leitlinie aus: Faktor-V-Leiden-Mutation (ggf. alternativ APC-Resistenz-Test
als nichtgenetisches Screeningverfahren), Prothrombin-20 210-Mutation als genetische
Verfahren sowie Protein C, Protein S, Antithrombin, Lupus-Antikoagulans, Cardiolipin-Antikörper
und Antikörper gegen Beta-2-Glycoprotein-I als plasmatische Untersuchungsverfahren.
Die Bestimmung von Faktor VIII ist optional [73].
Bei Patienten mit einem Lebensalter von über 50 Jahren und insbesondere spontanen,
rezidivierenden OVTs in nichtvarikösen Venen sollte ein paraneoplastisches Geschehen
in Betracht gezogen werden. Als Mindestanforderung an die Untersuchungen zum Tumorausschluss
gilt: gezielte Anamneseerhebung, körperliche Untersuchung, Basislabor und Aktualisierung
der geschlechts- und altersspezifischen gesetzlichen Tumorfrüherkennungsmaßnahmen
[73].
4. Kompressionsultraschall (KUS) und farbkodierte Duplexsonografie (FKDS)
Im Rahmen der Ultraschalldiagnostik sollten mittels Kompressionssonografie (obligatorisch)
oder farbkodierter Duplexsonografie (fakultativ) die Lokalisation und die tatsächliche
Ausdehnung (Gesamtlänge) der OVT an den Stammvenen und ihren Seitenästen und die Abstände
(cm) zu den Krossen bzw. nahgelegenen Perforansvenen bestimmt werden. Dies ist hinsichtlich
der Therapiewahl von entscheidender Bedeutung. Eine entsprechende Klassifikation (Typen
A-D, vgl. Abschnitt „Klinischer Befund, Anatomie und Klassifikation“) kann hilfreich
sein. Es sollte beschrieben werden, ob der Thrombus die Vene partiell oder komplett
okkludiert oder im Venenlumen frei flottiert. In der Bild-Sonografie stellt sich die
OVT als teils echoarme, teils echoreiche Strukturen in subkutan gelegenen Venenabschnitten
dar, die nicht komprimierbar sind ([Abb. 3]).
Abb. 3 Kompressionsultraschall einer Varikothrombose am rechten Unterschenkel prätibial
(klinisches Bild vgl. Abb. 1). Teils wabenartig echoarme (links), teils konzentrisch
angeordnete echoreiche (rechts) Strukturen, die nicht komprimierbar sind. Thombusalter
anamnestisch ca. 2 Wochen (akut-subakutes Stadium einer OVT).
In der FKDS finden sich je nach intraluminaler Thrombusausdehnung entweder ein vollständiges
Fehlen von Flusssignalen oder umflossene Thromben sowie im weiteren Verlauf Rekanalisierungsprozesse.
Eine möglichst genaue Lokalisationsbeschreibung ermöglicht es dem nachfolgenden Untersucher,
eine Wachstumstendenz (Extension/Progression) im Rahmen von Kontrolluntersuchungen
diagnostizieren zu können. Außerdem sollte mittels Ultraschalldiagnostik geklärt werden,
ob koexistent eine tiefe Beinvenenthrombose vorliegt. Dabei ist auch das kontralaterale
Bein zu untersuchen. Die aktuelle europäische Leitlinie (ESVS) empfiehlt die Untersuchung
beider Beine einschließlich der Unterschenkeletage (WLUS = Whole leg ultrasound scan,
Empfehlungsgrad I, Evidenz-Level B) [3]. Im Verlauf sollte eine erneute Ultraschalluntersuchung erfolgen, um eine Progression
des Thrombus auszuschließen. Eine weitergehende Diagnostik, z. B. mittels Phlebografie
oder Funktionsmessungen, ist in der Regel nicht erforderlich.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch müssen ein Erysipel ggf. mit Fieber oder eine Kontaktdermatitis
nach Auftragen von Lokaltherapeutika ausgeschlossen werden, die sich jedoch mehr flächenhaft
manifestieren und keine strangartigen Indurationen in Venenverläufen aufweisen.
Zusammenfassung
Die vorliegende Publikation gibt einen Überblick über die derzeit in der Literatur
verfügbaren Daten aus umfangreichen Sammelstatistiken zur Epidemiologie, Ätiopathogenese,
Risikofaktoren und Koexistenzleiden der OVT. Zudem werden Klinik und Diagnostik betrachtet
und eine Klassifikation der OVT vorgeschlagen, die eine rasche Zuordnung zum therapeutischen
Vorgehen ermöglichen soll. Auf die Therapie der OVT wird im 2. Teil dieser Publikation
eingegangen.