Notfälle in der Rheumatologie
Prof. Dr. Raoul Bergner
Dr. Roger Scholz
Liebe Leserin, lieber Leser,
das aktuelle Themenheft der arthritis + rheuma befasst sich mit Notfällen in der Rheumatologie.
Notfälle können dabei sowohl durch die zugrunde liegende Erkrankung verursacht, aber
auch Folge der Therapie sein. Von besonderer Tragweite sind dabei Manifestationen
am Nervensystem oder der Niere, da sie zum einen äußerst vielschichtig in ihrem Erscheinungsbild
sein können, zum anderen aber auch weitreichende therapeutische Konsequenzen haben.
Bei den therapiebedingten Notfällen spielen auf Grund der meist vorhandenen immunsuppressiven
Therapie Infekte eine herausragende Rolle.
Verschiedene Autoren zeigen in ihren Beiträgen die Vielschichtigkeit und Komplexität
dieser Notfälle auf.
Herr Dr. Braner befasst sich in seinem Beitrag über infektiologische Notfälle mit
den verschiedenen immunologischen Auswirkungen der Grunderkrankungen und Therapien
mit ihren spezifischen Auswirkungen auf das Immunsystem. Daraus werden die bevorzugten
Erreger abgeleitet, an die bei entsprechender Symptomatik gedacht werden muss. Je
nach Grunderkrankung oder bestehender Therapie sind unterschiedliche Säulen der Immunabwehr
nur eingeschränkt funktionierend. Wichtig ist hierbei der Hinweis, sowohl auf atypische
Symptome zu achten wie auch zwischen einer vermeintlichen Reaktivierung der Grunderkrankung
und infektiologischen Ursachen zu differenzieren. Dies kann im Einzelfall eine differenzialdiagnostische
Herausforderung für den behandelnden Arzt sein.
In einem weiteren Beitrag stellt Herr Priv.-Doz. Dr. Wolf das Spektrum möglicher neurologischer
Manifestationen entzündlich rheumatischer Erkrankungen dar. Da rheumatische Erkrankungen
prinzipiell als Systemerkrankungen gesehen werden müssen, kann es bei nahezu allen
entzündlich rheumatischen Erkrankungen auch zu neurologischen Manifestationen kommen.
Diese können ein breites Spektrum von eher milden Beteiligungen des peripheren Nervensystems
bis zu schweren akut bedrohlichen Verläufen bei Beteiligung des zentralen Nervensystems
haben. Hier ist ein rasches Erkennen, eine zügige konsequente Diagnostik sowie die
Einleitung einer Therapie erforderlich, um dauerhafte Schäden abzuwenden.
Frau Prof. Weinmann-Menke stellt in ihrem Artikel die möglichen renalen Beteiligungen
verschiedener rheumatischer Erkrankungen sowie die jeweils erforderliche Diagnostik
ausführlich dar. Da renale Manifestationen klinisch inapparent verlaufen können, muss
diesen Organbeteiligungen eine gezielte Aufmerksamkeit gelten. Nur durch entsprechende
regelmäßige diagnostische Maßnahmen werden renale Beteiligungen rechtzeitig erkannt
und können behandelt werden, ehe es zu einer fortgeschrittenen Organschädigung kommt.
Kristallarthritiden sind zwar kein Notfall in der Rheumatologie aus Sicht der Schwere
der Erkrankung. Auf Grund ihrer jedoch teilweise akuten Symptomatik mit ausgeprägter
Gelenkschwellung, Rötung und Überwärmung sowie stärksten Schmerzen und hohen Entzündungswerten
gehören akute Kristallarthritiden zu den klinisch eindrucksvollsten Erkrankungen in
der Rheumatologie. Der Beitrag von Frau Dr. Frohne und Kollegen stellt diesen Krankheitskomplex
im Kontext rheumatologischer Notfälle dar.
Aus orthopädisch-rheumatologischer Sicht sind Infektionen als Notfälle von besonderer
Bedeutung. Dabei nimmt hinsichtlich infektiöser Manifestationen am Bewegungsapparat
die Spondylodiszitis eine gewisse Sonderstellung ein, die in der Arbeit von Herrn
Dr. von der Höh umfänglich dargestellt wird. Die frühzeitige Erkennung der Infektion
ist an der Wirbelsäule meist noch problematischer als am peripheren Gelenk. Gerade
bei rheumatischen Erkrankungen mit den ihnen zugehörigen systemischen Entzündungszeichen
kann im Zusammenhang mit dem sehr häufigen Leitsymptom Rückenschmerz die Diagnosestellung
erschwert sein. Die resultierenden Komplikationsmöglichkeiten sind hingegen zum Teil
noch schwerwiegender als an peripheren Skelettanteilen. Daher war es ein Anliegen
der Herausgeber, dieser speziellen Manifestation unter Bezugnahme auf die erst kürzlich
erschienene S-2k Leitlinie besonderen Raum zu geben.
Einem anderen Fokus im Rahmen rheumaorthopädischer Notfälle trägt Herr Prof. Heyde
in seinem Beitrag über die Frakturen an der Wirbelsäule bei der ankylosierenden Spondyloarthritis
Rechnung. Er belegt insbesondere die durch die axiale Manifestation bedingten biomechanischen
Veränderungen, die die Frakturanfälligkeit erhöhen, und weist eindrücklich auf die
Besonderheiten der notwendigen operativen Versorgung dieser Verletzungen hin. Darüber
hinaus wird die Erfordernis einer sehr subtilen Abklärung der gesamten spinalen Achse
selbst nach als Bagatelltrauma deklarierten Verletzungen für diese Klientel betont.
Ein Übersehen der oft schwer zu erkennenden traumatischen Schäden kann fatale Folgen
haben.
Wir hoffen, mit den Beiträgen zum Thema Notfälle in der Rheumatologie einen Beitrag
für den klinischen Alltag aller Kolleginnen und Kollegen zu geben, die Patientinnen
und Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen betreuen.